Leitsatz (amtlich)
Auf eine Klage gegen einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid sind nur die Vorschriften über die Verpflichtungsklage anzuwenden. Die Klage ist deshalb als Sprungklage unzulässig und statt dessen als Einspruch zu behandeln.
Normenkette
FGO §§ 44-45; AO § 229 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger zu 1 (Kläger zu 1) ist Komplementär einer Kommanditgesellschaft (KG).
Mit notariell beurkundetem und vormundschaftsgerichtlich genehmigtem Vertrag vom 1. Oktober 1970 räumte der Kläger zu 1 seinem damals siebzehnjährigen Sohn, dem Kläger zu 2, und seiner damals neunjährigen Tochter, der Klägerin zu 3, mit Wirkung vom 1. Januar 1970 schenkweise je eine Unterbeteiligung von nominell 60 000 DM an seinem Komplementäranteil von nominell 300 000 DM ein. Die Kläger zu 2 und 3 waren bei Vertragsabschluß je durch einen gerichtlich bestellten Ergänzungspfleger vertreten.
In ihrer Gewinnfeststellungserklärung für 1970 rechnete die KG von dem erklärten Gesamtgewinn den Klägern zu 2 und 3 entsprechend dem Unterbeteiligungsvertrag zwischen den Klägern je einen Gewinnanteil von 83 016 DM zu.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) vertrat demgegenüber im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Auffassung, die Unterbeteiligungen könnten steuerrechtlich nicht anerkannt werden, weil die Rechte der Unterbeteiligten in einer Weise beschnitten seien, wie sie ein Fremder nicht hingenommen hätte (keine Entnahmen, Kündigungsbeschränkungen, unzulängliche Vererbbarkeit). Überdies enthalte der Vertrag eine unzulässige Rückwirkungsvereinbarung und eine unangemessene Gewinnverteilungsabrede. Demgemäß rechnete das FA im Gewinnfeststellungsbescheid 1970 für die KG dem Kläger zu 1 in vollem Umfang seinen vertraglichen Gewinnanteil zu und erließ später (am 1. April 1975) einen gesonderten Bescheid, mit dem es feststellte, daß die Kläger zu 2 und 3 im Kalenderjahr 1970 nicht am Gesellschaftsanteil des Klägers zu 1 an der KG beteiligt gewesen seien.
Die Sprungklage gegen diesen Bescheid (negativer Gewinnfeststellungsbescheid) hatte keinen Erfolg.
Das FG entschied, daß die Kläger zu 2 und 3, obwohl sie handelsrechtlich atypische stille Unterbeteiligte seien, steuerrechtlich im Verhältnis zum Kläger zu 1 nicht Mitunternehmer seien, weil es an einer ernsthaften, auch unter Fremden denkbaren Ausgestaltung und Durchführung der Unterbeteiligungen fehle.
Mit der Revision beantragen die Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und für 1970 eine einheitliche Gewinnfeststellung dahin gehend vorzunehmen, daß den Klägern zu 2 und 3 nach Maßgabe des Unterbeteiligungsvertrags ein Anteil am Gewinnanteil des Klägers zu 1 aus dessen Beteiligung an der KG zugerechnet wird. Die Kläger rügen die Verletzung des § 15 EStG, des § 215 AO und der §§ 705 bis 740 BGB.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil die Klage entgegen § 44 Abs. 1 FGO i. V. m. § 229 Nr. 3 AO ohne Durchführung eines Vorverfahrens erhoben ist, obwohl die Voraussetzungen des § 45 FGO für eine Klage ohne Vorverfahren nicht erfüllt sind.
1. Nach § 45 FGO kann eine Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt der in § 229 AO bezeichneten Art ohne Vorverfahren durchgeführt werden, wenn das FA innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zustimmt. Der Wortlaut des Gesetzes nennt nur die Anfechtungsklage, nicht auch die Verpflichtungsklage. Der III. Senat des BFH hat ausgeführt, es sei nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber das sich aus einer solchen Regelung ergebende Rechtsproblem (unterschiedliches verfahrensrechtliches Schicksal der Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen, wenn es an einem Vorverfahren mangelt) übersehen oder nicht richtig erkannt hätte und daß nicht festgestellt werden könne, die vom Gesetzgeber angeordnete Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Anfechtungsklagen sei gänzlich widersinnig und unverständlich; er hat daraus gefolgert, daß eine Auslegung gegen den Wortlaut oder eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 45 FGO auf Verpflichtungsklagen nicht möglich sei (vgl. Urteil vom 19. Mai 1972 III R 138/68, BFHE 106, 8, BStBl II 1972, 703). Dieser Auffassung hat sich der II. Senat des BFH angeschlossen (vgl. Urteil vom 28. Juli 1976 II R 94/73, BFHE 120, 112, BStBl II 1977, 40).
Auch der erkennende Senat folgt dieser Rechtsauffassung.
Eine Klage, deren Ziel die Vornahme einer bisher nicht durchgeführten oder vom FA abgelehnten einheitlichen Gewinnfeststellung ist, muß verfahrensrechtlich als Verpflichtungsklage i. S. des § 40 Abs. 1 FGO beurteilt werden, denn es wird eine Verurteilung "zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes" begehrt. Soweit daneben eine Aufhebung des Verwaltungsaktes beantragt wird, mit dem das FA die Durchführung einer einheitlichen Gewinnfeststellung ablehnte, liegt zwar auch eine Anfechtungsklage vor; diese wird aber im Hinblick auf das eigentliche Ziel des Rechtsschutzbegehrens durch die Verpflichtungsklage absorbiert, so daß nur die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Verpflichtungsklage anzuwenden sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1970 IV 7/65, BFHE 99, 172, BStBl II 1970, 625).
2. Lehnt das FA es ab, eine beantragte einheitliche Gewinnfeststellung - im Streitfall eine gesonderte einheitliche Gewinnfeststellung für das geltend gemachte Unterbeteiligungsverhältnis - vorzunehmen, so ist hiergegen gemäß § 229 Nr. 3 AO der außergerichtliche Rechtsbehelf des Einspruchs gegeben. Dieses Einspruchsverfahren wurde im Streitfall nicht durchgeführt; die Kläger haben gegen den Bescheid des FA vom 1. April 1975 nicht Einspruch eingelegt, sondern unmittelbar zum FG Klage erhoben. Der Einspruch gegen den Gewinnfeststellungsbescheid der KG und die hierauf ergangene Einspruchsentscheidung sind insoweit rechtlich ohne Wirkung, weil sie vor Erlaß des negativen Gewinnfeststellungsbescheids vom 1. April 1975 liegen.
Mit der Klage haben die Kläger beantragt, eine einheitliche Gewinnfeststellung für 1970 dahingehend vorzunehmen, daß den Klägern zu 2 und 3 nach Maßgabe des Unterbeteiligungsvertrags ein Anteil am Gewinnanteil des Klägers zu 1 aus dessen Beteiligung an der KG zugerechnet wird. Sie begehren damit sinngemäß eine Verurteilung des FA zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsaktes. Ihre Klage war eine Verpflichtungsklage; diese war in der Form der Sprungklage unzulässig.
3. Danach war die Vorentscheidung aufzuheben und auszusprechen, daß die Klage als Einspruch zu behandeln ist (BFH-Beschluß vom 10. Juli 1970 VI B 2/69, BFHE 99, 350, BStBl II 1970, 686).
Fundstellen
Haufe-Index 72322 |
BStBl II 1977, 510 |
BFHE 1978, 5 |