Übermittlung einfach signierter Dokumente aus dem beA

Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann wirksam auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht, wenn die das Dokument signierende (und damit verantwortende) Person mit dem tatsächlichen Versender übereinstimmt. Der Inhaber eines beA darf sein Recht, nicht qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen (z.B. Angestellte der Kanzlei) übertragen.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Nach § 52a Abs. 3 FGO muss ein bei Gericht einzureichendes elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

Sachverhalt: Übermittlung einfach signierter Dokumente durch Kanzleiangestellte

Streitig war, ob die Übermittlung nur einfach signierter Dokumente durch Kanzleimitarbeiter wegen Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Formvorschriften zur Formunwirksamkeit elektronisch einzureichender Dokumente führt. Dem Streitfall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

  • Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte am 19.4.2022 gegen das am 25.3.2022 zugestellte Urteil, in dem auch auf den insbesondere für Rechtsanwälte seit dem 1.1.2022 geltenden § 52d FGO hingewiesen wurde, Revision ein und beantragte, die Frist zur Begründung um einen Monat zu verlängern. Dem Antrag wurde entsprochen.
  • Die auf den 27.6.2022 datierende Revisionsbegründung ist beim BFH jedoch erst am 29.6.2022 eingegangen, zum einen per Telefax, zum anderen über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA).
  • Wegen Versäumung der Begründungsfrist beantragte die Klägerin mit weiterem, beim BFH am 1.7.2022 per Telefax und beA eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Ihr Prozessbevollmächtigter habe die Revisionsbegründung am Vormittag des 27.6.2022 ausgefertigt und unterschrieben. Anschließend habe er den Schriftsatz seiner Büroangestellten, die regelmäßig mit der Behandlung von Fristen und auch dem Übermitteln von Schriftsätzen per beA betraut werde, mit der Anweisung übergeben, ihn noch am gleichen Tag per beA und Telefax an den BFH zu übermitteln. Diese habe jedoch unvermittelt gegen 14.00 Uhr die Kanzleiräume verlassen müssen. Die unterlassene Übersendung der Revisionsbegründung sei ihr erst am 29.6.2022 nach ihrer Rückkehr in das Büro aufgefallen, worauf sie die Begründung an den BFH übermittelt und den Prozessbevollmächtigten über das Versäumnis informiert habe.

Entscheidung: Revision nicht fristgemäß begründet

Die Revision ist unzulässig. Die Klägerin hat sie nicht fristgemäß begründet; dem Antrag auf Wiedereinsetzung ist nicht zu entsprechen.

Revisionsbegründungsfrist versäumt

Die Klägerin hat die Frist für die Begründung der Revision versäumt.

Innerhalb der bis zum 27.6.2022 verlängerten Begründungsfrist der Revision ist diese beim BFH nicht eingegangen. Sie wurde erst am 29.6.2022 verspätet übermittelt.

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Fristversäumnis ist im Streitfall jedoch verschuldet, wobei sich jeder Beteiligte das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss.

Zugangsdaten unzulässig weitergegeben

Der Bevollmächtigte hat – statt die von ihm einfach signierte Revisionsbegründung vor Fristablauf persönlich einzureichen – seine Zugangsdaten für das beA an seine Angestellte weitergegeben. Dies ist unzulässig.

Es liegt in der eigenen Verantwortung des Bevollmächtigten, das Dokument gemäß § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen oder die Einreichung des einfach signierten elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg (insbesondere mittels beA nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO) vorzunehmen.

Dem wurden Verhalten und Weisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an seine Angestellte nicht gerecht.

Eigenem Bekunden zufolge unterschrieb der Prozessbevollmächtigte am 27.6.2022, dem Tag des Fristablaufs, die von ihm selbst ausgefertigte Revisionsbegründung. Diese handschriftliche Unterschrift erfüllte zwar die Voraussetzungen der einfachen Signatur im Sinne des § 52a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 FGO. Allerdings hätte dann – anders bei einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 52a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 FGO) – der Versand des Schriftsatzes durch den Prozessbevollmächtigten selbst erfolgen müssen.

Entweder qualifiziert elektronisch signiert oder sicherer Übermittlungsweg

Dies ergibt sich bereits aus der Gesetzesbegründung. Schon dem Entwurf des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten aus dem Jahr 2013 war zu entnehmen, dass diejenige Person, die den Schriftsatz verantwortet, diesen entweder qualifiziert elektronisch signieren oder einen sicheren Übermittlungsweg nutzen muss, um das Formerfordernis zu wahren.

Auch wenn dies technisch möglich ist, dürfen daher Inhaber eines beA das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen übertragen. Sie dürfen das für sie erzeugte Zertifikat keiner weiteren Person überlassen und haben die dem Zertifikat zugehörige Zertifikats-PIN geheim zu halten.

Der Versand durch die Angestellte des Prozessbevollmächtigten führte daher wegen Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Formvorschriften zur Formunwirksamkeit elektronisch einzureichender Dokumente.

Knüpft der Verschuldensvorwurf für das Fristversäumnis folglich bereits an der Entscheidung des Prozessbevollmächtigten an, eine nur einfach signierte Revisionsbegründung entgegen § 23 Abs. 3 Satz 5 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV) durch eine Angestellte mittels beA einreichen zu lassen, statt sie persönlich zu übersenden, kommt es auf die Frage, aus welchen Gründen die Angestellte es in der Folge unterlassen hat, den Schriftsatz am 27.6.2022 tatsächlich zu übersenden, nicht mehr an.

Der Prozessbevollmächtigte hätte den Schriftsatz am 27.6.2022 persönlich über beA einreichen oder den Schriftsatz qualifiziert elektronisch signieren müssen. Dies hat er nicht getan.

Dass – und ggf. aus welchen Gründen – ihm dies nicht möglich war, hat er nicht dargelegt.

Zudem haben mit der Einführung des beA die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein die Anwaltschaft über die geänderten Formerfordernisse informiert sowie auf die erforderliche Personenidentität und das Verbot der Weitergabe des beA-Zugangs hingewiesen. Außerdem lag im Juni 2022 bereits Rechtsprechung zu den inhaltsgleichen Parallelregelungen zu § 52a Abs. 3 FGO durch das Bundesarbeitsgericht, den Bundesgerichtshof, des Bundessozialgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts vor, die dem Prozessbevollmächtigten hätte bekannt sein müssen.

BFH, Urteil v. 5.11.2024, XI R 10/22; veröffentlicht am 19.12.2024

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