Leitsatz (amtlich)
Der Berater für Datenverarbeitung ist kein freiberuflich tätiger beratender Betriebswirt. Seine Tätigkeit ist der eines beratenden Betriebswirts auch nicht ähnlich.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Steuerpflichtige als Berater für Datenverarbeitung freiberuflich oder gewerblich tätig war.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erhielt nach Volksschulbesuch und Kaufmannsgehilfenprüfung bei der Firma A eine einjährige Ausbildung in betriebswirtschaftlichen Fragen und Datenverarbeitung. Daneben nahm er etwa ein Jahr an betriebswirtschaftlichen Kursen einer Volkshochschule teil. Nach seiner Ausbildung war er bis 1966 für die vorgenannte Firma als angestellter Berater für DP (= Data-Processing-)System-Anwendung tätig. Im Streitjahr war der Kläger selbständiger Berater für Datenverarbeitung. Seine Tätigkeit bestand darin, Unternehmen zu beraten, wie deren betriebliche Organisation durch den Einsatz von EDV-Anlagen optimal zu gestalten ist.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hielt die Tätigkeit des Klägers nicht für eine freiberufliche, sondern für eine gewerbliche und erließ dementsprechend einen Einkommensteuerbescheid und einen Gewerbesteuerbescheid für 1968.
Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage mit seiner in den EFG 1973, 537, veröffentlichten Entscheidung statt.
Mit der Revision des FA wird unrichtige Anwendung materiellen Rechts gerügt und geltend gemacht:
Der Beruf des Beraters für Datenverarbeitung sei - anders als das FG angenommen habe - dem des Betriebswirts nicht ähnlich, weil es an einer Vergleichbarkeit in wesentlichen Punkten fehle. Die Berufstätigkeit des beratenden Betriebswirts erfordere ein umfassenderes Wissen. Die Tätigkeit auf einem Teilgebiet der Betriebswirtschaft reiche nicht aus zur Bejahung freiberuflicher Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Der Auffassung des FG, der Kläger sei wegen freiberuflicher Tätigkeit bei der Einkommensteuer zur Inanspruchnahme eines Freibetrags berechtigt (§ 18 Abs. 4 EStG) und nicht gewerbesteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 GewStG, § 1 Abs. 1 GewStDV), kann nicht gefolgt werden.
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört zu den freiberuflichen Tätigkeiten die selbständig ausgeübte Berufstätigkeit der beratenden Betriebswirte und ähnlicher Berufe. Welche Voraussetzungen für die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit des beratenden Betriebswirts im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderlich sind, wurde u. a. in den Urteilen des BFH vom 12. August 1965 IV 61/61, 100/61, 336/64 U (BFHE 83, 237, BStBl III 1965, 586) und vom 16. Januar 1974 I R 106/72 (BFHE 111, 316, BStBl II 1974, 293) ausgesprochen. Danach kommt als Betriebswirt in Betracht, wem nach einem entsprechenden Studium oder nach einem vergleichbaren Selbststudium verbunden mit praktischer Erfahrung die hauptsächlichen Bereiche der Betriebswirtschaft und nicht nur ein einzelnes Spezialgebiet vertraut sind. Deshalb kann als beratender Betriebswirt nur angesehen werden, wer diese fachliche Breite auch bei seiner praktischen Tätigkeit einzusetzen in der Lage ist und tatsächlich von ihr Gebrauch macht. Eine gewisse Spezialisierung steht der Annahme der Freiberuflichkeit nicht entgegen. Die erforderliche Breite ist deshalb grundsätzlich noch gegeben, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich erstreckt. Bei einer weitergehenden Spezialisierung - so z. B. im Falle des BFH-Urteils I R 106/72 auf die ausschließliche Werbeberatung - kann nicht mehr von einer umfassenden betriebswirtschaftlichen Tätigkeit gesprochen werden. Auch die Ähnlichkeit mit dem Beruf des beratenden Betriebswirts scheidet aus, wenn eine weitgehend spezialisierte Beratungstätigkeit nicht mehr mit der fachlich breit angelegten Beratungstätigkeit eines beratenden Betriebswirts vergleichbar ist.
Mit diesen Grundsätzen, denen der erkennende Senat sich anschließt, steht die Vorentscheidung nicht im Einklang. Die mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen, ohne erkennbare Verfahrensfehler zustande gekommenen und deshalb gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen es nicht, die Tätigkeit des Klägers als die eines beratenden Betriebswirts oder eines ähnlichen Berufs anzusehen. Wenn der Kläger nach dem maßgeblichen Sachverhalt unter der Bezeichnung Beratung für Datenverarbeitung Aufträge zur "Entwicklung und Organisation eines allgemeinen Daten-Änderungs- und Pflege-Systems" übernahm und durchführte, dann war er damit nicht auf einem betrieblichen Hauptbereich, sondern unter weitergehender Spezialisierung auf dem Teilgebiet eines solchen Hauptbereichs tätig.
Typische betriebliche Hauptbereiche, auf die sich die Unternehmensberatung und damit die Tätigkeit des beratenden Betriebswirts erstreckt, sind Fragen der Führung, der Fertigung, der Materialwirtschaft, des Vertriebs, des Verwaltungs- und Rechnungswesens, des Personalwesens sowie des Unternehmensbestands (Schlobig im Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 3. Auflage, Stichwort "Unternehmensberatung"). Fragen der Datenverarbeitung sind indessen kein betrieblicher Hauptbereich, sie stellen sich vielmehr auf einen Teilbereich des Verwaltungs- und Rechnungswesens. Das folgt aus den möglichen Einsatzbereichen der Datenverarbeitung, als da sind Lohn- und Gehaltsabrechnung, Auftrags- und Terminwesen, Buchhaltung, Lagerwesen, Arbeitsvorbereitung, Fertigungssteuerung, Statistik (Brockhaus Enzyklopädie, 17. Auflage, Stichwort "Daten"). Die Datenverarbeitung ist damit ein Mittel zur Automatisierung der Verwaltung. Das bedeutet jedoch nicht, daß die gesamte Verwaltung automatisierbar ist. Dies wird für unmöglich gehalten, da bei der Verwaltung eine große Zahl nicht programmierbarer Komponenten auftritt (Lechner im Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 3. Auflage, Stichwort "Verwaltung, Automation der"). Ist hiernach die Datenverarbeitung ein Teilgebiet des Verwaltungsund Rechnungswesens, dann stellt sich auch die Beratung für Datenverarbeitung nicht als umfassende betriebswirtschaftliche Beratung, sondern als Beratung auf einem engen betrieblichen Sektor dar.
2. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden. Da der Kläger keine freiberufliche Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübte, steht ihm bei der Einkommensteuer ein Freibetrag nach Maßgabe des § 18 Abs. 4 EStG nicht zu. Der Kläger ist auch gewerbesteuerpflichtig. Die Klage war deshalb abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 71464 |
BStBl II 1975, 665 |
BFHE 1976, 30 |