Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung von Ein- und Zweifamilienhäusern
Leitsatz (NV)
Die Annahme eines Zweifamilienhauses setzt voraus, daß beide Wohnungen baulich gegeneinander abgeschlossen sind. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die beiden Wohneinheiten zwar in verschiedenen Stockwerken liegen, jedoch nur die Räume eines Wohnbereichs als baulich abgeschlossen angesehen werden können.
Normenkette
BewG 1965 § 75
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist Erbbauberechtigter eines Grundstücks in X, auf dem er im Jahre 1981 ein Wohngebäude errichtet hat. Das Gebäude enthält im Erdgeschoß die Räume der Hauptwohnung - vier Zimmer, eine eingerichtete Küche und ein Badezimmer mit WC von insgesamt 116 qm - und im ausgebauten Dachgeschoß die Nebenwohnung mit insgesamt 69 qm. Die Hauseingangstür führt in einen Windfang. Dieser ist von den Räumen der Hauptwohnung durch eine massive Holzwand mit Eingangstür, die mit einem normalen Schloß versehen ist, abgeschlossen. Unmittelbar rechts nach der Hauseingangstür führt eine offene Treppenanlage nach oben in einen zum streitigen Stichtag (1. Januar 1982) nicht abgeschlossenen Flur. Von hier aus führen Türen nach rechts und geradeaus in zwei Kinderzimmer, die auch als solche genutzt wurden. Nach links gelangt man in ein Badezimmer mit WC und geradeaus in einen Wohn-Schlafraum. Dort ist in einer Nische eine komplette Küchenzeile eingerichtet. Beide Räume sind ebenfalls durch Türen abgeschlossen und waren nach der Darstellung des Klägers als Wohnung für seinen Vater vorgesehen. Sie wurden zum streitigen Stichtag nicht bewohnt. Im Jahre 1984 wurde der Flur im Obergeschoß durch den Einbau einer Tür zur Treppe hin abgeschlossen.
Im Anschluß an eine Ortsbesichtigung stellte das Finanzamt - FA - im Wege der Artfortschreibung zum 1. Januar 1982 die Grundstücksart Einfamilienhaus fest.
Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage, mit der der Kläger der Bewertung als Zweifamilienhaus begehrte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Das Wohngrundstück des Klägers enthalte sowohl im Erd- als auch im Dachgeschoß eine selbständige Wohnung. Wegen ihrer Lage auf je einem eigenen Stockwerk seien beide Wohnbereiche hinreichend voneinander getrennt. Da die Räume im Erdgeschoß gegenüber der Diele baulich abgeschlossen seien, bedürfe es für die Wohnung im Dachgeschoß nach der Verkehrsauffassung nicht einer zusätzlichen Abschlußtür. Angesichts dieser baulichen Gestaltung sei unerheblich, daß im Dachgeschoß zwei Räume als Kinderzimmer genutzt würden.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 75 Abs. 5 und 6 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG).
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
Die Grundstücksart eines aufgrund Erbbaurechts bebauten Grundstücks richtet sich nach den Vorschriften des § 75 BewG. Danach ist das Wohngrundstück des Klägers als Einfamilienhaus zu bewerten, da es am Bewertungsstichtag nur eine Wohnung enthält.
1. Nach § 75 Abs. 5 und Abs. 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Ein- und Zweifamilienhaus entscheidend, ob eine oder zwei Wohnungen in dem betreffenden Wohngrundstück enthalten sind. Zum Wohnungsbegriff im Sinne von § 75 Abs. 5 und Abs. 6 BewG hat der Senat in der Entscheidung vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151) Stellung genommen. Nach diesem Urteil ist, jedenfalls für Stichtage ab 1. Januar 1974, für die Annahme einer Wohnung u.a. wesentlich, daß die Zusammenfassung von mehreren Räumen eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet (wegen weiterer Einzelheiten vgl. das Urteil III R 192/83). Die Grundstücksart Zweifamilienhaus setzt voraus, daß beide Wohneinheiten diese Voraussetzungen erfüllen.
Bei der Beurteilung der Frage, welche Räume zu einer bestimmten ,,Wohnung" gehören, ist nur entscheidend, ob sie nach der baulichen Gestaltung Teil dieser bestimmten räumlichen Einheit sind. Es ist unerheblich, ob diese Räume nur von einer Person oder von mehreren Personen genutzt werden oder ob sie leerstehen.
2. Die Anwendung der Grundsätze der Senatsentscheidung III R 192/83 auf den Streitfall ergibt, daß das Wohngrundstück des Klägers zu dem hier streitigen Fortschreibungszeitpunkt keine zwei voneinander getrennte, baulich in sich abgeschlossene Wohneinheiten enthält.
a) Das FG konnte bei der Prüfung der Frage, ob das Wohngrundstück zwei Wohnungen enthält, zu Recht das Dachgeschoß in seiner Gesamtheit betrachten. Die zwei Kinderzimmer sind nicht deswegen der Wohneinheit im Erdgeschoß zuzurechnen, weil sie von den Kindern des Klägers bewohnt werden.
Zur Bewertung des Wohngrundstücks des Klägers als Zweifamilienhaus reicht es aber entgegen der Auffassung des FG nicht aus, daß die Wohneinheiten je auf einem eigenen Stockwerk liegen, und daß die Räume im Erdgeschoß als baulich abgeschlossen betrachtet werden können. Insbesondere bilden die Räume im Dachgeschoß zu dem hier streitigen Stichtag keine abgeschlossene Wohneinheit. Aufgrund der Lage der Räume in einem eigenen Stockwerk kann zwar eine bauliche Trennung der beiden Bereiche bejaht werden. Dies läßt jedoch die Frage nach der Abgeschlossenheit der Wohnbereiche unberührt. Dieses Merkmal ist nicht gegeben, da über die offene Treppenanlage vom Windfang im Erdgeschoß aus, der auch von den Bewohnern der dortigen Wohnräume betreten werden muß, alle Räume im Obergeschoß ungehindert zu erreichen sind.
b) Auch die Raumeinheit - bestehend aus dem Wohnraum mit Küchenzeile und Duschbad mit WC -, die für den Vater des Klägers vorgesehen war, stellt für sich betrachtet keine räumlich getrennte und baulich in sich abgeschlossene Wohneinheit dar. Unstreitig waren zum Fortschreibungszeitpunkt diese Räume im Dachgeschoß nicht durch eine Tür abgeschlossen, was ihrer Beurteilung als zweite selbständige Wohnung entgegensteht. Daran ändert auch nichts, daß der Einbau einer Abschlußtür im Dachgeschoß im Jahre 1984 veranlaßt wurde und nur einen geringen baulichen Aufwand verursacht hat.
3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das Grundstück als Einfamilienhaus zu bewerten ist, war die Klage als unbegründet abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 413883 |
BFH/NV 1985, 23 |