Leitsatz (amtlich)
1 Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung erfordert, daß der Kaufmann sämtliche Geschäftsvorfälle fortlaufend, vollständig und richtig durch Grundaufzeichnungen so zeitnah wie möglich festhält; es genügt nicht, daß zahlreiche Krediteinkäufe erstmals nach vier Wochen wie Bargeschäfte buchmäßig erfaßt werden.
2. Die Geschäftsvorfälle müssen innerhalb der Buchführung so dargestellt werden, daß während der Aufbewahrungsfristen zu jedem beliebigen Zeitpunkt auch in der Vergangenheit ohne größere Mühe ein Abschluß erstellt werden kann.
2. Bei Kreditgeschäften muß jederzeit ein Überblick über den Stand der Forderungen und Schulden möglich sein.
2. Der Umfang der Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, von der das Gesetz Steuervergünstigungen abhängig macht, hängt in aller Regel nicht von der Art der Steuervergünstigung ab.
Normenkette
EStG 1958 §§ 5, 7a; AO § 162; HGB § 38 ff.
Tatbestand
A Sachverhalt
Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung 1958, ob der Revisionsklägerin, einer OHG, die Bewertungsfreiheit nach § 7a EStG 1955 wegen Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung zu Recht versagt wurde.
Die OHG betrieb eine Verlags-, Sortiments- und Antiquariatsbuchhandlung. Bei einer im Dezember 1959/Januar 1960 durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1956 bis 1958 wurden folgende Buchungsvorgänge festgestellt, in denen das FA Verstöße gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sah. Ein großer Teil der Warenkrediteinkäufe war nicht täglich über das Kreditorensachkonto und über die Personenkonten, sondern erst bei Zahlung über ein Geldkonto gebucht worden. Weder der Rechnungseingang noch der Wareneingang wurde laufend buchmäßig der Zeitfolge nach erfaßt. Warenbestände und Liefererverbindlichkeiten wurden nicht nach dem Stande vom Bilanzstichtag (31. Dezember), sondern nach dem Stande 8 bis 12 Tage vorher in den Bilanzen ausgewiesen. Die Antiquariatsbestände zum Bilanzstichtag waren nicht körperlich, sondern nach einer Lagerkartei aufgenommen.
Das FA sah hierin, insbesondere in der Art der Verbuchung der Krediteinkäufe, Systemfehler der Buchführung. Es versagte die Begehrten Steuervergünstigungen, von denen nur noch um die nach § 7a EStG 1955 gestritten wird. Der Einspruch der OHG blieb erfolglos.
Auf die Berufung der OHG stellte das FG zur Verbuchung der Krediteinkäufe durch die OHG für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1958 nach Anhörung eines eigenen Prüfers folgendes fest. Von insgesamt 24 998 Rechnungen zahlreicher Lieferanten verbuchte die OHG 2242 Rechnungen in der üblichen Weise einzeln über Kreditorenkonto und Kontokorrent. 3456 Rechnungen wurden durch monatliche Sammelbuchungen für je einen Lieferanten nach dessen Kontoauszügen im Kreditorenkonto und Kontokorrent und 19 300 Rechnungen erst bei der Zahlung an den Lieferanten buchmäßig erfaßt. Bei den beiden letztgenannten Gruppen waren die Eingangsrechnungen nicht laufend und der Zeitfolge nach in einem Grundbuch (Rechnungseingangsbuch) aufgezeichnet. Die OHG bezahlte die Rechnungen im allgemeinen innerhalb von vier Wochen durch Sammelüberweisung. Bis dahin bewahrte sie die Rechnungen in Sammelmappen auf. Der Sammelzahlungsbeleg wurde mit den bezahlten Rechnungen verbunden.
Das FG hielt die Buchführung wegen der teilweise erst vier Wochen nach der Lieferung liegenden Erfassung der Vorgänge auf einem Kreditorensachkonto, wegen der verspäteten Verbuchung eines Teils der Kreditgeschäfte sowie wegen der nicht stichtagsgemäßen Bestandsaufnahme nicht für beweiskräftig. Auf die zur Inventur des Antiquariats vom FA erhobenen Beanstandungen komme es nicht mehr an. Es lägen sog. Systemfehler vor, die zur Versagung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung führten. Da laufend eine sehr große Zahl von Rechnungen nicht zeitgerecht erfaßt worden sei, wäre es einem Sachverständigen nicht möglich gewesen, in angemessener Zeit zu einer richtigen Übersicht der Vermögenslage und Liquidität der OHG zu gelangen. Die Sicherungs- und Kontrollfunktion der Buchführung sei in wichtigen Punkten nicht sichergestellt. Das Vorhandensein der Rechnungen allein könne die erforderlichen Aufzeichnungen nicht ersetzen. Eine Buchführung sei nur dann beweiskräftig, wenn zu den Belegen auch deren Eintragung hinzukomme. Zwar könne kein unangemessener Arbeitsaufwand für die Buchführung verlangt werden. Diese Einschränkung müsse aber da ihre Grenze finden, wo die Grundprinzipien der ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung gefährdet seien und der Zweck der Buchführung beeinträchtigt werde.
B Revisionsbegründung
Mit der Revision rügt die OHG, der Begriff der ordnungsmäßigen Buchführung sei auch im Steuerrecht nach handelsrechtlichen Grundsätzen auszulegen. Maßgebend sei die Verkehrsauffassung der beteiligten Wirtschaftskreise. Die Grundsätze der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung seien strenger und insoweit nicht aufrechtzuerhalten. Maßgebend sei die Wirtschaftlichkeit der Buchführung im Rahmen des Betriebes. Das werde auch von der Verwaltung bei der Offenen-Posten-Buchhaltung anerkannt, bei der der Beleg nicht mehr Unterlage der Buchführung bleibe, sondern selbst Kontorang erhalte. Der Zwang zur Rationalisierung, das Aufkommen moderner Buchungsverfahren, wie z. B. der elektronischen Datenverarbeitung, bedingten eine Umstellung im Denken; Übergangsschwächen sollten großzügig beurteilt werden. Das Denken in festgefügten Systemen sei unrichtig; der Begriff des Systemfehlers im Sinn der Rechtsprechung des BFH sei unhaltbar. Das Fehlen des Kontokorrents sei kein Systemfehler. Das Kontokorrentbuch sei nur ein Nebenbuch. Die periodengerechte Gewinnermittlung werde durch das Fehlen eines Kontokorrents nicht beeinträchtigt. Es sei gleichgültig, wann eine Buchung vorgenommen werde. Entscheidend sei allein, daß innerhalb der Periode verbucht werde. Handelsrechtlich werde kein Kontokorrentbuch gefordert; denn es sei auch steuerlich nicht notwendig. Kennzeichnend für den Buchhandel sei eine große Anzahl kleiner Lieferantenrechnungen. Die Forderung des FG, es müsse jederzeit der Stand des Vermögens feststellbar sein, sei schon deshalb im Buchhandel nicht erfüllbar, weil nicht bei jedem Warenverkauf der Einkaufspreis der verkauften Ware festgestellt werden könne. Die Nachprüfbarkeit der Warenbewegungen sei durch die geordnete Rechnungsablage mit den Zahlungsvermerken gewährleistet. Die jetzt von der Finanzverwaltung geforderte Führung von Kreditorenkonten habe zu einer Mehrbelastung von über 50 000 DM jährlich geführt. Das sei unzumutbar.
C Stellungnahmen
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der OHG vor allem unter dem Gesichtspunkt fehlender Grundaufzeichnungen (keine Führung von Rechnungseingangsbüchern) erörtert. Der Senat holte hierzu gutachtliche Stellungnahmen über folgende Fragen ein:
1. Welche Bedeutung hat die Führung von Grundbüchern, wie sie bisher für die Anerkennung einer Buchführung als ordnungsmäßig stets gefordert wurde?
2. Ist an der bisherigen Forderung, daß alle Geschäftsvorfälle fortlaufend in zeitlicher Reihenfolge in Grundbüchern (Kreditgeschäfte in Rechnungseingangs- oder Rechnungsausgangsbüchern) aufzuzeichnen und bei der Offenen-Posten-Buchhaltung durch zeitfolgemäßige Rechnungsablage (vgl. Erlaß der Verwaltung vom 10. Juni 1963, BStBl II, 93) zu erfassen sind, uneingeschränkt festzuhalten? In welcher Weise ist sicherzustellen, daß die im Grundbuch oder im Grundbuchersatz (z. B. Warenausgangs- oder Wareneingangsbuch, geordnet abgelegte Rechnungsdurchschriften) laufend verbuchten Kreditvorgänge aus dem Buchführungswerk nicht mehr entfernt werden können?
3. Die OHG gibt die Mehrkosten gegenüber ihrer bisherigen Buchführungsmethode mit jährlich ca. 50 000 DM an. Ist es vertretbar, unter besonderen Umständen im Einzelfall wie z. B. bei einer großen Zahl der Einzelrechnungen oder bei erheblichem Kostenaufwand, eine sonst nicht ordnungsmäßige Buchführung gleichwohl als ordnungsmäßig anzusehen?
4. Wenn auf die Führung von Grundbüchern oder des Grundbuchersatzes nach Maßgabe der Offenen-Posten-Buchhaltung verzichtet werden könnte, wie kann gewährleistet werden, daß die Geschäftsvorfälle vollständig, in der richtigen Reihenfolge und mit der zutreffenden Gewinnauswirkung auf den Sachkonten verbucht werden? Wie kann noch nachträglich zum Zwecke einer Überprüfung der Buchführung festgestellt werden, ob sämtliche Geschäftsvorfälle verbucht wurden? Ist es ohne Grundaufzeichnungen überhaupt möglich, daß sich ein Buchsachverständiger leicht in der Buchführung zurechtfindet?
5. Müssen, wenn auf die zeitliche fortlaufende Rechnungseingangsbuchung verzichtet wird, nicht wenigstens täglich fortlaufende Kreditorenaufzeichnungen in Geschäftsfreundebüchern vorgenommen werden?
6. Hat es einen Einfluß auf die Beurteilung, daß die OHG die Rechnungen im allgemeinen innerhalb von vier Wochen bezahlte?
I. Das Institut der Wirtschaftsprüfer äußerte sich im wesentlichen wie folgt.
Die kaufmännische Buchführung müsse so gestaltet sein, daß man sich mit ihrer Hilfe jederzeit alsbald einen zuverlässigen Überblick über die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens machen könne. Die Zuverlässigkeit der Buchführung sei davon abhängig, daß die Geschäftsvorfälle vollständig und richtig aufgezeichnet seien. Die Vermutung der Zuverlässigkeit werde dadurch begründet, daß die Geschäftsvorfälle laufend und zeitnah verbucht würden, daß nachprüfbar bleibe, wie der einzelne Geschäftsvorfall in das Rechenwerk eingegangen und weiter behandelt worden sei, und daß nachträgliche, nicht erkennbare Änderungen durch das Buchungssystem erschwert würden. Dies seien allgemeine Voraussetzungen der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.
Für das Problem der Absicherung gegen nachträgliche, nicht erkennbare Änderungen der Buchführung (Sicherungsfunktion) hätten Theorie und Praxis bislang eine Lösung nur darin gefunden, daß neben den Eintragungen auf den Konten noch Grundaufzeichnungen vorgenommen würden. Bei diesen Grundaufzeichnungen handele es sich um die gesonderte Aufzeichnung aller Geschäftsvorfälle in zeitlicher Reihenfolge. Auch wenn die Grundaufzeichnungen nicht in gebundenen Büchern vorgenommen würden, spreche man in herkömmlicher Weise von Grundbüchern. Sei ein Grundbuch nicht gebunden, so müßten seine einzelnen Blätter abrechnungsmäßig miteinander verbunden sein. Es hänge von Art und Umfang des Geschäftsbetriebs und vom Buchhaltungssystem ab, welche und wieviele Grundbücher zweckmäßigerweise geführt würden. Die Unterteilung dürfe aber nicht soweit getrieben werden, daß die Sicherungsfunktion beeinträchtigt werde. Für den Postscheck- und Bankverkehr reichten die laufenden Mitteilungen der kontoführenden Stelle, sofern sie neben den Umsätzen auch Saldovortrag und Saldo angeben, zur Sicherung der Ordnungsmäßigkeit aus. Eine Vereinfachung der Grundbuchführung komme in Betracht, wenn eine Vielzahl von gleichartigen Geschäftsvorfällen, die im einzelnen relativ geringe Bedeutung hätten, zu buchen seien. In solchen Fällen könnten Additionsstreifen der systematisch gekennzeichneten und abgelegten Belege als Grundbuchersatz angesehen werden, wenn die Summen der einzelnen Streifen von "Buchungstag" zu "Buchungstag" in der Buchführung rechnerisch miteinander verbunden würden. Dieses Hilfsmittels bediene sich insbesondere die Offene-Posten-Buchhaltung, die im übrigen dadurch gekennzeichnet sei, daß die Personenkonten (Geschäftsfreundebuch) durch eine geordnete Ablage der Rechnungen oder der Rechnungsdurchschriften ersetzt würden. Zu einem "Buchungstag" könnten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit auch mehrere Kalendertage zusammengefaßt werden.
Die Annahme der OHG bezüglich der Höhe der Mehrkosten sei irrig. Bei dem angegebenen halbjährlichen Rechnungsvolumen
Anzahl
24 998
./. 2 242
22 756
- das seien bei 120 Arbeitstagen im Halbjahr rd. 189 Rechnungen je Tag - sollte die Klägerin unschwer in der Lage sein, die gekennzeichneten Mindestanforderungen ohne eine wesentliche Mehrbelastung ihrer Buchhaltung zu erfüllen. Bei rationeller organisatorischer Gestaltung dürfte allenfalls ein Mehraufwand von 15 000 DM jährlich erforderlich sein. Eine ordnungsmäßige Buchführung gehöre zu den unabdingbaren Voraussetzungen kaufmännischer Betätigung. Sie sei selbst in der gekennzeichneten einfachen Form auch verwaltungstechnisch von Vorteil, da buchungsmäßig nicht erfaßte "Unterwegsbelege" häufig zusätzliche Arbeiten und Kosten verursachten. Die von der OHG angewandte Buchungsmethode leiste fraudulösen Handlungen von Angestellten Vorschub. Zudem mache sie es unmöglich, zu einem zurückliegenden Stichtag innerhalb des Geschäftsjahres aus der Buchführung einen zutreffenden Abschluß abzuleiten.
Es sei an dem Grundsatz festzuhalten, daß alle eingehenden Rechnungen, sofern sie nicht sofort als nicht gerechtfertigt zurückgewiesen würden, unverzüglich der Reihenfolge ihres Eingangs nach festgehalten werden. Erfolge die Zahlung sofort, so könne die Aufzeichnung mit der der Zahlung verbunden werden, sofern dadurch die Übersichtlichkeit des Rechnungswesens nicht beeinträchtigt werde. Eine Buchführung sei also grundsätzlich nicht ordnungsmäßig, wenn ein wesentlicher Teil der Geschäftsvorfälle regelmäßig nicht in angemessener Frist verbucht werde. Die im vorliegenden Fall in Anspruch genommene Frist von vier Wochen sei nicht angemessen.
II. Der gemäß § 122 Abs. 2 FGO dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen (BdF) nahm im wesentlichen wie folgt Stellung.
Bei den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall auszufüllen sei, wobei u. a. die kaufmännischen Auffassungen, die Erkenntnisse der Betriebswirtschaft und die modernen Buchungsmethoden zu berücksichtigen seien. Die Buchführung sei nicht an eine bestimmte Form oder Technik oder an ein bestimmtes System gebunden. Auch die Buchführungstechnik stehe unter dem Zwang zur Rationalisierung und Automatisierung. Die bisherigen Buchführungsformen und Buchführungsmethoden müßten deshalb laufend an die neuen technischen Entwicklungen und Erfordernisse angepaßt werden. Die Auffassung darüber, was im einzelnen zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehöre, sei Wandlungen unterworfen. Zwar könne nicht schon jede Neuerung oder Gepflogenheit der Buchführungspraxis als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung gewertet werden. Das gelte insbesondere für Nachlässigkeit oder Mißbräuche. Andererseits dürften die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung auch nicht überspannt werden. Bei der Frage, welche Anforderungen aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung heraus an eine Buchführung zu stellen seien, sei insbesondere auch zu beachten, daß die Anforderungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehen (Grundsatz der Wirtschaftlichkeit). Es müsse deshalb in jedem Fall abgewogen werden, ob eine früher aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abgeleitete Forderung bei der heutigen Buchungstechnik wirtschaftlich vertretbar sei und ob Neuerungen den Buchführungszweck nicht gefährdeten.
Einer der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verlange, daß sämtliche Geschäftsvorfälle zeitnah und der Zeitfolge nach in Grundbüchern erfaßt würden; das Grundbuch habe nach der schulmäßigen Buchführungslehre die Aufgabe, die Geschäftsvorfälle zunächst so, wie sie zeitlich anfallen, aufzunehmen und festzuhalten. Aus dem Grundbuch sollten die Geschäftsvorfälle dann systematisch geordnet in das Hauptbuch (die Sachkonten) übertragen werden. Dabei sei jedoch die grundbuchmäßige Erfassung der Geschäftsvorfälle mit Ausnahme des Kassenverkehrs (Bareingänge und Barausgänge) sowie der Entnahmen und Einlagen nicht mehr wörtlich dahin zu verstehen, daß jeder Geschäftsvorfall in ein Buch eingetragen werden müsse; es müsse nur die Grundbuchfunktion gewährleistet sein. Diese bestehe darin, die buchmäßige Erfassung aller Geschäftsvorfälle zu sichern. Die Erfüllung dieser Funktion sei weniger ein Buchführungs- als mehr ein Organisationsproblem. Es genüge, daß durch bestimmte organisatorische Maßnahmen gewährleistet sei, daß Geschäftsvorfälle nicht ohne weiteres buchmäßig unerfaßt bleiben könnten. Diese Grundbuchfunktion könne z. B., sofern die Geschäftsvorfälle nicht sofort verbucht würden, durch eine geordnete und übersichtliche Rechnungsablage erfüllt werden (vgl. BFH-Urteile IV 42/61 U vom 16. September 1964, BFH 80, 500, BStBl III 1964, 654, und VI 117/65 vom 23. September 1966, BFH 87, 73, BStBl III 1967, 23) und gleichlautende Ländererlasse betreffend Offene-Posten-Buchhaltung vom 10. Juni 1963 (BStBl II 1963, 93).
Auch an dem Grundsatz, daß die grundbuchmäßige Erfassung der Geschäftsvorfälle laufend zu erfolgen habe, müsse festgehalten werden. Dabei sei jedoch mit Ausnahme des Kassenverkehrs sowie der Entnahmen und Einlagen keine tägliche Aufzeichnung oder sonstige Erfassung erforderlich. Die Erfassung müsse jedoch noch zeitnah vorgenommen werden. Es müsse ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Geschäftsvorgängen und ihrer Erfassung bestehen. Welche Zeitspanne dabei noch als "zeitnah" anzusehen sei, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Von der Rechtsprechung seien hierzu noch keine Fristen festgelegt worden. Nach dem BFH-Urteil IV 68/53 U vom 10. Juni 1954 (BFH 59, 227, BStBl III 1954, 298) reiche es nicht aus, sich zunächst nur auf die Sammlung von Belegen zu beschränken und die Geschäftsvorfälle erst nach Ablauf einer langen Zeit (im Urteilsfall nach mehreren Monaten) zu verbuchen. Dieser Auffassung sei grundsätzlich zuzustimmen. Nach den Gepflogenheiten der Praxis und bei den heutigen betrieblichen Verhältnissen werde aber regelmäßig eine Erfassung innerhalb von acht Tagen nach dem Tag des Geschäftsvorfalls noch als zeitnah anzuerkennen sein. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, daß der Einsatz von modernen Buchungsmaschinen, besonders von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen, nur rationell und kostensparend sei, wenn jeweils ein größerer Buchungsanfall vorliege. Das werde bei kleinen und mittleren Betrieben in der Regel erst in gewissen Abständen der Fall sein. Solle auch in diesen Fällen die Buchführung mit Hilfe von leistungsfähigen Buchungsmaschinen erstellt werden (das geschehe in der Regel durch zentrale Buchstellen, die mit Datenverarbeitungsanlagen ausgerüstet sind), so sei dieses verfahren nur wirtschaftlich, wenn der Buchungsstoff jeweils für eine bestimmte Zeit gesammelt, in gewissen Abständen verbucht und dann auch erst grundbuchmäßig erfaßt werde. Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen betrügen dabei die Buchungsabstände in der Praxis bis zu vier Wochen. Dieses Verfahren sei nicht zu beanstanden, da bei der Auslegung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auch die Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen sei. Es werde jedoch, abgesehen von der täglichen Aufzeichnung des Kassenverkehrs, zu fordern sein, daß von den Betrieben organisatorische Vorkehrungen getroffen werden um sicherzustellen, daß Rechnungen und andere buchungspflichtige Belege innerhalb der Vierwochenperiode, in der sie unverbucht blieben, nicht verlorengehen könnten, z. B. durch laufende Numerierung der Rechnungen und Belege oder durch Ablage in besonderen Mappen oder Fächern.
Es sollte geprüft werden, ob der Begriff des Systemfehlers in seiner bisherigen Prägung noch zeitgemäß sei, und ob an ihm als Kriterium für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung festgehalten werden müsse. Bei der Beurteilung einer Buchführung als ordnungsmäßig komme es entscheidend darauf an, ob sie zu jedem Zeitpunkt und in angemessener Zeit überprüfbar sei und über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Vermögens des Kaufmanns zuverlässig Auskunft gebe. Das seien zugleich die Elemente, die den Kern der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bildeten und die, gleich welcher Buchungstechniken und Buchführungsmethoden man sich bediene und wie sich diese entwickelten, unverzichtbar blieben. Auch die Rechtsprechung des BFH tendiere in letzter Zeit in diese Richtung. So werde in dem BFH-Urteil VI 117/65 stärker als bisher betont, daß die Buchführung nicht Selbstzweck sei und daß für sie das Gebot der Wirtschaftlichkeit gelte. Es werde ferner darauf hingewiesen, daß unter dem Zwang der Rationalisierung in neuerer Zeit an die Stelle der Bücher zunehmend geordnete Karteien und Lose-Blatt-Buchführung träten. Wenn auch in dem Urteil der Begriff des Systemfehlers noch nicht aufgegeben werde, so trete er doch als Maßstab für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit in den Hintergrund. Entscheidendes Kriterium für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sei nach dem Leitsatz des Urteils, ob der Steuerpflichtige selbst und sachverständige Personen sich in den Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen in angemessener Zeit zuverlässig zurechtfänden. Dieses Kriterium sei ausreichend. Es könne deshalb neben dem Kriterium des "Zurechtfindens" auf den Begriff des "Systemfehlers" als Beurteilungsmaßstab für die Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung verzichtet werden. Würde der Begriff des Systemfehlers aufgegeben werden, so würde damit zugleich viel Streitstoff ausgeräumt werden. Es bestünde dann nicht mehr die Gefahr, daß die Rechtsprechung die Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung allein deshalb verneint, weil (z. B. bei der Fernbuchführung durch zentrale Buchstellen) die Geschäftsvorfälle aus Gründen eines rationellen Maschineneinsatzes nur in gewissen Zeitabständen verbucht würden oder weil Kreditgeschäfte, die innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit ausgeglichen würden, erst bei der Bezahlung verbucht und dabei nicht über Kontokorrent genommen, sondern gleich als Bargeschäft behandelt würden. Das letztere sei in der Praxis weitgehend üblich und könne nicht mehr als ein Verstoß gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung gewertet werden. Es sei deshalb auch beabsichtigt, im Rahmen der EStER für 1967 in Abschn. 29 EStR die folgende Regelung zu treffen: "Bei Kreditgeschäften sind die Entstehung der Forderungen und Schulden und ihre Tilgung grundsätzlich als getrennte Geschäftsvorfälle zu behandeln. - Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn Waren- und Unkostenrechnungen, die innerhalb der ihrem gewöhnlichen Durchlauf durch den Betrieb entsprechenden Zeit oder innerhalb von acht Tagen nach Rechnungseingang beglichen werden, kontokorrentmäßig nicht erfaßt werden."
Der OHG habe die Art ihrer Buchführung zur ordnungsmäßigen Erledigung ihrer Geschäfte offenbar genügt, da sie, wie sie unwidersprochen vorgetragen habe, trotz des Anfalls von Tausenden von Wareneingangsrechnungen nicht ein einziges Mal von ihren Lieferanten wegen Nichtbezahlung einer Rechnung oder auch wegen Versäumung einer Zahlungsfrist angemahnt worden sei. Sie berufe sich darauf, daß ihre Methode der Verbuchung eines Teils der Wareneingangsrechnungen bei der Eigenart und dem Geschäftsablauf ihres Betriebs die zweckmäßigste und rationellste sei. Auch dieses Vorbringen werde bei der Beurteilung ihrer Buchführung zu würdigen sein. Die OHG habe weiter vorgetragen, daß sie die Eingangsrechnungen, soweit diese nicht sofort bezahlt oder über Kontokorrentkonto verbucht würden, bis zur Bezahlung und Verbuchung in einem besonderen Ordner für Postschecksammelüberweisungen aufbewahrt habe. Es sei zu prüfen, ob diese Aufbewahrung Grundbuchfunktion im Sinne dieser Ausführungen beigemessen werden könne. Sollte dies nach den tatsächlichen Verhältnissen bejaht werden können, so bliebe nur noch zu entscheiden, ob der Umstand, daß Krediteinkäufe buchungsmäßig auch dann noch als Bareinkäufe behandelt worden seien, wenn die Bezahlung erst vier Wochen nach Rechnungseingang erfolgt sei, dazu führen müsse, der Buchführung die Ordnungsmäßigkeit abzusprechen. Bei dieser Entscheidung werde auch das Gesamtbild der Buchführung zu berücksichtigen sein.
Der Führung von Grundbüchern komme die Bedeutung zu, die buchmäßige Erfassung aller Geschäftsvorfälle zu sichern. Diese Grundbuchfunktion erfordere keine unmittelbaren Eintragungen in Büchern oder Karteien; es genüge, daß durch bestimmte organisatorische Maßnahmen gewährleistet sei, daß alle Geschäftsvorfälle in der Buchführung erfaßt werden. Die Erfassung müsse zeitnah erfolgen. An der Forderung, daß alle Geschäftsvorfälle fortlaufend in zeitlicher Reihenfolge in Grundbüchern aufzuzeichnen sind, sei im wörtlichen Sinne nicht mehr festzuhalten. Es komme nur auf die Erfüllung der Grundbuchfunktion an. Eine absolute Sicherstellung, daß im Grundbuch verbuchte oder sonst funktionell erfaßte Kreditgeschäfte aus dem Buchführungswerk nicht mehr entfernt werden könnten und daß sämtliche Geschäftsvorfälle in der Buchführung erfaßt würden, gebe es nicht. Es könne sich nur darum handeln, Maßnahmen zu treffen, die die Vermutung begründen, daß alle Geschäftsvorfälle in der Buchführung erfaßt werden. Diese Vermutung müsse so lange der Beurteilung der Buchführung zugrunde gelegt werden, als sie nicht durch die Feststellung nichtverbuchter Geschäftsvorfälle entkräftet werde. Eine nicht ordnungsmäßige Buchführung könne nicht deshalb als ordnungsmäßig angesehen werden, weil die Behebung der Buchführungsmängel mit erheblichen Kosten verbunden sei. Diese Fragestellung treffe jedoch nicht den Kern der Sache. Es gehe nicht um die Frage, ob eine nicht ordnungsmäßige Buchführung trotzdem als ordnungsmäßig anzusehen sei, weil die Abstellung der Buchführungsmängel erhebliche Kosten verursache, sondern es handele sich darum, ob bei den Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung auch auf die Kosten Rücksicht zu nehmen sei, d. h. ob die Buchführungskosten ein Faktor seien, der bei der Bildung und Entwicklung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu berücksichtigen sei. Das sei zu bejahen. Auch für die Buchführung gelte, wie der BFH in dem Urteil VI 117/65 mit Recht betone, das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Buchführungsarbeiten, die zu erheblichen Kosten führten, aber nach den Verhältnissen des Betriebs für das Ergebnis der Buchführung und ihre Überschaubarkeit und Überprüfbarkeit nicht unbedingt erforderlich seien, könnten nicht unter Berufung auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gefordert werden.
Unter gewissen Voraussetzungen könne auf die Führung von Grundbüchern im wörtlichen Sinne, nicht aber auf die Grundbuchfunktion verzichtet werden. Sei die Grundbuchfunktion gewahrt, so werde sich ein Sachverständiger in der Buchführung zurechtfinden können.
Eine tägliche Verbuchung der Geschäftsvorfälle sei nur bei den Kassenvorgängen und den Entnahmen und Einlagen vorgeschrieben und finde sonst in der Praxis in der Regel nicht statt. Tägliche Kreditorenaufzeichnungen in Geschäftsfreundebüchern seien deshalb auch dann nicht erforderlich, wenn keine Rechnungseingangsbücher geführt würden. In der Praxis würden Rechnungen, die innerhalb verhältnismäßig kurzer Frist nach ihrem Eingang bezahlt würden, vielfach erst bei der Bezahlung gebucht und dabei als Bargeschäft behandelt, d. h. nicht über Kontokorrent genommen und nicht in einem Geschäftsfreundebuch verbucht. Das sei zumindest in dem Rahmen, der in den EStER vorgesehen sei, nicht zu beanstanden.
Entscheidungsgründe
D Entscheidung des Senats
Aus den Gründen:
Die Revision der OHG ist nicht begründet.
I. Der Senat verbleibt bei der Auffassung, daß schwerwiegende Fehler in der Buchführung zur Versagung von Steuervergünstigungen, die eine ordnungsmäßige Buchführung zur Voraussetzung haben, auch dann führen, wenn das FA keine weiteren Folgerungen aus der Mangelhaftigkeit der Buchführung zieht, besonders den Gewinn unverändert der Besteuerung zugrunde legt. Für die Entscheidung des Streitfalls kann dahingestellt bleiben, ob der von der Rechtsprechung geprägte Begriff des Systemfehlers, durch den eine Abgrenzung gegenüber leichteren Buchführungsmängeln ermöglicht werden soll, bei denen die Steuervergünstigungen in der Regel noch zu gewähren sind, beibehalten werden kann. Es braucht deshalb nicht auf die in der Stellungnahme des BdF gegen den Begriff des Systemfehlers geäußerten Bedenken eingegangen zu werden. Denn entscheidend ist im Streitfall, daß das Fehlen von Grundaufzeichnungen für einen erheblichen Teil der Geschäftsvorfälle der OHG (Krediteinkäufe) sowie die Unterlassung einer übersichtlichen Darstellung der einzelnen Verbindlichkeiten und ihrer Gesamtheit schwere Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung darstellen, weil sie es dem Kaufmann und einem sachverständigen Dritten unmöglich machen, jederzeit mit angemessenem Zeitaufwand den Inhalt der einzelnen Handelsgeschäfte und den Stand des Vermögens (§ 38 Abs. 1 HGB) ersichtlich zu machen (vgl. Urteile des BFH IV 68/53 U; IV 376/52 U vom 20. März 1953, BFH 57, 300, BStBl III 1953, 120; I 303/55 U vom 3. September 1957, BFH 66, 260, BStBl III 1958, 102; IV 18/60 vom 16. Juli 1964, Steuerrechtsprechung in Karteiform -StRK -, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 736; VI 326/65 vom 18. Februar 1966, BFH 85, 535, BStBl III 1966, 496; VI 117/65).
II. Im Urteil IV 84/59 vom 10. Mai 1963 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 104) hielt es der Senat für möglich, daß Aufzeichnungen eines Steuerpflichtigen den Erfordernissen einer ordnungsmäßigen Buchführung bei Steuervergünstigungen nach § 6 Abs. 2 und § 7a EStG, nicht aber für die Anwendung des § 7e und des § 10a EStG genügen. Auch im Urteil des Senats IV 356/51 U vom 27. März 1952, BFH 56, 310, BStBl III 1952, 122, wird ausgeführt, daß bei der Beurteilung der an die Buchführung zu stellenden Anforderungen jeweils der Zweck der gesetzlichen Forderung ihrer Ordnungsmäßigkeit nicht unbeachtet bleiben dürfe. Ein ähnlicher Gedanke kommt im Urteil des Senats IV 294/53 U vom 30. September 1954, BFH 59, 345, BStBl III 1954, 344, zum Ausdruck. Aus diesen Entscheidungen darf nicht der allgemeine Schluß gezogen werden, daß unterschiedliche Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu stellen sind, je nach dem, welche Art von Steuervergünstigungen von ihr abhängen. Denn entweder ist die Buchführung ordnungsmäßig oder nicht ordnungsmäßig (Urteil des BFH I 303/55 U). Es ist jedem Steuerpflichtigen zuzumuten, die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung besonders dann mit Sorgfalt zu beachten, wenn er Steuervorteile in Anspruch nehmen will, die der Gesetzgeber von einer ordnungsmäßigen Buchführung abhängig macht. Es braucht daher im Streitfall nicht geprüft zu werden, ob die Fehler der Buchführung der OHG gerade die von ihr begehrte Abschreibungsfreiheit nach § 7a EStG berühren (im Ergebnis offenbar ebenso Urteil des BFH VI 245/65 vom 14. Dezember 1966, BFH 87, 616 [619 vor 2.], BStBl III 1967, 247 [248 rechte Spalte vor 2.]).
III. 1) Die Buchführung ist nicht Selbstzweck. Sie ist nicht an ein bestimmtes System oder an eine Methode gebunden, in deren Rahmen bestimmte Bücher unbedingt geführt werden müssen (vgl. besonders Urteile des BFH VI 326/65; VI 117/65). Nach § 38 Abs. 1 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Ordnungsmäßig ist jede Buchführung, die so beschaffen ist, daß jederzeit ein das Verhältnis des Vermögens und der Schulden darstellender Abschluß erstellt werden kann. Die Forderung, daß dies auf Grund einer ordnungsmäßigen Buchführung möglich sein muß, besagt, daß ein Abschluß allein auf Grund von Bestansdaufnahmen nicht genügt. Das folgt auch daraus, daß die Bestände durch Entnahmen und Einlagen verändert sein können, die den Gewinn nicht berühren dürfen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Es genügt auch nicht, daß lediglich Entnahmen und Einlagen aufgezeichnet werden. Vielmehr müssen sich die Geschäftsvorfälle und die Lage des Vermögens aus der Gesamtheit der geschäftlichen Unterlagen ergeben, in denen sich der Ablauf des betrieblichen Geschehens widerspiegelt. Deshalb müssen für jeden Geschäftsvorfall Unterlagen oder Belege vorhanden sein oder es muß der Vorfall selbst durch eine Aufzeichnung mit hinreichender Identifizierbarkeit buchmäßig festgehalten werden.
2) Der Begriff der ordnungsmäßigen Buchführung setzt weiter voraus, daß die geschäftlichen Unterlagen nicht planlos gesammelt und aufbewahrt werden. Denn das würde mit zunehmender Zahl und Verschiedenartigkeit der Geschäftsvorfälle zur Unübersichtlichkeit der Buchführung führen, einen jederzeitigen Abschluß unangemessen erschweren und die Gefahr erhöhen, daß Unterlagen verlorengehen oder später leicht aus dem Buchführungswerk entfernt werden können. Hieraus folgt, daß die Bücher und Aufzeichnungen nach bestimmten Ordnungsprinzipien geführt werden müssen und eine Sammlung und Aufbewahrung der Belege notwendig ist, durch die im Rahmen des Möglichen gewährleistet wird, daß die Geschäftsvorfälle leicht und identifizierbar feststellbar und für einen die Lage des Vermögens darstellenden Abschluß unverlierbar sind. Ein solcher Abschluß muß auch für jeden beliebigen Zeitpunkt der Vergangenheit ohne große Mühen aus der Buchführung ableitbar sein. Die Aufbewahrungspflichten nach §§ 44, 44 a, 47a HGB in der Fassung des Gesetzes vom 2. August 1965 (BGBl I, 665) und § 162 Abs. 8, 9 AO in der Fassung desselben Gesetzes verfolgen ersichtlich diesen Zweck.
3) Diesem Prinzip der Belegsicherung dienen die Grundaufzeichnungen (z. B. Eintragung in Kassenbücher, Rechnungseingangs- und -ausgangsbücher), die auch die Möglichkeit garantieren, von der späteren Buchung bis zum Beleg zurück den Geschäftsvorfall zu identifizieren. Daß Grundaufzeichnungen erforderlich sind, ist unbestritten. Bestritten ist nur der Umfang der zu ihrer Zweckerfüllung notwendigen Maßnahmen. Die Grundaufzeichnungen müssen, wie es in § 162 Abs. 2 AO für die Besteuerung noch ausdrücklich vorgeschrieben ist, fortlaufend, vollständig und richtig geführt werden. Grundaufzeichnungen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sind wertlos, machen die Buchführung unglaubwürdig und nehmen ihr die Beweiskraft.
Auch die Grundaufzeichnungen sind nicht an ein bestimmtes System gebunden. Jedes System, durch das die Geschäftsvorfälle fortlaufend, vollständig und richtig so in der Buchführung festgehalten werden, daß die Grundaufzeichnungsfunktion, nämlich Belegsicherung und Garantie der Unverlierbarkeit des Geschäftsvorfalls, erfüllt wird, ist ordnungsmäßig. Es müssen aber sämtliche Geschäftsvorfälle der zeitlichen Reihenfolgenachund materiell mit ihrem richtigen und erkennbaren Inhalt festgehalten werden. Richtig ist, daß dies, wie der BdF betont, nicht unverzüglich geschehen muß. Die Bücher sind aber so auf dem laufenden zu halten, daß sie stets die Lage des Vermögens ersichtlich machen (Urteil des Reichsgerichts II 412/13 vom 16. September 1913, Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 47 S. 311); jeder Geschäftsvorfall ist daher sobald es möglich ist, in der Regel sogleich, in den Büchern festzuhalten (vgl. Baumbach-Duden, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 13. Aufl., Anm. 5 D, § 38). Diese Forderung nach zeitnaher Verbuchung, die allein auch dem Sinn der Grundaufzeichnungen entspricht, darf freilich nicht überspannt werden. Es darf aber bis zur Verbuchung keine Zeitspanne vergehen, die die ohnehin nicht völlig auszuschließende Gefahr des Verlusts von Buchungsunterlagen in vermeidbarer Weise vergrößert. Hierbei spielen die Wirtschaftlichkeit der notwendigen Maßnahmen und der Umfang des jeweiligen Buchungsrückstands eine wichtige Rolle. Je umfangreicher der Beleganfall ist, um so nachdrücklicher ist die Forderung nach zeitnahem Festhalten der Geschäftsvorfälle in den Büchern zu erheben.
4) Das Urteil des Senats IV 42/61 U sah bei zeitnaher Erfassung der Geschäftsvorfälle in Grundaufzeichnungen einen Zeitraum von einem Monat für die systematische Übernahme des Buchungsstoffes auf die Sach- und Personenkonten noch als angemessen an, weil dort die Übersichtlichkeit der Buchführung und die leichte Anfertigung eines Abschlusses auf jeden beliebigen Tag innerhalb des Monatszeitraums durchführbar war. Diese Grundsätze gelten nicht ohne weiteres für die zeitnah durchzuführenden Grundaufzeichnungen. Es kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen, z. B. bei kleinen Betrieben mit nur wenigen Belegen, die Überwachung der Vollständigkeit der Belegsammlung für etwa einen Monat auf andere Weise gewährleistet ist und damit die Belegsammlung solange als hinreichender Grundbuchersatz angesehen werden kann. Bei der OHG ist das nicht möglich. Auch der vom BdF hervorgehobene Gesichtspunkt der Rationalisierung und Modernisierung des Buchführungswesens durch Buchungsmaschinen bei zentraler Datenverarbeitung kann nicht rechtfertigen, daß ständig mehrere Tausende offener Lieferantenrechnungen lediglich in Sammelmappen aufbewahrt und in Zeiträumen bis zu vier Wochen als Bargeschäfte verbucht werden. Die bloße Aufbewahrung einer großen Zahl längere Zeit offener Rechnungen in Sammelmappen, aus denen laufend die bezahlten Rechnungen entnommen werden, garantiert weder die Belegsicherung noch die Unverlierbarkeit der Geschäftsvorfälle in dem zu fordernden weitmöglichsten Umfang. Selbst wenn nicht zu beanstanden wäre, daß die OHG die Kreditgeschäfte kontenmäßig in der Buchführung niemals als solche erfaßte, sondern sie wie Bargeschäfte behandelte, so hätte sie diese doch als Kreditgeschäfte sogleich grundbuchmäßig in zeitlicher Reihenfolge, vollständig und richtig darstellen müssen. Denn anderenfalls werden die aus den Kreditgeschäften herrührenden Verbindlichkeiten in der Buchführung überhaupt nicht festgehalten, was gegen § 38 Abs. 1 HGB verstößt. Es kann nicht anerkannt werden, daß diese Art der Behandlung echter Kreditoren diese Geschäftsvorfälle richtig darstellt. Eine besondere Quelle für die Gefahr des Verlustes von Unterlagen liegt darin, daß die OHG die Rechnungen, ehe sie in die Ablagesammelmappe gelangten, noch Tage und Wochen bei den von den Lieferanten gelieferten Büchern beließ.
Mit seinem zum Teil abweichenden Ausführungen tritt der BdF in Widerspruch zu seiner eigenen Anordnung in Abschn. 29 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStR 1965, die ein Grundbuch verlangt, in das sämtliche Geschäftsvorfälle der Zeitfolge nach vollständig und laufend eingetragen werden, und nur eine Vereinfachung nach Art der Offenen- Posten-Buchhaltung (Erlasse der Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder vom 10. Juni 1963) zuläßt. Hiernach liegt ein ausreichener Grundbuchersatz nur vor, wenn der Kaufmann eine Durchschrift der Rechnungen der Zeitfolge nach ablegt, die Rechnungsbeträge nach Tagen aufaddiert, die Additionsstreifen oder die sonstigen Zusammenstellungen der Rechnungsbeträge mit den Rechnungsdurchschriften zehn Jahre aufbewahrt und bei der doppelten Buchführung die Tagessummen in das Debitoren- bzw. Kreditorenkonto und in die zugehörigen Gegenkonten übernimmt. Diese Voraussetzungen erfüllte die OHG deshalb nicht, weil sie die Eingangsrechnungen weder in einem Grundbuch der Zeitfolge nach aufzeichnete noch Durchschriften systematisch geordnet aufbewahrte. Der Auffassung des BdF kann sich der Senat auch deshalb nicht anschließen, weil sie dazu führt, daß in vielen Fällen für die Erfassung der Geschäftsvorfälle in Grundaufzeichnungen eine noch längere Frist als vier Wochen anerkannt werden müßte. Denn es ist schwer zu begründen, warum z. B. ein Kaufmann mit 3 000 Eingangsrechnungen in einem halben Jahr nicht das gleiche Recht für sich in Anspruch nehmen könnte wie die OHG, bei der 3 000 Rechnungen im Monat anfallen. Eine solche in ihren Folgen schwer übersehbare Großzügigkeit in der Beurteilung der zeitnahen Grundaufzeichnungen kann nicht gebilligt werden. Jede nicht durch die Verhältnisse des Betriebs oder des Geschäftsvorfalls zwingend bedingte Zeitspanne zwischen dem Eintritt des Vorgangs und seiner grundbuchmäßigen Erfassung ist bedenklich. Länger als etwa zehn Tage darf ein Geschäftsvorfall grundsätzlich grundbuchmäßig nicht unerfaßt bleiben. Eine Ausnahme von diesen strengen Grundsätzen kann auch bei zahlreichen Geschäftsvorfällen nicht gemacht werden, weil bei ihnen die Gefahr des Verlusts der Belege sowie der Unübersichtlichkeit des Buchführungswerks höher ist als bei wenigen Vorgängen.
5) Der Vorentscheidung ist darin beizutreten, daß die OHG gegen den anerkannten Grundsatz einer übersichtlichen Darstellung der Verbindlichkeiten verstieß. Im Urteil VI 117/65 wird als Grundvoraussetzung einer ordnungsmäßigen Buchführung verlangt, daß sich die Forderungen und Schulden in ihrem Gesamtbestand und im Verhältnis zu den Geschäftspartnern an Hand von Aufzeichnungen in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. Zwar besteht auch bei der Methode der OHG die Möglichkeit, den Gesamtbestand der Schulden für einen laufenden Stichtag festzustellen. Es müssen dann jedoch nicht nur sämtliche offenen Rechnungen der Sammelmappe, sondern auch die bei den eingekauften Büchern verwahrten offenen Rechnungen durchgeprüft werden, was bei der großen Anzahl von Rechnungen leicht zu Versehen führen kann. Die Verbindlichkeiten gegenüber einem einzelnen Lieferanten festzustellen, ist noch schwieriger, wenn es sich, wie bei der OHG, um bis zu 150 Rechnungen im Jahr handelt. Mit sehr großen Schwierigkeiten ist die Feststellung von Verbindlichkeiten für jeden zurückliegenden Tag verbunden. Dann müssen sämtliche bis zu diesem Tag zurückreichenden Sammelzahlungsbelege daraufhin überprüft werden, ob und welche Zahlungen für den bestimmten Lieferanten darin enthalten sind. Auch wenn man mit der OHG davon ausgeht, daß Geschäftsfreundebücher nicht in jedem Fall gefordert werden müssen, so kann man ihr jedoch darin nicht folgen, daß auch auf eine übersichtliche, jederzeitige Ersichtlichmachung und Feststellbarkeit der Verbindlichkeiten auf einen bestimmten Zeitpunkt verzichtet werden könne. Hier zeigt die bereits erwähnte Offene-Posten-Buchhaltung einen Weg, wie ein die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht beeinträchtigendes Personenkontokorrent in vereinfachter Form geführt werden kann. An der eine gesonderte Rechnungsablage allgemein als nicht ausreichend ansehenden Entscheidung des BFH VI 241/62 U vom 14. Juni 1963 (BFH 77, 172, BStBl III 1963, 381) wird allerdings nicht festgehalten werden können, wie sich schon aus der späteren Entscheidung desselben Senats VI 117/65 ergibt.
6) Der Senat könnte auch dann zu keiner anderen Entscheidung gelangen, wenn die Verkehrsauffassung der beteiligten Kreise dahingehen sollte, daß ganz allgemein und im Buchhandel insbesondere die fortlaufende und zeitnahe Erfassung der Krediteinkäufe in Grundbüchern sowie die übersichtliche Darstellung der Lieferantenverbindlichkeiten in der Buchführung nicht zu fordern sei. Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung dem Gericht obliegt, wobei freilich der Verkehrsauffassung eine große Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des Senats IV 472/60 vom 12. Mai 1966, BFH 86, 118, BStBl III 1966, 372). Das gilt besonders bei Beachtung der hier entwickelten Grundsätze für die in der Entwicklung befindlichen technischen Methoden, die die Buchführungsarbeiten erleichtern sollen (z. B. Lochkartensysteme und elektronische Datenverarbeitung). Auf das Abrechnungsverfahren der Buchhändlerabrechnungsgesellschaft kann sich die OHG nicht berufen, weil sie sich dieser Stelle nicht bediente. Der Senat braucht daher nicht zu prüfen, ob dieses Verfahren, nach dem die Abrechnungsstelle summarisch in Zeitabständen von zehn Tagen mit Verlegern und Sortimentern über Lieferungen und Zahlungen abrechnet und die Abrechnungsempfänger die zu einer Gesamtsumme zusammengefaßten zahlreichen Einzelrechnungen in einem Posten als Warenausgang, Wareneingang oder Zahlung verbuchen, als ausreichende, laufende Erfassung der einzelnen Kreditgeschäfte angesehen werden kann.
7) Der sicher wichtige Grundsatz der Wirtschaftlichkeit kann hier in Übereinstimmung mit dem Institut der Wirtschaftsprüfer zu keinem anderen Ergebnis führen, unabhängig davon, ob wirklich die geforderte Umstellung der Buchführung zu jährlichen Mehrkosten von 50 000 DM führt. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit rechtfertigt es nicht, worauf das FG zutreffend hinweist, daß Grundprinzipien der Ordnungsmäßigkeit verletzt und die Zwecke der Buchführung erheblich gefährdet werden. Die zur Vermeidung einer solchen Gefährdung erforderlichen Kosten muß der Kaufmann genau so in Kauf nehmen wie alle anderen Aufwendungen, die die Art seines Betriebes mit sich bringt.
8) Daß sich die OHG selbst in ihrer Buchführung zurechtfindet und Mahnungen und Beanstandungen durch Lieferanten nicht vorkommen, ist nicht entscheidend. Denn ausschlaggebend ist, daß, wie auch das Institut der Wirtschaftsprüfer ausführt, die Buchungsmethode der OHG betrügerischen Handlungen von Angestellten Vorschub leistet und es unmöglich macht, für einen zurückliegenden Stichtag innerhalb des Geschäftsjahres aus der Buchführung einen zutreffenden Abschluß abzuleiten. Unter diesen Umständen kann es dahinstehen, ob es überhaupt auf das Sichzurechtfinden des Steuerpflichtigen ankommt, was schwer nachprüfbar ist. Die Urteile des Reichsgerichts II 412/13; 3 D 1041/38 vom 5. Juni 1939 (RStBl 1939, 1165) sprechen nur davon, daß ein sachverständiger Dritter sich den erforderlichen Überblick über die Vermögenslage ohne erhebliche Schwierigkeiten müsse verschaffen können. Die Urteile des BFH VI 117/65 und I 125/65 vom 18. Oktober 1967 (BFH 90, 473, BStBl II 1968, 173) fordern, daß sich der Steuerpflichtige und ein sachverständiger Dritter in der Buchführung zurechtfinden, während das Urteil des BFH VI 326/65 und Urteil des Reichsgerichts 1 D 1111/1933 vom 6. Dezember 1933 (RStBl 1934, 319) vom Kaufmann oder einem sachverständigen Dritten sprechen. Die Buchführungspflicht ist öffentlich-rechtlicher Natur (Baumbach-Duden, a. a. O., Anm. 2 A zu § 38; Brüggemann in großkommentar zum Handelsgesetzbuch 1967, Vorbem. 4, 5 vor § 38). Ihre Befolgung kann daher nicht davon abhängig sein, ob sich im Verhältnis zu Dritten aus mangelhafter Buchführung Beanstandungen ergeben.
Fundstellen
BStBl II 1968, 527 |
BFHE 1968, 264 |