Auftragsprüfung bei einem Steuerberater
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Außenprüfungen werden von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt. Sie können jedoch auch andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen (§ 195 AO).
Sachverhalt: Ermessenserwägung bei einer Auftragsprüfung
Streitig war die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung.
Dem Streitfall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
- Der Kläger ist Steuerberater. Am 20.1.2020 leitete das Finanzamt N ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger ein.
- Mit einem innerdienstlichem Schreiben beauftragte das für die Besteuerung des Klägers zuständige Finanzamt B (FA B) den Beklagten (FA C) mit einer Außenprüfung beim Kläger. Das FA C ordnete auftragsgemäß beim Kläger die Außenprüfung an und verwies auf seine Beauftragung durch das FA B.
Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und machte u.a. geltend, die Anordnung einer Auftragsprüfung durch das FA C sei ermessensfehlerhaft. Das FA B habe bei ihm bereits zwei Prüfungen durchgeführt, wobei es nie zu Spannungen gekommen sei.
Das FA C wies den Einspruch des Klägers nach Einholung der vom FA B angestellten Ermessenserwägungen zurück.
Die dagegen gerichtete Klage des Klägers hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Prüfungsanordnung aufgehoben.
Entscheidung: BFH hebt das Urteil des FG auf – Prüfungsanordnung war rechtmäßig
Der BFH hebt die Vorentscheidung auf und weist die Klage als unbegründet ab.
Wie sich aus § 195 AO ergibt, werden Außenprüfungen von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt. Diese können andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen.
Ermessensentscheidung
Die Prüfungsanordnung ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu ihrem Verständnis erforderlich ist. Die Begründung muss die Ermessenserwägungen der Behörde erkennen lassen. Um eine solche Ermessensentscheidung handelt es sich bei der Anordnung einer Auftragsprüfung. Da hiervon auch die Belange des Steuerpflichtigen berührt werden, müssen in der Prüfungsanordnung die Gründe für die Übertragung der Prüfung genannt werden.
Wird die Prüfungsanordnung angefochten, ist inzident auch die Rechtmäßigkeit der innerdienstlichen Beauftragung zu prüfen.
Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO). Eine Ermessensentscheidung ist im Einspruchsverfahren voll zu überprüfen (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO). Gegebenenfalls ist eine neue Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist die Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen, wie sie sich im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung darstellt.
Das FG kann die behördliche Ermessensentscheidung nach § 102 FGO nur darauf überprüfen, ob die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten sind. Ein eigenes Urteil, ob eine andere Entscheidung (sach-)gerechter oder zweckmäßiger gewesen wäre, steht dem FG nicht zu. Maßgeblich ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.
Das Urteil des FG kann keinen Bestand haben.
Der BFH führt hierzu aus:
- Ein Ermessensfehler kann vorliegen, wenn bei einem Steuerberater die Anordnung einer Auftragsprüfung ihm gegenüber zunächst (nur) mit der Vermeidung von typischerweise zu erwartenden Spannungen begründet wird und sich dann herausstellt, dass die Beauftragung daran (voraussichtlich) nichts ändert, weil bei Durchführung der Prüfung durch das beauftragte Finanzamt typischerweise mit ebensolchen Spannungen gerechnet werden muss.
- Eine solche Konstellation kann etwa vorliegen, wenn der Steuerberater seine beratende Tätigkeit in gleichem Umfang (oder sogar noch intensiver) im Bezirk des beauftragten Finanzamts entfaltet. Die typisierende Vermutung von Spannungen bei der Prüfung eines Steuerberaters durch das zuständige Finanzamt beruht auf der Annahme, dass der Steuerberater typischerweise seine beratende Tätigkeit schwerpunktmäßig im Bezirk des für ihn zuständigen Finanzamts ausübt. Ist das nicht der Fall, sondern übt er seine Tätigkeit sogar schwerpunktmäßig im Bezirk des beauftragten Finanzamts aus, kann die Auftragsprüfung den ihr zugedachten Zweck nicht erfüllen.
- Zur sachgemäßen Ausübung und Begründung des Ermessens bei der Anordnung einer Auftragsprüfung genügt grds. eine typisierende Beurteilung. Macht der Steuerpflichtige keine besonderen Umstände geltend, die im Einzelfall gegen die Grundannahme sprechen und deshalb Veranlassung zu einer Änderung der Ermessensentscheidung geben könnten, hat es dabei sein Bewenden. Deshalb kann es genügen, wenn mit der Außenprüfung bei einem Steuerberater wegen typischerweise zu erwartenden Spannungen ein benachbartes Finanzamt beauftragt wird. In diesem Fall bedarf es auch hinsichtlich der Ausübung des Auswahlermessens keiner weiteren Erwägungen oder Begründungen. Auf der Grundlage der Annahme, dass der Steuerberater seine beratende Tätigkeit typischerweise überwiegend im Bezirk des für seine Besteuerung zuständigen Finanzamts entfaltet, ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Beauftragung eines anderen Finanzamts dazu führen wird, die zu erwartenden Spannungen zu verringern.
- Sind dem beauftragenden Finanzamt tatsächliche Umstände bekannt, die diese Annahme erschüttern können, muss es sie bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen.
- Macht der Steuerpflichtige im Einspruchsverfahren Umstände geltend, die geeignet sind, die Grundannahme zu erschüttern, dass er seine Tätigkeit schwerpunktmäßig im Bezirk des für ihn zuständigen Finanzamts entfaltet, hat das Finanzamt dem nachzugehen. Die Ermessensentscheidung ist im Kern eine Einzelfallprüfung. Eine Verpflichtung, derartige Umstände bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens von Amts wegen aufzuklären und zu berücksichtigen, besteht aber nicht.
Prüfungsanordnung rechtmäßig
Bei Anwendung der dargelegten Grundsätze ist die angefochtene Prüfungsanordnung rechtmäßig.
Die Einspruchsentscheidung enthält die tragenden Ermessenserwägungen für die Anordnung einer Auftragsprüfung durch ein benachbartes Finanzamt.
Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend
Der Kläger hat erstmals im Klageverfahren geltend gemacht, die Beauftragung des FA C durch das FA B verfehle ihren Zweck, weil er schwerpunktmäßig im Bezirk des beauftragten Finanzamts tätig sei. Dieser Vortrag kann der finanzgerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung schon deshalb nicht zugrunde gelegt werden, weil er im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung dem FA nicht bekannt war.
Kein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Die Beauftragung eines anderen Finanzamts nach § 195 Satz 2 AO verstößt weder gegen das Recht des Steuerpflichtigen auf informationelle Selbstbestimmung, noch wird sie durch das Datenschutzrecht eingeschränkt.
BFH, Urteil v. 20.10.2024, VIII R 18/21; veröffentlicht am 19.12.2024
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