Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Inwieweit sind Bausparkassenbeiträge Sonderausgaben, wenn die von der Bausparkasse bereitgestellten Mittel für die Errichtung eines Gebäudes verwendet werden, das gleichzeitig eigenbetrieblichen Zwecken und Wohnzwecken des Bauherrn dient?
Normenkette
EStG § 10/1/2/b, § 4 Abs. 4
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Gesellschafter einer OHG an der außer ihm seine Schwägerin und deren Sohn beteiligt sind. In den Jahren 1950 bis 1954 errichteten der Bf. und seine Schwägerin ein Gebäude, das zu 29 v. H. gewerblichen Zwecken der OHG und zu 71 v. H. fremden Wohnzwecken dient. Die Baukosten von 46 000 DM entfallen mit 22 v. H. auf den gewerblichen und mit 78 v. H. auf den zu Wohnzwecken bestimmten Gebäudeteil. Von den Baukosten stammen 26 980 DM aus Mitteln einer Bausparkasse. Die Bausparverträge hatte der Bf. abgeschlossen. Die darauf geleisteten Beiträge von 8000 DM im Jahre 1951 und 2040 DM im Jahre 1952 setzte er im Rahmen der Höchstbeträge als Sonderabgaben ab. Das Finanzamt veranlagte ihn zunächst rechtskräftig entsprechend. Bei einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß der Bf. in dem Antrag auf Abschluß der Bausparverträge als Zweck "Neubau von Lager und Wohnung" angegeben hatte. Das Finanzamt teilte daraufhin die vom Bf. geleisteten Bausparkassenbeiträge in aktivierungspflichtige Betriebsausgaben und berücksichtigungsfähige Sonderausgaben nach dem Anteil der gewerblichen (22. v. H.) und der privat genutzten Räume (78 v. H.) an den Baukosten auf. Der Bf. machte geltend, das Gebäude gehöre zu seinem Privatvermögen; er habe auch nicht beabsichtigt, den betrieblich genutzten Teil des Gebäudes als Betriebsvermögen auszuweisen. Er habe die durch die Bausparkassendarlehen nicht gedeckten Baukosten voll aus privaten Mitteln bestritten.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Als Sonderausgaben könnten nur Bausparkassenbeiträge abgesetzt werden, die bestimmt seien, Baudarlehen für private Zwecke zu erhalten; Beiträge, die im Rahmen eines Geschäftsbetriebs für betriebliche Zwecke geleistet würden, seien Betriebsausgaben (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 155/36 vom 6. November 1936, Reichssteuerblatt - RStBl - 1937 S.96). Die Bausparbeiträge seien insoweit Betriebsausgaben (ß 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), als das Baudarlehen der Finanzierung eines Betriebsgrundstückes dienen solle. Das Finanzamt habe den betrieblich genutzten Teil des Gebäudes der OHG nach Abschnitt 17 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951 zutreffend als Teil des notwendigen Betriebsvermögens angesehen. Aus der Zweckangabe im Antrag auf Abschluß eines Bausparvertrages (Neubau von Lager und Wohnung) habe es schließen können, daß die Beiträge entsprechend dem Anteil der betrieblich genutzten Räume betrieblich veranlaßt gewesen seien. Wenn ein Steuerpflichtiger zunächst ein Wohnhaus habe bauen wollen, aber später ein Betriebsgebäude errichtet habe, so mache allerdings die spätere Willensänderung die Sonderausgaben nicht rückwirkend zu Betriebsausgaben (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 291/51 U vom 3. Juli 1952, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 214 Slg. Bd. 56 S. 554). Im Einzelfall könne aber aus der späteren Verwendung des Bausparkassendarlehen ein Rückschluß auf die Absicht des Bauherrn bei Leistung der Bausparkassenbeiträge gezogen werden. Im Streitfall decke sich die Erklärung im Bausparvertrag mit der späteren Bauausführung. Die Anteile der Gesellschafter an dem Gebäude seien, soweit sie dem Betrieb der OHG dienten, deren notwendiges Betriebsvermögen (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 473/37 vom 29. September 1937, RStBl 1937 S. 1204; Urteil des Bundesfinanzhofs I 11/45 U vom 28. September 1951, BStBl 1952 III S. 15 Slg. Bd. 56 S.35). Die Aufnahme in die Bilanz spiele keine Rolle. Der betrieblich genutzte Teil des Gebäudes sei auch nicht unerheblich im Sinne der Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 2079/29 vom 14. April 1931 (RStBl 1931 S.348) und IV A 778/35 vom 6. November 1935 (RStBl 1936 S. 278). Ob die Beiträge Betriebsausgaben oder Sonderausgaben seien, hänge nicht davon ab, ob für das Gebäude Sonderabschreibungen nach § 7b EStG gemacht werden könnten.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird unrichtige Anwendung von § 4 Abs. 4 und § 10 Abs. 1 Ziff. 2 EStG gerügt. Der Bf. ist der Auffassung, die Beiträge könnten nicht wie geschehen, aufgeteilt werden, weil das Gebäude im ganzen die Voraussetzungen des § 7b EStG erfülle.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Ein Steuerpflichtiger kann, wie das Finanzgericht zutreffend annimmt, Bausparverträge sowohl im Rahmen seines Betriebs als auch als Privatmann abschließen. Wird ein Bausparvertrag im Rahmen des Betriebs abgeschlossen, so handelt es sich um einen Betriebsvorgang; die Beiträge sind dann aktivierungspflichtige Betriebsausgabe, wie das Finanzgericht unter Berufung auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 155/36 mit Recht ausführt. Die Beiträge werden als Sonderausgaben nur berücksichtigt, wenn sie nicht Betriebsausgaben sind (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 291/51 U a. a. O., ferner Urteil des Senats VI 153/55 U vom 18. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 69 Slg. Bd. 64 S. 180, betreffend Kapitalansammlungsverträge).
Das Finanzgericht will den einheitlichen Vorgang des Abschlusses der Bausparverträge und der Beitragszahlungen im Wege der Schätzung in einen betrieblichen und außerbetrieblichen Teil zerlegen. Es betrachtet dabei den Vorgang insoweit als notwendig zum Betrieb der OHG gehörig, als der Bf. von vornherein beabsichtige, einen Teil des mit Bausparkassenmitteln zu errichtenden Gebäudes dem Betrieb der OHG zu widmen. Diese Betrachtung bei sogenannten gemischten Grundstücken entspricht der überwiegenden Verwaltungsübung (vgl. z. B. Verfügungen der Oberfinanzdirektion Düsseldorf und Köln, Hannover, Karlsruhe in "Der Betrieb" 1956 S. 220; 1955 S. 60 und 1004; Oberfinanzdirektion München "Deutsche Steuer-Zeitung - Eildienst -" 1954 S. 484).
Der Senat tritt dieser Auffassung nicht bei. Wenn man auch mit dem Finanzgericht den dem Betrieb der OHG dienenden Teil des Gebäudes als notwendiges Betriebsvermögen ansehen kann, so ist doch anzunehmen, daß dieser Teil des Gebäudes Betriebsvermögen der OHG erst zu dem Zeitpunkt wurde, als er nach der Fertigstellung dem Betrieb tatsächlich gewidmet wurde. Wenn auch wie sich aus dem Antrag auf Abschluß des Bausparvertrages ergibt, von vornherein die Absicht bestanden haben mag, einen Teil des Gebäudes für den Betrieb der OHG zu nutzen, so konnten doch die Beteiligten ihren Plan jederzeit noch ändern. Ein objektiver Zusammenhang mit dem Betrieb wurde jedenfalls erst mit dem Beginn der tatsächlichen Nutzung durch die OHG begründet.
Will ein Steuerpflichtiger ein Gebäude unter Zuhilfenahme von Bausparkassenmitteln errichten, so kann er grundsätzlich frei entscheiden, ob er den Bausparvertrag im Rahmen des Betriebs oder privat abschließen will. Das gilt mindestens für die Fälle, in denen das Gebäude ganz überwiegend Wohnzwecken dient. Der Steuerpflichtige kann die Beiträge aktivieren und damit zum Ausdruck bringen, daß der den Vorgang als betrieblich ansieht. Er kann die Beiträge aber auch dem Betrieb über Privatkonto entnehmen und außerhalb des Betriebs ansammeln; dann gehören der Abschluß und die Erfüllung des Bausparvertrages in den privaten Bereich. Es kann dahingestellt bleiben, wie zu entscheiden ist, wenn mit den Mitteln der Bausparkasse ein Gebäude finanziert werden soll, das nach Plan und Anlage von vornherein ausschließlich oder ganz überwiegend nur dem Betrieb des Steuerpflichtigen dienen kann. Wird aber ein Gebäude errichtet, das ganz oder überwiegend Wohnzwecken dient und übersteigen die von der Bausparkasse bereitgestellten Mittel nicht die Baukosten für den Wohnzwecken dienenden Teil des Gebäudes, so besteht kein Bedenken, mit dem Hessischen Finanzgericht (Urteil I 906/54 vom 11. November 1955, Entscheidungen der Finanzgerichte 1956 S.133) davon auszugehen, daß der Steuerpflichtige den Bausparvertrag von vornherein mit dem Willen abgeschlossen hat, auf diese Weise den Wohnteil des Gebäudes zu finanzieren.
Das Gesetz will durch die Begünstigung des § 10 Abs. 1 Ziff. 2b EStG 1951 zum Bau von Wohnungen anregen. Es würde wohl nicht im Sinne des Gesetzgebers liegen, durch eine engherzige Auslegung den Wirkungsbereich der Vorschrift einzuengen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 291/51 U a. a. O), zumal das Gesetz selbst die Berücksichtigung von Bausparkassenbeiträgen durch die Einführung von Höchstgrenzen bestimmter Sonderausgaben beschränkt. Ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang muß überdies schon im Interesse der Vereinfachung soweit wie möglich auch steuerlich einheitlich beurteilt werden. Die Auffassung des Finanzgerichts würde auch bei der praktischen Durchführung große Schwierigkeiten bereiten. Denn es müßte im einzelnen Fall festgestellt werden, welche Absichten ein Steuerpflichtigen beim Abschluß des Bausparvertrags hatte. Solche Feststellungen auf dem Gebiet der internen Willensbildung können die Finanzbehörden erfahrungsgemäß kaum treffen. Es ist für einen geschickten Steuerpflichtigen jedenfalls nicht schwer, den Bausparvertrag entsprechend zu fassen und dann zu behaupten, daß er erst nach Abschluß des Bausparvertrages seine Absicht geändert habe. Unliebsame Auseinandersetzungen zwischen Steuerpflichtigen und Finanzbehörden wären bei der Auffassung des Finanzgerichts unvermeidbar.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß Bausparkassenbeiträge, die zur Finanzierung eines gemischten Gebäudes dienen, im Rahmen der Höchstbeträge als Sonderausgaben berücksichtigt werden können, wenn der Steuerpflichtige den Abschluß und die Erfüllung des Bausparvertrags nicht als Betriebsvorgang behandelt hat, der Wohnzwecken dienende Gebäudeteil erheblich überwiegt und die von der Bausparkasse bereitgestellten Mittel die Baukosten für den Wohnzwecken dienenden Gebäudeteil nicht übersteigen.
Nach diesen Rechtsgrundsätzen muß die Rb. Erfolg haben. Der Wohnzwecken dienende Gebäudeteil beträgt flächenmäßig mehr als 70 v. H. des Gesamtgebäudes; die Baukosten für diesen Teil betragen rund 34 000 DM; die von der Bausparkasse bereitgestellten Mittel erreichten rund 27.000 DM.
Die Vorentscheidung wird wegen unrichtiger Anwendung von § 10 Abs. 1 Ziff. 2b, § 4 Abs. 4 EStG 1951 aufgehoben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsgrundsätze im Einspruchsverfahren erneut zu entscheiden hat.
Fundstellen
Haufe-Index 409192 |
BStBl III 1958, 444 |
BFHE 1959, 447 |
BFHE 67, 447 |
BB 1959, 402 |
DB 1958, 1288 |