Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Tätigkeit einer Körperschaft in erster Linie auf Mehrung ihres eigenen Vermögens gerichtet, so handelt sie nicht selbstlos i.S. des § 55 Abs.1 Satz 1 AO 1977.
2. Eine Körperschaft verfolgt in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn sie ausschließlich durch Darlehen ihrer Gründungsmitglieder finanziert ist und dieses Fremdkapital satzungsgemäß tilgen und verzinsen muß.
Orientierungssatz
Entscheidungsgründe i.S. von § 119 Nr. 6 FGO fehlen nur, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die Gerichtsentscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 23.1.1985 I R 292/81).
Normenkette
AO 1977 §§ 55 ff.; FGO § 119 Nr. 6
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 02.10.1985; Aktenzeichen I K 32/83) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein. Seine Entstehung und seine Aufgaben gehen zurück auf das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherungsingenieure und andere Fachkräfte für die Arbeitssicherheit vom 12.Dezember 1973 --ASiG-- (BGBl I, 1885). Nach diesem Gesetz sollte die gesundheitliche Betreuung der Arbeitnehmer und die Sicherheit am Arbeitsplatz verbessert werden.
Nach § 19 ASiG kann der Arbeitgeber an Stelle eines im Betrieb eingestellten Betriebsarztes auch einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten mit der Wahrnehmung der betriebsärztlichen Aufgaben beauftragen. Für diesen überbetrieblichen Dienst schreibt das ASiG keine bestimmte Organisationsform vor. Die Mitgliederversammlung des A-Verbandes beschloß im Mai 1974 die Einrichtung eines überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienstes. Ein Teil der Mitglieder gründete 1976 den klagenden Verein.
Seiner Satzung zufolge verfolgt der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke durch Förderung von Arbeitsschutz und Unfallverhütung. Er hat einen überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienst einzurichten und zu betreiben und für die Leistungsempfänger die Aufgaben wahrzunehmen, die nach § 3 ASiG den Betriebsärzten obliegen. Für die Durchführung dieser Aufgaben richtete der Kläger bis zum Jahre 1985 arbeitsmedizinische Zentren ein. Die Zentren sind organisatorisch und finanziell unselbständige Teile des Klägers. Die für die Durchführung der Aufgaben des Klägers erforderlichen Mittel wurden nach seiner Gründung zunächst durch Darlehen der Mitglieder finanziert. Es wurden Mitgliederdarlehen in Höhe von über 10 Mio DM ausgewiesen. Die Darlehen sind nach § 4 Abs.3 Satz 2 der Satzung aus den Einnahmen zu verzinsen und zu tilgen. Den Angaben des Klägers zufolge sind diese Darlehen von 1980 an getilgt worden.
Der Kläger erhebt von den von ihm betreuten Betrieben Gebühren für die erbrachten Leistungen. Mitgliederbeiträge werden nach § 4 Abs.2 der Satzung nicht erhoben. Nach § 2 Abs.4 Satz 1 der Satzung strebt der Kläger keinen Gewinn an. Tatsächlich erzielte er in den Jahren 1976 bis 1984 folgende Betriebsergebnisse:
1976 und 1977 Verluste
1978 bis 1984 Gewinne von weit über 10 Mio DM
Der Kläger betreute am 31.Juli 1982 zahlreiche Betriebstätten und Arbeitnehmer. Neben dem Kläger gibt es eine Reihe anderer Organisationen, die arbeitsmedizinische Dienste im Sinne des ASiG unterhalten und deren Leistungen den Unternehmen anbieten. Die vom Kläger erhobenen Gebühren sind der Höhe nach mit denen anderer Anbieter vergleichbar. Teilweise unterbieten andere Dienste die Gebührensätze des Klägers.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte den Kläger mit Bescheid vom 26.Juli 1976 als gemeinnützig i.S. von § 17 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) an und stellte ihn durch mehrere Bescheide von der Körperschaftsteuer 1976 bis 1979 frei. Mit Verfügung vom 8.September 1978 teilte das FA dem Kläger jedoch mit, daß es ab 1980 die von ihm unterhaltenen arbeitsmedizinischen Zentren als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe ansehe. Dementsprechend erließ das FA am 7.Dezember 1982 einen Körperschaftsteuerbescheid 1980, einen Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid für die Jahre 1981 und 1982, einen Einheitswertbescheid für den gewerblichen Betrieb zum 1.Januar 1980, einen Gewerbesteuermeßbescheid 1980 und einen Gewerbesteuer-Zerlegungsbescheid 1980.
Gegen alle Bescheide erhob der Kläger Sprungklage, die vom Finanzgericht (FG) durch in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 144 veröffentlichtes Urteil als unbegründet abgewiesen wurde. Das FG hat die Gemeinnützigkeit des Klägers verneint, da er nicht selbstlos handle.
Gegen das Urteil hat der Kläger Revision eingelegt. Er stützt sein Rechtsmittel auf Verfahrensfehler und auf die Verletzung materiellen Bundesrechts und allgemeiner Denkgesetze und Erfahrungssätze.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und die angefochtenen Steuerbescheide aufzuheben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
III. Die vom Kläger erhobenen verfahrensrechtlichen Rügen sind unbegründet.
1. Das mit der Revision angefochtene Urteil ist i.S. von § 119 Nr.6 FGO mit Gründen versehen. Entscheidungsgründe i.S. des § 119 Nr.6 FGO fehlen nur, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417).
Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es im Urteil keiner Begründung zur Zulässigkeit der Rücklagenbildung nach § 58 Nr.6 der Abgabenordnung (AO 1977). Nach § 58 Nr.6 AO 1977 wird die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Körperschaft ihre Mittel einer Rücklage zuführt, die zur nachhaltigen Zweckerfüllung erforderlich ist. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber das Gebot zeitnaher Mittelverwendung eingeschränkt. Das FG hat die vom Kläger gebildeten Rücklagen im Urteil jedoch nicht wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Gebot zeitnaher Mittelverwendung erwähnt, sondern wegen der vom FG u.a. aus der Höhe der Rücklage abgeleiteten Gewinnerzielungsabsicht. Eines Eingehens auf die Ausnahmen vom Gebot zeitnaher Mittelverwendung bedurfte es dazu nicht.
2. Die Entscheidung des Senats zu den übrigen verfahrensrechtlichen Rügen des Klägers ergeht ohne Begründung (Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8.Juli 1975 --BFHEntlG--, BGBl I 1975, 1861, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3.Dezember 1987, BGBl I 1987, 2442).
IV. Die Revision ist auch im übrigen unbegründet.
1. Der Kläger war im Streitjahr 1980 nicht nach § 5 Abs.1 Nr.9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) von der Körperschaftsteuer befreit. Er diente nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken i.S. dieser Vorschrift.
2. Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf geistigem, materiellem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs.1 AO 1977). Eine Förderung geschieht nach § 55 Abs.1 AO 1977 selbstlos, "wenn nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche - zum Beispiel gewerbliche oder sonstige Erwerbszwecke - verfolgt werden".
a) Eine Körperschaft verfolgt eigenwirtschaftliche Zwecke in diesem Sinne, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, ihr Vermögen und ihre Einkünfte zu erhöhen (vgl. Tipke/Kruse, Ab- gabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 55 AO 1977, Tz.2; Scholtz in Koch, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 55 Tz.3; Scholtz, Finanz- Rundschau 1976, 181, 187; Greif/Schuhmann, Körperschaftsteuergesetz, § 5 Tz. 120; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 55 AO 1977 Anm.2).
Allerdings ist nicht jede auf Verbesserung der Einkünfte oder des Vermögens gerichtete Tätigkeit als Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit anzusehen. Die Körperschaft kann auf Gewinnerzielung gerichtete wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, ohne dadurch das Verbot der Selbstlosigkeit i.S. des § 55 Abs.1 AO 1977 zu verletzen (vgl. § 64 AO 1977). Die Körperschaft darf die ihm Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes verfolgten eigenwirtschaftlichen Zwecke jedoch nicht "in erster Linie" verfolgen (§ 55 Abs.1 Satz 1 AO 1977; vgl. auch Kühn/Kutter/Hofmann, a.a.O., § 55 AO 1977 Anm.2; Scholtz in Koch, a.a.O., § 55 Tz.5). Selbstloses Handeln ist nicht anzunehmen, wenn die ihm eigene Opferwilligkeit zugunsten anderer wegfällt oder in den Hintergrund gedrängt wird und an deren Stelle in erster Linie Eigennutz tritt (BFH-Urteil vom 13.Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482, 487).
b) Eigenwirtschaftliche Zwecke kann eine Körperschaft sowohl durch Förderung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder als auch durch Förderung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen. Der Begriff "eigenwirtschaftlich" legt nach seinem Wortlaut zwar eine Auslegung im Sinne eigener wirtschaftlicher Zwecke der Körperschaft vorrangig nahe. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß auch die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke der Mitglieder als Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit gewertet werden kann (BFH in BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482, 487; Spanner in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 55 AO 1977 Anm.2a).
3. Der Kläger förderte nach seiner Satzung durch Einrichtung eines arbeitsmedizinischen Dienstes das öffentliche Gesundheitswesen. Die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens ist nach der beispielhaften Aufzählung in § 52 Abs.2 Nr.2 AO 1977 als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen. Diese zwischen den Beteiligten unstreitige Voraussetzung bedarf keiner weiteren Ausführungen.
4. Die Förderung geschah jedoch nicht selbstlos i.S. des § 55 Abs.1 AO 1977. Dabei kann dahinstehen, inwieweit der Kläger wirtschaftliche Interessen seiner Mitglieder förderte. Es ist nicht zu verkennen, daß der Kläger durch seine Tätigkeit auf dem Gebiet der Schadensverhütung und Schadensbegrenzung im Bereich der Berufsunfälle und Berufskrankheiten auch im Interesse seiner Gründungsmitglieder tätig war. Sie verfolgen gleiche Ziele. Selbstloses Handeln des Klägers war im Streitfall jedoch schon deshalb zu verneinen, weil die Tätigkeit des Klägers "in erster Linie" auf Mehrung seines eigenen Vermögens gerichtet war. Er hat durch diese Tätigkeit die Grenzen selbstlosen Handelns überschritten.
a) Der Kläger hat die Grenzen selbstlosen Handelns bereits nach seiner Satzung überschritten. Nach § 4 Abs.3 Satz 2 der Satzung des Klägers sind die ihm von den Mitgliedern gewährten Darlehen aus den Einnahmen zu verzinsen und zu tilgen. Da der Kläger weder von seinen Mitgliedern noch von Dritten mit Eigenkapital ausgestattet war, mußte seine satzungsgemäße Tätigkeit von der Gründung an auf die Erzielung von Einnahmen zur Tilgung seiner Schulden gerichtet sein. Das FG hat zutreffend aus der satzungsmäßigen Pflicht zur Tilgung der Mitgliederdarlehen von über 10 Mio DM auf eine Gewinnerzielungsabsicht geschlossen. Die mit der Tilgung verbundene Vermögensmehrung konnte ohne Überschüsse aus der Tätigkeit des Klägers nicht erreicht werden. Jede Mehrung des bilanzierten Vermögens setzt Gewinne oder Einlagen voraus. Einlagen scheiden im Streitfall aus, da die Gründungsmitglieder den Kläger zur Darlehenstilgung satzungsgemäß auf seine Betriebseinnahmen verwiesen haben. Der Kläger mußte somit zwingend Gewinne erwirtschaften.
Der Senat folgt nicht der Auffassung des Klägers, daß er die Tilgungsleistungen aus den Abschreibungen habe finanzieren können. Die sogenannte Finanzierung durch Abschreibungen ist eine Form der Selbstfinanzierung, bei der die dem Betrieb als Geldvermögen zufließenden Erlöse durch die als Aufwand verbuchten Abschreibungen neutralisiert werden. Die Erlöse werden auf diese Weise von Steuern freigehalten, an den Betrieb gebunden und stehen ihm für Investitionen zur Verfügung (vgl. Bierich in Christians, Finanzierungshandbuch, 2.Aufl. 1988 S.204 ff.; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 16.Aufl. 1986 S. 854 ff.; Langen in Janberg, Finanzierungshandbuch, 2.Aufl. 1969 S.347 ff.).
Es trifft zwar zu, daß aufgenommenes Fremdkapital kurzfristig aus Erlösen auch dann getilgt werden kann, wenn Betriebseinnahmen durch Abschreibungen neutralisiert und deshalb keine Gewinne auszuweisen sind. Hätte der Kläger jedoch die dadurch freiwerdende Liquidität zur Tilgung seiner Darlehensschulden verwendet, so hätte er sowohl dem Sinn von Abschreibungen als auch seiner Satzung zuwider gehandelt. Sinn der Abschreibungen ist es, den Wertverzehr des Anlagevermögens auszuweisen und gleichzeitig Mittel zur Anschaffung von Ersatzwirtschaftsgütern freizusetzen (F. Schmidt, Die organische Tageswertbilanz, 3.Aufl. 1951; Wöhe, a.a.O., S.855). Würde der Kläger die durch Abschreibungen freigesetzten Mittel nicht zur Beschaffung von Ersatzwirtschaftsgütern verwenden, so wäre ihm die Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und der Unfallverhütung nachhaltig nicht mehr möglich. Er kann seine Tätigkeit ohne die von ihm eingesetzten Fahrzeuge und medizinischen Geräte nicht dem Satzungszweck entsprechend erfüllen.
Der Hinweis des Klägers auf den sogenannten Lohmann-Ruchti- Effekt ist unbegründet. Diese zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit entsteht, wenn durch beschleunigte Abschreibung einerseits und verzögerten Ersatzbedarf andererseits dem Unternehmen vorübergehend zusätzliche liquide Mittel zur Kapazitätsausweitung zur Verfügung stehen (vgl. Bierich a.a.O., S.205; Wöhe, a.a.O., S.856). Auch diese vorübergehende Liquidität muß jedoch in einem auf Fortbestand bedachten Unternehmen zu Investitionen zwecks Kapazitätsausweitung und letztlich wieder zu Ersatzbeschaffungen eingesetzt werden (Wöhe, a.a.O., S.856).
b) Die tatsächliche Geschäftsentwicklung des Klägers bestätigt die vom FG aus der Satzung und der Finanzierungslage des Klägers abgeleitete Gewinnerzielungsabsicht.
Der Kläger erzielte in den Jahren 1978 bis 1982 Betriebseinnahmen, die über seinen Abschreibungsbedarf weit hinausgingen. Er erwirtschaftete nicht nur ein ausgeglichenes, die Abschreibungen neutralisierendes Ergebnis, sondern erhebliche Gewinne. Das FG hat aus diesen Vermögensmehrungen zutreffend geschlossen, daß der Kläger auch in seiner tatsächlichen Geschäftsführung eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgte.
c) Der Kläger hat auch "in erster Linie" eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt (§ 55 Abs.1 Satz 1 AO 1977). Der Kläger mußte seinen gesamten Kapitalbedarf von ... Mio DM ausschließlich aus Gewinnen aufbringen. Da das gesamte Vermögen des Klägers fremdfinanziert war, mußte er seine gesamte Tätigkeit darauf ausrichten, diese Beträge aus Gewinnen tilgen zu können. Damit ist seine Tätigkeit "in erster Linie" durch eigenwirtschaftliche Zwecke bestimmt. Jede Tätigkeit des Klägers im Bereich des Gesundheits- und Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung war durch das dem Kläger durch seine Finanzierung vorgegebene und in der Satzung verankerte Gewinnstreben mitbestimmt. Er mußte die für seine gesamte Tätigkeit geforderten Entgelte diesem Ziel anpassen. Es ist insoweit bedeutungslos, daß der Kläger mit seiner Tätigkeit auch gemeinnützige Zwecke verfolgte. Werden gemeinnützige Ziele mit Gewinnstreben verfolgt, so fehlt für die gesamte Tätigkeit die für selbstloses Handeln erforderliche Opferwilligkeit zugunsten anderer (vgl. BFH in BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482, 487).
Es trifft zu, daß bei dieser Gesetzeslage eine ausschließlich fremdfinanzierte, kapitalintensive Körperschaft nur schwer die Voraussetzungen selbstlosen Handelns erfüllen kann. Sie muß ihre Tätigkeit stets darauf ausrichten, Überschüsse zur Tilgung der Verbindlichkeiten zu erwirtschaften. Diese Rechtsfolge ergibt sich jedoch aus der vom Gesetzgeber als grundsätzliches Abgrenzungsmerkmal gemeinnützigen Handelns aufrechterhaltenen Selbstlosigkeit. Anders ist die steuerrechtliche Lage bei einer teils durch Einlagen und Spenden, teils durch Fremdkapital finanzierten Körperschaft. Selbst wenn solche Körperschaften in begrenztem Umfang Gewinne erzielen, um das von ihnen aufgenommene Fremdkapital zu tilgen, handelt es sich --je nach dem Grad der Fremdfinanzierung-- in der Regel nicht um eine "in erster Linie" eigenwirtschaftliche, das eigene Vermögen mehrende Tätigkeit.
d) Es kann dahinstehen, inwieweit Tilgungsleistungen aus den Einnahmen des betriebsärztlichen Dienstes oder --später-- aus den Vermögenserträgen aufgebracht werden. Auch Vermögenserträge des Klägers dürfen nach Gemeinnützigkeitsrecht nicht zur Vermögensmehrung verwandt werden, sondern müssen zeitnah für die satzungsmäßigen Zwecke des Klägers verwandt werden (§ 58 Nr.6 AO 1977).
Es kann auch dahinstehen, ob der Kläger einen nach § 65 Nr.3 AO 1977, § 5 Abs.1 Nr.9 Satz 2 KStG 1977 steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten hat. Diese Frage stellt sich nur bei Körperschaften, die als gemeinnützig anerkannt werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 62754 |
BFH/NV 1989, 31 |
BStBl II 1989, 670 |
BFHE 157, 132 |
BFHE 1990, 132 |
BB 1990, 50 |
BB 1990, 50-51 (LT1-2) |
DB 1989, 1656 (S) |
DStR 1989, 469 (K) |
HFR 1989, 653 (LT) |