Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansatz der Kostenmiete bei insgesamt selbstgenutztem Zweifamilienhaus
Leitsatz (NV)
1. Nutzt der Eigentümer beide Wohnungen seines Zweifamilienhauses selbst, so ist zur Ermittlung des Nutzungswerts nach §21 Abs. 2 EStG als Mietwert nicht schon dann die Kostenmiete anzusetzen, wenn die privat genutzte Wohnfläche insgesamt mehr als 250 qm beträgt, sondern nur, wenn die Fläche mindestens einer der beiden Wohnungen größer als 250 qm ist.
2. Eine besondere architektonische Gestaltung reicht für sich allein für den Ansatz der Kostenmiete nicht aus.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben 1978 ein Grundstück mit einem etwa 1910 errichteten Gebäude für 210 000 DM. Bis zu ihrem Einzug am 1. September 1981 ließen sie umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten durchführen. Neben dem Haus ließen sie ein freistehendes, nicht unterkellertes Gebäude mit zwei Zimmern, einer Küche sowie einem separaten, mit einer Dusche ausgestatteten Bad errichten, das von den Söhnen genutzt wurde. Ferner ließen die Kläger eine Garage mit drei Einstellplätzen errichten. Die Wohnfläche des Haupthauses beträgt 212 qm einschließlich eines Arbeitszimmers von 16 qm. Die Wohnfläche des Nebengebäudes beträgt 70,95 qm. Den Klägern entstanden insgesamt Anschaffungs- und Herstellungskosten von rund 1,17 Mio. DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) bewertete das Anwesen als Zweifamilienhaus. Bei der Ermittlung des Nutzungswerts gemäß §21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setzte das FA als Rohmietwert die Kostenmiete an, die es mit 6 v. H. der auf die Gebäude entfallenden Anschaffungs- und Herstellungskosten bezifferte.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Es ging von den Grundsätzen des Senatsurteils vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 (BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98) aus. Die in dem genannten Urteil für den Ansatz der Kostenmiete als maßgeblich bezeichnete Grenze von 250 qm sei im Streitfall überschritten, weil die Flächen der beiden von den Klägern und ihren Söhnen selbstgenutzten Wohnungen zusammenzurechnen seien. Außerdem rechtfertige eine besonders aufwendige architektonische Gestaltung den Ansatz der Kostenmiete. Dieses Merkmal sei alleine aufgrund der Trennung der beiden Wohnungen in ein Haupthaus und ein "Kinderhaus" gegeben. Darüber hinaus lägen keine weiteren besonders aufwendigen Ausstattungsmerkmale vor. Dies gelte sowohl für die Ausstattung des Hauses mit Marmorböden, alten und neuen bleiverglasten Zimmertüren, der Ergänzung des Brüstungsgeländers, des angebauten Wohnzimmers mit Glasfront und die Badezimmerausstattung. Es handele sich nach dem eingeholten Sachverständigengutachten um eine dem Charakter und Alter des Hauses entsprechende Ausstattung. Davon habe sich der Senat durch Einnahme des Augenscheins selbst ein Bild gemacht. Die Beurteilung, daß es sich nicht um eine besonders aufwendige Ausstattung handele, gelte für die aufgezählten Ausstattungsmerkmale im einzelnen und auch für eine Gesamtschau dieser Merkmale.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung den Mietwert für die selbstgenutzten Wohnungen mit monatlich 9 DM für die Hauptwohnung und mit monatlich 7 DM für die Nebenwohnung anzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält die Vorentscheidung im Ergebnis auch deshalb für zutreffend, weil sich ein weiteres Merkmal für eine aufwendige Gestaltung im Streitfall aus der Grundstücksgröße von 2 738 qm und einer sehr guten Wohnlage ergebe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Nach §126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat zu Unrecht als Mietwert nach §21 Abs. 2 EStG die Kostenmiete angesetzt.
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß im Streitfall nach §21 Abs. 2 EStG dem Mietwert die Werbungskosten gegenüberzustellen sind. Das Anwesen der Kläger ist als Zweifamilienhaus bewertet. Es kann offenbleiben, ob die beiden auf dem Grundstück errichteten Gebäude jeweils für sich eine wirtschaftliche Einheit bilden (§2 i. V. m. §70 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes) und danach bewertungsrechtlich zwei Einfamilienhäuser vorliegen. Auch dann wäre §21 a EStG nicht anwendbar, weil für die in dieser Vorschrift insoweit maßgeblichen Voraussetzungen der Einheitswertbescheid als Grundlagenbescheid bindend ist (Senatsurteil vom 7. Juni 1994 IX R 33--34/92, BFHE 175, 70, 72, BStBl II 1994, 927).
2. Nach §21 Abs. 2 1. Alternative EStG ist zur Ermittlung des Nutzungswerts die Rohmiete grundsätzlich anhand der am Wohnungsmarkt für vergleichbare Objekte erzielbaren Miete, der sog. Marktmiete, zu schätzen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Zweck des §21 Abs. 2 EStG den Ansatz der sog. Kostenmiete erfordert (Senatsurteil in BFHE 174, 51, 53, BStBl II 1995, 98). Der Senat hat mit diesem Urteil die Schätzung des Rohmietwerts anhand der Kostenmiete auf solche Wohnungen beschränkt, bei denen es aufgrund bestimmter Gestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale offensichtlich ist, daß sie nicht zum Zwecke der Vermietung errichtet und in der Regel auch tatsächlich nicht vermietet werden. Der Senat hat deshalb an die besondere Gestaltung oder Ausstattung, die den Ansatz der Kostenmiete rechtfertigt, strengere Anforderungen als bisher gestellt (Senatsurteil in BFHE 174, 51, 56, BStBl II 1995, 98). Danach ist die Kostenmiete stets anzusetzen, wenn sich in dem Wohnhaus eine Schwimmhalle befindet oder wenn die privat genutzte Wohnfläche mehr als 250 qm beträgt. Im übrigen ist die Kostenmiete dann -- und nur dann -- anzusetzen, wenn aufgrund anderer besonders gewichtiger Gestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale offensichtlich ist, daß die am Wohnungsmarkt erzielbare Miete nicht dem Gebrauchswert des Objekts entspricht. Als Merkmale für eine besonders aufwendige Gestaltung kommen insbesondere in Betracht:
-- eine Grundstücksgröße von mehr als 1 600 qm in Gebieten mit weit überdurchschnittlichen Grundstückspreisen, wie sie beispielsweise in bevorzugten Wohngegenden zu verzeichnen sind;
-- besonders aufwendige architektonische Gestaltung;
-- Verwenden von besonders wertvollen Bau- und Ausstattungsmaterialien in erheblichem Umfang;
-- besonders aufwendige Gestaltung der Außenanlagen, insbesondere des Gartens (Senatsurteil in BFHE 174, 51, 57 f., BStBl II 1995, 98).
Während beim Vorhandensein einer Schwimmhalle oder einer Wohnungsgröße von mehr als 250 qm stets die Kostenmiete anzusetzen ist, vermögen die nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen besonderen Ausgestaltungs- und Ausstattungsmerkmale, insbesondere die oben beispielhaft angeführten, jeweils für sich allein einen solchen Ansatz nicht zu begründen. Es bedarf vielmehr eines Zusammenwirkens mehrerer Umstände; die einzelnen Merkmale sind jeweils in Verbindung mit anderen von vergleichbarer Bedeutung zu würdigen. Grundlage der Entscheidung sind dabei die vom FG festzustellenden tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles (Senatsurteil in BFHE 174, 51, 58, BStBl II 1995, 98).
Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall nicht die Kostenmiete als Mietwert anzusetzen.
a) Im Streitfall ist die Wohnflächengrenze von 250 qm nicht überschritten. Nutzt der Eigentümer beide Wohnungen seines Zweifamilienhauses selbst, so ist zur Ermittlung des Nutzungswerts nach §21 Abs. 2 EStG als Mietwert nicht schon dann die Kostenmiete anzusetzen, wenn die privat genutzte Wohnfläche insgesamt mehr als 250 qm beträgt, sondern nur, wenn die Fläche mindestens einer der beiden Wohnungen größer als 250 qm ist (Senatsurteil vom 21. Februar 1995 IX R 41/94, BFHE 177, 110, BStBl II 1995, 381). Nach den Feststellungen des FG beträgt die Wohnfläche im Haupthaus der Kläger weniger als 250 qm, nämlich nur ca. 212 qm.
b) Der Ansatz der Kostenmiete kommt auch nicht aufgrund anderer besonders gewichtiger Ausgestaltungs- und Ausstattungsmerkmale in Betracht. Das FG hat den Ansatz der Kostenmiete allein aufgrund der Trennung der beiden Wohnungen in ein Haupthaus und ein "Kinderhaus" für gerechtfertigt gehalten. Zwar kann die besondere architektonische Gestaltung ein besonderes Gestaltungsmerkmal bilden. Nach dem Senatsurteil in BFHE 174, 51, 58, BStBl II 1995, 98 reicht jedoch ein einzelnes besonderes Ausgestaltungsmerkmal für den Ansatz der Kostenmiete nicht aus. Es bedarf vielmehr eines Zusammenwirkens mehrerer Umstände. Weitere Ausgestaltungs- und Ausstattungsmerkmale von vergleichbarer Bedeutung liegen aber im Streitfall nicht vor. Nach der Beurteilung des FG, das das Wohngrundstück in Augenschein genommen hat, ist im übrigen die Ausstattung und Ausgestaltung des Hauses sowohl hinsichtlich der Einzelmerkmale als auch im Rahmen einer Gesamtschau noch nicht als besonders aufwendig anzusehen. Diese Würdigung des FG, die im Bereich des Tatsächlichen liegt, ist möglich und für den Senat bindend (§118 Abs. 2 FGO).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der vom Gutachter festgestellten sehr guten Wohnlage des Grundstücks und seiner Größe von 2 738 qm. Der Gutachter hat nämlich auch festgestellt, daß die unmittelbare Lage des Grundstücks im Hochwassergebiet zu erheblichen Beeinträchtigungen führt, die sogar Abschläge bei der Mietpreisermittlung rechtfertigen.
3. Da das FG seiner Entscheidung eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Zwar ermöglichen die Feststellungen des FG den Schluß, daß als Rohmietwert nach §21 Abs. 2 EStG die Marktmiete anzusetzen ist. Das FG hat jedoch keine Feststellungen zur Höhe der Marktmiete getroffen. Diese Feststellungen sind nunmehr nachzuholen. Ob dabei dem Gutachten des Sachverständigen gefolgt werden kann, ist ebenfalls eine Frage der Tatsachenwürdigung, die dem FG obliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 67068 |
BFH/NV 1998, 946 |