Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung von Parkgebühren durch Aufstellung von Parkscheinautomaten durch eine Gemeinde ‐ kein Unternehmer
Leitsatz (amtlich)
Eine Gemeinde, die aufgrund der Straßenverkehrsordnung Parkplätze durch Aufstellung von Parkscheinautomaten gegen Parkgebühren überlässt, handelt insoweit nicht als Unternehmer i.S. des Umsatzsteuerrechts.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 3 S. 1; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gemeinde (Große Kreisstadt). Sie stellte in den Streitjahren (1990 bis 1993) eigene sowie vom Landkreis überlassene Grundstücke als öffentliche Parkflächen zur Verfügung. Dafür ordnete sie als Straßenverkehrsbehörde gemäß §§ 44 und 45 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) "aus Gründen der Sicherheit und Ordnung" die Aufstellung von Parkscheinautomaten (§ 13 StVO) und entsprechender Verkehrszeichen an. Die Parkgebühren wurden nach Maßgabe einer Parkgebührenordnung erhoben, die die Klägerin aufgrund des § 6a Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 1 der Verordnung der Bayerischen Staatsregierung über Parkgebühren erlassen hatte. Ein Verstoß gegen die Parkbestimmungen war bußgeldbewehrt gemäß § 24 StVG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 13 StVO. Die Einhaltung der Parkbestimmungen wurde durch den Verkehrsüberwachungsdienst der Klägerin, der insoweit Polizeifunktion ausübte, überwacht.
Die Parkflächen waren nicht gemäß Art. 6 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) förmlich dem öffentlichen Verkehr gewidmet.
Private Unternehmer, die Parkplätze gegen Entgelt betrieben, waren nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in den Streitjahren im Tätigkeitsbereich der Klägerin nicht vorhanden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) kam im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung zu der Auffassung, die Klägerin übe mit der entgeltlichen Überlassung der Parkflächen einen Betrieb gewerblicher Art aus, weil die Flächen nicht dem öffentlichen Verkehr gemäß Art. 6 BayStrWG gewidmet seien. Das FA sah die Klägerin deshalb insoweit umsatzsteuerrechtlich als Unternehmerin an. Es unterwarf in Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Streitjahre die in den Umsatzsteuererklärungen der Klägerin nicht angesetzten Erlöse aus den Parkscheinautomaten der Umsatzsteuer und berichtigte zugleich die mit den Umsätzen im Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge.
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage der Klägerin statt. Es führte zur Begründung aus, die Klägerin sei mit der Überlassung der Parkflächen gegen öffentlich-rechtliche Gebühr nicht als Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980/1991/1993 (UStG) tätig geworden. Dabei verneinte es das Vorliegen größerer Wettbewerbsverzerrungen i.S. des § 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) im Wesentlichen mit der Begründung, dass private Unternehmer, die Parkplätze gegen Entgelt betrieben, im Gemeindegebiet der Klägerin in den Streitjahren nicht vorhanden gewesen seien.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 933 und in der Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 2001, 343 abgedruckt.
Das FA macht mit der vom Senat zugelassenen Revision einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 2 Abs. 3 UStG, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) geltend und rügt die Verletzung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität.
Es führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Das FG sei in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Gemeinde nicht Unternehmer sei, wenn sie Gebühren für nicht straßenrechtlich gewidmete Parkplätze nach der StVO mittels Parkscheinautomaten erhebe, sofern im lokalen Bereich keine Unternehmer vorhanden seien, die Parkplätze gegen Entgelt betrieben. Das FG habe insofern auf den konkreten Wettbewerb abgestellt und für allein entscheidend erachtet, ob im Tätigkeitsbereich der Klägerin private Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise wie diese Parkplätze gegen Entgelt überlassen hätten. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und der herrschenden Meinung in der Literatur. Danach sei auch der potentielle Wettbewerb geschützt; es reiche bereits die Möglichkeit einer Wettbewerbsverzerrung aus, um juristische Personen des öffentlichen Rechts zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität zu besteuern.
Deshalb komme es für die Frage der "größeren Wettbewerbsverzerrungen" darauf an, ob ein Wettbewerb zwischen einem privaten Unternehmer und der Klägerin möglich gewesen sei, d.h. eine Wettbewerbslage bestanden habe. Eine solche sei indessen im Bereich der Parkplatzvermietung gegeben. Das Vermieten von Parkplätzen werde ―neben der öffentlichen Hand― vielfach auch von privaten Unternehmern ausgeführt.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit der Überlassung der Parkflächen nicht als Unternehmerin tätig war.
1. Juristische Personen des öffentlichen Rechts (hier: die Klägerin als Gemeinde) sind grundsätzlich nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG). Nur insoweit sind sie Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG) und unterhalten ein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG).
2. Die Klägerin war im Streitfall mit der Parkplatzüberlassung nicht im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG tätig und handelte deshalb insoweit nicht als Unternehmer.
a) Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben; die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 KStG). Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören auch Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen (§ 4 Abs. 3 KStG). Nicht dazu gehören Betriebe, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe); für die Annahme eines Hoheitsbetriebs reichen Zwangs- und Monopolrechte nicht aus (§ 4 Abs. 5 KStG).
b) Gebührenpflichtige Parkplätze von Gemeinden, die diese auf eigenem oder gepachtetem Grund und Boden unterhalten, erfüllen nach der Rechtsprechung des BFH die Merkmale eines Betriebs gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Eine hoheitliche Betätigung liegt nicht vor, weil ein Privatunternehmer ―ohne von der Gemeinde damit betraut zu sein― die Unterhaltung eines bewachten Parkplatzes ebenfalls wahrnehmen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1976 I R 102/74, BFHE 120, 53, BStBl II 1976, 793). Entsprechendes gilt für eine von einer Gemeinde betriebene Tiefgarage (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1989, I R 187/85, BFHE 159, 52, BStBl II 1990, 242).
c) Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.
Hier hat die Klägerin als Straßenverkehrsbehörde (§ 44 StVO) die Benutzung der Parkplätze "aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs" (§ 45 StVO) durch Aufstellung der Parkscheinautomaten (§ 13 StVO) und der Verkehrszeichen beschränkt und für das Parken Gebühren aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Gebührenordnung erlassen. Dies könnte ein privater Unternehmer nicht.
Dementsprechend ist nach Abschn. 5 Abs. 21 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) der Betrieb von Parkuhren oder von Parkscheinautomaten, soweit er im Rahmen der StVO durchgeführt wird, als Ausübung öffentlicher Gewalt i.S. des § 4 Abs. 5 KStG anzusehen, nicht aber die (bloße) Unterhaltung von bewachten Parkplätzen und von Parkhäusern durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts.
d) Die Einwände des FA gegen diese Unterscheidung rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Das FA macht hierzu geltend, die Klägerin zeige selbst mit zwei von ihr in der Nähe des Innenstadtbereichs erbauten Parkhäusern, dass die von ihr angestrebte Lenkung des innerstädtischen Verkehrs durch verkehrsordnende Maßnahmen auch in Form von ―insoweit unstreitig vorliegenden― Betrieben gewerblicher Art durch Parkplatzeinrichtungen mit Beschrankung geschehen könne. Die im Streitfall betroffenen Parkflächen lägen sämtlich auf Grundstücken, die von den öffentlichen Straßen durch Umfassungen abgetrennt seien und deren Zu- bzw. Ausfahrten ebenfalls mit Schranken versehen werden könnten. Der Klägerin stehe es als juristischer Person des öffentlichen Rechts somit offen, sich für ein und dieselbe Tätigkeit ―je nach wirtschaftlicher Auswirkung― unterschiedlicher Handlungsformen zu bedienen, was privaten Wirtschaftsteilnehmern nicht möglich sei.
Diesen Vortrag hält der Senat nicht für stichhaltig. Denn zum einen steht es den Gemeinden grundsätzlich frei, die Bereitstellung von Parkmöglichkeiten öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich auszugestalten, wie sich insbesondere aus § 52 StVO ergibt (vgl. Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 27. März 1998 Vf. 8-VI-97, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ―NVwZ― 1998, 727). Zum anderen kann eine Gemeinde nicht beliebig als Straßenverkehrsbehörde nach § 45 StVO die Benutzung bestimmter Straßenflächen beschränken oder verbieten. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs besteht und dass eine verkehrsbeschränkende Maßnahme nach dieser Vorschrift zur Abwendung oder Minderung der Gefahr erforderlich und geeignet ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht ―BVerwG―, Urteil vom 27. Januar 1993 11 C 35/92, BVerwGE 92, 32, 36 ff.; Oberverwaltungsgericht ―OVG― Bremen, Urteil vom 10. November 1998 1 BA 20/97, Verkehrsrechts-Sammlung ―VRS― 98, 53, m.w.N.).
3. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG.
a) Diese Bestimmung lautet:
"Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen, Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.
Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.
Die Mitgliedstaaten können die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Art. 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen."
b) Im Streitfall gilt die Klägerin nicht nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG als Steuerpflichtige. Denn die Überlassung von Parkflächen ist nicht in Anhang D der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführt.
Auch Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG greift nicht ein (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH―, Urteil vom 14. Dezember 2000 Rs. C-446/98, CMP, Rdnr. 44, Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht ―UVR― 2001, 71).
c) Die Klägerin hat im Streitfall die Parkplätze "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG überlassen.
aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen um eine Tätigkeit, die einer Einrichtung des öffentlichen Rechts i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt, wenn sie im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung erfolgt. Dies ist dann der Fall, wenn die Ausübung dieser Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasst (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108, UVR 2001, 71).
bb) Davon ausgehend hat das FG das Bereitstellen des Parkraums durch die Klägerin mittels Parkscheinautomaten auf der Grundlage der StVO ―unter Bezugnahme auf ein entsprechendes Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 30. Januar 1979 an die Klägerin― zutreffend zu deren hoheitlicher Tätigkeit gerechnet.
Ein Parkscheinautomat stellt letztlich nur die Zusammenfassung mehrerer Parkuhren dar (vgl. Oberlandesgericht ―OLG― Bremen, Urteil vom 8. Juli 1997 Ss 29/97, Deutsches Autorecht ―DAR― 1997, 454). Er enthält ebenso wie eine Parkuhr eine Verkehrsregelung, die als Allgemeinverfügung i.S. von § 35 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zu qualifizieren ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1967 VII C 18.66, BVerwGE 27, 181, 183). Mit der Aufstellung eines Parkscheinautomaten erlassen die zuständigen Behörden ein modifiziertes Halteverbot des Inhalts, dass entsprechend der Regelung des § 13 StVO während der zeitlichen Geltung der Parkzeitregelung außer zum Ein- und Aussteigen sowie zum Be- und Entladen nur mit einem Parkschein, der am Fahrzeug von außen gut lesbar angebracht sein muss, für die Dauer der zulässigen Parkzeit gehalten werden darf. Die Regelung enthält auch das ―grundsätzlich durch Ersatzvornahme durchsetzbare― Gebot, ein verbotswidrig abgestelltes Kfz alsbald zu entfernen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1988 7 B 189/87, NVwZ 1988, 623, m.w.N.; Verwaltungsgerichtshof ―VGH― Kassel, Urteil vom 11. November 1997 11 UE 3450/95, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report ―NVwZ-RR― 1999, 23, 24; Hamburgisches OVG, Urteil vom 29. November 2000 3 Bf 275/99, Zeitschrift für Schadensrecht 2001, 527).
Das FG hat ferner mit Recht ―und von der Revision nicht angegriffen― ausgeführt, dass die Ausübung der Tätigkeit der Klägerin das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasse und deshalb im Sinne der bezeichneten Rechtsprechung des EuGH im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung erfolge.
d) Im Streitfall führt die mithin nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gebotene Behandlung der Klägerin als Nicht-Steuerpflichtige nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG.
aa) Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG sieht eine Ausnahme von der Regelung der Behandlung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige für diejenigen Tätigkeiten oder Leistungen vor, die diese im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, sofern eine solche Behandlung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Die Bestimmung enthält mithin einen Wettbewerbsvorbehalt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. Juni 1988 V R 79/84, BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910; Lange, UR 1999, 386).
bb) Nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG kommt es darauf an, ob die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige "zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde". Es reicht aber ―entsprechend dem Zweck der Bestimmung, die Steuerneutralität zu gewährleisten― nach der Rechtsprechung des EuGH aus, wenn die Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ―im Wettbewerb mit ihnen― auch von Privaten ausgeübt werden können und ihre Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige "zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann" (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Oktober 1989 Rs. 231/87 und 129/88, Slg. 1989, 3233, Leitsatz 2 und Rdnr. 22, UR 1991, 77).
Dementsprechend kommt es auch nach der Rechtsprechung des BFH insoweit auf den "tatsächlichen oder potentiellen" Wettbewerb an (vgl. BFH-Urteile in BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910, unter II. 1. b bb; vom 8. Januar 1998 V R 32/97, BFHE 185, 283, BStBl II 1998, 410, unter II. 2. a, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 10. Januar 2002 V B 127/01, BFH/NV 2002, 683).
Soweit die Ausführungen des XI. Senat des BFH im Urteil vom 11. Juni 1997 XI R 33/94 (BFHE 182, 454, BStBl II 1999, 418, unter II. 5.) anders verstanden werden können, stellt der erkennende ―inzwischen wieder allein für Umsatzsteuerrecht zuständige― Senat klar, dass für die Frage der größeren Wettbewerbsverzerrungen nicht allein auf den bereits tatsächlich vorhandenen Wettbewerb abzustellen ist. Vielmehr kann eine Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auch dann zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn dadurch der Marktzutritt Dritter gehindert oder erschwert wird (vgl. dazu Bundesgerichtshof ―BGH―, Urteil vom 6. Mai 1997 KZR 43/95, NVwZ-RR 1997, 725, 729, unter III. 2. c, m.w.N.; Seer/Wendt, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2001, 825, 828 f., m.w.N.).
cc) Deshalb durfte sich das FG im Streitfall nicht darauf beschränken, die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG mit der Begründung zu verneinen, im Gemeindegebiet der Klägerin seien private Unternehmer, die Parkplätze gegen Entgelt betrieben, in den Streitjahren nicht vorhanden gewesen. Der Schutz des potentiellen Wettbewerbs wird damit nicht berücksichtigt.
Andererseits ist der Revisionsbegründung des FA nicht zu folgen, es reiche bereits die (abstrakte) Möglichkeit einer Wettbewerbsverzerrung aus, um Einrichtungen des öffentlichen Rechts zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität zu besteuern. Diese Auffassung würde dazu führen, dass die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG in nahezu allen Fällen zu bejahen wären und die Bestimmung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG damit praktisch weitgehend keine Bedeutung hätte.
Vielmehr ist grundsätzlich ―anhand konkreter Feststellungen― zu prüfen, ob ein wettbewerbsrelevanter Markt für die einschlägige Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts besteht (vgl. BFH-Urteile vom 30. März 2000 V R 30/99, BFHE 191, 434, BStBl II 2000, 705; vom 12. Oktober 2000 V R 74/99, BFH/NV 2001, 653; Generalanwalt Alber in Rdnr. 58 seiner Schlussanträge vom 29. Juni 2000 in Slg. 2000 I-11435, 11452 f.; Wagner, UVR 2001, 75, 76; Hüttemann, Finanz-Rundschau ―FR― 2002, 1337, 1346 f.).
dd) Gleichwohl ist die Vorentscheidung im Ergebnis richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Denn im Streitfall scheidet (auch) ein potientieller Wettbewerb aus, weil für die ―nach § 45 StVO zur Verbesserung der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs angeordnete― Zurverfügungstellung von Kurzzeitparkplätzen kein wettbewerbsrelevanter Markt besteht.
Insofern unterscheidet sich der hier gegebene Sachverhalt von einer ―auch langfristigen― Parkplatzüberlassung in Parkhäusern (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 V R 3/88, BFHE 170, 277, BStBl II 1993, 380).
Fundstellen
Haufe-Index 937952 |
BFH/NV 2003, 1018 |
BStBl II 2004, 431 |
BFHE 2003, 554 |
BFHE 201, 554 |
BB 2003, 1271 |
DB 2003, 1310 |
DStRE 2003, 815 |
HFR 2003, 703 |
UR 2003, 396 |