Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an dem im zweiten Rechtssatze des Urteils V z 164/55 S vom 26. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 313, Slg. Bd. 63 S. 303 ff.) ausgesprochenen Grundsatz nicht mehr fest.
Werden während des Laufes eines Rechtsmittels gegen eine verbindliche Zollauskunft die für die Bemessung der Zollschuld maßgebenden Zollsätze, Maßstäbe oder sonstigen Vorschriften geändert, so ist der Rechtsstreit, weil die Zollauskunft außer Kraft getreten ist, in der Hauptsache erledigt. Es ist lediglich noch über die Kosten zu entscheiden; dabei ist von der Gesetzeslage auszugehen, die vor der Rechtsänderung in Geltung war.
Normenkette
ZG § 63; AZO §§ 80-88
Tatbestand
Die angegriffene verbindliche Zollauskunft ist am 28. Dezember 1953 erteilt worden. Sie ist durch Einspruchsbescheid vom 24. Juni 1954 von der Oberfinanzdirektion bestätigt worden. Beide Entscheidungen wiesen die zu beurteilenden Waren der Tarifnr. 3211 zu.
Während des Laufes der Rechtsbeschwerde (Rb.) ist die Tarifnr. 3211 in der Warenbezeichnungsspalte durch das Neunte Gesetz zur änderung des Zolltarifs (Zolltarif-Novelle) vom 24. Januar 1956 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 29, Bundeszollblatt - BZBl - S. 84) mit Wirkung vom 11. Februar 1956 geändert worden. Während bis zur änderung Schmelzglasuren nur schlechthin in der Tarifnr. genannt waren, wurden neuerdings Schmelzglasuren, einschließlich der Emails usw. einbezogen. Darüber hinaus ist durch § 3 der Achtundfünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Konjunkturpolitische Zollsenkung - 3. Teil) vom 29. Juni 1956 (BGBl I S. 611, BZBl S. 484) mit Wirkung vom 1. Juli 1956 unter anderem der Zollsatz der Tarifnr. 3211 von 15 % des Wertes auf z 12 % des Wertes geändert worden. In der Folgezeit sind weitere gesetzliche änderungen hinsichtlich der Tarifnr. 3211 eingetreten.
Entscheidungsgründe
Der damals für Zölle und Verbrauchsteuern zuständige V. Senat hat in seinem Urteil V z 164/55 S vom 26. Juli 1956 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 313, Slg. Bd. 63 S. 303 f., 305, 306, BZBl S. 730 ff.) unter anderem den Grundsatz ausgesprochen, daß der Entscheidung über die Rb. gegen einen Einspruchsbescheid über eine verbindliche Zollauskunft das zur Zeit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs geltende Recht zugrunde zu legen ist. Ein Festhalten an dieser Entscheidung würde bedeuten, daß alle änderungen der in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen, die bis zur Entscheidung durch den Bundesfinanzhof eintreten, von ihm zu berücksichtigen sein würden. Dies hätte zur Folge, daß der Bundesfinanzhof als richterliche Instanz selbst eine verbindliche Zollauskunft nunmehr nach der neuen Gesetzeslage erteilen würde, die nicht mehr angefochten werden könnte. Dem Betroffenen würden auf diese Weise zwei Instanzen für die Nachprüfung entzogen sein. Nach eingehender erneuter Prüfung kann der nunmehr für Zölle und Verbrauchsteuern zuständige erkennende Senat an der in dem bezeichneten Urteil vom 26. Juli 1956 ausgesprochenen Ansicht nicht mehr festhalten.
Die Entscheidung vom 26. Juli 1956 geht zutreffend davon aus, daß die verbindliche Zollauskunft nicht ein Steuerbescheid im Sinne der §§ 210, 212 der Reichsabgabenordnung (AO) ist. Die Zollauskunft hat nicht die Festsetzung des Zolls für einen eingetretenen Steuerfall zum Gegenstand. Sie ist vielmehr ein Bescheid besonderer Art (ß 236 AO), dessen Zweck es ist, demjenigen, der die Auskunft beantragt, in einer die Zollbehörde gegenüber dem Antragsteller in gewissem Umfange bindenden Weise Aufschluß über die Zollbehandlung zu geben, der eine vom Antragsteller erst künftig einzuführende Ware unterliegt (ß 63 des Zollgesetzes - ZG -, §§ 80 ff. der Allgemeinen Zollordnung - AZO -).
Das Urteil vom 26. Juli 1956 hat es als folgerichtig angesehen, der Bundesfinanzhof müsse nunmehr das im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Recht seiner Entscheidung zugrunde legen, weil die verbindliche Zollauskunft nur für die Zukunft wirke. Bei der Auseinandersetzung mit der Entscheidung im Urteil des Reichsfinanzhofs IV A 18/35 vom 2. Mai 1935 (Slg. Bd. 37 S. 329), das ausgesprochen hatte, im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen einen Einspruchsbescheid über eine Zollauskunft sei der Entscheidung das zur Zeit des Einspruchsbescheides geltende Recht zugrunde zu legen, wird diese Auffassung als überholt bezeichnet, weil der Bundesfinanzhof nach Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) im Rechtsmittelverfahren gegen eine verbindliche Zollauskunft die einzige steuergerichtliche Instanz sei, die im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht nur zur rechtlichen, sondern auch zur tatsächlichen Nachprüfung des Streitstoffes berufen sei. Die Bindung des Bundesfinanzhofs an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und seine Beschränkung auf die Nachprüfung der rechtlichen Beurteilung des Streitstoffes (ß 288 AO) sei im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen einen Einspruchsbescheid über eine verbindliche Zollauskunft nicht mehr gegeben. Der Reichsfinanzhof hatte in seinem Urteil vom 2. Mai 1935 (IV A 18/35) seinen Standpunkt, das Rechtsbeschwerdeverfahren habe sich auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob der Einspruchsbescheid über eine Zollauskunft dem im Zeitpunkt dieser Entscheidung geltenden Recht entspreche, darauf gestützt, daß eine Berücksichtigung einer während des Rechtsbeschwerdeverfahrens eingetretenen Rechtsänderung schon deshalb nicht in Frage kommen könne, weil für die zur Prüfung dieser Frage sehr oft notwendigen weiteren Ermittlungen tatsächlicher Art im Rechtsbeschwerdeverfahren kein Raum wäre.
Wenn auch zuzugeben ist, daß dieser Grund, der den Reichsfinanzhof in seinem Urteil IV A 18/35 vom 2. Mai 1935 zu seiner Auffassung geführt hat, nach Inkrafttreten des GG nicht mehr durchschlagend ist, weil nunmehr im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen einen Einspruchsbescheid über eine verbindliche Zollauskunft der Bundesfinanzhof als einziges Steuergericht auch Tatsacheninstanz ist, so kann der erkennende Senat dennoch nicht mehr an der Auffassung festhalten, daß nunmehr auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen den Einspruchsbescheid über eine verbindliche Zollauskunft das zur Zeit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs geltende Recht zugrunde zu legen sei, wenn sich seit der Erteilung der Zollauskunft das Recht geändert hat.
Nach § 85 AZO kann die Oberfinanzdirektion (früher der Oberfinanzpräsident) die von ihr erteilte Zollauskunft ändern oder aufheben. § 87 AZO sieht darüber hinaus vor, daß die Zollauskunft, ohne daß sie aufgehoben wird, außer Kraft tritt, nämlich dann, wenn die für die Bemessung der Zollschuld maßgebenden Zollsätze, Maßstäbe und sonstigen Vorschriften geändert werden, und zwar mit dem Zeitpunkt dieser änderung. Im Falle einer solchen änderung tritt die Zollauskunft, ohne daß ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet wird, ipso jure außer Kraft. Ist die im Streit befindliche Zollauskunft außer Kraft getreten, so ist sie nicht mehr existent, es kann über sie nicht mehr gestritten werden.
Es kann nicht eingewendet werden, daß eine Zollauskunft, die mit einem Rechtsmittel angegriffen worden ist, nicht außer Kraft treten könne, weil sie noch nicht rechtskräftig und damit nicht endgültig verbindlich sei. Nach § 63 ZG, § 83 Abs. 1 AZO erteilt die Oberfinanzdirektion die Zollauskunft, nach § 84 a. a. O. gibt sie die Zollauskunft dem Antragsteller bekannt und teilt sie zugleich den Zollstellen ihres Bezirkes mit, nach § 86 Abs. 1 a. a. O. darf der Antragsteller verlangen, daß auf Waren von der in der Zollauskunft behandelten Beschaffenheit bei allen zur Abfertigung befugten Stellen die in der Zollauskunft angegebenen Zollsätze angewendet werden; schließlich gilt nach § 88 Abs. 1 a. a. O. die Mitteilung der Zollauskunft als Anweisung der Oberfinanzdirektion an die Zollstellen ihres Bezirkes, nach dieser Auskunft zu verfahren. Die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides wird durch die Einlegung eines Rechtsmittels nicht gehemmt (ß 251 AO). Haben sich die auf die Bemessung der Zollschuld maßgebenden Zollsätze, Maßstäbe oder sonstigen Vorschriften, die bei der Erteilung der verbindlichen Zollauskunft zugrunde gelegt worden sind, geändert, so ist ohne Rücksicht darauf, ob ein Rechtsmittel eingelegt worden ist oder nicht, die Zollauskunft ipso jure mit dem Zeitpunkt der änderung außer Kraft getreten.
Im Streitfalle liegt dies vor. Im Zeitpunkt des Erlasses des Einspruchsbescheides am 24. Juni 1954 galten noch unverändert dieselben Bestimmungen wie im Zeitpunkt der Erteilung der verbindlichen Zollauskunft am 28. Dezember 1953. Die Oberfinanzdirektion als Einspruchsinstanz hatte deshalb bei der Nachprüfung der Zollauskunft dieselben gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, die bei der Erteilung der Zollauskunft galten. Erst nach Einlegung der Rb. sind die gesetzlichen Vorschriften, die der Zollauskunft zugrunde lagen, geändert worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits die mit Wirkung vom 11. Februar 1956 durch das Neunte Gesetz zur änderung des Zolltarifs (Zolltarif-Novelle) vom 24. Januar 1956 eingetretene änderung in der Warenbezeichnungsspalte zu Tarifnr. 3211 eine änderung der für die Bemessung der Zollschuld maßgebenden Vorschriften im Sinne des § 87 AZO war, die die erteilte Zollauskunft außer Kraft setzte. Auf jeden Fall ist durch § 3 der Achtundfünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Konjunkturpolitische Zollsenkung - 3. Teil) vom 29. Juni 1956 mit Wirkung vom 1. Juli 1956 der Zollsatz der Tarifnr. 3211 von 15 % auf z 12 % des Wertes geändert worden. Mit dieser änderung des Zollsatzes ist die Zollauskunft nach § 87 AZO spätestens außer Kraft getreten.
Damit ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Es bleibt nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Kostenlast trifft denjenigen, den sie getroffen haben würde, wenn sich der Rechtsstreit nicht erledigt hätte, das heißt, wenn eine Rechtsänderung nicht eingetreten wäre. Für die Entscheidung der Kostenfrage ist demnach von dem Recht vor der Rechtsänderung auszugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 409238 |
BStBl III 1959, 53 |
BFHE 1959, 141 |
BFHE 68, 141 |