Leitsatz (amtlich)
1. Zur Beschränkung der Beweismittel und Nichtanwendung von Schätzungsregeln in Verfahren der Ausfuhrerstattung.
2. Der Ausführer einer Nicht-Anhang II-Ware hat nach Art.8 Abs.1 Unterabsätze 1 und 2, Abs.2 Unterabsatz 1 VO Nr.2682/72 keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Ausfuhrerstattung, wenn er keine zureichenden Angaben über die Herstellungsbedingungen für die auszuführende Ware macht. Fehlen solche Angaben, so ist weder die Behörde noch das FG zu weiteren Ermittlungen über Art und Umfang der Komponenten der Ausfuhrware verpflichtet; eine Schätzung scheidet aus.
Normenkette
EWGV 2682/72 Art. 8 Abs. 1U Abs. 1-2, Abs. 2UAbs. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 76 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ am 5.April 1976 6 000 kg einer als S-Pulver bezeichneten Ware zur Ausfuhr nach England abfertigen. Die Ware wurde als kakaohaltige Lebensmittelzubereitung der Tarifst.18.06 D II b 2 bb des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) angemeldet. Die Klägerin machte dabei Angaben über die Herstellung der Ware. Von der Ware wurden am 25.August 1976 4 800 kg wegen Reklamation als Rückware wieder in die Bundesrepublik Deutschland verbracht. Diese Ware wurde am selben Tag zur Ausfuhr in die Schweiz abgefertigt. Mit Anträgen vom 24.November 1976 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) die Zahlung von Beitrittsausgleichsbeträgen und Ausfuhrerstattung für die in der Ware enthaltenen Anteile an Vollmilch, Magermilchpulver und Molkenpulver. Zur Warenbeschaffenheit machte die Klägerin dabei erneut Angaben. Auf Anforderung des HZA übersandte sie später noch Firmenunterlagen.
Mit Bescheid vom 10.November 1978 lehnte das HZA die Gewährung der Ausfuhrvergünstigungen mit der Begründung ab, es fehle an den nach Art.8 der Verordnung (EWG) Nr.2682/72 (VO Nr.2682/72) des Rates vom 12.Dezember 1972 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 289/13) erforderlichen Nachweisen. Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrt die Klägerin, unter Aufhebung des Bescheides vom 10.November 1978 in Gestalt der Einspruchsentscheidung das HZA zu verpflichten, Beitrittsausgleichsbeträge und Ausfuhrerstattungen nach ihren Anträgen vom 24.November 1976 (mit Ausnahme einer Erstattung für Molkenpulver und Magermilchpulver bei Beitrittsausgleichsbeträgen und für Molkenpulver bei Ausfuhrerstattung) festzusetzen. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Der rechtliche Ausgangspunkt des FG ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die beantragten Ausfuhrerstattungen und Beitrittsausgleichsbeträge (im folgenden: Ausfuhrerstattung) nach Art.8 Abs.1 und Abs.2 Unterabsatz 1 VO Nr.2682/72 nur, wenn sie Angaben über die Herstellungsweise der ausgeführten Waren macht, die ausreichen, um die Richtigkeit der von ihr angegebenen Mengen der maßgebenden Komponenten der ausgeführten Ware zu überprüfen (vgl. auch Senatsurteil vom 3.Dezember 1985 VII R 124-125/82, BFHE 145, 465, 474). Das FG hat festgestellt, daß es an solchen zureichenden Angaben fehlt. An diese Feststellung ist der Senat gebunden, da die Klägerin zulässige und begründete Revisionsrügen dagegen nicht vorgetragen hat (§ 118 Abs.2 FGO).
1. Nach Art.8 Abs.1 Unterabsätze 1 und 2 VO Nr.2682/72 ist der Antragsteller verpflichtet, die Mengen der Grunderzeugnisse, der Erzeugnisse aus ihrer Verarbeitung sowie der einer dieser beiden Gruppen gleichgestellten Erzeugnisse anzugeben, die zur Herstellung der Waren tatsächlich verwendet wurden; bei Verwendung einer Ware zur Herstellung der ausgeführten Ware muß die Erklärung die Angabe der tatsächlich zur Herstellung dieser Ware verwendeten Menge der Ware, der Art und Menge jedes Grunderzeugnisses usw. enthalten. Kann der Antragsteller infolge unzureichender Angaben über die Herstellungsbedingungen für die ausgeführte Ware diese Angaben nicht machen oder können die zuständigen Behörden infolge unzureichender Unterlagen die ihnen gemachten Angaben nicht anerkennen, so kann dem Antragsteller keine Erstattung gewährt werden (Art.8 Abs.2 Unterabsatz 1 VO Nr.2682/72). Allein das Fehlen zureichender Angaben läßt also die Befugnis der Behörde zur Gewährung der Ausfuhrerstattung entfallen. Daraus folgt, daß die Behörde vor Ablehnung der beantragten Erstattung weder verpflichtet noch auch nur berechtigt ist, von sich aus Ermittlungen anzustellen, ob auf andere Weise als durch die Angaben des Antragstellers genügende Gewißheit über die für Grund und Höhe der Ausfuhrerstattung maßgebenden Umstände zu erlangen ist.
Diese Folgerung ergibt sich klar aus dem Wortlaut der genannten Regelung. Sie entspricht auch ihrem Sinn und Zweck. Denn das Verfahren der Gewährung der Ausfuhrerstattung ist, worauf das FG zu Recht hingewiesen hat, ein reines Antragsverfahren; es hat das Ziel, Ausfuhrerstattungen zu gewähren, die nach ständiger Rechtsprechung des Senats als Subventionen anzusehen sind. Die Umstände, die für Grund und Höhe der zu gewährenden Ausfuhrerstattung maßgebend sind, betreffen im wesentlichen die Sphäre des jeweiligen Antragstellers, der kraft seiner Sachnähe über die Art und Weise der Herstellung der ausgeführten Ware und über die eingesetzten Komponenten Bescheid weiß oder wenigstens Bescheid wissen müßte. Es ist daher sinnvoll, ihm so, wie es in der Regelung des Art.8 VO Nr.2682/72 geschehen ist, die Pflicht zur zureichenden Darlegung der entsprechenden Umstände aufzuerlegen und die Gewährung der Ausfuhrerstattung von der Erfüllung dieser Pflicht abhängig zu machen. Nach Art.8 Abs.1 Unterabsatz 4 VO Nr.2682/72 ist die zuständige Behörde daher auch nur berechtigt und verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen bei der Überprüfung der Richtigkeit der ihr gemachten (zureichenden) Angaben. Eine andere Regelung würde der Verwaltung eine --in Anbetracht ihrer Sachferne in bezug auf die Zusammensetzung der ausgeführten Ware-- unzumutbare Last auferlegen, die die Durchführung des Erstattungsverfahrens in einer unpraktikablen Weise erschweren würde.
Aus dieser so zu verstehenden Regelung hat das FG ohne Rechtsirrtum den Schluß gezogen, daß es nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet ist, falls zu seiner Überzeugung feststeht, daß zureichende Angaben im Sinne des Art.8 Abs.2 Unterabsatz 1 VO Nr.2682/72 fehlen. Das FG hatte allein über die Anträge der Klägerin zu entscheiden, d.h. darüber, ob die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 100 Abs.1 Satz 1 FGO). Das ist zu verneinen, wenn das HZA den Antrag der Klägerin auf Gewährung bestimmter Ausfuhrerstattungen zu Recht abgelehnt hat. Diese Ablehnung ist zu Recht erfolgt, wenn die Klägerin "unzureichende Angaben" im Sinne des Art.8 VO Nr.2682/72 gemacht hat. Ob das der Fall ist, hat das FG im Rahmen seiner grundsätzlich unbeschränkten amtlichen Ermittlungspflicht (§ 76 Abs.1 Satz 1 FGO) zu prüfen und dabei alle Erkenntnismittel zu verwerten. Gelangt das FG aber, wie im vorliegenden Fall, zur Feststellung, daß die Angaben des Antragstellers unzureichend waren, so ist es schon deswegen nicht verpflichtet zu weiteren Ermittlungen darüber, ob auf andere Weise ein zureichender Aufschluß über das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale für die Ausfuhrerstattung zu erlangen ist, weil auch ohnedies klar ist, daß --eben wegen der unzureichenden Angaben des Antragstellers-- die angefochtene Ablehnung der Gewährung der Ausfuhrerstattung durch das HZA rechtens war.
Auf die Rechtsprechung des Senats kann sich die Klägerin für ihre Gegenauffassung nicht mit Erfolg berufen. Für die Auslegung des Art.8 VO Nr.2682/72 ergeben sich aus den Senatsurteilen in BFHE 118, 115, 118 f. und in BFHE 112, 543, 545 keine Gesichtspunkte. Das Urteil in BFHE 118, 115 ist zur Frage ergangen, wie der Beweis nach § 6 Abs.3 der Erstattungsverordnung Getreide und Reis (BGBl I 1964, 917) geführt werden kann; das Urteil in BFHE 112, 543 hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Verwaltung durch Richtlinien die Form des Nachweises der Beschaffenheit von Waren, für die Ausfuhrerstattung gewährt wird, rechtswirksam in einschränkender Weise regeln kann. Die in den beiden Urteilen entschiedenen Fälle sind mit dem vorliegenden also nicht vergleichbar. Im Urteil in BFHE 118, 115, 118 hat zwar der Senat zum Ausdruck gebracht, dem Erstattungsempfänger sei gestattet, den Beweis nach § 6 Abs.3 der Erstattungsverordnung Getreide und Reis durch Gegenbeweis jeder Art zu erschüttern oder aber das Vorliegen der Erstattungsvoraussetzungen mit allen möglichen Beweismitteln zu führen. Bei Anwendung auf den vorliegenden Fall ergibt sich aber nur, daß die Klägerin das Recht hat, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Beweismitteln den Beweis zu führen, daß die allein entscheidungserhebliche Frage, ob sie zureichende Angaben gemacht hat, zu bejahen ist. Dagegen ist der Entscheidung des Senats entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu entnehmen, das FG müsse auch noch der nach Gemeinschaftsrecht gar nicht entscheidungserheblichen Frage nachgehen, aus welchen Komponenten die ausgeführte Ware bestanden hat, wenn bereits feststeht, daß das Tatbestandsmerkmal "zureichende Angaben" des Art.8 VO Nr.2682/72 nicht erfüllt ist.
2. Zu Recht hat das FG auch verneint, daß bei Fehlen zureichender Angaben Art und Menge der für die Ausfuhrerstattung maßgebenden Komponenten der ausgeführten Ware durch Schätzung zu ermitteln sind. Art.8 Abs.2 Unterabsatz 1 VO Nr.2682/72 schließt eine Schätzung aus. Fehlen zureichende Angaben über die Zusammensetzung der ausgeführten Ware, so ist, wie der Wortlaut der Regelung deutlich macht, die zuständige Behörde verpflichtet, die Gewährung der Erstattung abzulehnen. Sie ist also nicht berechtigt, die Lücken in der Darlegung des Antragstellers durch Schätzungen auszufüllen.
Daß diese Regelung sinnvoll ist, machen die Ausführungen unter Nr.1 deutlich. Auch eine Schätzung setzt einigermaßen zutreffende Kenntnisse über die maßgebenden Komponenten der Ware voraus. Diese liegen aber bei unzureichenden Angaben des Antragstellers gerade nicht vor. Außerdem erscheint es nicht gerechtfertigt, den Antragsteller --der, wie ausgeführt, über die Zusammensetzung der Ware bei entsprechender Vorsorge in zureichender Weise Auskunft geben könnte und müßte-- bei Verletzung seiner Darlegungspflicht in den Genuß einer Ausfuhrerstattung gelangen zu lassen, die bei der Unsicherheit, die jeder Schätzung zugrunde liegt, sogar zu einem zu hohen Erstattungsbetrag führen könnte. Er kann nicht besser gestellt werden als ein Antragsteller, der seine Pflichten erfüllt.
Die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt, wie das FG ebenfalls zu Recht ausgeführt hat, die Regelung des Art.8 Abs.2 Unterabsatz 2 VO Nr.2682/72. Bei bestimmten Waren wird dem Antragsteller auf ausdrücklichen Antrag eine Erstattung nach der sog. Analysemethode gewährt, d.h. bei der Berechnung dieser Erstattung ergeben sich Art und Menge der dabei zu berücksichtigenden Grunderzeugnisse aus der Analyse der auszuführenden Waren, die von den zuständigen Behörden oder durch ein von ihnen beauftragtes Laboratorium durchzuführen ist. Die Regelung hat damit für den Fall, daß zureichende Angaben über die Komponenten der Ware nicht vorgelegt werden, eine Erleichterung zugestanden, die aber an die Erfüllung bestimmter --hier nicht gegebener-- Voraussetzungen geknüpft ist. Es liegt der Schluß nahe, daß damit die Gewährung anderer Erleichterungen, d.h. z.B. der Ersatz zureichender Angaben durch eine Schätzung, ausgeschlossen sein sollte.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, daß die so zu verstehende Regelung des Art.8 VO Nr.2682/72 den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletze. Die Regelung verlangt vom Antragsteller deutlich entsprechende Angaben. Diese vorzutragen, ist wegen der oben beschriebenen Sachnähe des Antragstellers diesem keineswegs unzumutbar. Durch entsprechende Darlegungen kann sich jeder Antragsteller die Gewährung der ihm zustehenden Ausfuhrerstattungen sichern. Führt er sie nicht, so ist das von ihm zu vertreten. Es ist daher nicht unverhältnismäßig, wenn die VO Nr.2682/72 für diesen Fall die Gewährung einer Ausfuhrerstattung untersagt.
Das von der Klägerin in Bezug genommene Senatsurteil in BFHE 137, 207, BStBl II 1983, 226 ist nicht einschlägig. In diesem Urteil hat der Senat entschieden, daß die Befugnis nach § 96 Abs.1 Satz 1 FGO zur Schätzung auch in finanzgerichtlichen Streitigkeiten über die Rückforderung von Ausfuhrerstattungen gilt. Damit aber hat der Senat nicht etwa entschieden, daß auch in jenen Fällen Ausfuhrerstattungen im Wege einer Schätzung gewährt werden können, in denen das Gemeinschaftsrecht eine solche Schätzung ausschließt.
3. An die Feststellung des FG, die Klägerin habe keine zureichenden Unterlagen über die von ihr angegebene Verwendung der Komponenten vorlegen können, ist der erkennende Senat gebunden. Die Einwendungen der Klägerin dagegen können keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 62224 |
BFHE 154, 282 |
BFHE 1989, 282 |
BB 1988, 1881-1881 (L1-2) |
HFR 1988, 617 (LT) |