Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für deren Steuerschulden

 

Leitsatz (NV)

Zu den Voraussetzungen, unter denen der Geschäftsführer einer inzwischen im Handelsregister gelöschten GmbH für deren Steuerschulden im Haftungswege in Anspruch genommen werden kann.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 34, 191

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Geschäftsführer der Anfang 1976 in das Handelsregister eingetragenen A-GmbH, deren Gesellschaftszweck die Kreditvermittlung war. Von dem Stammkapital hatte der Kläger 95 v. H. übernommen. In ihren Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 1975 bis 1977 hatte die GmbH ihr Einkommen mit jeweils 0 DM angegeben. Am 11. Oktober 1976 teilte der Kläger dem damals zuständigen Finanzamt mit, daß die GmbH am 13. September 1976 stillgelegt worden sei. Am 9. April 1980 wurde die GmbH aufgrund des § 2 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 - LöschG - (RGBl I 1934, 914) wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister gelöscht.

Im Zuge einer Steuerfahndungsprüfung bei einem anderen Kreditvermittlungsunternehmen - der F-GmbH - gewann der Prüfer die Überzeugung, daß die A-GmbH in den Jahren 1979 und 1980 (bis einschließlich August 1980) von den Geschäftsräumen der F-GmbH aus ihre Geschäfte weiterbetrieben und Einnahmen (in 1979 . . . DM, in 1980 . . . DM) erzielt habe. In einer namens der A-GmbH erstatteten Selbstanzeige vom 16. September 1980 gab der Kläger die bisher nicht erklärten Provisionseinnahmen aus Kreditvermittlungen mit insgesamt . . . DM für den genannten Zeitraum an. Der Prüfer stellte weiter fest, daß der Kläger die genannten Provisionseinnahmen unmittelbar nach ihrem Eingang auf dem Bankkonto der A-GmbH abgehoben hatte. Für die Jahre 1979 und 1980 ermittelte der Prüfer das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen der A-GmbH in der Weise, daß er die Abhebungen der Provisionen von dem Konto der GmbH als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelte und als Betriebsausgaben nur die auf die Provisionseinnahmen entfallende Umsatzsteuer und eine Gewerbesteuerrückstellung zuließ. Er ging davon aus, daß die sonstigen Betriebsausgaben bei der F-GmbH verbucht worden seien. Weitere Betriebsausgaben seien bei der A-GmbH nicht angefallen. Weiterhin war der Prüfer der Ansicht, daß die Gesellschafter der F-GmbH nur Strohmänner des mit einem Kreditvermittlungsverbot belegten Klägers gewesen seien, der in dieser Firma nach eigenem Gutdünken geschaltet und gewaltet habe.

Über die festgestellten Steuerschulden der A-GmbH (Umsatzsteuer 1979, Körperschaftsteuer 1979 und 1980, Säumnis- und Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 1979) erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) einen Haftungsbescheid gegen den Kläger, den er auf die §§ 34, 69, 71 i.V.m. § 191 Abs. 1 und 5 der Abgabenordnung (AO 1977) stützte.

Der Einspruch des Klägers, mit dem dieser lediglich ungenügende Berücksichtigung von Betriebsausgaben gerügt hatte, blieb ohne Erfolg. In seiner Klage beantragte der Kläger die Aufhebung des Haftungsbescheids und der Einspruchsentscheidung. Das Finanzgericht (FG) hob den Haftungsbescheid auf, soweit er die Haftung des Klägers für die Körperschaftsteuer betraf; im übrigen wies es die Klage ab.

Das FG sah wegen der Haftung für die Umsatzsteuer nebst zugehöriger Säumnis- und Verspätungszuschläge die Klage als unzulässig an, weil das Einspruchsverfahren nur wegen der Haftung für die Körperschaftsteuer geführt worden sei. Hinsichtlich der Haftung für die Körperschaftsteuer hielt das FG die Klage für begründet.

Gegen die Entscheidung des FG wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die vom FG angeführten Gründe rechtfertigen nicht die Aufhebung des Haftungsbescheids hinsichtlich der vom Kläger verlangten Körperschaftsteuer 1979 und 1980.

1. In den Mittelpunkt der Begründung seiner Entscheidung hat das FG das Argument gestellt, mit der Mitteilung des Klägers, daß die A-GmbH am 13. September 1976 stillgelegt worden sei, sei ein Beschluß über die Auflösung dieser Gesellschaft ergangen. Die Liquidation und damit die Vollbeendigung der Gesellschaft lägen vor dem Beginn des Jahres 1979, so daß für die Jahre 1979 und 1980 keine Körperschaftsteuer habe entstehen können, für die der Kläger haftbar gemacht werden könne.

Die Gründe für die Auflösung einer GmbH sind in § 60 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) genannt. Weitere Auflösungsgründe können im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden (§ 60 Abs. 2 GmbHG). Im Streitfall geht es darum, ob die Gesellschaft durch Beschluß der Gesellschafter, der, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, einer Dreiviertelmehrheit bedarf, aufgelöst worden ist (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG). Da der Kläger zu 95 v. H. an der A-GmbH beteiligt war, kann davon ausgegangen werden, daß er die für einen Auflösungsbeschluß erforderliche Stimmenmehrheit besaß. Ein bestimmter Wortlaut oder eine besondere Form ist für den Auflösungsbeschluß nicht vorgesehen (Ulmer in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., § 60 Rdnrn. 25, 30). Es brauchen auch nicht die Worte ,,Auflösung" oder ,,Aufhebung" gebraucht zu werden. Entscheidend ist, daß der auf die Auflösung der Gesellschaft gerichtete Wille der Gesellschafter eindeutig erkennbar ist (Ulmer in Hachenburg, a.a.O., Rdnr. 25; Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 6. Aufl., Rdnr. 13). Ein Beschluß oder eine Verlautbarung der Gesellschafter über die Einstellung, die Stillegung oder die Veräußerung des Betriebs beinhaltet weder notwendig noch regelmäßig die Auflösung der Gesellschaft. Dieser Auffassung hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 17. Juli 1962 I 254/60 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Körperschaftsteuergesetz 1934 bis 1975, § 14, Rechtsspruch 3 mit Anmerkungen von Ranft) für die Körperschaftsteuer angeschlossen. Die Gesellschafter müssen für klare Verhältnisse sorgen, aus denen sich die Auflösung eindeutig ergibt (vgl. auch das BFH-Urteil vom 9. März 1983 I R 202/79, BFHE 138, 81, BStBl II 1983, 433 hinsichtlich der Beschlußfassung über den Zeitpunkt der Auflösung).

Sind die Rechtsfolgen eines Auflösungsbeschlusses zu beurteilen, bietet sich als Indiz für das wirksame Zustandekommen eines solchen die Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister an. Die Anmeldung ist nach § 65 GmbHG geboten. Die Auflösung der A-GmbH zum 13. September 1976 ist offensichtlich nicht vom Kläger zur Eintragung im Handelsregister angemeldet worden. Die Gesellschaft blieb bis zu ihrer Löschung von Amts wegen im Jahre 1980 weiterhin im Handelsregister eingetragen. In diesem Zusammenhang rügt das FA zu Recht, das FG habe den Inhalt der ihm vorliegenden Steuerakten nicht vollständig ausgeschöpft. Es hat in der Revisionsbegründung jeweils mit Hinweis auf die Fundstellen in den Akten die verschiedenen schriftlichen Äußerungen des Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH vorgetragen, wonach es sich nur um eine vorübergehende Stillegung handle, der Firmenmantel oder das Unternehmen aber fortbestehe. Das FA hat ferner auf Aktenteile hingewiesen, aus denen hervorgeht, daß kurz vor der angegebenen Stillegung auf die GmbH lautende Konten bei Geldinstituten eingerichtet worden sind und der Kläger schließlich in seiner Selbstanzeige erklärt hat, die GmbH habe in den Jahren 1979 und 1980 (bis August 1980) insgesamt . . . DM Provisionen eingenommen.

Mit diesen Rügen macht das FA mit Erfolg die Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Die Auswertung der angegebenen Teile der Akten durfte nicht unterbleiben. Das Gericht muß seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewinnen, wozu auch der Inhalt der ihm vorliegenden Akten gehört. Berücksichtigt das Gericht bei seiner Meinungsbildung wesentliche Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht, handelt es fehlerhaft. Die Beweiswürdigung ist dann nicht für das Revisionsgericht maßgebend (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 96 Anm. 2 mit Hinweis auf das BFH-Urteil vom 2. Februar 1967 V 99/64, BFHE 88, 396, BStBl III 1967, 403).

2. Das FG hat die Inanspruchnahme des Klägers im Haftungswege für die Körperschaftsteuer 1980 außerdem deshalb für rechtswidrig gehalten, weil nach dem Zeitpunkt der Löschung der A-GmbH im Handelsregister aufgrund des § 2 LöschG - also nach dem 9. April 1980 - die Gesellschaft keine Erlöse habe erzielen und somit auch keine Körperschaftsteuer mehr für die Zeit nach der Löschung habe entstehen können; das FA habe bei Inanspruchnahme des Klägers im Haftungswege nicht zwischen der Zeit vor und nach Löschung der GmbH unterschieden.

Der Ausgangspunkt des FG, daß eine GmbH nach ihrer Löschung im Handelsregister keine Erlöse mehr habe erzielen können, ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (vgl. insbesondere Urteil vom 29. September 1967 V ZR 40/66, BGHZ 48, 303 mit Rechtsprechungsnachweisen) geht auch bei einer Löschung von Amts wegen nach § 2 LöschG die GmbH nicht endgültig unter. Die Löschung hat nur deklaratorische Bedeutung. Sie hat allerdings zur Folge, daß der bisherige Geschäftsführer seine Geschäftsführungsbefugnis verliert. Stellt sich nach der Löschung heraus, daß die GmbH noch Vermögen hat, hat eine Abwicklung nach den Regeln über die Liquidation durch besondere vom Gericht bestellte Liquidatoren stattzufinden. Auch nach der Löschung bleibt die GmbH noch aktiv parteifähig für die Durchsetzung ihrer Ansprüche; sie kann auch verklagt werden, wobei für ihre passive Parteifähigkeit die Behauptung ihres sie verklagenden Prozeßgegners genügt, daß sie noch irgendwelche Ansprüche habe.

Der Auffassung des BGH hat sich der BFH in den Entscheidungen vom 31. Januar 1961 I 58/59 U (BFHE 72, 468, BStBl III 1961, 171) und vom 26. März 1980 I R 111/79 (BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587) angeschlossen und die Auffassung vertreten, daß die GmbH auch bei Löschung von Amts wegen nicht aufhört, Träger steuerlicher Rechte und Pflichten zu sein. Von ihr geführte Steuerprozesse können - nunmehr gesetzlich vertreten durch den Liquidator - weitergeführt werden. Sie kann auch nach der Löschung noch zu einem finanzgerichtlichen Verfahren nach § 60 Abs. 3 FGO beigeladen werden. Daraus folgt aber auch weiterhin, daß ihre Steuerpflicht mit der Löschung im Handelsregister nicht notwendig beendet ist. Ist nach der Löschung im Handelsregister eine Abwicklung wegen noch vorhandenen Vermögens erforderlich, sind die im Zeitraum der Abwicklung erzielten Gewinne gemäß § 11 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 der Körperschaftsteuer zu unterwerfen. Daraus ergibt sich weiterhin, daß entgegen der Auffassung des FG auch nach der Löschung im Handelsregister eine Körperschaftsteuerschuld der A-GmbH hat entstehen können.

3. Das FA wendet sich auch zu Recht gegen die Ausführungen des FG, der dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Prüfungsbericht enthalte nichts Brauchbares, daß die streitigen Vermittlungsgeschäfte solche der A-GmbH gewesen seien; das FG nehme sogar an, daß der Kläger die Vermittlungsgeschäfte als Einzelunternehmer für eigene Rechnung abgeschlossen habe. Das FA rügt in diesem Zusammenhang ferner, das FG habe auch hier den Inhalt der Akten nicht vollständig ausgeschöpft. So habe der Kläger in seiner Selbstanzeige die erzielten Provisionen der Jahre 1979 und 1980 als Einnahmen der GmbH und nicht als seine eigenen angegeben. Das FA weist unter Angabe der Fundstelle in den Akten darauf hin, daß der Kläger schon deshalb nicht habe als Einzelunternehmer in Erscheinung treten können oder wollen, weil ihm die Erlaubnis zur Vermittlung von Kreditgeschäften wegen Unzuverlässigkeit entzogen worden sei.

In diesem Zusammenhang gehört noch, daß nach Tz. 18 des Prüfungsberichts, auf die das FG Bezug genommen hat, der Kläger die auf den Bankkonten der GmbH gutgeschriebenen Vermittlungsprovisionen sofort nach deren Eingang abgehoben hat.

Das FG hat bei seiner Würdigung nicht hinreichend die rechtlichen Wirkungen von Geschäftsführerhandlungen berücksichtigt. Dem Geschäftsführer ist es grundsätzlich nicht erlaubt, im Geschäftszweig der GmbH Geschäfte für eigene Rechnung zu machen oder für die Gesellschaft abgeschlossene Geschäfte für eigene Rechnung abzuwickeln (BGH-Urteil vom 11. Oktober 1976 II ZR 104/75, Der Betrieb - DB - 1977, 158). Tritt er nach außen im Namen seiner Gesellschaft auf, wird letztere und nicht er berechtigt und verpflichtet. Der Geschäftsführer braucht nicht ausdrücklich die Erklärung abzugeben, daß er im Namen seiner Gesellschaft auftrete; es genügt wenn sich aus den Umständen ergibt, daß das Geschäft nach dem Willen der Vertragschließenden für die Gesellschaft abgeschlossen werden soll (§ 36 GmbHG).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Gesichtspunkte ist der gesamte Sachverhalt, so wie er bisher im angefochtenen Urteil festgestellt worden ist oder sich aus den weiteren Ermittlungen, insbesondere aus den Akten, ergeben kann, vom FG noch nicht vollständig gewürdigt worden. Bei dieser Würdigung ist noch zu berücksichtigen, daß der A-GmbH auch noch die Erlöse zuzurechnen sind, die nach dem Zeitpunkt ihrer Löschung auf ihrem Bankkonto eingegangen sind, aber Provisionen für solche Vermittlungsgeschäfte waren, die vor ihrer Löschung getätigt worden sind. Sollte allerdings der Kläger noch nach der Löschung namens der eben genannten GmbH Vermittlungsgeschäfte abgeschlossen haben, war er dazu nicht mehr befugt. Er hat dann nicht mehr für Rechnung dieser GmbH gehandelt.

Ergeben sich zuverlässige Anhaltspunkte dafür, daß in dem aufgezeigten Umfang Inhaberin der Provisionsansprüche die AGmbH war, erübrigen sich Erwägungen, wie sie das FG angestellt hat, daß nämlich möglicherweise die Erlöse bei der anderen GmbH - der F-GmbH - zu erfassen seien, deren Gesellschafter Strohmänner des Klägers gewesen sein sollen.

Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für die Körperschaftsteuer, für die ggf. der Kläger haftet, die den Provisionseinnahmen zuzurechnenden Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind. Ihr Abzug kann nicht - wie im Betriebsprüfungsbericht ausgeführt und vom FA übernommen worden ist - mit der Begründung versagt werden, es sei anzunehmen, die mit den Provisionseinnahmen der A-GmbH zusammenhängenden Betriebsausgaben seien schon bei der F-GmbH erfaßt worden. Diese Betriebsausgaben sind notfalls im Schätzungswege zu ermitteln. Zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ist auch das FG befugt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO 1977).

4. Das FG ist, was insbesondere die Entstehung einer Körperschaftsteuer bei der A-GmbH ab dem 1. Januar 1979 anbelangt, für die der Kläger möglicherweise haftbar gemacht werden könnte, von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen und aus diesen Gründen zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheids gelangt, soweit er die Haftung für die Körperschaftsteuer betrifft. Da diese rechtliche Beurteilung nicht frei von Rechtsfehlern ist, ist die Entscheidung des FG aufzuheben. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob das FG zu Recht die Aufhebung des Haftungsbescheids, soweit er die Körperschaftsteuer betrifft, hilfsweise auch auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO stützen konnte.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird unter Beachtung der oben dargelegten Rechtsauffassung des erkennenden Senats prüfen, ob sich für die A-GmbH Körperschaftsteuern für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis zum 9. April 1980 (Löschung im Handelsregister) zuzüglich für einen danach liegenden und noch möglicherweise in 1980 anzusetzenden Liquidationszeitraum ergeben. Ergibt sich eine Körperschaftsteuer, ist über die Haftung des Klägers nach den Vorschriften der AO 1977 zu entscheiden. Als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person hatte er deren steuerliche Pflichten zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Der Kläger hatte als Geschäftsführer der A-GmbH z. B. die Pflicht, nachdem diese ab 1. Januar 1979 wieder die Kreditvermittlung aufgenommen hatte, dies den Finanzbehörden nach §§ 137, 138 AO 1977 mitzuteilen. Zweck dieser Vorschriften ist die Erfassung der Steuerpflichtigen und die Ingangsetzung des Besteuerungsverfahrens, z. B. die Festsetzung von Steuervorauszahlungen, hier insbesondere der Körperschaftsteuervorauszahlungen. Der Geschäftsführer hat ferner dafür zu sorgen, daß die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Es wird zu prüfen sein, ob der Kläger gegen diese Pflichten dadurch verstoßen hat, daß er die auf den Bankkonten der A-GmbH nach dem 1. Januar 1979 eingegangenen Provisionsbeträge abgehoben hat. Der Kläger haftet, wenn infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten Steuern nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt und erfüllt werden (§ 69 AO 1977). Da der Kläger nicht der Schuldner der Körperschaftsteuer ist, kommt möglicherweise - wovon das FA in dem Haftungsbescheid ausgegangen ist - eine Haftung nach § 71 AO 1977 wegen Steuerhinterziehung in Betracht.

Die Inanspruchnahme des Haftenden geschieht nach § 191 AO 1977 durch Haftungsbescheid. Diese setzt nicht voraus, daß der Steueranspruch zunächst gegen den Vertretenen - hier die A-GmbH - selbst verfolgt und bestandskräftig festgestellt sein muß. Steuerschuldner und Haftungsschuldner sind Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 AO 1977). Es steht im Ermessen der Finanzbehörde, an welchen der beiden Gesamtschuldner sie sich halten will. Für die Ausführung des Ermessens gelten die allgemeinen Grundsätze. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Gesamtschuldnerschaft der Finanzbehörde grundsätzlich eine möglichst rasche und sichere Realisierung der Steueransprüche ermöglichen soll (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 44 AO 1977 Rdnr. 14). Im Streitfall kann für die Inanspruchnahme des Klägers eine Rolle spielen, daß die A-GmbH als die Erstschuldnerin nach ihrer Löschung ohne gesetzlichen Vertreter ist und es zweifelhaft ist, ob ein solcher - hier ein Liquidator - noch bestellt werden wird. Der BFH hat es in der Entscheidung in BFHE 72, 468, BStBl III 1961, 171 nicht als Hinderungsgrund angesehen, bei diesen Verhältnissen den früheren Geschäftsführer für die Steuerschulden einer von Amts wegen gelöschten und damit vertretungslosen GmbH im Haftungswege in Anspruch zu nehmen. Ist kein Liquidator für eine aufgelöste oder gelöschte Gesellschaft bestellt, ist die Verwirklichung des Steueranspruchs gegen die Gesellschaft als die Erstschuldnerin wesentlich erschwert. Kommt noch hinzu, daß die für die Steuerzahlung in Betracht kommenden Mittel inzwischen von dem einstigen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer abgezogen worden sind, wird dessen Inanspruchnahme im Regelfall nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413823

BFH/NV 1985, 63

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