Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert ist nach den Sachanträgen des Rechtsmittelführers auch dann zu bemessen, wenn für die Steuerart, über die der Streit unmittelbar geführt wird, eine Erhöhung der Steuer erstrebt wird und das Rechtsmittel unzulässig ist.
Normenkette
FGO § 140 Abs. 3
Tatbestand
Zu entscheiden ist über die Höhe des Streitwertes in einer Einkommensteuersache, bei der sich nach dem Begehren des Steuerpflichtigen die Einkommensteuer erhöht und die Gewerbesteuer vermindert hatte.
Der Steuerpflichtige war als Versicherungsvertreter tätig. Er hatte, da er sich als Generalagent mit gemischter – teils gewerblicher, teils unselbständiger – Tätigkeit betrachtete, Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärt.
Das FA sah die gesamten Einkünfte als gewerbliche an und setzte die Einkommensteuer sowie die Gewerbesteuermeßbeträge entsprechend fest.
Die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide und die Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheide, mit denen der Steuerpflichtige sein Begehren, eine gemischte Tätigkeit anzuerkennen, aufrechterhielt, hatten nur mit dem hilfsweise gestellten Antrag Erfolg, wenigstens die Mehr-Umsatzsteuer und die Mehr-Gewerbesteuer gewinnmindernd zu berücksichtigen. Das FA kürzte in der Einspruchsentscheidung für die Einkommensteuer den Gewinn um die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer-Rückstellungen und setzte die Einkommensteuer entsprechend herab. Gleichzeitig erließ es gemäß § 35b GewStG berichtigte Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheide, denen es den verringerten Gewinn zugrunde legte.
Gegen die Einspruchsentscheidung für die Einkommensteuer legte der Steuerpflichtige Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens änderte das FA die Einkommensteuerbescheide entsprechend dem Rechtsmittelantrag des Steuerpflichtigen und erklärte, daß das Land die Kosten des Rechtsmittelverfahrens trage. Gleichzeitig änderte es die Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheide nach § 94 AO. Dabei ergab sich eine Erhöhung der Einkommensteuer um rd. 13 800 DM und eine Verminderung der Gewerbesteuer um rd. 17 430 DM.
Da die Hauptsache erledigt war und sich eine förmliche Kostenentscheidung erübrigte, stellte das FG lediglich den Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren auf 3 625 DM fest. Es ging dabei von folgenden Erwägungen aus. Mit der Berufung habe der Steuerpflichtige weiterhin begehrt, daß seine Einkünfte überwiegend als solche aus unselbständiger Tätigkeit behandelt würden. Damit habe er in Kauf genommen, daß sich wegen des Fortfalls der Rückstellungen für Betriebsteuern höhere Einkommensteuerbeträge ergeben würden, weil er dadurch einer noch höheren Gewerbesteuer entgehen würde. Hier liege eine Verknüpfung der Einkommensteuer mit der Behandlung der Einkünfte des Steuerpflichtigen bei der Gewerbesteuer vor, unbeschadet dessen, daß die Behandlung bei der Einkommensteuer keine bindende Wirkung für die Gewerbesteuer habe.
Grundsätzlich sei für den Streitwert der Steuerbetrag maßgebend, um den gestritten werde, also der streitige Steuerbetrag der Steuerart, über die unmittelbar entschieden werde.
Möglicherweise sei das FA von einer Bindung der einkommensteuerlichen Behandlung für die Gewerbesteuer ausgegangen. Jedenfalls habe es in der Einspruchsentscheidung dargelegt, daß die berichtigten Gewinne den Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Veranlagungen zugrunde zu legen, die Steuer- und Steuermeßbescheide zu berichtigen und die berichtigten Bescheide wesentliche Bestandteile der Einspruchsentscheidungen seien. Daraus ergebe sich, daß es mit der Einspruchsentscheidung nicht nur über die Einkommensteuer, sondern auch über die Gewerbesteuer-Meßbetragseinsprüche habe entscheiden wollen. In diesem Sonderfall halte es die erkennende Kammer für angebracht, daß bei der Bemessung des Streitwertes das Interesse des Steuerpflichtigen an der Minderung der Gewerbesteuer berücksichtigt werde. Streitgegenstand sei hier das steuerliche Gesamtinteresse. Der Wert des Streitgegenstandes sei daher bei einer Gewerbesteuerminderung von 17 415 DM und einer Einkommensteuererhöhung von 13 790 DM auf 3 625 DM festzustellen.
Zur Begründung der Rechtsbeschwerde wird vorgetragen: Sinn des Rechtsmittels sei gewesen, sich dagegen zu wehren, daß bei dem Steuerpflichtigen sämtliche Einkünfte als gewerbliche behandelt würden. Dieses Ziel sei dann auch erreicht worden. Für die Höhe des Streitwertes sei daher die Minderung der Gewerbesteuer maßgebend. Eine Aufrechnung mit anderen Steuern sei nicht möglich. Der Steuerpflichtige beantragt deshalb, den Streitwert für das Berufungsverfahren mit 17 430 DM anzusetzen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde, die nach § 184 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO als zulässige Revision zu behandeln ist, kann nur teilweise Erfolg haben.
Die Höhe des Streitwertes ist unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 320 Abs. 4 AO a. F., jetzt § 140 Abs. 3 FGO). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung bestimmte Grundsätze zu beachten und nur das als Streitwert anzusetzen, was für die Steuer, über die unmittelbar zu entscheiden ist, erstrebt wird (vgl. Gutachten des Großen Senats des RFH Gr. S. D. 3/38 vom 28. Mai 1938 in RStBl 1938, 554, und Gr. S D 5/40 vom 26. Oktober 1940 in RStBl 1940, 924; Urteil des BFH IV 410/55 U vom 25. August 1955, BFH 61, 261, BStBl III 1955, 298).
Der Umstand, daß der Steuerpflichtige keine Ermäßigung, sondern eine Erhöhung der Einkommensteuer begehrte, ändert nichts an der Maßgeblichkeit dieses Grundsatzes. Wer eine Erhöhung der Steuer wünscht, wird in jedem Fall einen noch höheren Vorteil an anderer Stelle bezwecken. Von dem finanziellen Gesamtinteresse des Steuerpflichtigen ist danach bei der Steuerart, um die unmittelbar gestritten wird, der volle Erhöhungsbetrag im Streit. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob das Rechtsmittel in der Einkommensteuersache überhaupt zulässig war. Denn auch im Falle der Unzulässigkeit ist für die Bemessung des Streitwertes maßgebend, was für die Steuer, über die unmittelbar zu entscheiden ist, erstrebt wird. Das entspricht früheren Entscheidungen des BFH. So wurde in dem nicht veröffentlichten Urteil VII 74/56 vom 21. Januar 1959 die Rechtsbeschwerde mangels Beschwer als unzulässig verworfen und der Streitwert nach der Höhe des in diesem Fall begehrten Erstattungsbetrages bemessen. Auch in dem Urteil IV 169/59 vom 2. März 1961 in StRK, Gewerbesteuergesetz, § 7, Rechtsspruch 21, und in HFR 1961 S. 164 ging der erkennende Senat bei einer mangels Beschwer unzulässigen Rechtsbeschwerde für die Streitwertberechnung von der erstrebten Gewerbesteuerminderung aus. Schließlich wurde auch in dem Urteil II 188/63 U vom 26. Mai 1965 (BFH 82, 675, BStBl III 1965, 490) ausgeführt, daß der für die Gebühren maßgebende Wert des Streitgegenstandes sich nach dem Begehren des Rechtsmittelführers ohne Rücksicht darauf richtet, ob die Rechtsbeschwerde zulässig ist. Der Senat hält diese Entscheidungen für zutreffend. Denn der Rechtsmittelführer, der an die Rechtsmittelinstanzen mit einem bestimmten Antrag herantritt, dessen Auswirkungen bei der im Streit befindlichen Steuerart er erstrebt, legt damit den Wert des Streitgegenstandes fest.
Im Streitfall war danach der Streitwert weder mit dem Betrag der Gewerbesteuerminderung, wie der Steuerpflichtige wünscht, noch mit dem saldierten Betrag der endgültigen Steuerermäßigung, wie das FG zu Unrecht annahm, anzusetzen, vielmehr mit dem Betrag an Einkommensteuer, um den im Berufungsverfahren über die Einkommensteuer gestritten wurde, nämlich mit 13 790 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 557359 |
BStBl II 1970, 493 |
BFHE 1970, 4 |