Leitsatz (amtlich)

Die in der Einfuhrbewilligung der BMV gegebene Warenbezeichnung ist für die zolltarifliche Einordnung der Ware nicht verbindlich.

Die Bezeichnung begründet auch keinen Vertrauensschutz gegen spätere Tarifierungsänderungen, wenn der Einführer es unterlassen hat, vor der Einfuhr eine vZTA einzuholen.

 

Normenkette

ZG § 23

 

Tatbestand

Auf Grund einer Einfuhrausschreibung der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BMV) beantragte und erhielt die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) eine Einfuhrbewilligung für aromatisierten Trinkbranntwein aus Belgien mit einem Weingeistgehalt von ca. 55 Vol. %. Zur Bezeichnung der Ware nahm die Einfuhrbewilligung Bezug auf ein angeheftetes, mit Sichtvermerk der BMV versehenes Festangebot, in dem die Ware als „einfacher Trinkbranntwein, hergestellt aus Melasse-Sprit, mit Wasser auf Trinkstärke herabgesetzt” bezeichnet ist. Das auf Grund der Bewilligung eingeführte Erzeugnis ließ die Klägerin am 2. September 1968 zum freien Verkehr abfertigen. Die Zollstelle behandelte das als „Trinkbranntwein aus Melasse-Sprit aromatisiert” angemeldete Erzeugnis als „alkoholisches Getränk” und wies es der Tarifst. 22.09 C V b des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu, für die ein Binnenzollsatz im innergemeinschaftlichen Warenverkehr nicht vorgesehen war, und beließ die Einfuhr zollfrei. Die Untersuchung einer von der Zollstelle entnommenen Probe führte jedoch zu dem Ergebnis, daß es sich um ein vollkommen neutrales, chemisch reines Erzeugnis handelte, das keine Aromastoffe aufwies. Daraufhin wies die Zollstelle die Ware als „Sprit” mit einem Gehalt von Äthylalkohol von weniger als 80 v. H. der Zolltarifst. 22.09 A II zu, für die ein Binnenzollsatz von 110,35 DM je 100 Liter vorgesehen war. Die sich daraus ergebende Abgabenforderung erhob die Zollstelle nach.

Der Einspruch gegen den Nacherhebungsbescheid blieb erfolglos. Mit der dagegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die BMV, eine wie die Zollverwaltung dem Bundesminister der Finanzen (BdF) unterstellte Behörde, habe die Einfuhrbewilligung in Kenntnis der Art des Branntweins erteilt. Damit habe sie die Nacherhebung verursacht. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sei die Zollverwaltung deshalb an die der Einfuhrgenehmigung zugrunde liegende Tarifauffassung gebunden.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, die eingeführte Ware sei in dem Nachforderungsbescheid zu Unrecht als Sprit der Tarifst. 22.09 A II zugewiesen. Für die tarifliche Abgrenzung zwischen Sprit und Branntwein sei nicht der Gehalt an Aromastoffen, sondern der Weingeistgehalt maßgeblich. Unstreitig habe es sich bei dem eingeführten Erzeugnis um eine auf Trinkstärke herabgesetzte Ware mit einem Weingeistgehalt von etwa 55 Vol. % gehandelt. Diese Ware sei in dem ursprünglichen Zollbescheid zu Recht der Tarifst. 22.09 C V b zugewiesen und zollfrei belassen worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten und Revisionsklägers (Hauptzollamt – HZA –), mit der eine Verletzung der Bestimmungen des Gemeinsamen Zolltarifs gerügt wird.

Der Senat hat mit Vorlagebeschluß vom 16. Oktober 1973 VII R 25/71 (BFHE 110, 440) über die Frage der Abgrenzung der Tarifst. 22.09 A II und 22.09 C V b eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) eingeholt, der mit Urteil vom 29. Mai 1974 Rs. 135/73 (EGHE 1974, 607) die Streitfrage dahin entschieden hat, daß die Erzeugnisse der Tarifst. 22.09 C V b GZT sich von den Erzeugnissen der Tarifst. 22.09 A II dadurch unterscheiden, daß die Erzeugnisse der Tarifst. 22.09 C V b GZT sich von den Erzeugnissen der Tarifst. 22.09 A II dadurch unterscheiden daß sie aromaverleihende Bestandteile oder spezifische Geschmackseigenschaften aufweisen.

Das HZA beantragt unter Hinweis auf diese Entscheidung, das Urteil des FG vom 20. November 1970 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie räumt ein, daß mit Rücksicht auf die Entscheidung des EGH sich ein weiterer Streit über die Tarifierung der eingeführten Ware erübrige. Sie ist aber der Auflassung, daß sich die ursprüngliche Falschbeurteilung der Tarifierungsfrage durch sämtliche mit der damaligen Einfuhr befaßten inländischen Stellen, insbesondere durch die BMV und durch das HZA selbst, nicht einseitig zu Lasten der Klägerin auswirken dürfe, daß vielmehr der Grundsatz von Treu und Glauben der Nacherhebung der Abgaben entgegenstehe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Auf Grund der von dem Senat eingeholten Vorabentscheidung des EGH steht fest, daß für die Abgrenzung der Begriffe Sprit und Branntwein in den Tarifst. 22.09 A II und 22.09 C V b GZT der Gehalt an Aromastoffen maßgeblich ist. Diese Frage ist nunmehr auch zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Da das von der Klägerin eingeführte Erzeugnis keine Aromastoffe enthielt, ist es in dem angefochtenen Nachforderungsbescheid zu Recht als Sprit mit einem Gehalt an Äthylalkohol von weniger als 80 v. H. der Zolltarifst. 22.09 A II zugewiesen worden, für die ein Binnenzollsatz von 110,35 DM je 100 Liter vorgesehen war. Der Nacherhebungsbescheid entspricht somit der gegebenen Rechtslage.

Zu Unrecht ist die Klägerin demgegenüber der Auffassung, daß der Nachforderungsbescheid dennoch nicht habe ergehen dürfen, da die Abgabennachforderung dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprochen habe. Der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Abgabenrecht gilt, bindet die Verwaltung an ihr eigenes Verhalten. Die Verwaltung darf sich zu einem von ihr selbst nachhaltig geübten Verhalten, auf das der Zollbeteiligte vertraut hat und vertrauen durfte, nicht in Widerspruch setzen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 19. Februar 1974 VII K 17/70, BFHE 112, 98). Für einen solchen Widerspruch zu einem eigenen Verhalten der Verwaltung ist im Streitfalle nichts ersichtlich. Auf die ihr erteilte Einfuhrbewilligung der BMV konnte die Klägerin ein Vertrauen hinsichtlich der tariflichen Einordnung der Einfuhrware nicht stützen, da die Einfuhrbewilligung über die Tarifierung der Ware nichts aussagt. Die Einfuhrbewilligung berechtigte die Klägerin nur zur Einfuhr der in dem angehefteten Festangebot bezeichneten Waren. Eine Zuordnung zu einer bestimmten zolltariflichen Position ist in der Einfuhrbewilligung nicht vorgenommen worden. Eine solche Zuordnung konnte in der Einfuhrbewilligung auch nicht verbindlich erfolgen, da die BMV zur zollrechtlichen Tarifierung der Einfuhrware nicht befugt ist. Soweit die Klägerin der in der Einfuhrbewilligung gewählten Bezeichnung „aromatisierter Trinkbranntwein” eine zollrechtliche Bedeutung beigemessen hat, hat sie somit die Tragweite der Einfuhrbewilligung verkannt. Ein Vertrauensschutz kann darauf nicht gestützt werden, da auch dann, wenn die Zollbehörden das eingeführte Erzeugnis zollrechtlich nicht als aromatisierten Trinkbranntwein eingestuft haben, ein widersprüchliches Verhalten der Behörden nicht gegeben ist.

Darüber hinaus mußte die Klägerin auch hinsichtlich der zolltariflichen Verbindlichkeit der in der Einfuhrbewilligung gegebenen Bezeichnung schon deshalb Bedenken haben, weil ihr bekannt war, daß die von ihr eingeführte Ware tatsächlich nicht aromatisiert war, also nicht der gegebenen Bezeichnung entsprach. Wollte die Klägerin bei dieser Sachlage kein Tarifierungsrisiko eingehen, so wäre es für sie geboten gewesen, eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) einzuholen, die ihr vor der Durchführung der Einfuhr Sicherheit über die tarifliche Einordnung der eingeführten Ware gegeben hätte. Daß die Klägerin es unterlassen hat, eine solche verbindliche Auskunft von der für die Tarifierung zuständigen Stelle einzuholen, ist allein von ihr selbst zu vertreten. Sie kann sich, wenn sie diesen vom ZG selbst dem Importeur an die Hand gegebenen Weg zur Erlangung einer bindenden Auskunft über die Tarifgrundlage nicht gegangen ist, nicht darauf berufen, die Verwaltung sei durch andere von ihr getroffene Entscheidungen, die nach dem Gesetz keine verbindliche Wirkung haben, oder gar durch Entscheidungen anderer nicht mit der Tarifierung befaßter Verwaltungsstellen in der tariflichen Einordnung der Ware gebunden. Die Berufung auf Treu und Glauben steht einem Importeur, der es unterlassen hat, eine vZTA über eine eingeführte Ware einzuholen, grundsätzlich nicht zu (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1972 VII R 81/69, BFHE 105, 224).

 

Fundstellen

Haufe-Index 514736

BFHE 1975, 387

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