Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf Vorbehaltsnießbrauch - Verzicht auf testamentarisch vermachtes obligatorisches Wohnrecht - sonstige Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG - Abgrenzung private Versorgungsrente gegenüber privater Veräußerungsrente
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs kann eine unentgeltliche Vermögensübergabe sein mit der Folge, daß in sachlichem Zusammenhang hiermit vereinbarte --auf die Lebenszeit des Berechtigten gezahlte-- abänderbare Versorgungsleistungen als sonstige Bezüge aus wiederkehrenden Leistungen (§ 22 Nr.1 Satz 1 EStG) steuerbar sind.
2. Sind ebensolche Leistungen --weil "nach kaufmännischen Grundsätzen bemessen"-- Gegenleistung für den Verzicht auf den Nießbrauch, sind die wiederkehrenden Bezüge beim Berechtigten nur mit ihrem Zinsanteil steuerbar.
3. Der Zinsanteil ist grundsätzlich finanzmathematisch unter Verwendung eines Rechnungszinsfußes von 5,5 v.H. zu berechnen. Die voraussichtliche Laufzeit der wiederkehrenden Bezüge ist nach den biometrischen Durchschnittswerten der Allgemeinen Deutschen Sterbetafel (VStR Anhang 3) anzusetzen.
Orientierungssatz
1. Ein Verzicht auf ein testamentarisch vermachtes obligatorisches Wohnrecht gegen ein wirtschaftlich gleichwertiges Entgelt im privaten Bereich ist nicht steuerbar. Ein solcher Verzichtsvertrag begründet insbesondere kein nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbares Nutzungsverhältnis, weil dieser Rechtsvorgang unter Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände als veräußerungsähnlicher Vorgang dem Normalbild einer (entgeltlichen) Vermögensumschichtung entspricht (Festhaltung an BFH-Urteil vom 9.8.1990 X R 140/88). Die gleichen Rechtsgrundsätze gelten für den entgeltlichen Verzicht auf einen dinglichen Vorbehaltsnießbrauch.
2. Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und um des Entgelts willen erbracht wird; ausgenommen sind Veräußerungsvorgänge und veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür gezahlt wird, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. Eine Gegenleistung für den Verzicht auf einen Vorbehaltsnießbrauch an einem Grundstück ist keine Entschädigung für entgehende Einnahmen i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 9.8.1990 X R 140/88).
4. Der Nießbrauch kann als vermögenswerter Gegenstand des Rechtsverkehrs ebenso wie das belastete Grundstück selbst Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein. Dies jedenfalls unter der Voraussetzung, daß er für den Nießbraucher eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit ist und der Verzicht einer Hofübergabe und Betriebsübergabe wirtschaftlich gleichzustellen ist. Der Verzicht auf den Nießbrauch kann aber auch ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft oder zumindest ein "veräußerungsähnlicher Vorgang" sein, wobei die Zahlung eines Einmalbetrags als Gegenleistung --als Vermögensumschichtung im privaten Bereich-- beim Empfänger nicht steuerbar ist.
5. Die im BFH-Urteil vom 29.1.1992 X R 193/87 zusammenfassend dargestellten Kriterien zur Unterscheidung zwischen betrieblicher Veräußerungsrente bzw. Erwerbsrente und private Versorgungsrente sind auch maßgebend für die Abgrenzung der privaten Versorgungsrente gegenüber der privaten Veräußerungsrente.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1 Sätze 1, 3, Nr. 3, § 23 Nr. 1 Buchst. a, § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 21 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Gesamtrechtsnachfolger der im Jahre 1986 verstorbenen M. D. Diese hatte mit Vertrag vom 23.Dezember 1974 das im Privatvermögen gehaltene Wohn- und Geschäftshaus J-Straße 46 in D zum Kaufpreis von 538 800 DM an ihren Sohn A. D., den Kläger zu 1, veräußert und sich zugleich einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch vorbehalten. Mit Vertrag vom 16.Juli 1984 verzichtete M. D. auf den Nießbrauch. Sie erhielt statt dessen an dem Grundstück ein lebenslängliches unentgeltliches "Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht". Das Wohnrecht erstreckte sich auf die im 1.Obergeschoß gelegene Wohnung, das Mitbenutzungsrecht auf alle zum gemeinsamen Gebrauch aller Hausbewohner dienenden Einrichtungen und Anlagen, insbesondere auf den Keller und den Hausgarten. A. D. verpflichtete sich, "an seine Mutter zur Abgeltung ihrer Rechte aus dem vorbehaltenen Nießbrauch auf Lebenszeit 50 v.H. der aus dem Objekt D, J-Straße 46, erzielten Mieteinnahmen, mindestens jedoch 24 000 DM jährlich abzuführen". M. D. erhielt monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 2 000 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat unter Berufung auf Tz.43 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15.November 1984 (BStBl I 1984, 561 betreffend die einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs und anderer Nutzungsrechte bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung --Nießbrauchs-Erlaß--) die Auffassung, die Zahlungen für die Ablösung des Nießbrauchs seien bei M. D. nach § 22 Nr.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbar.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Zahlungen für die Ablösung des Nießbrauchs seien bei M. D. nachträglicher Veräußerungserlös für den Verkauf des Grundstücks. Die Nichtsteuerbarkeit dieses Rechtsvorgangs ergebe sich aus der gebotenen einschränkenden Auslegung des § 22 Nr.3 EStG: Die Umschichtung privaten Vermögens sei nur unter den Voraussetzungen der §§ 22 Nr.2, 23 EStG steuerbar (Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5.August 1976 VIII R 117/75, BFHE 120, 182, BStBl II 1977, 27). Auch veräußerungsähnliche Vorgänge fielen nicht in den Anwendungsbereich des § 22 Nr.3 EStG. Solche Vorgänge lägen vor, wenn ein Entgelt für die Minderung eines Vermögenswertes in seiner Substanz gezahlt werde. Im Streitfall führe der Verzicht auf den Nießbrauch zum Verlust dieses Vermögenswertes seiner Substanz nach; dies, nicht aber die Nutzungsüberlassung werde durch die wiederkehrenden Bezüge entgolten. Dieses Ergebnis lasse sich auch aus Tz.46 des Nießbrauchs-Erlasses herleiten: Die Ablösezahlungen seien beim Verpflichteten als Anschaffungskosten zu behandeln; dieser veräußere sein Grundstück "gewissermaßen in zwei Etappen". Dem stehe nicht entgegen, daß die Zahlungen wiederkehrend und nicht in einem Gesamtbetrag geleistet würden. Solche Zahlungen seien steuerrechtlich regelmäßig als Kaufpreisraten zu behandeln. Anhaltspunkte dafür, daß die Ablösezahlungen aus verwandtschaftlichen Erwägungen "nicht richtig" bemessen wären, seien weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 22 Nr.3 EStG. Die Ablösezahlungen seien hier nicht Ausgleich für den endgültigen Verlust eines Wirtschaftsgutes in seiner Substanz, sondern das Entgelt für eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit bzw. für den Verzicht auf eine bestimmte Nutzungsmöglichkeit; sie seien daher Gegenleistung für eine Nutzungsüberlassung. Jedenfalls seien sie Entschädigungen i.S. des § 24 Nr.1 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Zahlungen zur Ablösung des vorbehaltenen Nießbrauchs sind weder nach § 22 Nr.3 EStG noch nach § 24 Nr.1 EStG steuerbar.
a) Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr.3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und um des Entgeltes willen erbracht wird; ausgenommen sind Veräußerungsvorgänge und veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür gezahlt wird, daß ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (BFH-Urteile vom 21.September 1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201; vom 28.November 1984 I R 290/81, BFHE 143, 38, BStBl II 1985, 264).
Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 9.August 1990 X R 140/88 (BFHE 161, 531, BStBl II 1990, 1026) entschieden, daß ein Verzicht auf ein testamentarisch vermachtes obligatorisches Wohnrecht gegen ein wirtschaftlich gleichwertiges Entgelt im privaten Bereich nicht steuerbar ist. Er hat in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des BFH ausgeführt, daß ein solcher Verzichtsvertrag insbesondere kein nach § 22 Nr.3 EStG steuerbares Nutzungsverhältnis begründet, weil dieser Rechtsvorgang unter Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände als veräußerungsähnlicher Vorgang dem Normalbild einer (entgeltlichen) Vermögensumschichtung im privaten Bereich entspricht. - An dieser Auffassung hält der Senat fest.
Die gleichen Rechtsgrundsätze gelten für den entgeltlichen Verzicht auf einen dinglichen Vorbehaltsnießbrauch. Auch dieses vermögenswerte Nutzungsrecht kann Gegenstand einer Veräußerung an den Eigentümer bzw. eines steuerrechtlich gleichwertigen veräußerungsähnlichen Vorgangs sein. Der Berechtigte erhält ein Entgelt für die vollständige Aufgabe seiner Rechtsposition.
Diese Rechtsansicht wird gestützt durch die Überlegung, daß in Fällen, wie dem vorliegenden, mit der "Veräußerung" des Nutzungsrechts an den Eigentümer der zweite Teilakt einer auf Rechtsübertragung angelegten Vermögensumschichtung im privaten Bereich vollzogen wird: Nachdem M. D. mit Vertrag vom 23.Dezember 1974 die Veräußerungsbefugnis übertragen hatte, hat sie sich mit dem Verzicht auf den Nießbrauch ihrer dinglichen Nutzungsbefugnis begeben; diese steht auch dann, wenn hier zivilrechtlich keine "Übertragung" anzunehmen wäre, nunmehr dem Eigentümer zu.
Dieser Rechtsvorgang ist entgegen Tz.43 des Nießbrauchs- Erlasses unabhängig davon nicht steuerbar, ob das Nutzungsrecht anläßlich einer unentgeltlichen Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder --wie möglicherweise im Streitfall-- im Rahmen eines entgeltlichen Veräußerungsgeschäftes vorbehalten worden war. Ein Grund für die im Nießbrauchs-Erlaß getroffene Unterscheidung ist nicht erkennbar.
b) Eine Gegenleistung für den Verzicht auf einen Vorbehaltsnießbrauch ist auch keine Entschädigung für entgehende Einnahmen i.S. von § 24 Nr.1 Buchst.a i.V.m. § 21 Abs.1 Nr.1 EStG (Senatsurteil in BFHE 161, 531, BStBl II 1990, 1026).
2. Das FG hat zu Unrecht nicht geprüft, ob die Zahlungen als Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen in vollem Umfang nach § 2 Abs.1 Satz 1 Nr.7 i.V.m. § 22 Nr.1 Satz 1 EStG oder mit ihrem Zinsanteil als Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 2 Abs.1 Satz 1 Nr.5 i.V.m. § 20 Abs.1 Nr.8 EStG 1983 steuerbar sind. Eine Leibrente kommt hier bereits wegen der Abänderbarkeit der Leistungen nicht in Betracht.
a) Das FG meint, ein entgeltlicher Veräußerungsvorgang liege deswegen vor, weil die Ablösezahlung "richtig bemessen" sei. Indes findet diese Auffassung des FG im bisher festgestellten Sachverhalt keine ausreichende Grundlage. Vielmehr ist in Betracht zu ziehen, daß die Vertragschließenden zur Vorwegnahme der Erbfolge einen Rechtsvorgang vereinbart haben, der nach den Grundsätzen über die Vermögensübergabe gegen lebenslängliche Versorgungsleistungen zu beurteilen ist.
b) Die Zahlungen sind nach § 22 Nr.1 Sätze 1 oder 3 EStG steuerbar, wenn sich der Verzicht auf den Nießbrauch als (unentgeltliche) Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen darstellt; dann handelt es sich, sofern wie hier abänderbare Leistungen vereinbart sind, um eine private Versorgungsrente, die in vollem Umfang beim Verpflichteten als dauernde Last (§ 10 Abs.1 Nr.1 a Satz 1 EStG) abziehbar und beim Bezieher als Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr.1 Satz 1 EStG) steuerbar ist.
aa) Hinsichtlich der Grundsätze über die --unentgeltliche-- Vermögensübergabe gegen --abänderbare oder nichtabänderbare-- Versorgungsleistungen wird auf die Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 ff., BStBl II 1990, 847) und vom 15.Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) Bezug genommen.
bb) Im Anschluß an diese Beschlüsse hat der erkennende Senat mit Urteil vom 3.Juni 1992 X R 14/89 (BFHE 169, 25, BStBl II 1993, 23) entschieden: Anläßlich einer unentgeltlichen Übergabe von Vermögen kann vereinbart werden, daß ein zunächst zugunsten des Übergebers vorbehaltener Nießbrauch später durch Versorgungsleistungen abgelöst wird. Des weiteren hat er durch Urteil vom 3.Juni 1992 X R 147/88 (BFHE 169, 127, BStBl II 1993, 98) erkannt, daß beim Verpflichteten als Sonderausgabe abziehbare wiederkehrende Leistungen auch in der Weise begründet werden können, daß ein Nießbrauch, den sich der Übergeber eines Vermögens vorbehalten hatte, durch eine dauernde Last abgelöst wird. Dies gilt auch dann, wenn die Ablösung des Nießbrauchs nicht bereits im Übergabevertrag vereinbart war. Eine solche private Versorgungsrente ist beim Bezieher nach § 22 Nr.1 Satz 1 EStG steuerbar. Die letztere Entscheidung beruht auf der Erwägung, daß ein für die Abziehbarkeit als dauernde Last erforderlicher "sachlicher Zusammenhang" mit der Vermögensübergabe dann besteht, wenn die Versorgungsrente --wenn auch betragsmäßig eingeschränkt-- den ursprünglich vereinbarten Vorbehaltsnießbrauch ersetzt. Dieser Sachverhalt ist im Streitfall nicht gegeben, da sich M. D. den Nießbrauch im Rahmen einer entgeltlichen Veräußerung des Grundstücks vorbehalten hatte.
cc) Gleichwohl können Versorgungsleistungen i.S. des § 22 Nr.1 Satz 1/§ 10 Abs.1 Nr.1 a Satz 1 EStG vorliegen, da im Streitfall der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht eine Vermögensübergabe im Rechtssinne sein kann.
Der Große Senat hat in seinen Beschlüssen in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 und BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 nicht abschließend festgelegt, was unter einer Vermögensübergabe zu verstehen ist. Der erkennende Senat hat hierzu durch Urteil vom 27.Februar 1992 X R 136/88 (BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609) entschieden: Mit diesem Begriff wird auf ein Institut des Zivilrechts verwiesen, dessen Kernbereich die Übergabe von Wirtschaftseinheiten wie Hof oder Gewerbebetrieb betrifft. Das bei Hof- und Betriebsübergaben als den idealtypischen Fällen der Vermögensübergabe übertragene Vermögen ist eine Wirtschaftseinheit, die die Existenz der weichenden Generation wenigstens teilweise sichert und dem Übernehmer zur Fortsetzung des Wirtschaftens überlassen wird.
Nach Auffassung des erkennenden Senats kann der Nießbrauch als vermögenswerter Gegenstand des Rechtsverkehrs ebenso wie das belastete Grundstück selbst Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein. Dies jedenfalls unter der Voraussetzung, daß er für den Nießbraucher eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit ist und der Verzicht einer Hof- und Betriebsübergabe wirtschaftlich gleichzustellen ist. Diese Voraussetzung liegt hier im Hinblick auf Wert und Nutzungsart des belasteten Grundstücks vor.
Hierbei ist unerheblich, daß der Nießbrauch im Fall des Verzichts nicht Gegenstand einer bürgerlich-rechtlichen "Übertragung" ist, sondern mit dem Verzicht erlischt. Auf die zivilrechtliche Konstruktion des Vorgangs kommt es nicht an; entscheidend ist vielmehr, daß der Grundstückseigentümer aufgrund des Verzichts die zuvor "abgespaltene" dingliche Nutzungsbefugnis erwirbt und sein Eigentum dadurch "zum Vollrecht erstarkt". Dem entspricht auf Seiten des ablösenden Eigentümers die steuerrechtliche Wertung, daß --im Falle eines entgeltlichen Vorgangs-- dieser Aufwendungen tätigt, um die Beschränkungen seiner Eigentümerbefugnisse aufzuheben und die freie Verfügungsbefugnis i.S. von § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu erlangen; diese Aufwendungen sind Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 21.Juli 1992 IX R 72/90, BFHE 169, 317 bestimmt). Ein solcher Vermögenswert kann aber, wovon auch der IX.Senat im vorgenannten Urteil (a.a.O., unter 6.) ausgeht, auch Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein.
dd) Der vom IX.Senat des BFH entschiedene Fall unterscheidet sich vom hier zu beurteilenden dadurch, daß dort Einmalzahlungen als Anschaffungskosten behandelt wurden. Der erkennende Senat läßt dahingestellt, wie zu entscheiden wäre, wenn im Rahmen eines Vergleichs (§ 779 BGB) Versorgungsleistungen für die Vergangenheit vereinbart und in einem Betrag nachgezahlt werden. Werden lebenslänglich wiederkehrende Leistungen vereinbart, ist die vom Großen Senat im Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 vorgezeichnete Grenzziehung zwischen der entgeltlichen Anschaffung und der unentgeltlichen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zu beachten (Senatsurteil in BFHE 169, 127, BStBl II 1993, 98, unter 5.).
c) Der Verzicht auf den Nießbrauch kann aber auch, wie dargelegt, ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft oder zumindest ein "veräußerungsähnlicher Vorgang" sein. Die Zahlung eines Einmalbetrages als Gegenleistung ist zwar --als Vermögensumschichtung im privaten Bereich-- beim Empfänger nicht steuerbar. Dies schließt nicht aus, daß nach den allgemeinen Grundsätzen über die Verzinslichkeit langfristig gestundeter Forderungen die in den einzelnen Zahlungen enthaltenen Zinsanteile als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Steuer unterliegen.
aa) Der erkennende Senat hat mit Urteil in BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609 entschieden, daß --außerhalb des Sonderrechts der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen-- auf die Lebenszeit einer Bezugsperson gezahlte abänderbare Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung beim Verpflichteten von Beginn an in einen Vermögensumschichtungs- und einen Zinsanteil zu zerlegen sind. Entsprechendes gilt für die steuerrechtliche Behandlung der wiederkehrenden Leistungen beim Bezieher. Durch Urteil vom 26.November 1992 zum Az. X R 187/87 (BStBl II 1993, 298) hat der Senat zur Auszahlung eines erbrechtlichen Anspruchs in Form von wiederkehrenden Leistungen auf die Dauer von 15 Jahren entschieden, daß sich eine Neutralisierung der Vermögensumschichtung (einschließlich der Tilgung einer Forderung) aus der verfassungskonformen Auslegung der §§ 2 Abs.1, 22 Nr.1 Satz 1 EStG ergibt. Die vom Einkommensteuerrecht verlangte Trennung der Vermögensumschichtung vom Rentenertrag ist auch in den Fällen zu beachten, in denen gleichmäßige Leistungen von der Lebensdauer einer Person abhängen und dadurch ein vom Zinsfuß und von der Lebensdauer beeinflußter Ertrag bzw. Zinsaufwand zu erfassen ist (Großer Senat in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C.II.2.). Die Erfassung des steuerbaren Zinsanteils ist unabhängig davon steuerrechtlich geboten, daß dieser anhand zu schätzender Barwerte finanzmathematisch errechnet werden muß. Der Rechnungszinsfuß ist in Anlehnung an die Rechnungsgrundlagen der Ertragswerttabelle des § 22 Nr.1 Satz 3 Buchst.a EStG mit 5,5 v.H. zu beziffern.
bb) Die Notwendigkeit einer Trennung von Zins- und Tilgungsanteil ist --als verfassungskonform eingegrenzte Grundaussage des § 2 Abs.1 EStG über die steuerbaren Einkünfte-- auch dann zu beachten, wenn ein Steuerpflichtiger von seiner Lebenszeit abhängige abänderbare wiederkehrende Leistungen bezieht. Die Einkommensteuer erfaßt die (durch Tatbestandsverwirklichung i.S. des § 2 Abs.1 EStG konkretisierte) Vermögensmehrung, nicht den Vermögensbestand und infolgedessen auch nicht die bloße Vermögensumschichtung (Kirchhof in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 2 Rdnr.A 95). Eine --nur praktische-- Schwierigkeit liegt in der Notwendigkeit, die Laufzeit der wiederkehrenden Bezüge zu bestimmen, von der gleichfalls die Höhe des Zinsanteils abhängt. In dieser Hinsicht sind --zur Gleichbehandlung im wesentlichen gleicher Sachverhalte-- die biometrischen Durchschnittswerte der Allgemeinen Deutschen Sterbetafel (Vermögensteuer-Richtlinien Anhang 3) maßgebend, die ebenso wie der Rechnungszinsfuß von 5,5 v.H. der Ertragswerttabelle des § 22 Nr.1 Satz 3 Buchst.a EStG zugrunde liegen.
d) Ob eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen (oben a) oder eine --nur mit einem Zinsanteil steuerbare-- Vermögensumschichtung (oben b) vorliegt, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Unterscheidung zwischen der Veräußerungsrente und der privaten Versorgungsrente; die im Senatsurteil vom 29.Januar 1992 X R 193/87 (BFHE 167, 95, BStBl II 1992, 465) zusammenfassend dargestellten Kriterien sind auch maßgebend für die Abgrenzung der privaten Versorgungsrente gegenüber der im Streitfall in Betracht kommenden privaten Veräußerungsrente.
3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich seine Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend darstellt, war das angefochten Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus zu beurteilen, ob die Vertragschließenden ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft oder eine Vermögensübergabe gegen wiederkehrende (Versorgungs-)Leistungen vereinbart haben. Von dieser Frage hängt die Prüfung ab, ob sie in vollem Umfang steuerbare (§ 22 Nr.1 Satz 1 EStG) und beim Verpflichteten abziehbare (§ 10 Abs.1 Nr.1 a Satz 1 EStG) wiederkehrende Leistungen vereinbart haben oder ob nur die Zinsanteile zur Steuer heranzuziehen sind (§ 20 Abs.1 Nr.8 EStG 1983).
Fundstellen
Haufe-Index 64151 |
BFH/NV 1993, 20 |
BFHE 170, 76 |
BFHE 1993, 76 |
BB 1993, 1719 |
BB 1993, 1719-1721 (LT) |
DB 1993, 816-818 (LT) |
DStR 1993, 683 (KT) |
DStZ 1993, 249 (KT) |
HFR 1993, 297 (LT) |
StE 1993, 140 (K) |