Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlicher Vertragsgegenstand bei Vermittlung von Grundstücks- und Bauvertrag durch einen Makler
Leitsatz (NV)
1. Sind von den Erwerbern mit je unterschiedlichen Vertragspartnern Verträge über den Erwerb eines Grundstücks und über die Errichtung eines Hauses abgeschlossen worden, so ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge darauf abzielen, den Erwerbern ein Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Entscheidend ist dabei, ob die Grundstückserwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages an ein von einer unterein ander verbundenen Veräußererseite aus gearbeitetes und angebotenes Baukonzept gebunden ist.
2. Eine solche Bindung kann auch dann vorliegen, wenn der Abschluß der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge zeitlich erst kurz nach dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages erfolgte. Allerdings reicht es für die Annahme einer Bindung der Erwerber an ein Bebauungskonzept alleine nicht aus, wenn diese -- intern -- bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages die feste Absicht haben, das Grundstück nach einem vorliegenden Konzept zu bebauen, noch wenn die Anbieterseite subjektiv davon überzeugt ist, die Grundstückserwerber werden mit ihnen auch den Bauerrichtungsvertrag abschließen.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger kauften durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. Mai 1991 zu je 1/2 Miteigentumsanteil ein in X gelegenes unbebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 87 750 DM.
Am 10. Juni 1991 beauftragten die Kläger die Firma X GmbH mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem erworbenen Grundstück zu einem Festpreis von 270 500 DM. Sowohl der Grundstückskaufvertrag als auch der Werkvertrag wurden durch die Firma Z vermittelt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte nach vorangegangener Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung durch Änderungsbescheide vom 9. August 1991 Grunderwerbsteuer unter Einbeziehung der Baukosten nach einer Gegenleistung von jeweils 180 625 DM Grunderwerbsteuer gegen die Kläger in Höhe von jeweils 3 612 DM fest.
Einspruch und Klage, mit denen die Kläger geltend machten, im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks noch nicht gebunden gewesen zu sein, blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht vertrat in seinem klageabweisenden Urteil die Auffassung, es liege ein einheitlicher Erwerb eines bebauten Grundstücks vor. Trotz der zeitlichen Abfolge der Verträge und der fehlenden rechtlichen Bindung sei im Streitfall davon auszugehen, daß die Kläger sich im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages hinsichtlich der Bebauung faktisch festgelegt und entschieden gehabt hätten. Entscheidend sei insoweit, daß sowohl der Grundstückskaufvertrag als auch der Werkvertrag von der Firma Z vermittelt worden und den Klägern sowohl der Abschluß des Grundstückskaufvertrages als auch der Werkvertrag einheitlich angeboten worden seien. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages habe so gut wie sicher erwartet werden können, daß die Kläger auch den nachfolgenden Werkvertrag abschließen würden. Der Zeuge A habe hierzu erklärt, er sei sich sicher gewesen, daß die Kläger auch den Werkvertrag über ihn abschließen würden, da sie sich besonders für das auf der Nachbarparzelle ebenfalls von ihm vermittelte Haus interessiert hätten.
Der Umstand, daß die Kläger nach Abschluß des Grundstückskaufvertrages im Ergebnis auch noch eine andere Firma mit der Errichtung des Gebäudes hätten beauftragen können, stehe der Annahme eines einheitlichen Vertragswerks nicht entgegen. Denn die Firma Z als Projektanbieterin habe ihr Ziel, der einheitlichen Vermittlung von Grundstückskaufvertrag und Werkvertrag bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages als erreicht angesehen. Daß darüber hinaus die Person des Werkunternehmers noch nicht abschließend festgestanden habe, stelle die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht in Frage. Denn die Firma Z habe aufgrund ihrer Vermittlungstätigkeit sowohl für den Grundstückseigentümer als auch für die Unternehmerseite die für den Verkauf eines bebauten Grundstückes erforderlichen Aktivitäten auf sich vereinigt.
Mit der Revision rügen die Kläger fehlerhafte Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der Grunderwerbsteuerbescheide vom 9. August 1991 und der diese bestätigenden Einspruchsentscheidungen (§ 126 Abs. 3. Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Das FG hat zu Unrecht die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide bejaht. Entgegen der Auffassung des FG ist Gegenstand des hier streitigen Erwerbsvorgangs das Grundstück in unbebautem Zustand.
a) Der Grunderwerbsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 jedes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet. Bemessungsgrundlage für die Steuer ist der Wert der Gegenleistung (§ 8 GrEStG 1983). Zur Gegenleistung gehört bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).
Für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, 287, BStBl II 1990, 590, sowie -- zu § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 -- BFH-Urteil vom 11. März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, 231, BStBl II 1981, 537, m. w. N.); denn Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist.
Der für den Umfang der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird nicht nur bestimmt durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst, sondern -- ggf. -- auch durch mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehende Vereinbarungen, die insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1989 II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, und II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, sowie in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590).
Sind, wie im Streitfall, von den Erwerbern mit je unterschiedlichen Vertragspartnern Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Errichtung eines Hauses abgeschlossen worden, so ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Maßgebend ist der Gesamtinhalt der Verträge unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB; BFH-Urteil vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609, und BFH-Beschluß in BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627). Entscheidend ist dabei letztlich, ob die Grundstückserwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags an ein von einer untereinander verbundenen Veräußererseite ausgearbeitetes und angebotenes Baukonzept gebunden ist. Dies ist stets der Fall, wenn die Erwerber sich bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrags oder spätestens zusammen mit diesem hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks gegenüber der Veräußererseite zivilrechtlich gebunden haben (BFH in BFHE 158, 483, 477, BStBl II 1990, 181, 183).
Ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag wird jedoch nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß der Abschluß der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge zeitlich erst kurz nach dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages erfolgt. Der objektive enge sachliche Zusammenhang kann in solchen Fällen dann bestehen, wenn der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1991 II R 39/88, BFH/NV 1992, 626, m. w. N.).
Faktische Zwänge können jedoch weder in der Bindung des Bauvorhabens des Erwerbers an die Vorgaben des Bebauungsplans noch darin gesehen werden, daß das Bauvorhaben sich an die z. T. schon genehmigten Bauvorhaben im Baugebiet oder auch auf Nachbargrundstücken anpassen muß. Ein faktischer Zwang besteht auch in den Fällen nicht, in denen aufgrund der bestehenden Interessenlage auf der Veräußererseite und der kurzen Zeitspanne zwischen dem Abschluß des Grundstückskaufver trages und des Bauerrichtungsvertrages angenommen werden muß, daß die Ver äußererseite bei Abschluß des Grundstückskaufvertrages sicher sein konnte, der Grundstückserwerber werde mit ihr auch den Bauerrichtungsvertrag abschließen. Eine solche einseitige subjektive Überzeugung genügt nicht, um die Entscheidungsfreiheit des Grundstückserwerbers über das "Ob" und das "Wie" der Bebauung im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages verneinen zu können (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532). Schließlich reicht allein die bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages bestehende Absicht des Grunderwerbers, das Grundstück nach einem vorliegenden Konzept in bestimmter Weise zu bebauen, für die Annahme einer Bindung hinsichtlich des "Ob" und des "Wie" einer Bebauung nicht aus, solange diese Bindung nicht gegenüber einem Dritten, z. B. durch konkrete Absprachen eingegangen wird.
Das FG-Urteil geht von anderen rechtlichen Erwägungen aus, soweit es entscheidend darauf abstellt, daß die Kläger sich im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages hinsichtlich der Bebauung faktisch festgelegt und entschieden hatten und die Anbieterseite es als sicher annahm, daß die Kläger den Gebäude errichtungsvertrag ebenfalls mit ihnen abschließen werden. Das FG-Urteil ist deshalb aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet daher in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung werden aufgehoben, da diese rechtswidrig sind (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Nach den vom FG getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, waren die Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages weder rechtlich noch faktisch an eine bestimmte Bebauung des Grundstücks gebunden. Wie oben dargelegt, reicht es -- entgegen der Auffassung des FG -- für die Annahme einer solchen Bindung nicht aus, wenn die Anbieterseite, die im Streitfall durch die Firma Z vertreten wurde, im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages den Eindruck erlangen und deshalb auch erwarten konnte, die Kläger würden nach Abschluß des Grundstückskaufvertrages auch den Vertrag über die Errichtung des Wohngebäudes mit ihnen abschließen. Auch ist es ohne Bedeutung, daß die Kläger sich "intern" im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages bereits für die von der Anbieterseite entwickelte Bebauung des Grundstücks entschieden hatten, da es zu vertraglichen Bindungen mit der Anbieterseite nicht gekommen ist.
Da das FG weitere Umstände, die auf eine Bindung der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks schließen ließen, trotz umfassender Ermittlungen nicht festgestellt hat, ist Gegenstand des hier streitigen Grunderwerbs das unbebaute Grundstück. Die Änderungsbescheide vom 9. August 1991, die auf der gegenteiligen Auffassung des FA beruhen, sind deshalb aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 419718 |
BFH/NV 1995, 335 |