Entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchs an einem GmbH-Anteil

Die entgeltliche Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchrechts an einem GmbH-Anteil ist nicht einkommensteuerbar, wenn dem Nießbrauchberechtigten durch die Übertragung kein wirtschaftliches Eigentum mehr an dem GmbH-Anteil zusteht. Die Ablösungszahlung ist dann eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung.

Blick in die Rechtslage

Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge werden oftmals auch Nießbrauchregelungen vereinbart. Der Schenker überträgt hierbei das Eigentum an einem Vermögenswert, behält sich jedoch das Recht vor, weiterhin die Erträge daraus zu nutzen (§§ 1030 ff BGB).

Das Nießbrauchrecht mindert in Höhe seines Kapitalwerts (§§ 13, 14 BewG) die Bemessungsgrundlage bei der Schenkungsteuer (§ 10 Abs. 5 ErbStG).

Ertragsteuerrechtlich ist die Nießbraucheinräumung aber kein Entgelt für das übertragene Vermögen (BMF, Schreiben v. 13.1.1993, BStBl I 1993, 80 Rz. 10). So ist beispielsweise die Übertragung einer wesentlichen Beteiligung i.S.d. § 17 EStG unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine unentgeltliche Vermögensübertragung und keine Veräußerung i.S.d. § 17 EStG.

Ein späterer unentgeltlicher Nießbrauchverzicht stellt eine freigebige Zuwendung i.S.d. ErbStG dar; dies gilt jedoch nicht, falls auf das Nießbrauchrecht entgeltlich verzichtet wird.

Offene Frage

Der BFH musste sich nunmehr mit der Frage befassen, wie eine solche entgeltliche Ablöse des zunächst unentgeltlich bestellten Vorbehaltsnießbrauchs an einem GmbH-Anteil beim Nießbraucher ertragsteuerlich zu behandeln ist.

Sachverhalt: Entgeltliche Ablösung eines unentgeltlichen Nießbrauchrechts

Der der BFH-Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:

  • Die Klägerin war zunächst mit 20 % an der Z-GmbH beteiligt.
  • In 2012 übertrug die Klägerin ihre sämtlichen Anteile an der Z-GmbH unentgeltlich auf ihren Sohn S und behielt sich den Nießbrauch (insbesondere Gewinnbezugsrecht) vor.
  • Zudem stand der Klägerin weiterhin die unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht in Gesellschafterversammlungen zu.
  • Bei Vorversterben des Sohns wurde ein Rückübertragungsrecht eingeräumt.
  • In 2018 veräußerte der Sohn der Klägerin die Gesellschaftsanteile für 2,4 Mio. EUR.
  • In diesem Zusammenhang wurde das Nießbrauchrecht gegen Zahlung von rd. 1,9 Mio. EUR aufgehoben.
  • Die Ablösezahlung behandelte die Klägerin als nicht steuerbare Vermögensumschichtung (vgl. BMF, Schreiben v. 30.9.2013, BStBl I 2013, 1189 Rz. 58).

Dem schloss sich das Finanzamt nicht an. Vielmehr erziele sie Einkünfte aus § 17 EStG, weil das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen weiterhin bei der Nießbraucherin liege.

FG Nürnberg: Die Ablösungszahlung löst Kapitaleinkünfte aus

Das FG Nürnberg (Urteil v. 29.9.2023, 7 K 1029/21) behandelte die Zahlung für die Ablösung eines im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich bestellten Vorbehaltsnießbrauchs am Gewinnbezugsrecht aus GmbH-Geschäftsanteilen als Entschädigung für entgangene Einnahmen. Die Nießbrauchberechtigte habe die Einnahmen gem. § 24 Nr. 1a i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern.

Beachtenswert ist, dass die Klägerin laut FG Nürnberg trotz des Nießbrauchrechts, der Stimmrechtsvollmacht und des Rückübertragungsrechts nicht (mehr) zumindest wirtschaftliche Eigentümerin des GmbH-Anteils gewesen sein solle.

Entscheidung des BFH: Nicht steuerbare Vermögensumschichtung

Der BFH hat die Revision der Klägerin als begründet angesehen und der Klage stattgegeben.

Der BFH ging entsprechend den Feststellungen des FG davon aus, dass die Klägerin mit Übertragung der GmbH-Anteile auch das wirtschaftliche Eigentum verloren habe. Bei fehlendem wirtschaftlichen Eigentums seien auch andere Besteuerungstatbestände ausgeschlossen (Rz. 19).

Der BFH weist zudem auf Folgendes hin:

  • Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist grundsätzlich der Anteilseigner (Rz. 14).
  • Einem zivilrechtlich hiervon abweichenden Gläubiger der Ausschüttung (z. B. aufgrund einer Nießbrauchbestellung) ist die Ausschüttung nur dann einkommensteuerlich zuzurechnen, wenn ihm die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und seine Rechtsposition somit über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht. Hierfür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil einräumt (Rz. 15).
  • Liegen keine steuerbaren Einkünfte vor, können diese auch nicht durch § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG fingiert werden.
  • Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch eine Erfassung von Einkünften aus § 17 EStG aus.

Praxisfolgen

In der Rezensionsentscheidung hat der BFH geklärt, wie die entgeltliche Ablösung eines unentgeltlich eingeräumten Nießbrauchs an einem GmbH-Anteil zu behandeln ist. Diese Entscheidung ist über den Einzelfall hinweg für alle offenen Fälle bedeutsam. Ob der Gesetzgeber als Reaktion auf die unliebsame Rechtsprechung mit einem rechtsprechungsbrechenden Gesetz reagieren wird, bleibt abzuwarten.

Unwahrscheinlich dürfte dies nicht sein, weil

  • beim Zahlenden die Ablösezahlung zu nachträglichen Anschaffungskosten der GmbH-Anteile führt (BFH, Urteil v. 18.11.2014, IX R 49/13, BStBl II 2015, 224) und sich dies auf die Versteuerungshöhe nach § 17 EStG auswirkt,
  • während der Ablösungsempfänger keine ertragsteuerpflichtige Einkünfte erzielt.

Fraglich ist, ob die unentgeltliche Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch und die spätere entgeltliche Ablösung des Nießbrauchrechts auch dann beim die Ablöse Empfangenden nicht steuerbar ist, wenn die zweistufige Übertragung auf einem einheitlichen Entschluss beruht und die Gesamtplanrechtsprechung zur Anwendung kommt.

Beachtenswert ist zudem ein weiteres beim BFH anhängiges Verfahren (FG Köln, Urt. v. 29.2.2024, 7 K 95/23, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IX R 14/24). Auch nach der Entscheidung des FG Köln führt die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchrechts in Form des entgeltlichen Verzichts auf ein Nießbrauchrecht – mangels Rechtsträgerwechsels – nicht zu steuerbaren Einkünften. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten; es ist aber damit zu rechnen, dass der BFH auch in diesem Fall die Abfindung als eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung einordnen wird.

Die Entscheidung ist nur dann bedeutsam, wenn der Nießbrauchberechtigte kein wirtschaftlicher Eigentümer mehr ist. Der BFH hat sich im Entscheidungsfall nicht näher hiermit auseinandergesetzt und auf die Feststellungen des FG verwiesen. Offensichtlich will der BFH bei Einräumung eines Nießbrauchrechts regelmäßig nicht von einem wirtschaftlichen Eigentum des Nießbrauchberechtigten ausgehen.

BFH, Urteil v. 20.9.2024, IX R 5/24; veröffentlicht am 28.11.2024

Alle am 28.11.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen