Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines finanzgerichtlichen Urteils
Leitsatz (NV)
Hat das FA nach dem Tenor eines Urteils die Steuer "nach Maßgabe der Urteilsgründe" zu errechnen (§100 Abs. 2 Satz 2 FGO) und ist der bisher festgesetzte Gewinn nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Urteilsgründe um einen bestimmten Betrag zu mindern, so kommt eine abweichende Auslegung des Urteils grundsätzlich nicht in Betracht.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 2, § 100 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH und Co. KG, an der A als Kommanditist beteiligt ist. An der Komplementär-GmbH ist A mit 80 % beteiligt. Ferner hält A alle Anteile an der im Jahr 1987 gegründeten X-GmbH (GmbH).
Die Klägerin belieferte die GmbH mit Waren. Die Bezahlung erfolgte nicht unmittelbar bei Lieferung. Im Laufe der Jahre 1987 bis 1990 erhöhten sich die Außenstände der Klägerin und betrugen am 13. März 1990 netto 250 000 DM. Danach stellte die GmbH die Bezahlung der glieferten Waren vollständig ein. Dennoch lieferte die Klägerin weiter Ware. Nach einem Konkursantrag im August 1991, der wieder zurückgenommen wurde, zahlte die GmbH nochmals einen Teilbetrag an die Klägerin. Die restlichen Forderungen wurden erlassen. Nach Abzug der letzten Zahlung erhöhten sich die Forderungen der Klägerin nach dem 13. März 1990 um netto 100 000 DM auf insgesamt 350 000 DM. Die GmbH stellte ihre Tätigkeit am 30. September 1991 ein. Im Jahr 1992 beantragte die Geschäftsführerin der GmbH erneut den Konkurs, der mangels Masse nicht eröffnet wurde.
Nach einer Umsatzsteueraußenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Ansicht, die Warenlieferungen seien nicht betrieblich veranlaßt gewesen. Sie seien vielmehr aufgrund der Gesellschafterstellung des A erfolgt, so daß die Abschreibung der Forderungen den Gewinn der Klägerin nicht mindern dürfe. Den von der Klägerin im Streitjahr 1991 erklärten Gewinn erhöhte das FA um den Forderungsbetrag von 350 000 DM. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als die Gewerbesteuerrückstellung aus dem erhöhten Gewinn berechnet wurde.
Im Klageverfahren wies die Klägerin darauf hin, daß sie die streitigen Warenforderungen bei der Gewinnermittlung im Jahr 1989 um 100 000 DM und im Jahr 1990 um 140 000 DM wertberichtigt habe. Die Forderungsabschreibung habe sich im Streitjahr 1991 folglich nur in Höhe von 110 000 DM (350 000 DM ./. 240 000 DM) gewinnmindernd ausgewirkt. Daraufhin erließ das FA einen Änderungsbescheid, in dem dies berücksichtigt wurde. Ferner änderte das FA auch die Gewinnfeststellungsbescheide 1989 und 1990 und erkannte die Forderungsabschreibungen nicht mehr an.
Die Klägerin erklärte den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1991 zum Gegenstand des Verfahrens und beantragte, den "ursprünglichen Gewinn in Höhe von X DM" festzustellen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) beantragte die Klägerin, "den Gewinn um 250 000 DM niedriger festzustellen".
Das FG entschied im Tenor des Urteils, daß die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid nach Maßgabe der Urteilsgründe neu festzustellen seien und übertrug die Neuberechnung dem FA. In den Gründen führte das FG aus, daß ein Forderungsverlust in Höhe von 250 000 DM im Streitjahr gewinnmindernd zu berücksichtigen sei. Die Revision ließ das FG im Urteil nicht zu.
Das FA legte Nichtzulassungsbeschwerde und eine auf Fehler i. S. des §116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte zulassungsfreie Revision ein. Nachdem das FG der Nichtzulassungsbeschwerde abgeholfen hatte, legte das FA erneut Revision ein.
Das FA beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Klage an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Über die mehrfach eingelegte Revision ist einheitlich zu entscheiden (Urteil vom 1. Oktober 1992 V R 18/92, BFH/NV 1993, 544; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §120 Rz. 16, m. w. N.).
2. Der Senat vermag anhand der vom FG getroffenen Feststellungen (§118 Abs. 2 FGO) nicht zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für einen Betriebsausgabenabzug der wertlosen Forderungen in Höhe von 250 000 DM gegeben sind.
Das FG hat im Tenor des Urteils die Berechnung der festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb dem FA nach Maßgabe der Urteilsgründe übertragen. Nach den Gründen ist der im angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid festgestellte Gewinn um einen Betrag in Höhe von X DM (ohne Korrektur der Gewerbesteuerrückstellung, die das FA berechnen soll) zu vermindern. Hierfür spricht der klare und eindeutige Wortlaut, der es nicht zuläßt, das Urteil dahin auszulegen, daß bei der Gewinnberechnung zunächst die Wertberichtigung 1989 und 1990 in Höhe von 240 000 DM vom Betrag von 450 000 DM abzuziehen sind und der Gewinn somit -- ohne Berücksichtigung der Gewerbesteuerrückstellung -- nur um 10 000 DM zu vermindern wäre. Zudem wäre die Kostenentscheidung des FG bei dieser vom Wortlaut abweichenden Gewinnberechnungsmethode nicht mehr verständlich. Damit ist davon auszugehen, daß nach dem Urteil die Abschreibung der bis zum 13. März 1990 entstandenen Forderungen den Gewinn im Streitjahr 1991 mindert.
Das Urteil enthält zur Frage, weshalb die Forderungen im Veranlagungszeitraum 1991 abzuschreiben sind, keine ausreichenden Feststellungen. Das FG führt lediglich aus, daß die Forderungen "jedenfalls" im Streitjahr 1991 nicht mehr realisierbar waren. Damit hat es erkennbar nur über die Periodenabgrenzung zum Jahr 1992 entschieden. Dagegen fehlen jegliche Ausführungen zur Fage, ob nicht die von der Klägerin bisher in den Jahren 1989 und 1990 vorgenommenen Wertberichtigungen rechtmäßig waren. Weder enthält der Tatbestand Feststellungen irgendwelcher Umstände, die für die Beurteilung maßgeblich sein könnten, noch ist das FG in den Entscheidungsgründen auf die Problematik einer Gewinnminderung bereits in den Vorjahren eingegangen. Damit fehlen die tatsächlichen Grundlagen (§118 Abs. 2 FGO), die es dem Senat ermöglichen, die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge zu überprüfen.
Fundstellen
Haufe-Index 170867 |
BFH/NV 1999, 954 |