Leitsatz (amtlich)

Das Recht des HZA, die Bewilligung der Zollgutverwendung für die Zukunft zu widerrufen, schließt nicht ohne weiteres die Befugnis ein, die bereits nach § 55 Abs. 3 Satz 4 ZG für die Verwendung abgefertigten Zollgutes gesetzte Frist durch eine kürzere „Aufbrauchfrist” zu ersetzen.

 

Normenkette

ZG § 55 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 4; AO § 96

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt – HZA –) bewilligte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer Fluggesellschaft, mit Erlaubnisschein vom 29. November 1967 widerruflich, gemäß § 27 ZG Ersatzteile und Zubehör für Luftfahrzeuge zum Umbau, Ausbessern oder ersten Ausrüsten eines Luftfahrzeuges zollbegünstigt zu verwenden. Es setzte die Gültigkeitsdauer des Erlaubnisscheins auf die Zeit bis zum 31. Dezember 1970 fest mit dem Vermerk, vorhandenes Zollgut dürfe bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer verwendet werden. Als die Verordnung zur Einschränkung der Begünstigung des § 27 ZG für den Luftfahrzeugbau vom 4. April 1968 (BGBl I 1968, 251) in Kraft getreten war, widerrief das HZA die Bewilligung vom 29. November 1967 durch Verfügung vom 29. April 1968. Es setzte der Klägerin zum Aufbrauchen der Restbestände an Zollverwendungsgut eine Frist bis zum 31. Dezember 1968, wies darauf hin, daß diese Frist bei nachgewiesenem Bedürfnis auf Antrag verlängert werden könne, zog den Erlaubnisschein ein und unterließ es, der Klägerin eine Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen.

Am 7. Februar 1969 stellte die Klägerin den Antrag, die Aufbrauchfrist zu verlängern. Der Antrag wurde abgelehnt. Die nach erfolgloser Beschwerde erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Mit der Revision rügt die Klägerin: Das FG habe verkannt, daß die vom HZA zur Rechtfertigung der Verweigerung einer Verlängerung der Aufbrauchfrist herangezogene Vorschrift M II Nr. 64 der Dienstanweisung zum Zollgesetz und zur Allgemeinen Zollordnung (ZollDA) hier nicht durchgreife. Nach dieser Vorschrift richtet sich die Verwendungsfrist stets nach der Gültigkeitsdauer des Erlaubnisscheins. Im vorliegenden Falle habe daher eine Verwendungsfrist bis zum 31. Dezember 1970 gegolten. Die mit der Widerrufsverfügung vom 29. April 1968 verbundene Festsetzung einer bereits am 31. Dezember 1968 ablaufenden Aufbrauchfrist verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn es sei der Klägerin unmöglich gewesen, die große Zahl der Ersatzteile (17 894) innerhalb von acht Monaten aufzubrauchen. Die Verkürzung der Aufbrauchfrist gegenüber der vorher bewilligten Verwendungsfrist sei somit rechtlich unbeachtlich. Nach M II Nr. 64 und Nr. 62, Nachsatz der ZollDA sei es trotz des Widerrufs der Bewilligung bei der ursprünglichen Verwendungsfrist geblieben. Verdeutlicht werde dieses Ergebnis auch durch M II Nr. 19 f. ZollDA, Die gegen die ablehnende Verfügung des HZA vom 13. Februar 1969 gerichtete Beschwerdeschrift vom 11. März 1969 beziehe sich auf die Widerrufsverfügung vom 29. April 1968 und enthalte das Ersuchen um eine möglichst lange Aufbrauchsfrist. Sie sei daher auch als Rechtsbehelf gegen diese Widerrufsverfügung anzusehen gewesen, Infolge des Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung habe die Widerrufsverfügung zur Zeit des Beschwerdeschriftsatzes noch angefochten werden können.

Die Klägerin hat beantragt, das FG-Urteil aufzuheben.

Das HZA hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet.

Da die nach § 27 ZG in Betracht kommende Zollermäßigung oder Zollbefreiung davon abhing, daß die Waren unter zollamtlicher Überwachung verwendet werden, mußten die Waren gemäß § 55 Abs. 1 ZG zur Zollgutverwendung abgefertigt werden. Dieser besondere Zollverkehr (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ZG) bedurfte gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 ZG der Bewilligung. Die Zollgutverwendung war eine bleibende, da die Vergünstigung in bezug auf den Zollbetrag nicht davon abhing, daß das Zollgut wieder ausgeführt wird (§ 126 der Allgemeinen Zollordnung – AZO –). Das HZA durfte sich bei der durch den Erlaubnisschein vom 29. November 1967 ausgesprochenen Bewilligung der Zollgutverwendung den Widerruf vorbehalten (vgl. § 127 Abs. 5 AZO; Bail-Schädel-Hutter, Zollgesetz, Kommentar, § 55 Anm. III 3 d). Es hat von der Möglichkeit, nach § 55 Abs. 3 Satz 4 ZG für die Verwendung abgefertigten Zollguts dem Bedürfnis entsprechende Fristen zu setzen, im Erlaubnisschein durch die Erklärung Gebrauch gemacht, vorhandenes Zollgut dürfe bis zum Ablauf verwendet werden. Damit wurde das HZA der Verwaltungsanweisung in Abschnitt M II Nr. 64 ZollDA gerecht, bei einem befristeten Erlaubnisschein die Verwendungsfrist übereinstimmend mit der Gültigkeitsdauer festzusetzen. Im Einklang damit sieht das HZA auch jetzt noch die Beschränkung der Gültigkeitsdauer auf den 31. Dezember 1970 als eine Fristsetzung im Sinne des § 55 Abs. 3 Satz 4 ZG an.

Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß das HZA nach der Einschränkung der Begünstigung des § 27 ZG von seinem ausdrücklich vorbehaltenen Recht zum Widerruf der Bewilligung des besonderen Zollverkehrs mit Wirkung für die Zukunft Gebrauch gemacht hat. Der Umstand, daß es sich bei der Bewilligung um eine begünstigende Verfügung im Sinne des § 96 AO handelte, stand dem nicht entgegen. Von dem Widerrufsvorbehalt kann bei einer solchen Verfügung aus sachlich vertretbaren Gründen Gebrauch gemacht werden (siehe das Urteil des Senats vom 6. April 1960 VII 15/60 U, BFHE 71, 35, BStBl III 1960, 259). Einen solchen sachlichen Grund stellt die Einschränkung der Begünstigung durch Rechtsverordnung für den Widerruf der Bewilligung der Zollgutverwendung insoweit dar, als dadurch die Bewilligung einer künftigen Abfertigung von Waren zum Zollgutverwendungsverkehr zurückgekommen wurde. Dieser Widerruf enthält überdies nur etwas Selbstverständliches, weil die Abfertigung zur Zollgutverwendung unbeschadet einer vorhandenen Bewilligung davon abhängt, ob im Zeitpunkt der Abfertigung die geltenden Rechtsvorschriften eine Zollgutverwendung noch vorsehen. Das heißt, daß im Streitfalle nach der Einschränkung der Begünstigung durch Rechtsverordnung eine Abfertigung ohnehin nicht mehr zulässig war.

Dagegen fehlt es an einem sachlichen Grund für einen gleichzeitigen Widerruf der bewilligten Verwendungsfrist und für die Festsetzung einer wesentlich kürzeren Aufbrauchsfrist. Denn der Klägerin war keine für die einzelnen Waren vom jeweiligen Zeitpunkt ihrer Abfertigung an laufende Verwendungsfrist gesetzt, vielmehr galt für alle Waren eine einheitliche Verwendungsfrist; diese bezog sich demgemäß auch auf die Verwendung von Waren, die schon unmittelbar nach Erteilung der Bewilligung abgefertigt worden waren. Diese Frist war also unabhängig vom Zeitpunkt der jeweiligen Abfertigung zur Zollgutverwendung. Daher war der Widerruf, der sich auf die künftige Versagung der Abfertigung zum Zollgutverwendungsverkehr bezog, kein Grund dafür, die Verwendungsfrist für bereits zur Zollgutverwendung abgefertigtes Zollgut abzukürzen.

Bei der Zollgutverwendung ist also zu unterscheiden zwischen der im § 55 Abs. 2 Satz 1 ZG erwähnten Bewilligung dieses besonderen Zollverkehrs und der auf § 55 Abs. 3 Satz 4 ZG beruhenden Festsetzung einer dem Bedürfnis entsprechenden Frist für die Verwendung des zu diesem besonderen Zollverkehr abgefertigten Zollgutes. Das Recht des HZA, die Bewilligung des besonderen Zollverkehrs der Zollgutverwendung für die Zukunft zu widerrufen, schließt, wie oben dargelegt, nicht ohne weiteres auch die Befugnis ein, die bereits nach § 55 Abs. 3 Satz 4 ZG für die Verwendung abgefertigten Zollguts gesetzte Frist durch eine kürzere „Aufbrauchsfrist” zu ersetzen.

Das HZA war somit nicht berechtigt, der Klägerin durch die Verfügung vom 29. April 1968 für die Verwendung des abgefertigten Zollgutes statt der früheren Frist zum 31. Dezember 1970 eine kürzere zu setzen. Da die Verfügung vom 29. April 1968 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, war sie noch anfechtbar, als die Klägerin durch ihr Schreiben vom 11. März 1969 gegen die Ablehnung ihres Fristverlängerungsantrags vom 7. Februar 1969 Beschwerde erhob (vgl. § 237 AO). Obgleich das erwähnte Schreiben der Klägerin erst durch die Ablehnung des Verlängerungsantrags vom 7. Februar 1969 ausgelöst worden ist und sich daher in erster Linie gegen die diesen Antrag ablehnende Verfügung vom 13. Februar 1969 richtet, kann es auch als Rechtsbehelf gegen die Verfügung vom 29. April 1968 aufgefaßt werden, da die Klägerin in ihm durch die Bezugnahme auf die Widerrufsverfügung vom 29. April 1968 und durch das Ersuchen um eine möglichst lange Aufbrauchfrist zum Ausdruck bringt, daß sie sich rechtlich beschwert fühlt durch die Versagung des ihr ursprünglich eingeräumten Rechts, das abgefertigte Zollgut auch noch in der Zeit zwischen dem 31. Dezember 1968 und dem 31. Dezember 1970 zu verwenden. Für diese Behandlung des Schreibens vom 11. März 1969 spricht auch, daß die Klägerin in ihm nach dem Hinweis auf das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung in der Verfügung vom 29. April 1963 erklärt hat, sie „hätte sonst bereits damals” gegen diesen Bescheid Rechtsmittel eingelegt. Zur Zeit der Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Verlängerung der Aufbrauchsfrist war also die Verfügung, mit der das HZA die frühere Verwendungsfrist durch eine kürzere Aufbrauchsfrist ersetzt hatte, rechtswirksam angefochten. Es bestand daher kein formelles Hindernis, aufgrund der Beschwerdeschrift der Klägerin vom 11. März 1969 die in der Verfügung vom 29. April 1968 enthaltene rechtswidrige Festsetzung der Aufbrauchsfrist zurückzunehmen. Aber selbst wenn die Verfügung vom 29. April 1968 formell unanfechtbar geworden wäre, hätte das HZA die Rechtswidrigkeit der festgesetzten Aufbrauchsfrist bei der Entscheidung über den Verlängerungsantrag vom 7. Februar 1969 berücksichtigen und in seiner Entscheidung vom 13. Februar 1969 die Frist wieder auf den ursprünglichen Zeitraum erstrecken müssen.

Die durch die Klage angefochtene Ablehnungsverfügung vom 13. Februar 1969 war somit rechtswidrig und hätte samt der sie bestätigenden Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion durch das FG aufgehoben werden müssen. Das ist nunmehr vom erkennenden Senat unter Aufhebung des FG-Urteils nachzuholen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514803

BFHE 1973, 157

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