Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Form einer über das besondere elektronische Anwaltspostfach übermittelten Berufungsschrift
Leitsatz (amtlich)
Eine Berufungsschrift, die über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt wird, muss zusätzlich von der verantwortenden Person (einfach) signiert worden sein, um den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Alt. 2 ZPO zu genügen. An einer solchen Signatur fehlte es im vorliegenden Fall, weil am Ende der Berufungsschrift nicht der Name des verantwortenden Rechtsanwalts, sondern nur das Wort "Rechtsanwalt" wiedergegeben war.
Normenkette
ZPO § 130a Abs. 3 Alt. 2, § 519 Abs. 4, § 233
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
- Der Antrag der Beklagten vom 02.03.2020 auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist wird zurückgewiesen.
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 07.02.2019 - 2 Ca 127/18 - wird als unzulässig verworfen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- Die Revisionsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung für Februar 2018 sowie einen Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe.
Das Arbeitsgericht Ulm hat mit Urteil vom 7. Februar 2019 der Klage (bis auf eine geltend gemachte Verzugspauschale) stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Urteil wurde dem Beklagtenvertreter am 21. Februar 2019 zugestellt. Am 20. März 2019 (Mittwoch) wurde aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (künftig: beA) des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Herrn Rechtsanwalt S. B., unter Verwendung des Briefbogens seiner Kanzlei eine Berufungsschrift, die vom gleichen Tag datiert, übermittelt. Der Schriftsatz ist nicht qualifiziert signiert. Am Ende des Schriftsatzes ist das Wort "Rechtsanwalt" aufgeführt, nicht jedoch der Name des Absenders. Auf der ersten Seite des Schriftsatzes ist links oben unter "Unser Zeichen" das Aktenzeichen der Kanzlei "SXXXXXX" und "RA B." aufgeführt. Durch richterliche Verfügung vom 21. März 2019 wurde den Parteien der Eingang der Berufung am Vortag und das Aktenzeichen mitgeteilt und auf die Berufungsbegründungsfrist hingewiesen. Die Verfügung wurde am 21. März 2019 um 14:02 Uhr von dem damaligen Vorsitzenden elektronisch signiert. Die Verfügung wurde ausweislich des Ab-Vermerks am 27. März 2019 an die Parteivertreter versandt. Die Berufungsbegründung ging ebenfalls über das beA des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ein. Am Ende des Schriftsatzes ist über dem Wort "Rechtsanwalt" der Name des Prozessbevollmächtigten maschinenschriftlich wiedergegeben.
Mit Verfügung vom 18. Februar 2020 wies das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass derzeit Bedenken bestünden, ob die Berufung formgerecht eingelegt worden sei. Es fehle an einer einfachen Signatur der Berufung. Es sei deshalb beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 04. März 2020 gegeben. Die Frist wurde auf Antrag des Beklagtenvertreters bis 10. März 2020 verlängert. Mit qualifiziert signierten Schriftsatz vom 02. März 2020 nahm der Beklagtenvertreter zu der Verfügung Stellung und beantragte vorsorglich, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Berufungsschrift vom 20. März 2019 sei auch ohne einfache Signatur dem diesen Schriftsatz verantwortenden Rechtsanwalt zuzuordnen gewesen, da bereits der Beklagtenvertreter in der Berufungsschrift eingangs genannt werde und der Schriftsatz über das beA-Postfach des Beklagtenvertreters eingereicht worden sei. Es liege keinerlei Hinweis darauf vor, dass ein anderer Rechtsanwalt den Schriftsatz verantworte. Die fehlende Signatur sei nicht erheblich, da andere Umstände eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür böten, dass der Prozessbevollmächtigte die Berufung eingelegt, die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelschrift übernommen habe und diese willentlich in den Verkehr gelangt sei. Diese Umstände lägen darin, dass der Name des Unterzeichners im Schriftsatzeingang genannt sei und aus dem beA-Postfach des Unterzeichners von ihm durch Eingabe des nur dem Unterzeichner bekannten beA-Kennworts versandt worden sei. Eine Versendung aus diesem Postfach sei durch andere Personen nicht möglich. Anhaltspunkte dafür, dass ein anderer Anwalt an der Einreichung des Schriftsatzes mitgewirkt hat, seien nicht gegeben. Jedenfalls sei der Beklagten Wiedereinsetzung zu gewähren. Zwar sei der Beklagten ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Dieser habe jedoch - auch mangels entgegenstehender Rechtsprechung oder Kommentierungen - davon ausgehen können, dass die Kombination der Namensnennung im Eingang ("RA B. ") und einer darauf bezogenen Bestätigung am Ende des Schriftsatzes ("Rechtsanwalt") eine ausreichende einfache Signierung gem. § 130 a ZPO da...