Leitsatz (amtlich)

1) Die Rechtsbeschwerdesumme von 200 DM nach § 286 Abs. 1 AO in der auf § 6 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof beruhenden Fassung ist für Rechtsbeschwerden gegen Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin auch dann maßgebend, wenn diese Urteile ergangen sind, bevor das Gesetz über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz) in Berlin in Kraft getreten ist.

2) Die Aufteilung des Gesamtbetrags der nach der Vermögensteuerhauptveranlagung 1946 geschuldeten Vermögensteuer zum Zwecke der teilweisen Erhebung durch ein Berliner Finanzamt und ein Finanzamt der Westzonen ist mit der Maßgabe als rechtmäßig anzuerkennen, daß kein Betrag festgesetzt und erhoben werden darf, der den Gesamtbetrag der nach den einheitlichen Rechtsgrundlagen geschuldeten Steuer übersteigt.

 

Normenkette

Gesetz über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz) § 8 Abs. 1; Gesetz über den Bundesfinanzhof § 6 Abs. 2; AO § 286 Abs. 1, § 73a Abs. 2

 

Tatbestand

Der in A. wohnhafte Bf. wurde zum 1. Januar 1946 von dem für seinen Wohnsitz zuständigen Finanzamt A (damaliges Land Baden) zur Vermögensteuer veranlagt. In diese Veranlagung wurde auch das in Berlin belegene Grundvermögen des Bf. einbezogen. Der Steuerbescheid des Finanzamts A vom 31. Januar 1949 ist rechtskräftig, die aus ihm sich ergebende Jahressteuerschuld von 3 555 RM ist für den ganzen Veranlagungszeitraum entrichtet.

Mit Steuerbescheid vom 13. September 1950 forderte das Finanzamt B in Berlin auf Grund einer "Ergänzungsvermögensteuerveranlagung" zum 1. Januar 1946 von dem Bf. eine jährliche Vermögensteuer von 1 764 RM, die es nach dem Verhältnis des in Berlin belegenen steuerpflichtigen Vermögens des Bf. (Grundvermögen abzüglich der darauf lastenden Schulden) zum gesamten steuerpflichtigen Vermögen aus der vom Finanzamt A festgesetzten gesamten Jahressteuerschuld errechnete.

Gegen den Ergänzungsvermögensteuerbescheid 1946 des Finanzamts B legte der Bf. ohne Erfolg Einspruch und Berufung ein. In der gegen die abweisende Berufungsentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin erhobenen Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Bf. wie im bisherigen Verfahren in der Hauptsache geltend, nach den nicht geänderten Zuständigkeitsvorschriften der AO dürfe die Vermögensteuer nur von einem Finanzamt veranlagt und erhoben werden. Keinesfalls könne, nachdem das zuständige Wohnsitzfinanzamt die Vermögensteuerveranlagung für das ganze Vermögen (einschließlich des Berliner Vermögens) vorgenommen habe, diese Veranlagung rechtskräftig geworden und die Steuer voll bezahlt sei, ein anderes Finanzamt in diese Veranlagung eingreifen.

In der Stellungnahme des Landesfinanzamts Berlin wird die Rb. als unzulässig bezeichnet. Im Zeitpunkt des Ergehens des Urteils des Verwaltungsgerichts (28. Mai 1952) sei die Zulässigkeit der Rb. nach der damaligen Fassung des § 286 Abs. 1 AO noch davon abhängig gewesen, daß der Wert des Streitgegenstandes höher als 500 DM sei. Das Verwaltungsgericht habe daher bei dem Streitwert von 350 DM mit Recht seine Entscheidung als endgültig bezeichnet. Die durch § 6 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof erfolgte Herabsetzung der Rechtsbeschwerdesumme sei für Berlin erst mit dem 27. Juni 1952, dem Tage des Inkrafttretens des Gesetzes zur Übernahme des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz), wirksam geworden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist zulässig und begründet.

Nach § 8 des Dritten Überleitungsgesetzes tritt das Gesetz über den Bundesfinanzhof im Land Berlin zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem das Überleitungsgesetz im Land Berlin in Kraft gesetzt wird. Das ist nach Art. III Abs. 1 des Berliner Gesetzes zur Übernahme des Dritten Überleitungsgesetzes (Gesetz- und Verordnungsblatt -- GVBl. -- für Berlin 1952 S. 393) am 27. Juni 1952 geschehen. Der Umstand, daß das Gesetz über den Bundesfinanzhof und damit auch die Änderung des § 286 Abs. 1 AO nach diesem Gesetz erst nach Ergehen des Berufungsurteils für Berlin in Kraft getreten ist, steht jedoch der Annahme nicht im Weg, daß die Rechtsbeschwerdesumme für alle Berufungsurteile des Verwaltungsgerichts Berlin, für die infolge der Übernahme des Gesetzes über den Bundesfinanzhof allgemein der Weg der Rechtsbeschwerde an den Bundesfinanzhof eröffnet wurde, gleichermaßen 200 DM beträgt. Für die Zulässigkeit einer Rb. im Hinblick auf den Streitwert ist seit der Änderung des § 286 Abs. 1 AO durch das Gesetz über den Bundesfinanzhof, also seit Bestehen des Bundesfinanzhofs, ausschließlich die Rechtsbeschwerdesumme von 200 DM maßgebend. Die Übernahme des Gesetzes über den Bundesfinanzhof durch das Land Berlin kann daher ohne Rücksicht auf den Tag des Inkrafttretens des Übernahmegesetzes nur die Bedeutung haben, daß damit auch der § 286 Abs. 1 AO in seiner durch das Gesetz über den Bundesfinanzhof geänderten Fassung für alle Rechtsbeschwerden gegen Berufungsentscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin übernommen wurde, für die gleichzeitig der Rechtsbeschwerdeweg eröffnet wurde.

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht die vom Finanzamt B vorgenommene Ergänzungsveranlagung zur Vermögensteuer unter Berufung auf die staatsrechtliche Entwicklung in Deutschland für rechtmäßig erklärt. Die Zuständigkeitsregelung in der AO, die nur einen Steuergläubiger voraussehe, sei auf die heutige Lage nicht anwendbar, in der mehrere Steuergläubiger nach eigenem Recht Anspruch auf eine Besteuerung erhöben. Zwar hätten, solange Deutschland lediglich in die vier Besatzungszonen aufgeteilt gewesen sei, Steuerpflichtige mit Wohnsitz in einer Besatzungszone in einer anderen Zone nicht als beschränkt steuerpflichtig behandelt werden können. Nachdem sich aber die drei westlichen Zonen zur Bundesrepublik zusammengeschlossen hätten und auch Westberlin nach seiner Verfassung eine Gebietskörperschaft mit eigener Gesetzgebungsbefugnis geworden sei, müsse der Bf. mit seinem Berliner Grundbesitz als in Berlin beschränkt vermögensteuerpflichtig angesehen werden mit der Maßgabe, daß seine Heranziehung zur Vermögensteuer mit dem Gesamtvermögen in A einer nochmaligen Versteuerung seines in Berlin belegenen Vermögens nicht entgegenstehe.

Daß der Gebietskörperschaft Berlin auf Grund der staatsrechtlichen Entwicklung auch die Steuerhoheit zugefallen ist, hat der Bundesfinanzhof bereits in dem Urteil IV 480/51 S vom 20. März 1952 (Slg. Bd. 56 S. 329 = Bundessteuerblatt -- BStBl. --1952 III S. 129), dem der erkennende Senat insoweit beitritt, anerkannt. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht ohne weiteres die Zulässigkeit der strittigen Ergänzungsvermögensteuerveranlagung. Gesetzliche Grundlage für die Hauptveranlagung der Vermögensteuer zum 1. Januar 1946 war sowohl für Berlin als auch für das damalige Land Baden das Vermögensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 mit den durch das Kontrollratgesetz (KontrRG) Nr. 13 ab 1. Januar 1946 eingeführten Änderungen. Nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) 1934 sind unbeschränkt vermögensteuerpflichtig natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland. Die Teilung Deutschlands in verschiedene Besatzungszonen hat keinen neuen Begriff des Inlands geschaffen (vgl. § 1 Abs. 2 VStG 1952 und § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- 1950). Dementsprechend ist auch in den für die britische Zone und für die Länder der amerikanischen Zone aufgestellten Vermögensteuerrichtlinien 1946 (vgl. für die britische Zone I. Vermögensteuererlaß 1946 Abschn. 27 Abs. 1, Steuer- und Zollblatt -- StuZBl. -- 1947 S. 21, für die amerikanische Zone Vermögensteuerrichtlinien -- VStR -- 1946 Abschn. 27 Abs. 1, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen -- Bay. FMBl. -- 1947 S. 9) ausgeführt, daß Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb des Gebiets einer Besatzungszone haben, in einer anderen Zone nicht als beschränkt steuerpflichtig behandelt werden können. Die gleiche Auffassung findet sich in der Rundverfügung Nr. 319/47 der Generalsteuerdirektion Berlin vom 3. November 1947 Abschn. B II 1. Im übrigen ergibt sich auch aus der Begründung zu dem Gesetz über die Aufteilung der Vermögensteuer zwischen Berlin (West) und dem übrigen Geltungsbereich dieses Gesetzes vom 15. Dezember 1952 (Bundesgesetzblatt -- BGBl. -- I S. 796), daß selbst mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses Gesetzes (1. Januar 1949) trotz der ab diesem Zeitpunkt anders als im Bundesgebiet geregelten Vermögensbesteuerung in Berlin der Gedanke einer beschränkten Steuerpflicht im Verhältnis Bundesgebiet -- Berlin abgelehnt wurde, weil dagegen, abgesehen von der Folge steuerlich unbilliger Härten, allgemeine staatspolitische und wirtschaftliche Bedenken bestünden (vgl. Bundestagsdrucksache Nr. 3654 vom 21. August 1952 S. 7). Konnten somit weder in den westlichen Besatzungszonen noch in Berlin zum 1. Januar 1946 Vermögensteile eines Steuerpflichtitigen, der in dem betreffenden Gebiet keinen Wohnsitz hatte, nach den Grundsätzen über die beschränkte Steuerpflicht zur Vermögensteuer herangezogen werden, so ergab sich im Verhältnis der Länder der westlichen Besatzungszonen zu Berlin (und der sowjetisch besetzten Zone) doch die Notwendigkeit einer praktischen Regelung des interzonalen Finanzausgleichs. Diese Regelung hat in verschiedenen Verwaltungsanordnungen (vgl. für Berlin die angeführte Rundverfügung der Generalsteuerdirektion sowie die Rundverfügungen des Landesfinanzamts Groß-Berlin Nr. 73/48 vom 12. März 1948 und Nr. 195/48 vom 8. Juli 1948, für die britische und amerikanische Zone den II. Vermögensteuererlaß 1946 vom 18. August 1947 -- StuZBl. 1947 S. 199 -- und den Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 9. August 1947 -- Bay.FMBl. 1947 S. 73 --) ihren Niederschlag gefunden. Diese Verwaltungsanordnungen sehen -- in den wesentlichen Punkten übereinstimmend -- vor, daß bei der Vermögensteuerveranlagung zum 1. Januar 1946 das Wohnsitzfinanzamt die Veranlagung für das gesamte Vermögen des Steuerpflichtigen nach den allgemein gültigen Bestimmungen vornimmt, die Steuer aber im Verhältnis des Vermögens in dem anderen Gebiet (bei Gesamtveranlagung durch ein Finanzamt der westlichen Zonen in Berlin, bei Gesamtveranlagung in Berlin in den westlichen Zonen) zum gesamten Vermögen aufteilt und von der Erhebung des Teils der Steuer, der auf das in dem anderen Gebiet belegene Vermögen entfällt, absieht. Der hiernach durch das Wohnsitzfinanzamt nicht erhobene Teil der Vermögensteuer sollte durch das in dem anderen Gebiet nach § 73a Abs. 5 AO zuständige Finanzamt im Wege einer Ergänzungsveranlagung herangezogen werden. Diese gesetzlich nicht festgelegte Regelung ist zwar für den Bundesfinanzhof nicht verbindlich. Der Senat glaubt aber, in Übereinstimmung mit den Urteilen des Bundesfinanzhofs IV 439/51 S vom 21. Februar 1952 (Slg. Bd. 56 S. 324 = BStBl. 1952 III S. 128) und I 47/52 U vom 1. Juli 1952 (Slg. Bd.56 S. 550 = BStBl. 1952 III S. 213) davon ausgehen zu sollen, daß die Teilung Deutschlands in die verschiedenen Besatzungszonen mindestens bis zur Währungsreform dazu führen muß, die Aufteilung des Gesamtbetrags der geschuldeten Vermögensteuer zum Zwecke der teilweisen Erhebung durch ein Berliner Finanzamt und ein Finanzamt der Westzonen mit der Maßgabe als rechtmäßig anzuerkennen, daß kein Betrag erhoben und festgesetzt werden darf, der den Gesamtbetrag der nach den einheitlichen Rechtsgrundlagen geschuldeten Steuer übersteigt. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist festzustellen, daß das als Wohnsitzfinanzamt für die Gesamtveranlagung zuständige Finanzamt A bei der Veranlagung des Bf. nicht in der dargestellten Weise vorgegangen ist (offenbar deshalb, weil eine entsprechende Regelung in dem zur französischen Zone gehörigen damaligen Land Baden nicht getroffen war) und weder eine Aufteilung der Vermögensteuer vorgenommen noch den auf Berlin entfallenden Teil der Steuer unerhoben gelassen hat. Dann war aber für einen "Ergänzungsbescheid" des Finanzamts B kein Raum, da es nicht angeht, die vom Wohnsitzfinanzamt rechtmäßig im vollen Umfang festgesetzte und erhobene Vermögensteuer noch einmal zum Teil durch ein Berliner Finanzamt festzusetzen und anzufordern und es dem Steuerpflichtigen zu überlassen, sich im Wege der Billigkeit um einen teilweisen Verzicht des Wohnsitzfinanzamts zugunsten des Landes Berlin zu bemühen.

Hiernach mußten die Vorentscheidung, die Einspruchentscheidung des Finanzamts B vom 5. Februar 1951 und dessen Ergänzungsbescheid vom 13. September 1950 ersatzlos aufgehoben werden. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 309 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407888

BStBl III 1954, 169

BFHE 1954, 676

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