Leitsatz (amtlich)
1. Unter den Begriff der Valuta-Schuldverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 5 des 4. DMBEG fallen auch Valutaforderungen.
2. Die auf Wirtschaftsjahre nach dem 21. Juni 1948 entfallenden Zinsen aus Valutaforderungen nach Nr. 1 erhöhen den steuerpflichtigen Gewinn der DM-Zeit.
Normenkette
DMBG § 10; DMBG § 26 Abs. 1; DMBG § 47; DMBG § 73 Abs. 4; DMBG § 74 Abs. 1, 3; 4. DMBEG § 4 Abs. 1, 5; 4. DMBEG § 12 Abs. 1, 6
Tatbestand
Streitig ist in dem Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung für den Veranlagungszeitraum 1958, ob Zinsen aus einer am 21. Juni 1948 bestehenden Valuta-Forderung bei der Gewinnermittlung nicht mehr zu berücksichtigen sind (§ 4 Abs. 1 und 5, § 12 Abs. 1 und 6 - 4. DMBEG - in Verbindung mit § 10, § 26 Abs. 1, § 47, § 73 Abs. 4, § 74 Abs. 1 und 3 - DMBG -).
Revisionsklägerin ist eine KG, die u. a. Einfuhr- und Ausfuhrhandel betrieb. Ihr - sie war damals noch eine OHG - stand am 21. Juni 1948 eine Forderung von X englischen Pfund gegen die Deutsche Golddiskontbank AG (Dego) in Berlin zu. Im April 1954 bestätigte die Dego die Richtigkeit dieses Saldos. Am 2. Oktober 1958 erhielt die KG den Forderungsbetrag und für die Zeit seit dem 21. Juni 1948 Zinsen ausbezahlt. Die Zinsforderung war nicht aktiviert.
Die KG beantragte in dem bei der Vorinstanz wegen anderer Punkte schwebenden Berufungsverfahren, ihren vom FA festgestellten Verlust um den Zinsbetrag zu erhöhen, da dieser zu Unrecht als steuerpflichtiger Ertrag, also verlustmindernd, behandelt worden sei. Die Zinsen seien außer Ansatz zu lassen. Die Valuta-Forderung falle nämlich unter § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG und müsse deshalb steuerneutral mit dem Wert angesetzt werden, der ihr zum 2. Oktober 1958 beizulegen gewesen sei. Die Forderung sei bis dahin nur vorläufig bewertet gewesen. Mit dem 2. Oktober 1958 sei der Grund für diese vorläufige Bewertung weggefallen. Der endgültige Wertansatz schließe die Zinsen für die Zeit bis zum 2. Oktober 1958 ein (§ 12 Abs. 1 und 6 des 4. DMBEG).
Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus, die am 21. Juni 1948 bestehende Valuta-Forderung der KG falle nicht unter die Vorschrift des § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG, sondern unter § 4 Abs. 5 dieses Gesetzes, die eine Sondervorschrift für Valutaschuldverhältnisse - Verbindlichkeiten und Forderungen - darstelle. Auf Wirtschaftsgüter im Sinne des § 4 Abs. 5 dieses Gesetzes seien aber die Vorschriften des § 12 Abs. 1 und 6 des 4. DMBEG nicht anzuwenden.
In ihrer Rechtsbeschwerde rügt die KG unrichtige Rechtsanwendung. Sie führt aus, daß für Wirtschaftsgüter der Aktivseite der Bilanz die Vorschrift des § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG gelte, während Abs. 5 ("Valutaschuldverhältnisse") nur die Passivseite betreffe. Das ergebe sich aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte. Die Vermögensteile der Aktivseite der Bilanz hätten in jedem Fall erfolgsneutral behandelt werden sollen (Hinweis auf den Erlaß des BdF vom 14. Juli 1961, BStBl I 1961, 468, Tz. 22). Der Zweck des § 4 Abs. 5 des 4. DMBEG bestehe lediglich in der Anordnung, daß es für die dort genannten Verbindlichkeiten bei den Vorschriften des § 47 DMBG bewende. Diese Vorschrift passe jedoch nicht für das weitgehend ungeregelte Aktivvermögen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Die KG beruft sich zu Unrecht auf § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG. Die hier fragliche Forderung der KG fällt, wie das FG im Ergebnis zutreffend entschied, nicht unter diese Bestimmung.
1. Bei der Forderung gegen die Dego handelte es sich um eine Valutaforderung im Sinne des § 10 DMBG. Es war außerdem eine Forderung gegen Schuldner in Deutschland außerhalb des Währungsgebietes, die nach § 26 DMBG wegen der erhöhten Unsicherheit dieser Forderungen mit einem Erinnerungsposten von einer Deutschen Mark angesetzt werden konnte.
a) § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG schuf zwar die Möglichkeit, u. a. die Forderungen gegen Schuldner außerhalb des Währungsgebietes endgültig höchstens mit dem Wert anzusetzen, der ihnen bei Fortfall des Grundes für die vorläufige Bewertung, d. h. bei Erfüllung der Forderung, beizumessen war. Diese Möglichkeit mit den von der KG erstrebten Folgen bestand jedoch nur in den Fällen, bei denen gesetzlich ein endgültiger Wert nicht besonders bestimmt war. Das war aber hier der Fall.
Nach § 10 des 3. DMBEG konnten Forderungen gegen Schuldner in Berlin (West), die nach § 26 DMBG bewertet waren, endgültig höchstens mit den nach § 24 DMBG zulässigen Werten angesetzt werden. Hierdurch sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, daß die Ungewißheit des Schicksals der Forderungen gegen Schuldner außerhalb des Währungsgebietes, wie sie bei Erlaß des DMBG (August 1949) bestand, im Zeitpunkt des Inkrafttretens des 3. DMBEG (Juni 1955) jedenfalls für die Fälle ausgeräumt war, bei denen sich die Forderungen gegen Schuldner in Berlin (West) richteten. Damit war insoweit die Möglichkeit, Forderungen gegen Schuldner außerhalb des Währungsgebietes mit einem Erinnerungsposten von 1 DM nach § 26 DMBG ansetzen zu dürfen, beseitigt und den bilanzierenden Gläubigern letztmalig die Gelegenheit gewährt worden, den Ansatz eines Erinnerungspostens von 1 DM auf den Wert aufzustocken, der sich nach den übrigen Bestimmungen des DMBG ergab.
b) Zwar ist in § 10 des 3. DMBEG nur auf § 24 DMBG (Wertansatz nach den Vorschriften des Umstellungsgesetzes) verwiesen worden. Der für die Regelung des § 10 des 3. DMBEG maßgebende Gesichtspunkt, daß für Forderungen gegen Schuldner in Berlin (West) wegen der inzwischen eingetretenen Konsolidierung der Westberliner Verhältnisse nunmehr endgültige Werte anzusetzen waren, gilt aber in gleicher Weise auch für Valutaforderungen gegen Schuldner in Berlin (West). Konnte eine Valutaforderung gegen einen Schuldner in Berlin (West) in der DMEB ohne Rücksicht auf § 10 DMBG mit einem Erinnerungsposten von 1 DM gemäß § 26 DMBG angesetzt werden, weil § 26 als besondere Bewertungsvorschrift der des § 10 DMBG grundsätzlich vorging (Schmölder-Gessler-Merkle, "D-Mark Bilanzgesetz", § 10 Anm. 5), so mußten nach Fortfall der Bewertungsunsicherheit des § 26 DMBG wiederum die Bewertungsvorschriften des § 10 DMBG eingreifen, die den Umrechnungskurs eindeutig festlegten.
c) Die KG kann sich auch nicht darauf berufen, daß bei Inkrafttreten des 3. DMBEG der Schuldner ihrer Valutaforderung, die Dego, kein Schuldner in Berlin (West) gewesen sei. Schon allein aus dem Umstand, daß die Dego im April 1954 die Forderung der KG bestätigte und danach Zahlungen leistete, kann nur geschlossen werden, daß die Dego ihren Sitz in Berlin (West) hatte. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie bis zu ihrer Liquidation im Jahre 1961 durch ihre ordentlichen Organe oder durch Treuhänder vertreten wurde, wenn feststeht, daß sie rechtsverbindlich handelnd tätig geworden war. Mit der Auffassung des erkennenden Senats über den Sitz der Dego in Berlin (West) steht auch die Entscheidung des I. Senats des BFH I R 161/67 vom 29. Oktober 1969 (BFH 97, 301) in Einklang, wonach Forderungen gegen die Dego Forderungen gegen einen Schuldner in Berlin (West) sind, deren Bewertung in der DMEB sich nach § 10 des 3. DMBG richtet.
2. Kann sich die KG sonach nicht darauf berufen, daß ihre Forderung gegen die Dego als noch vorläufig bewertete Forderung gegen einen Schuldner außerhalb des Währungsgebietes in die Regelung des § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG einzubeziehen sei, weil deren Vorläufigkeit durch § 10 des 3. DMBEG beendet worden war, so kann sie auch nicht unter dem Gesichtspunkt die Einbeziehung ihrer Forderung in die Vergünstigung des § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG erreichen, daß es sich außerdem um eine Valutaforderung handele. Den Umrechnungskurs für Valutaschuldverhältnisse - Forderungen und Verbindlichkeiten - hatte bereits § 10 DMBG eindeutig festgelegt und damit den Wertansatz bestimmt, soweit nicht besondere Gründe für einen vorläufigen Wertansatz, wie hier nach § 26 DMBG, vorlagen. Daß der Umrechnungskurs des § 10 DMBG erstarren sollte und Änderungen des Kurses nicht nach § 47 Abs. 1 DMBG erfolgsneutral auf den 21. Juni 1948 zurückzubeziehen waren, wurde noch einmal ausdrücklich durch § 47 Abs. 3 DMBG in der Fassung des DMBEG vom 28. Dezember 1950 vorgeschrieben. Es entsprach dem Sinn dieser insoweit endgültigen Regelung für Valutaschuldverhältnisse, wenn § 4 Abs. 5 des 4. DMBEG noch einmal klarstellte, daß für Valutaschuldverhältnisse als solche nicht die Vergünstigung des § 4 Abs. 1 und des § 12 Abs. 1 und 6 des 4. DMBEG gelten kann, es vielmehr bei der Regelung des § 47 DMBG verbleibt.
3. Zu Unrecht meint die KG, unter "Valutaschuldverhältnissen" in § 4 Abs. 5 des 4. DMBEG seien nur "Valutaverbindlichkeiten" zu verstehen, so daß für Valutaforderungen die Einbeziehung in die Regelung des § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG nicht versperrt sei. Abgesehen davon, daß der KG die Anwendung des § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG für ihre Valutaforderung schon nach dessen Wortlaut nicht offensteht, wäre auch nicht einzusehen, warum der Hinweis in § 4 Abs. 5 des 4. DMBEG auf das Maßgeblichbleiben der Berichtigungsbestimmungen des § 47 DMBG und damit auch auf die Einschränkung in § 47 Abs. 3 DMBG mit der Erstarrung des Umrechnungskurses nur für Valutaverbindlichkeiten, nicht aber auch für Valutaforderungen zu gelten hätte. Wollte man das annehmen, hätte es zur Folge, daß nur die Zinseinnahmen der DM-Zeit steuerneutral zu behandeln wären, während die Zinsausgaben eines Valutaschuldners die Gewinne der DM-Zeit mindern dürften.
Im übrigen knüpft das 4. DMBEG eindeutig an die Begriffe und Tatbestände des DMBG an. Das zeigt sich schon im Aufbau des 4. DMBEG. Während in den §§ 1-3 dieses Gesetzes das Auslandsvermögen unter Hinweis auf § 9 DMBG behandelt, also § 47 Abs. 1b DMBG angesprochen wird, sind in § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG - wörtlich mit § 47 Abs. 1a DMBG gleichlautend - die "Vermögensgegenstände außerhalb des Währungsgebietes, insbesondere Forderungen gegen Schuldner außerhalb des Währungsgebietes" erfaßt sowie - in nahezu wörtlicher Übereinstimmung mit § 47 Abs. 1d DMBG - sonstige Vermögensgegenstände, die mit einem Erinnerungsposten oder sonst vorläufig zu bewerten waren. Wenn der Gesetzgeber in § 4 Abs. 5 des 4. DMBEG dann auch die in § 47 Abs. 1c DMBG erwähnten "Valutaschuldverhältnisse" behandelte, konnte er sie auch nur im gleichen Sinne verstanden haben, zumal § 4 Abs. 5 des 4. DMBEG lediglich die Weitergeltung des § 47 DMBG klarstellt. Wenn der Gesetzgeber in § 10 DMBG, mit der amtlichen Überschrift "Valuta-Schuldverhältnisse", unter diesem Begriff eindeutig Forderungen und Verbindlichkeiten verstanden hat, wenn er in § 47 Abs. 1 DMBG u. a. die Begriffe Auslandsvermögen - aus § 9 DMBG - und Valutaschuldverhältnisse - aus § 10 DMBG - aufnimmt, obwohl die Regelung des § 47 Abs. 1 DMBG zunächst nur Vermögensgegenstände der Aktivseite einer Bilanz zu betreffen scheint, also Valutaschuldverhältnisse im Sinne von Valutaforderungen verstanden werden könnten, wäre unverständlich, daß er im § 4 Abs. 5 des 4. DMBEG nun Valutaschuldverhältnisse im Sinne nur von Valutaverbindlichkeiten gemeint haben könnte. Auch aus der weiteren Erwähnung der Verbindlichkeiten gegenüber ausländischen Gläubigern in § 4 Abs. 5 des 4. DMBEG - wodurch zugleich geklärt wird, daß auch der Wertansatz für diese Verbindlichkeiten nach § 47 Abs. 1a DMBG berichtigt werden kann - läßt sich nicht schließen, daß Valutaschuldverhältnisse nur im Sinne von Valutaverbindlichkeiten zu verstehen seien.
Wie sich ferner aus der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG ergibt, ging man bei den gesetzgeberischen Beratungen davon aus, daß bei einer Reihe von Vermögensgegenständen, die nach den Vorschriften des DMBG vorläufig zu bewerten waren, nach der inzwischen verflossenen langen Zeit vielfach nicht mehr die Möglichkeit bestand, den Wert des vorläufig bewerteten Vermögens auf den Stichtag der DMEB rückwirkend zu ermitteln und außerdem zwischen dem am Stichtag bereits vorhandenen Vermögen einerseits und den bis zur Rückgabe usw. angefallenen Erträgen oder eingetretenen Verlusten andererseits zu unterscheiden (Regierungsentwurf, Bundestags-Drucksache III/2186 S. 17). Das galt besonders für Auslandsvermögen, nicht jedoch für in der Schweiz zurückgegebenes, weshalb § 12 Abs. 8 des 4. DMBEG diese Werte ausnimmt mit der Folge, daß die Erträge des Schweizer Vermögens der Einkommensteuer usw. unterliegen (vgl. Bericht des Finanzausschusses zum Regierungsentwurf des 4. DMBEG, Bundestags-Drucksache III/2490, S. 1). Auch bei Valutaschuldverhältnissen bestand diese Schwierigkeit nicht. Hier ging es lediglich um die Frage, welcher Kurswert der DM zum Währungsstichtag angenommen werden sollte. Die Unterscheidung zwischen Forderungsbetrag und Zinsen und ihre Abgrenzung von Forderungsverlusten war ohne weiteres möglich. Es war deshalb sinnvoll, auch die Valutaschuldverhältnisse aus der Regelung des § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG auszuklammern.
4. Da sonach die Forderung der KG nicht unter § 4 Abs. 1 des 4. DMBEG fällt, können die Bestimmungen des § 12 Abs. 1 und 6 in Verbindung mit § 4 Abs. 4 und § 3 Nr. 3 des 4. DMBEG keine Anwendung finden. Die Erfassung der für die Zeit nach dem 21. Juni 1948 zugeflossenen Zinsen richtet sich nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften. Die im Streitjahr zugeflossenen Zinsen sind, auch soweit sie auf die zurückliegende Zeit entfallen, als Ertrag dieses Jahres zu erfassen, da die Zinsansprüche bisher nicht aktiviert waren. Das folgt aus dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhanges (vgl. Urteil des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/65 S vom 29. November 1965, BFH 84, 392, BStBl III 1966, 142).
Fundstellen
Haufe-Index 69493 |
BStBl II 1971, 560 |
BFHE 1971, 251 |