Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen; Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude
Leitsatz (NV)
Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen wird noch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der zur Errichtung des Gebäudes notwendige Vertrag zeitlich erst kurz nach dem Abschluß des Grundstücksvertrags erfolgt. Ausschlaggebend ist, ob die Erwerber mit Abschluß des Grundstücksvertrags in ihrer Entscheidung über das ,,ob" und ,,wie" einer Bebauung frei bleiben.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) - ein Ehepaar - erwarben durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 16. April 1984 je zur Hälfte einen halben Miteigentumsanteil an einem Grundstück in . . . Veräußerer war Herr A. Daneben übernahmen die Kläger Trennungs-, Vermessungs- und Abrißkosten. Nach dem Grundstückskaufvertrag sollte das Grundstück mit einem Doppelhaus bebaut werden, davon eine Doppelhaushälfte für die Kläger. Die Kläger verpflichteten sich, gemeinsam mit den Erwerbern des anderen Miteigentumsanteils das Grundstück nach dem Wohnungseigentumsgesetz zu teilen. Die Kläger zahlten an den Makler B . . . DM aufgrund eines Maklervertrags. Am 18. April 1984 erteilten die Kläger dem Architekten C Vollmacht. Mit diesem schlossen sie auch einen Architektenvertrag ab. Dieser Vertrag war - bezüglich der Unterschrift des Klägers - datiert mit 18. Mai 1984. Am 12. Mai 1984 schlossen die Kläger einen Vertrag mit der D-KG über die Lieferung und Errichtung einer Doppelhaushälfte in Fertigbauweise. Außerdem fielen Kosten für eine Keller-Außentreppe an. Das von den Klägern erworbene Grundstück wurde durch Zeitungsanzeigen von dem Makler B mit einem D-Haus bebaut angeboten. Der Makler erhielt für die Vermittlung des von den Klägern erworbenen Hauses eine Provision von der Herstellerfirma des Fertighauses. Der Geschäftssitz des Maklers ist mit dem des Veräußerers des Grundstücks identisch. Die Geschäfte werden in denselben Räumen abgewickelt, die auch von dem Grundstücksveräußerer benutzt werden. Neben seinem Gewerbe steht der Makler noch in einem Dienst- und Arbeitsverhältnis zu dem Grundstücksveräußerer. Auch der Architekt C steht in Geschäftsverbindungen mit der D-KG und erhielt von dieser für das von den Klägern erworbene Haus eine Provision. Die später durchgeführte Bebauung des Grundstücks mit einem Doppelhaus der D-KG wurde von dem Architekten bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrags durch die Kläger projektiert.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen die Kläger Grunderwerbsteuer fest. Dabei sah es die Gesamtheit der Verträge als einheitliches Vertragswerk an, dessen Gegenstand das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück sei. Die Festsetzungen erfolgten teilweise vorläufig.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machten die Kläger sinngemäß geltend, daß nur die Aufwendungen aus dem Grundstückskaufvertrag - ohne Maklergebühr - zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen seien. Es habe keine Bindung an die ursprüngliche Doppelhausplanung bestanden. Die Bürogemeinschaft zwischen Makler und Grundstücksveräußerer sei ihnen nicht bekannt gewesen.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei im Streitfall nur der Miteigentumsanteil an dem unbebauten Grundstück. Die Maklerprovision gehöre nicht zur Gegenleistung. Die Leistungen aufgrund des Grundstückskaufvertrags und aufgrund der anderen Verträge seien nicht als einheitliche Leistung zu beurteilen. Eine einheitliche Leistung gerichtet auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks ergebe sich nicht notwendigerweise aus einem einheitlichen Vertrag. Ein einheitlicher Vertrag wiederum liege nicht schon dann vor, wenn mehrere Verträge mit mehreren Vertragsparteien auf der Leistungsseite in ihrer Wirksamkeit voneinander abhängig seien. Im Streitfall liege kein einheitlicher Vertrag i. S. des § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor. Die Wirksamkeit der Verträge sei nicht vom Abschluß und/oder dem Fortbestand der jeweils anderen Verträge abhängig gewesen. Den Klägern hätte das Grundstück nicht mehr entzogen werden können, wenn sie sich für eine andere Doppelhaushälfte entschieden oder wenn sie sich später von den anderen Verträgen gelöst hätten. Es sei nicht feststellbar, daß sich die verschiedenen Vertragspartner der Kläger zusammengetan hätten, um eine gemeinschaftliche Leistung zu erbringen.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983). In der Revisionsschrift wurde das FA als Klägerin und Revisionsbeklagte bezeichnet, die klagenden Eheleute dagegen als Beklagter und Revisionskläger.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig.
Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben (§ 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dazu ist es erforderlich, daß auch die Beteiligten bezeichnet werden. Es muß eindeutig erkennbar sein, wer Revision einlegen will und gegen wen sie sich richtet. Dieser Anforderung genügt die Revisionsschrift. Da das FA nur als Beklagter in Betracht kommt und als Kläger nur die beiden Kläger auftreten können, ist die fehlerhafte Bezeichnung in der Revisionsschrift eindeutig und ohne weiteres als Versehen erkennbar. Es besteht kein Zweifel, wer als Revisionskläger gegen welche Entscheidung Revision einlegen wollte.
2. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
a) Im Ergebnis zutreffend hat das FG die an den Makler gezahlte Provision nicht als Gegenleistung angesehen. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, besteht kein Anhalt, daß die Kläger mit der Maklerprovision eigentlich eine Verpflichtung des Grundstücksveräußerers übernommen haben. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Verpflichtung zur Zahlung der Maklergebühr zivilrechtlich wirksam bestanden hat. Die Beteiligten haben jedenfalls das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen (§ 41 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Das Zusammenwirken zwischen Grundstücksveräußerer und Makler macht die Maklerprovision alleine nicht zur Gegenleistung.
b) Das FG hat den grunderwerbsteuerrechtlichen Begriff des Gegenstandes des Erwerbsvorgangs verkannt.
Der notariell beurkundete Vertrag über den Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Grundstück ist ein (jeweils) der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).
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Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach den dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Für eine derartige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls enthalten die Entscheidungen des Senats in BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181 und in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183 beispielgebende Hinweise. Danach kann sich der enge sachliche Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen daraus ergeben, daß die Erwerber sich bereits vor dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge zivilrechtlich gebunden haben. Im Gegensatz zu den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten erfolgte im Streitfall nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist, der Abschluß der zur Errichtung des Gebäudes notwendigen Verträge zeitlich erst kurz nach dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags. Allein dadurch wird ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag jedoch noch nicht ausgeschlossen. Ein solcher kann dann bestehen, wenn die Kläger (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags in ihrer Entscheidung über das ,,ob" und ,,wie" einer Bebauung nicht mehr frei waren. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben. Das Vorliegen einer solchen Bindung ist im Streitfall aufgrund des gesamten Geschehensablaufs zwar naheliegend, vom FG aber nicht festgestellt.
Das Vorliegen eines objektiv engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen wird im Streitfall nicht dadurch ausgeschlossen, daß den Klägern verschiedene Vertragspartner gegenüberstehen. Es ist insoweit nicht ausschlaggebend, daß der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist vielmehr, daß (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Nach Auffassung des Senats kann eine derartige Verflechtung bereits bestehen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen aufgrund einer vertraglichen Abrede (z. B. Maklerauftrag) bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß beider Verträge hinzielen (vgl. Urteil in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183). Im Streitfall kann diese Verflechtung darin bestehen, daß die projektanbietende Maklerin sowohl für den Grundstücksveräußerer als auch für die Fertighausfirma tätig war.
c) Die Entscheidung des FG geht von anderen Rechtsgrundsätzen aus. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat nicht alle Umstände festgestellt, die im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sind. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Bei seiner Entscheidung wird das FG zu berücksichtigen haben, daß der objektive enge sachliche Zusammenhang zwischen den Verträgen nicht schon dadurch ausgeschlsosen wird, daß sich die Erwerber - wenn auch ggf. unter Hinnahme von Rechtsnachteilen - allein von den Verträgen über das Gebäude wieder hätten lösen können. Derartige nachträglich möglicherweise eintretende, aber keineswegs geplante Umstände sind grunderwerbsteuerrechtlich erst dann zu berücksichtigen, wenn sie tatsächlich verwirklicht werden (vgl. § 16 GrEStG 1983).
Sollte sich herausstellen, daß im Streitfall zwar zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Vertrag über das Fertighaus objektiv ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, nicht aber zu allen (Neben-) Verträgen, die außerdem zur Errichtung des Gebäudes abgeschlossen wurden (im Streitfall z. B. der Architektenvertrag), so schließt dies nicht notwendig aus, daß gleichwohl das bebaute Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Die Aufwendungen aus den (Neben-)Verträgen, zu deren Abschluß die Kläger auch nach dem Grundstückskaufvertrag ggf. noch völlig freie Hand hatten bzw. bei denen die Vertragspartner nicht aufgrund einer vertraglichen Abrede mit den sonst auf der Veräußererseite auftretenden Personen verbunden waren, sind jedoch wie Eigenleistungen nicht in die Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 417197 |
BFH/NV 1991, 769 |