Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Die "Rückstellung für Beitragsrückerstattung in der Lebensversicherung" ist als Dauerschuld zu behandeln, wenn die Gegenwerte am Bewertungsstichtag nicht ähnlichen Verfügungsbeschränkungen wie die Bestände des Deckungsstocks unterliegen.
Normenkette
GewStG § 8 Ziff. 1, § 12/2/1
Tatbestand
Die Bfin. ist eine in Form einer AG geführte Lebensversicherungsgesellschaft. Streitig ist hinsichtlich der Berechnung des Gewerbekapitals für den 1. Januar 1950 und 1. Januar 1951 der Dauerschuldcharakter der "Gewinnrückstellung der mit Gewinnanteil Versicherten" - nach den jetzt gültigen Rechnungslegungsvorschriften des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen: "Rückstellung für Beitragsrückerstattung in der Lebensversicherung" - in Höhe von
2.520.000 DM am 1. Januar 1950 und 3.690.000 DM am 1. Januar 1951.
Nach den vorliegenden Bilanzen nebst Verlust- und Gewinnrechnungen, den Geschäftsberichten und den Wirtschaftsprüferberichten hat sich der Passivposten "Gewinnrückstellung der mit Gewinnanteil Versicherten" wie folgt entwickelt:
Bilanzansatz am 21. Juni 1948 --------------- 800.000 DM Zuweisung aus dem überschuß 1948/1949 ---- 2.000.000 DM Bilanzansatz am 31. Dezember 1949 ---------------------- 2.800.000 DM Zuweisung aus dem überschuß 1950 --------- 1.300.000 DM Summe ------------------------------------- 4.100.000 DM Zuweisung aus dem Bilanzgewinn 1948/1949 -------------- 400.000 DM Bilanzansatz am 31. Dezember 1950 ---------------------- 4.500.000 DM.Hiervon entfallen seit dem 21. Juni 1948 rund 200.000 DM auf festgelegte Gewinnanteile. Die übrigen Beträge entfallen auf nicht festgelegte Gewinnanteile. "Nach den Rechnungslegungsvorschriften sind festgelegte, aber noch nicht abgehobene Beitragsrückerstattungen solche Gewinnanteile, deren Ausschüttung bereits festgelegt ist, die aber noch nicht gutgeschrieben sind oder deren Auszahlung noch nicht möglich war, weil die an die Auszahlung geknüpften Voraussetzungen noch nicht erfüllt sind. ... Außerdem gehören hierzu die Gewinnanteile, deren Ausschüttung in den folgenden Geschäftsjahren bereits bei der Aufstellung des Rechnungsabschlusses im einzelnen festgelegt ist ..." (vgl. "Rechnungslegung und Prüfung der Versicherungsunternehmen", herausgegeben vom Institut der Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf, 1959, S. 98). Der Begriff der festgelegten Gewinnanteile wird ähnlich erläutert von Schöbe im Handwörterbuch des Versicherungswesens, herausgegeben von Dr. Finke, Verlag Hoppenstedt & CO. in Darmstadt, Band 2, Stichwort: Versichertendividende, S. 2226. Nach den vorliegenden Unterlagen ist die "Gewinnrückstellung der mit Gewinnanteil Versicherten" durch Zuweisungen aus dem überschuß der Geschäftsjahre und durch Zuweisungen aus den bilanzmäßigen Reingewinnen der Geschäftsjahre 1950 bis 1952 zum 31. Dezember 1952 auf rund 12.000.000 DM angewachsen. Gewinnanteile für die Versicherten sind der Rückstellung bis dahin nicht entnommen worden. Nach den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung sind erstmals im Jahre 1954 Gewinne an Versicherte ausgeschüttet worden.
Bei der Einheitsbewertung sind nach § 53 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) von der Position "Gewinnrückstellung der mit Gewinnanteil Versicherten"
am 1. Januar 1950 90 % von 2.800.000 DM = 2.520.000 DM, am 1. Januar 1951 90 % von 4.100.000 DM = 3.690.000 DM
vom Rohvermögen abgesetzt worden, die das Finanzamt bei der Berechnung des Gewerbekapitals als Dauerschulden hinzugesetzt hat.
Die Bfin. vertrat die Auffassung, daß die versicherungstechnischen Rücklagen im Sinne des § 62 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) "keine Schulden" im Sinne des § 62 Abs. 1 BewG seien und deshalb auch nicht als Schulden im Sinne des § 8 Ziff. 2 und des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) behandelt werden könnten. Seien aber die versicherungstechnischen Rücklagen schon im allgemeinen keine Schulden, so könnten die "Gewinnrückstellungen der mit Gewinnanteil Versicherten" erst recht keine Schulden sein; denn echte Schulden seien stets voll, nicht wie die "Gewinnrückstellungen der mit Gewinnanteil Versicherten" nach § 53 Abs. 4 BewDV nur mit 90 % abzugsfähig. Aber selbst wenn die "Gewinnrückstellungen der mit Gewinnanteil Versicherten" echte Schulden seien, so handle es sich nicht um Dauerschulden im Sinne des Gewerbesteuerrechts; denn dem Betrieb seien mit der Bildung der Rückstellungen keine fremden Mittel zugeflossen. Es handle sich bei der Bildung der Rückstellung nur um einen innerbetrieblichen Vorgang, eine Bilanzmaßnahme zur Bereitstellung für eine spätere Beitragsrückerstattung, die keine Schuldaufnahme beinhalte. Die überhobenen Versicherungsbeiträge seien ähnlich dem Sparvorgang bei einem Geldinstitut zu behandeln (vgl. § 21 GewStDV 1950).
Nicht zuletzt müsse den geschäftsplanmäßigen Erklärungen vom 28. Dezember 1951 und vom 12. Januar 1952 in Verbindung mit der Genehmigung des Zonenamtes - des Reichsaufsichtsamtes - vom ... März 1952 der "Gewinnrückstellung der mit Gewinnanteil Versicherten" die gleiche Bedeutung wie den verzinslich angelegten Gewinnanteilen der Versicherten nach dem Gutachten des Reichsfinanzhofs I D 1/43 vom 26. November 1943 (RStBl 1944 S. 171, Slg. Bd. 54 S. 29) zugemessen werden.
Durch diese Erklärungen stellte die AG die Gewinnreserve der Versicherten durch Festlegung von Vermögenswerten in gleicher Weise sicher wie die Deckungsrückstellung durch den Deckungsstock nach § 72 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Das Zonenamt des Versicherungsaufsichtsamtes hat die Sicherstellung im Schreiben vom ... März 1952 gebilligt.
Das Finanzgericht folgte in dieser Frage der Ansicht des Finanzamts.
Wie der Bundesfinanzhof im Urteil I 149/54 S vom 19. Juli 1955 (BStBl 1955 III S. 266, Slg. Bd. 61 S. 174) ausgeführt habe, genüge für die steuerliche Anerkennung einer Rückstellung in der Bilanz das Vorliegen einer bewertungsfähigen Last. Auf das Moment der bürgerlich-rechtlichen Klagbarkeit der Verpflichtung komme es - im Gegensatz zur älteren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs - nicht an. Das Bestehen einer wirtschaftlichen Last sei nach dem Urteil III 43/50 S vom 25. Oktober 1951 (BStBl 1952 III S. 37, Slg. Bd. 56 S. 91) für den Begriff der "Schuld" im Sinne des § 62 BewG entscheidend. Darüber hinaus liege außerdem der Gewinnrückstellung - ebenso wie der später erfolgenden Gutschrift der Gewinnanteile für die einzelnen Versicherungsnehmer - beim Versicherungsunternehmen nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch bürgerlich-rechtlich eine echte Schuld zugrunde (vgl. Prölss - v. d. Thüsen, Die versicherungstechnischen Rückstellungen im Steuerrecht, 2. Aufl., S. 19 ff.; § 62 BewG, § 53 BewDV). Die Zuweisung zur "Gewinnrückstellung der mit Gewinnanteil Versicherten", die im Grunde nicht der Gewinnbeteiligung, sondern der Rückerstattung überhobener Beiträge diene, beruhe auf den mit den Versicherten abgeschlossenen Verträgen und sei geschäftsplanmäßig in ihrer Höhe abhängig vom Gesamtüberschuß der jeweiligen Geschäftsjahre. Die Gewinnrückstellung stelle somit eine Schuldverbindlichkeit des Unternehmens gegenüber der Gesamtheit der mit Gewinnanteil Versicherten dar.
Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, daß der Gesetzgeber in § 53 Abs. 4 BewDV die Höhe der echten Schuldverpflichtung mit nur 90 % der Rücklagen geschätzt und zum Abzug vom Rohvermögen zugelassen habe. Den Ausführungen von Flick (Versicherungsrecht Nr. 8/1955 S. 471), welche der der Gewinnrückstellung zugrunde liegenden Verbindlichkeit den Charakter einer echten Schuld absprechen, könne nicht gefolgt werden. Das Versicherungsgeschäft sei zur Erfüllung seines Zweckes darauf angewiesen, die ihm in Form von Beiträgen zufließenden Einnahmen in Sachwerten anzulegen. Die in diesen Anlagen langfristig gebundenen Verbindlichkeiten hingen deshalb "mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes" zusammen.
Mangels einer gesetzlichen Bestimmung könnten die "Gewinnrückstellungen der mit Gewinnanteil Versicherten" zwar nicht wie Spareinlagen eines Kreditinstitutes (vgl. § 21 GewStDV 1950) behandelt werden. Das Finanzgericht würde aber, da zwischen den "Verzinslich angesammelten Gewinnanteilen der Versicherten" im Sinne des Gutachtens des Reichsfinanzhofs I D 1/43 und den "Gewinnrückstellungen der mit Gewinnanteil Versicherten" bezüglich ihres Schuldcharakters rechtlich keine Unterschiede bestünden, diese Rückstellungen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Deckungsrückstellungen - und die ihnen auf der Aktivseite gegenüberstehenden gebundenen Vermögenswerte (Deckungsstock) - als nicht mehr zum Betriebsvermögen der Bfin. gehörig behandeln. Diese Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt, weil den geschäftsplanmäßigen Erklärungen vom 28. Dezember 1951 und 12. Januar 1952 in Verbindung mit der Genehmigung des Zonenamtes vom ... März 1952 für die Stichtage vom 1. Januar 1950 und 1. Januar 1951 keine rückwirkende Bedeutung zugemessen werden könne und weil nach den eigenen Ausführungen der Bfin. die vor dem 31. Dezember 1945 abgegebenen geschäftsplanmäßigen Erklärungen jedenfalls nicht die "Gewinnrückstellungen der mit Gewinnanteil Versicherten" umfaßt hätten.
Die Rb. der Bfin. wiederholt ihr Vorbringen bei den Vorinstanzen. Unter Ergänzung der bisherigen Ausführungen verneint sie wie bisher den Schuld- und Dauerschuldcharakter der "Gewinnrückstellungen der mit Gewinnanteil Versicherten". Hingewiesen wird insbesondere auf die Ausführungen von Gebhardt in "Versicherungswirtschaft" Nr. 22/1959 S. 761 und in "Der Betriebs- Berater" 1960 Heft 1 S. 42 ff. Im übrigen seien die Verfügungsbeschränkungen aus § 72 VAG auch bereits für die Stichtage vom 1. Januar 1950 und 1. Januar 1951 maßgebend. Infolge der späten Verabschiedung der umstellungsrechtlichen Vorschriften für Versicherungsunternehmen seien die Handelsbilanzen für die hier in Betracht kommenden Stichtage vom 31. Dezember 1949 und 31. Dezember 1950 erst am 10. April 1953 aufgestellt worden. Die geschäftsplanmäßigen Erklärungen vom 28. Dezember 1951 und 12. Januar 1952 in Verbindung mit der Genehmigung des Zonenamtes vom ... März 1952 hätten zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen.
Nach § 22 der Satzung der Bfin. werden von dem Betrag, um den die Einnahmen nach den erforderlichen Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rücklagen und Rückstellungen die Ausgaben übersteigen, 80 % für die vertragsmäßig am Geschäftsgewinn beteiligten Versicherungsnehmer den Gewinnrücklagen dieser Versicherungen zugewiesen. Aus dem verbleibenden Betrag, der den Reingewinn darstellt, werden zunächst die Dividenden an die Aktionäre und die Vergütungen an den Aufsichtsrat gedeckt. Der Restbetrag wird nach freiem Ermessen der Hauptversammlung verteilt. Insbesondere werden hieraus weitere Zuweisungen an die "Gewinnrücklagen der Versicherungsnehmer" vorgenommen. Die Verteilung der Gewinnanteile der Versicherungsnehmer erfolgt satzungsgemäß nach dem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan. Zur "Gewinnrückstellung der mit Gewinnanteil Versicherten" hat sich das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung (vgl. "Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung", XXXV. Jahrgang, 1936, Verlag Walter de Gruyter & Co., S. 127) in folgendem Sinne geäussert: Die "Gewinnbeteiligung der Versicherten" sei eine Rückerstattung nichtbenötigter Beitragsteile, da zunächst vorsorglicherweise ein Beitrag erhoben werde, der auch bei ungünstigen Verhältnissen ausreichen solle. Erst durch die Rechnungslegung stelle sich für das einzelne Geschäftsjahr der tatsächliche Bedarf an Beiträgen für dieses Geschäftsjahr heraus. überschüssige Beitragsteile würden demgemäß als "Gewinn" nach der Satzung, den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder nach sonstigen Bestimmungen des Geschäftsplanes an die Versicherungsnehmer zurückgeleitet (vgl. hierzu auch die Regelung der Gewinnbeteiligung der Versicherten in den allgemeinen Versicherungsbedingungen des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung - Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung, XXXI. Jahrgang, 1932, S. 120 -). Die Ausschüttung der überschüssigen Beitragsteile geschehe in der Regel nicht mit einem Male sogleich nach der Rechnungslegung. Sie erstrecke sich über mehrere Jahre. Auf diese Weise sammelten sich bei den Versicherungsunternehmungen zwangsläufig Rücklagen für Beitragsrückerstattung an, die sich durch Ab- und Zugänge innerhalb einiger Jahre völlig erneuerten. Im Lebensversicherungsgeschäft sei schon aus Gründen des Wettbewerbs allgemein das Bestreben maßgebend, möglichst gleichbleibende Gewinnanteile zu verteilen (vgl. Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung, XXXVII. Jahrgang, 1938, S. 148). Daher werde in günstigen Jahren der Gewinn nicht etwa sofort in voller Höhe auf die einzelnen Versicherungen verteilt, vielmehr würden die Gewinne zur Ausschüttung in späteren ungünstigeren Jahren angesammelt. Fischer in Prölss - v. d. Thüsen, a. a. O., S. 22, führt hierzu zusammenfassend noch aus, daß die Bildung einer "Rückstellung für Beitragsrückerstattung" (Gewinnrückstellung) grundsätzlich bei allen Systemen der Beitragsrückerstattung (Dividendensystemen) erforderlich sei. Allen Systemen der Beitragsrückerstattung sei jedoch gemeinsam, daß auf Grund der Konstruktion der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (Gewinnrückstellung) eine unmittelbare Beziehung zwischen der Höhe der Zuführung zur "Rückstellung für Beitragsrückerstattung" (Gewinnrückstellung) eines Geschäftsjahres und dem Betrag der im gleichen Geschäftsjahr tatsächlich an die Versicherten ausgeschütteten Gewinnanteile nicht bestehen könne.
Durch die Zuteilung der überschußanteile erwirbt der einzelne Versicherungsnehmer dann ein echtes Guthaben. Die Ausschüttung an die Versicherten erfolgt später
durch Barauszahlung,
durch Verrechnung mit den nächsten Versicherungsprämien, prämien,
durch Erhöhung der Leistung (Summenzuwachs),
durch verzinsliche Ansammlung.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. der AG ergibt folgendes:
Die AG vertritt die Auffassung, daß es sich bei der "Rückstellung für Beitragsrückerstattung" nicht um eine echte Schuld im Sinne des bürgerlichen Rechtes handle. Sie sei den versicherungstechnischen Rücklagen gleichgeartet.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur handelt es sich hier um einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch der Versicherungsnehmer. Die Entscheidung des Reichsfinanzhofs III A 1292, 1293/30 vom 23. April 1931, RStBl 1932 S. 109, betont nachdrücklich, daß die "Rücklagen für die Gewinnbeteiligung der Versicherten" nicht unter die versicherungstechnischen Rücklagen fallen, da sie nicht zur Deckung des laufenden Wagnisses, sondern zur Erfüllung der den Versicherten vertraglich eingeräumten Gewinnbeteiligung bestimmt sind. Das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung führt in seinen amtlichen Veröffentlichungen XXXV. Jahrgang, 1936, S. 127, aus:
""Die Rücklagen für Beitragsrückerstattungen sind unseres Erachtens, wenn den Versicherten ein Anspruch auf "Gewinnbeteiligung" zusteht, reine Schuldverpflichtungen, und zwar auch dann, wenn eine Verwendung dieser "Rücklagen" für andere Zwecke vorbehalten ist. In diesem Falle liegt nach unserer Auffassung eine nicht nur den Versicherungsunternehmungen eigentümliche - auflösend bedingte - Schuld vor, die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung wie alle anderen Verbindlichkeiten zu behandeln ist. Dieser Ansicht ist auch der Reichsfinanzhof, der sich in seinem Urteil vom 8. Januar 1935 I A 171/34 über das Wesen der "Gewinnrücklage der Bausparer", die den gleichen Charakter hat wie die "Gewinnrücklage der Versicherten", ausführlich äußert.
Siehe auch "Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung" XXXVII. Jahrgang, 1938, S. 148.
Die gleiche Ansicht wird auch von Fischer in Prölss - v. d. Thüsen, a. a. O., S. 22 und S. 23, vertreten. Dieser Auffassung wird zugestimmt. Das Versicherungsunternehmen ist auf Grund des Versicherungsvertrages verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen Beitragsrückvergütungen zu gewähren. Es ist nicht zu erkennen, warum es sich hier nicht um eine Schuldverpflichtung im Sinne der §§ 241 ff. BGB handeln soll. Siehe auch § 6 Abs. 3 KStG 1955, wo die Zuführungen zu "Rücklagen für Beitragsrückerstattungen" insoweit als Betriebsausgaben anerkannt werden, als die ausschließliche Verwendung der Rücklagen für diesen Zweck durch Satzung oder durch geschäftsplanmäßige Erklärung gesichert ist.
Die Rb. geht wohl von der Erwägung aus, daß zu den Dauerschulden nur Verpflichtungen gehören, die am Bilanzstichtag bereits nach Grund und Höhe feststehen. Des weiteren ist sie der Ansicht, daß Voraussetzung einer Dauerschuld eine vom Betriebsinhaber ausdrücklich zur Verstärkung des Betriebskapitals aufgenommene Schuld sei. Diese Auffassung ist nicht zutreffend. Wie der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in der Entscheidung IV 140/56 U vom 27. Juni 1957 (BStBl 1957 III S. 287, Slg. Bd. 65 S. 140) ausgesprochen hat, kommt es für die Hinzurechnung von Dauerschulden nicht darauf an, ob die Schuld mit oder ohne Willen des Gläubigers oder des Schuldners entstanden ist. Die Entscheidung lehnt damit die sogenannte subjektive Theorie ab, nach der es auf die Willensrichtung des Kaufmanns (Aufnahme einer Schuld zur Verstärkung des Betriebskapitals) ankomme. Entscheidend sei lediglich, daß - objektiv betrachtet - der Gegenwert der Schuld das Betriebskapital verstärkt habe. Dieser Ansicht ist der erkennende Senat in der Entscheidung I 197/57 S vom 11. August 1959 (BStBl 1959 III S. 428, Slg. Bd. 69 S. 447) beigetreten. Es ist somit im Streitfall ohne Bedeutung, daß die Verpflichtung zur Beitragsrückerstattung sich auf das Bilanzergebnis und den hierbei ausgewiesenen überschuß gründet und ihr keine ausdrückliche Schuldaufnahme des Versicherungsunternehmens zugrunde liegt. Daß das Betriebskapital nicht nur das Anlagevermögen umfaßt, wie die Rb. annimmt, entspricht der ständigen Rechtsprechung (siehe Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 172/58 U vom 1. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 51, Slg. Bd. 70 S. 137).
Die Frage, ob Rückstellungen in allen Fällen zu den Dauerschulden zu rechnen sind, soweit im übrigen die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, ist umstritten. Sie braucht in diesem Verfahren nicht endgültig entschieden zu werden. Es ist hierbei zu beachten, daß die Kaufleute die Bezeichnung Rückstellung für sachlich verschiedenartige Bilanzposten gebrauchen, worauf bereits die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 10/47 vom 28. Februar 1948, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 4 Rechtsspruch 4, hingewiesen hat. Die Verpflichtung zur Beitragsrückerstattung gehört zu den Schulden im Sinne der §§ 8 Ziff. 1 und 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG. Sie ist eine am Bilanzstichtag jedenfalls dem Grunde nach bereits bestehende Verpflichtung. Zudem steht sie auch ihrer Höhe nach im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung im wesentlichen fest.
Der Reichsfinanzhof hat zur Frage der gewerbesteuerlichen Behandlung der Beitragsrückerstattungsverpflichtung noch nicht ausdrücklich Stellung genommen. Er hat sich aber in der Entscheidung I 207/40 vom 11. Juni 1940, RStBl 1940 S. 826, und in dem Gutachten I D 1/43 mit den verzinslich angesammelten Guthaben der Versicherungsnehmer befaßt, also mit Beträgen, die aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung entnommen und den einzelnen Versicherungsnehmern auf besonderen Konten gutgeschrieben sind. Die Rechtsnatur der "Rückstellungen für Beitragsrückerstattung" deckt sich wohl mit der Rechtsnatur dieser Guthaben nicht voll. Wirtschaftlich ist aber der Bilanzposten "Rückstellung für Beitragsrückerstattung" mit dem Bilanzposten für die verzinslich angesammelten Guthaben gleichgeartet. Dem Versicherungsunternehmen steht hier wohl nicht der einzelne Versicherungsnehmer unmittelbar gegenüber, sondern die Gesamtzahl der berechtigten Versicherungsnehmer. Das ist aber wirtschaftlich betrachtet für die Streitfrage unwesentlich. Für das Gewerbesteuerrecht gilt in gleicher Weise wie für die Einheitsbewertung (Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 43/50 S vom 25. Oktober 1951, BStBl 1952 III S. 37, Slg. Bd. 56 S. 91) auch in diesem Punkte die wirtschaftliche Betrachtung. Es besteht keine Veranlassung, von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs in der Entscheidung I 207/40 und dem Gutachten I D 1/43 abzuweichen. Das hat zur Folge, daß auch die "Rückstellung für Beitragsrückerstattung" den Dauerschulden zuzurechnen ist, soweit im übrigen die Voraussetzungen hierfür (langfristige Verpflichtung) erfüllt sind.
Der Vorinstanz ist auch insoweit beizupflichten, als sie die Rückwirkung der Erklärungen der AG vom 28. Dezember 1951 und vom 12. Januar 1952 auf den 1. Januar 1950 und den 1. Januar 1951 ablehnt. Für die Beurteilung, ob die Gegenwerte der Beitragsrückerstattungsverpflichtung ähnlichen Verfügungsbeschränkungen wie die Bestände des Deckungsstockes unterliegen, müssen die Verhältnisse der beiden Bewertungsstichtage zugrunde gelegt werden. An diesen Stichtagen hat aber eine entsprechende Sicherung noch nicht bestanden. Selbst wenn der Deckungsstock, wie die Rb. behauptet, eine überdeckung für die Deckungsreserve enthalten haben sollte, so fehlt es doch an einer bereits an den beiden Stichtagen wirksamen Erklärung, der zufolge diese überdeckung gerade der Sicherung der Beitragsrückerstattung dienen sollte. Die Sicherung und damit die Voraussetzungen des Rechtssatzes 2 des Gutachtens des Reichsfinanzhofs I D 1/43 waren somit an diesen beiden Tagen noch nicht gegeben. Welche Gründe für diesen Tatbestand bedeutsam waren, ist nicht entscheidend. Im übrigen zeigen die Erklärungen der AG hinsichtlich der Sicherung der Beitragsrückerstattungsverpflichtung die große Bedeutung und das Gewicht, das die AG dem Anspruch der Versicherten selbst zumißt.
Die Rb. ist somit unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 409688 |
BStBl III 1960, 311 |
BFHE 1961, 168 |
BFHE 71, 168 |