Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung der Neuregelung des Feststellungsverfahrens durch § 180 Abs. 2 AO i.d.F. des StBereinG 1986
Leitsatz (amtlich)
Die Neuregelung des Feststellungsverfahrens durch § 180 Abs.2 AO 1977 i.d.F. des StBereinG 1986 i.V.m. der dazu ergangenen Verordnung ist auch dann anzuwenden, wenn das FA den Treuhänder erst nach Inkrafttreten der Neuregelung zur Abgabe einer Feststellungserklärung auffordert.
Orientierungssatz
1. Das örtlich zuständige Finanzamt ist regelmäßig in seinem Bezirk für die Verwaltung aller durch das Bundesland verwalteten Steuern auch sachlich zuständig. Der Landesgesetzgeber kann allerdings nach § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG die sachliche Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben auf ein anderes Finanzamt übertragen. Dieses Finanzamt wird damit für die übertragene Aufgabe sachlich und in seinem Bezirk zugleich örtlich zuständig.
2. Durch die Magistratsverordnung vom 4.5.1946 (Verordnungsblatt der Stadt Berlin 1946, 180) ist in Berlin die sachliche Zuständigkeit für die Besteuerung der Körperschaften auf das FA für Körperschaften übergegangen. Der Senat neigt zu der Ansicht, daß die Übertragung der Zuständigkeit durch die Magistratsverordnung nicht auch die Fälle erfaßt, in denen die Körperschaft nur als Treuhänderin in Anspruch genommen wird.
3. Die Feststellung nichtrevisiblen (Landes-)Rechts ist grundsätzlich Sache des FG (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 2 Fassung: 1985-12-19, Abs. 2 V § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 V § 2 Abs. 2, § 20 Abs. 1; FVG § 17 Abs. 2; FGO § 118 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (Entscheidung vom 13.01.1988; Aktenzeichen II 331/87) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war bei der Veräußerung von Eigentumswohnungen im Rahmen eines sog. Erwerbermodells als Treuhänderin für die Erwerber tätig. Sie schloß für diese aufgrund des Treuhandvertrages Geschäftsbesorgungsverträge mit Dritten ab, die u.a. die Finanzierungsvermittlung, die Vermietungsdurchführung, die Vermittlung eines Verwaltervertrages sowie die Beschaffung steuerlicher Unterlagen zum Gegenstand hatten. Die Verträge waren nach einem einheitlichen Muster verfaßt und Bestandteil eines ausgearbeiteten Erwerbermodells. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) forderte die Klägerin wiederholt, zuletzt mit Verfügung vom 21.August 1987, auf, für das Erwerbermodell eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1983 und 1984 abzugeben. Die Aufforderung vom 21.August 1987 stützt sich auf die Verordnung zu § 180 Abs.2 der Abgabenordnung i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (AO 1977 n.F.).
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Verfügung vom 21.August 1987 wies die Oberfinanzdirektion (OFD) mit der Begründung zurück, die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung sei nach der Verordnung zu § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. gerechtfertigt und frei von Ermessensfehlern.
Das Finanzgericht (FG) hat der Anfechtungsklage mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 399 veröffentlichten Urteil stattgegeben. Die Neuregelung des Feststellungsverfahrens durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 ―StBereinG 1986― (§ 180 Abs.2 AO 1977 n.F. in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung vom 19.Dezember 1986) gelte nicht für zurückliegende Feststellungszeiträume. Nach der früheren Regelung in § 180 Abs.2 AO 1977 a.F. seien gesonderte und einheitliche Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für Erwerbermodelle nicht zulässig gewesen.
Dagegen richtet sich die Revision des FA, mit der es unter Berufung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 1.Dezember 1987 IX R 90/86 (BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319) Verletzung des § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. und der dazu ergangenen Verordnung vom 19.Dezember 1986 rügt. Es sei nach § 2 Abs.2 der Verordnung zu § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. in Verbindung mit § 20 Abs.1 AO 1977 für die Durchführung des Feststellungsverfahrens zuständig, weil die Klägerin ihre Geschäftsleitung in seinem Bezirk habe. Das FA für Körperschaften sei für dieses Verfahren dagegen auch dann nicht zuständig, wenn die Erklärungspflichtige, wie im Streitfall, eine Körperschaft sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Die Aufforderung vom 21.August 1987 war entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz ―abgesehen von der Frage der sachlichen Zuständigkeit (dazu unten 2.)― rechtmäßig.
a) Der erkennende Senat hat im Urteil in BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319 entschieden, daß die Neufassung des § 180 Abs.2 AO 1977 durch das StBereinG 1986 in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung in anhängigen Verfahren auch für Feststellungszeiträume vor dem Inkrafttreten der Neuregelung gilt. Das Finanzamt ist berechtigt, die Initiatoren, die im Rahmen eines Bauherren- oder Erwerbermodells tätig werden, zur Abgabe der Feststellungserklärung für zurückliegende Feststellungszeiträume aufzufordern. Das gilt unabhängig davon, ob auch eine andere Person zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet sein könnte (Senatsurteil vom 7.August 1990 IX R 114/89, BFHE 162, 197, BStBl II 1991, 119). Der Einwand der Klägerin, die rückwirkende Anwendung der Neuregelung des Feststellungsverfahrens durch das StBereinG 1986 verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil die Erwerber nach der früheren Rechtslage nicht mit gesonderten und einheitlichen Feststellungen zu rechnen brauchten, ist schon deshalb nicht begründet, weil der erkennende Senat zwischenzeitlich entschieden hat, daß auch nach der Fassung des § 180 Abs.2 AO 1977 vor Inkrafttreten des StBereinG 1986 gesonderte und einheitliche Feststellungen für Erwerbermodelle der vorliegenden Art durchgeführt werden konnten (Urteil vom 17.August 1989 IX R 76/88, BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411).
b) Die Anwendung der Neuregelung durch das StBereinG 1986 scheitert nicht daran, daß im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung zu § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. das Feststellungsverfahren noch nicht eingeleitet war.
Wenn nach den allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts neue Verfahrensvorschriften auch für anhängige Verfahren gelten, schließt das einerseits aus, daß die Neuregelung auf bereits abgeschlossene Verfahren anzuwenden ist, bedeutet aber andererseits, daß neue, noch nicht anhängige Verfahren erst recht unter die Neuregelung fallen. Das gilt jedenfalls dann, wenn schon nach dem bisher geltenden Verfahrensrecht die Durchführung eines Feststellungsverfahrens statthaft war. In diesem Fall führt die Neuregelung des Feststellungsverfahrens ―bezogen auf den Streitfall― nicht zu neuen Befugnissen des FA und damit nicht zur rückwirkenden Verschlechterung der Rechtsposition der Steuerpflichtigen und der Initiatoren, die auch nach altem Verfahrensrecht zur Abgabe einer Feststellungserklärung verpflichtet waren. Der Neuregelung kommt insoweit lediglich klarstellende Bedeutung zu.
c) Nach § 3 Abs.1 Satz 1 Nr.2 der Verordnung zu § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. (BStBl I 1987, 2) war die Klägerin als Treuhänderin zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet. Sie hat im Feststellungszeitraum als Treuhänderin für die Erwerber gehandelt und ist für sie bei der Betreuung des Erwerbermodells tätig geworden. Nicht entscheidungserheblich ist, ob das Treuhandverhältnis im Zeitpunkt der Aufforderung noch bestanden hat oder nicht. Nach § 3 Abs.1 Satz 1 Nr.2 der Verordnung zu § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. genügt es für die Erklärungspflicht, daß der Erklärungspflichtige im Feststellungszeitraum für die an dem Bauherrenmodell Beteiligten gehandelt hat. Ob er später seine Tätigkeit aufgegeben hat, ist unerheblich.
2. Das FG hat jedoch ―von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig― bisher nicht geprüft, ob das FA für die Aufforderung sachlich zuständig war. Nach § 2 Abs.2 der Verordnung zu § 180 Abs.2 AO 1977 n.F. in Verbindung mit § 20 Abs.1 AO 1977 ist örtlich zuständig das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Erklärungspflichtigen befindet. Die Geschäftsleitung der Klägerin befand sich nach dem Vortrag des FA in seinem Bezirk. Das örtlich zuständige Finanzamt ist regelmäßig in seinem Bezirk für die Verwaltung aller durch das Bundesland verwalteten Steuern auch sachlich zuständig (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 17 FVG Anm.3). Der Landesgesetzgeber kann allerdings nach § 17 Abs.2 Satz 3 des Finanzverwaltungsgesetzes die sachliche Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben auf ein anderes Finanzamt übertragen. Dieses Finanzamt wird damit für die übertragene Aufgabe sachlich und in seinem Bezirk zugleich örtlich zuständig. Durch die Magistratsverordnung vom 4.Mai 1946 (Verordnungsblatt der Stadt Berlin 1946, 180) ist in Berlin die sachliche Zuständigkeit für die Besteuerung der Körperschaften auf das FA für Körperschaften übergegangen. Der Senat neigt zwar zu der Ansicht, daß die Übertragung der Zuständigkeit durch die Magistratsverordnung nicht auch die Fälle erfaßt, in denen die Körperschaft nur als Treuhänderin in Anspruch genommen wird. Ihm ist indes eine abschließende Prüfung dieser Frage verwehrt; denn es handelt sich insoweit um nichtrevisibles Landesrecht (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 2.März 1982 VII B 148/81, BFHE 135, 169, BStBl II 1982, 327). Die Feststellung nichtrevisiblen Rechts ist grundsätzlich Sache des FG (BFH-Urteil vom 9.August 1989 I R 88/85, BFHE 158, 456, BStBl II 1990, 224; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 118 Anm.44 und 45).
3. Das Urteil der Vorinstanz war danach aufzuheben und die Sache wegen fehlender Spruchreife an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird die erforderlichen Feststellungen zur Frage der sachlichen Zuständigkeit des Beklagten nachzuholen haben. Es wird insbesondere auch zu prüfen haben, ob unter Umständen durch eine spätere Rechtsverordnung eine entsprechende Übertragung der Zuständigkeit erfolgte.
Fundstellen
Haufe-Index 63686 |
BFH/NV 1991, 41 |
BStBl II 1991, 439 |
BFHE 163, 514 |
BFHE 1991, 514 |
BB 1991, 1117 (L) |
DB 1991, 1205-1206 (LT) |
HFR 1991, 569 (LT) |
StE 1991, 201 (K) |