Leitsatz (amtlich)
Wird bei Auflösung einer zweigliedrigen Personengesellschaft jedem Gesellschafter der eine von zwei Betrieben der Gesellschaft überlassen, so kann eine Teilung des Unternehmens in zwei selbständige Unternehmen oder eine Fortführung des Unternehmens durch einen der beiden Gesellschafter vorliegen. Die Entscheidung hängt davon ab, ob sich durch die Überlassung des Betriebes "Wesen, Struktur und Inhalt" des bisher von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens geändert haben.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1; UStDB § 85
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob die Aufteilung des Vermögens nach Kündigung der Gesellschaft unter den Verhältnissen des Streitfalles Umsatzsteuer auslöst.
Das FA nahm den Revisionsbeklagten A als Haftungsschuldner für die Umsatzsteuerschuld 1961 der aus den Gesellschaftern A und B bestehenden OHG in Anspruch. Die OHG betrieb in X und ab 1954 auch in Y in gemieteten Räumen einen Rauchwarengroßhandel. Ende 1961 kündigten beide Gesellschafter wechselseitig den Gesellschaftsvertrag. Über die Kündigungen gab es Meinungsverschiedenheiten. Die Gesellschafter wurden sich jedoch darüber einig, das Gesellschaftsverhältnis zum 31. Dezember 1961 zu lösen. Am 25. Mai 1962 vereinbarten sie die Einzelheiten der Auseinandersetzung. Als Grundlage diente ein bereits am 28. Dezember 1961 im Entwurf fertiggestellter Vertrag, den die Gesellschafter später lediglich in einem im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidenden Punkt änderten. Die Gesellschafter wickelten die Auseinandersetzung im einzelnen wie folgt ab:
Die Außenstände wurden über ein Abwicklungskonto eingezogen und dazu verwandt, die Verbindlichkeiten der früheren OHG zu begleichen. Der Warenbestand wurde Anfang bis Mitte 1962 unter den bisherigen Gesellschaftern aufgeteilt. Das Inventar des Geschäfts in X und die dort befindlichen Kraftwagen übernahm B. Die übrigen Vermögensgegenstände verblieben dem A, der den Sitz seiner nunmehr als Einzelunternehmen unter der Firma der früheren OHG betriebenen Rauchwarengroßhandlung nach Y verlegte. Das Ausscheiden des Gesellschafters B und die Sitzverlegung wurden im Februar bzw. März 1962 in das Handelsregister eingetragen. Der Gesellschafter B betreibt seit dem 1. Januar 1962 unter eigener Firma den Rauchwarengroßhandel in den bisherigen Räumen der OHG in X. mit den ihm überlassenen Einrichtungsgegenständen.
Das FA versteuerte die Leistungen der OHG bei der Vermögensaufteilung mit 4 v. H. und zog A voll zur Haftung für die gesamte Umsatzsteuerschuld der OHG des Jahres 1961 heran. Streit besteht über die Umsatzsteuer, die das FA auf Grund der Vermögensaufteilung fordert. Das FA nimmt an, daß das von der OHG betriebene Unternehmen aufgelöst und dessen Vermögen an die Gesellschafter in Natur verteilt worden sei. A meint demgegenüber, er habe das Unternehmen nach Kündigung der OHG als Alleininhaber fortgeführt und den ausgeschiedenen Gesellschafter B abgefunden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FG dagegen schloß sich unter Berufung auf das Urteil des BFH V 170/58 U vom 17. November 1960 (BFH 72, 231, BStBl III 1961, 86) der Ansicht des A an. Es führte zur Begründung aus, dem A hätten zwar nach Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters B nicht mehr sämtliche Betriebsvermögensgegenstände zur Verfügung gestanden. A habe jedoch mit den ihm verbliebenen Gegenständen, insbesondere der Hälfte des Warenlagers, in seiner Filiale den Betrieb fortsetzen können. Die Einrichtung in X habe nur geringen Wert gehabt. Die Verlegung eines Unternehmens mit seinen wesentlichen Betriebsteilen berühre nicht "Struktur, Wesen und Inhalt" des Unternehmens.
Mit seiner Rb. rügt der Vorsteher des FA unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Er trägt folgendes vor: die Art der Auseinandersetzung lasse nicht den Schluß zu, daß der bisherige Gesellschafter A das Unternehmen allein fortführe. Die Gesellschafter hätten das Anlagevermögen geteilt und mit den ihnen zugewiesenen Vermögensteilen neue Unternehmen gegründet. Die Wahl der früheren Firma durch A beweise nicht den Übergang des Unternehmens auf ihn. Es handele sich in Wahrheit um eine Spaltung des Betriebes, wobei die in Y gelegene Betriebstätte die Realteilung begünstigt habe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist als unbegründet zurückzuweisen. Das FG ist bei seiner Entscheidung zutreffend von dem BFH-Urteil V 170/58 U a. a. O.) ausgegangen. Es hat für den Senat bindend festgestellt (§ 118 FGO), daß der Gesellschafter A mit den ihm verbliebenen Betriebsvermögensgegenständen - der Hälfte des Warenlagers, der Einrichtung der Betriebstätte in Y, Kasse, Bank- und Postscheckguthaben, Forderungen - in der Lage gewesen sei, das Unternehmen weiterzuführen. Es hat auch festgestellt, daß die Art des Unternehmens die gleiche geblieben sei wie bisher, nämlich der Vertrieb von Rauchwaren im Großhandel. Außerdem hatten die Gesellschafter A und B bereits im Gesellschaftsvertrag vom 29. Oktober 1951 ausdrücklich festgelegt, daß im Falle einer Kündigung grundsätzlich der Gesellschafter A berechtigt sein solle, das Unternehmen unter Beibehaltung der Firma allein fortzusetzen.
Demgegenüber können die Ausführungen des FA in der Revisionsbegründung die ebenfalls auf dem BFH-Urteil V 170/58 U (a. a. O.) aufbauen, nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Es mag sein, daß die Geschäfte in Y und X jedes für sich Geschäftsräume, Inventar, Kraftwagen, Waren, Telefonanschlüsse und Kundschaft besessen haben. Wenn das FA in der Revisionsbegründung meint, beide Geschäfte seien gesondert geführte Betriebe, setzt es sich mit seinem Vortrag im Berufungsverfahren in Widerspruch. Wie aus dem angefochtenen Urteil zu entnehmen ist, hat das FA im Berufungsverfahren vorgetragen, bei den Betriebstätten in X und Y habe es sich nicht um gesondert geführte Betriebe (im Sinne des § 85 UStDB) gehandelt. Für beide Betriebe habe eine einheitliche Buchführung und eine einheitliche Organisation bestanden, keine der Betriebstätten sei für sich selbständig gewesen.
Der Sachverhalt liegt in einem entscheidenden Punkte im BFH-Urteil V 170/58 U (a. a. O.) anders als im Streitfalle. Im Vergleichsfalle war eine OHG, die eine Strickwaren fabrik und ein Textilwaren einzelhandelsgeschäft betrieb, zwischen den beiden Gesellschaftern dergestalt aufgeteilt worden, daß der eine Gesellschafter die Fabrik, der andere das Einzelhandelsgeschäft erhalten hatte. Während vor der Teilung ein Fabrik-Einzelhandelsunternehmen bestand, waren nachher ein Fabrikunternehmen und ein Einzelhandelsunternehmen vorhanden. Der Fabrikbetrieb, der den Hauptbestandteil der früheren OHG bildete und allein als "fortgeführtes" Unternehmen in Betracht kam, hatte sich durch Abtrennung des immerhin nicht unbedeutenden Handelsbetriebes in "Struktur, Wesen und Inhalt" geändert. Dies war der Grund, weshalb der Senat kein Fortbestehen des bisherigen Unternehmens unter Ausscheiden des einen der beiden Gesellschafter, sondern eine Auflösung des alten Unternehmens und Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter angenommen hatte.
Im Streitfalle dagegen war eine OHG, die in zwei Betriebstätten einen Rauchwarengroßhandel unterhielt, aufgelöst worden und jeder der beiden Gesellschafter hatte eine der beiden Betriebstätten übernommen. Nach der Teilung wurde in beiden Einzelfirmen weiterhin Rauchwarengroßhandel betrieben. Die Art des Geschäfts (Rauchwarengroßhandel) war unverändert geblieben. Es ist zwar richtig, daß ein Strukturwandel auch dann vorliegen kann, wenn sich der Umfang des unter der alten Firma fortgeführten Unternehmens geändert hat. Es muß sich dann aber um eine ganz erhebliche Änderung des Umfangs des Unternehmens handeln, durch die z. B. ein Großbetrieb zu einem Kleinbetrieb wird. So liegen die Verhältnisse im Streitfall aber nicht. Das FG hat für den Senat bindend festgestellt, daß A dem ausscheidenden Gesellschafter B die Hälfte des Warenlagers, die geringwertige Einrichtung der Betriebstätte in X sowie den dort befindlichen Kraftwagen überlassen hat. Damit verblieb mindestens die Hälfte, wahrscheinlich aber der größere Teil des Betriebsvermögens der Gesellschaft dem Gesellschafter A. Unter diesen Umständen konnte das FG zu der Feststellung kommen, daß die Auflösung der Gesellschaft "Struktur, Wesen und Inhalt" des von A unter der bisherigen Firma fortgeführten Unternehmens nicht berührt hat. Mit Recht hat das FG auch die Sitzverlegung nach Auflösung der Gesellschaft nicht für so bedeutsam gehalten, daß sie die Auffassung des FA rechtfertigen könnte. Die Verlegung der Firma war eine Folge der Tatsache, daß A nach Auflösung der Gesellschaft die frühere Betriebstätte in Y als Alleininhaber übernahm.
Das FA kann seine Revision auch nicht darauf stützen, daß die Gesellschafter A und B im Vertrage vom 25. Mai 1962 vereinbarten, die Gesellschaft werde zum 31. Dezember 1961 aufgelöst. Hieraus läßt sich nicht entnehmen, daß die Gesellschafter dem Unternehmen hätten ein Ende setzen wollen. Der Vertrag besagt nur, daß die O H G beendet werden sollte, die vom "Unternehmen" im Sinne des Umsatzsteuerrechts unterschieden werden muß. Schließlich lassen die Art der Auseinandersetzung und die Realteilung keine Schlüsse darauf zu, ob das Unternehmen durch die Auflösung der OHG aufgespalten oder fortgeführt wurde. Wie bereits dargelegt, kann auch die Fortführung des Unternehmens angenommen werden, wenn dem ausscheidenden Gesellschafter eine von zwei gleichartigen Betriebstätten überlassen wird. Das Bestehen von zwei Betriebstätten begünstigt dann die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters.
Fundstellen
Haufe-Index 424549 |
BStBl II 1968, 247 |
BFHE 1968, 544 |