Entscheidungsstichwort (Thema)

Endgültige Steuerfestsetzung nach vorläufigem Bescheid

 

Leitsatz (NV)

Setzt das FA in einem Änderungsbescheid die Steuer ,,endgültig" fest, wird ein bisher bestehender Vorläufigkeitsvermerk aufgehoben, auch wenn die Aufhebung nicht ausdrücklich verfügt wird.

 

Normenkette

AO 1977 § 165

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte mit gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für vorläufig erklärtem Steuerbescheid vom 11. März 1982 für das Streitjahr 1980 gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) erklärungsgemäß Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM fest. Zur Begründung führte das FA in der Anlage zum Steuerbescheid folgendes aus: ,,Hinsichtlich der Berücksichtigung von Vorsteuern aus der Ersterwerbergemeinschaft X ergeht der Bescheid teilweise vorläufig gem. § 165 AO." In der Zeit vom 26. Januar 1983 bis zum 11. Februar 1983 fand beim Kläger eine Außenprüfung statt, die sich u. a. auch auf die Umsatzsteuer des Streitjahres erstreckte. Der Außenprüfer gelangte zu dem Ergebnis, daß die steuerpflichtigen Umsätze bezüglich der privaten Kfz-Nutzung und der privaten Telefonnutzung zu erhöhen seien und die abziehbaren Vorsteuern wegen der Kürzung von Pauschalen für Reisekosten zu vermindern seien.

Nach Abschluß der Außenprüfung erließ das FA am 11. Mai 1983 einen Umsatzsteuerbescheid für 1979 bis 1981. In diesem Bescheid heißt es: ,,Auf Grund des Berichts über die Außenprüfung vom Febr. 1983 wird die Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 1979-1981 nach § 164 Abs. 2 AO - § 173 AO wie folgt geändert und endgültig festgesetzt. Die Festsetzung für 1981 ist erstmalig." Für 1980 wurde die Umsatzsteuer entsprechend dem Ergebnis der Außenprüfung auf . . . DM festgesetzt.

Nachdem das für die Ersterwerbergemeinschaft X zuständige Finanzamt dem beklagten FA mitgeteilt hatte, daß dem Kläger für das Objekt kein Vorsteuerabzug zustehe, weil der Veräußerer der Grundstücke hinsichtlich des Verkaufs nicht zur Umsatzsteuer optiert habe, erließ das FA am 26. Januar 1984 für das Streitjahr einen auf § 165 AO 1977 gestützten geänderten und endgültigen Umsatzsteuerbescheid, in dem es die im Zusammenhang mit dem Objekt X erklärten Vorsteuern in Höhe von . . . DM nicht mehr berücksichtigte und Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM festsetzte.

Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus, daß der im Bescheid vom 11. März 1982 enthaltene Vorläufigkeitsvermerk durch den Bescheid vom 11. Mai 1983 nicht aufgehoben worden sei. Die im Erstbescheid angeordnete Vorläufigkeit hätte nur durch eine ausdrückliche Erklärung aufgehoben werden können. Die vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Vorsteuern aus Nebenkosten könnten nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht nachgewiesen habe.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts. Er führt aus, das FG habe gegen §§ 121, 165 AO 1977 verstoßen. Der im Erstbescheid enthaltene Vorläufigkeitsvermerk sei im Zweitbescheid aufgehoben worden. Im übrigen habe das FG seine Aufklärungspflichten verletzt. Es habe dem Vortrag des Klägers in der Klagebegründung nachgehen müssen, daß die Berechtigung des Vorsteuerabzugs aus dem Objekt X bei der Außenprüfung geprüft worden sei, ohne daß der Prüfer einen Anlaß für eine Änderung der Steuerfestsetzung gesehen habe. Auch hinsichtlich der Vorsteuern aus den Kaufnebenkosten sei das FG seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz sowie der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheids vom 26. Januar 1984 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorentscheidung verletzt § 165 Abs. 2 Satz 1, § 172 Abs. 1 AO 1977. Für die Änderung des Bescheids vom 11. Mai 1983 gibt es keine Rechtsgrundlage.

1. Der Bescheid vom 26. Januar 1984 konnte nicht auf § 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 gestützt werden. Die im ursprünglichen Steuerbescheid vom 11. März 1982 enthaltene Anordnung der Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung hinsichtlich der Vorsteuern aus der Ersterwerbergemeinschaft X wurde durch den Änderungsbescheid vom 11. Mai 1983 aufgehoben.

a) Ein Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO 1977 bleibt auch dann wirksam, wenn er in einem nachfolgenden, auf eine andere Änderungsvorschrift gestützten Änderungsbescheid nicht ausdrücklich wiederholt wird (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. September 1988 III R 191/84, BFHE 154, 430, BStBl II 1989, 9; vom 24. April 1990 IX R 58/85, BFH/NV 1991, 139). Wie bereits unter der Geltung der Reichsabgabenordnung (AO) kann eine vorläufige Steuerveranlagung nur durch ausdrückliche Erklärung endgültig i. S. von § 165 Abs. 2 AO 1977 werden (BFH-Urteile vom 23. Januar 1964 IV 168/61 S, BFHE 79, 559, BStBl III 1964, 436; vom 16. Oktober 1984 VIII R 162/80, BFHE 143, 299, BStBl II 1985, 448). Entsprechende Grundsätze gelten auch bei Steuerbescheiden unter Vorbehalt der Nachprüfung (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1988 X R 16/87, BFH/NV 1989, 663, m.w.N.).

b) Das FA hat im Bescheid vom 11. Mai 1983 ausdrücklich erklärt, daß die Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 1979 bis 1981 endgültig festgesetzt werde. Dies war ausreichend, um den ursprünglichen Vorläufigkeitsvermerk aufzuheben. Der Bescheid vom 11. Mai 1983 wurde mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Unerheblich ist, daß als Rechtsgrundlage für die endgültige Steuerfestsetzung für 1980 nicht § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 angegeben war. Die Angabe dieser Vorschrift war ebensowenig erforderlich, wie es für die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids notwendig ist, daß das FA die (zutreffende) Änderungsvorschrift benennt (BFH in BFH/NV 1991, 139, m. w. N.).

2. Der angefochtene Bescheid kann auch nicht auf eine andere Änderungsvorschrift gestützt werden. Einer Änderung wegen neuer Tatsachen (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) steht § 173 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 entgegen. Der Bescheid vom 11. Mai 1983 ist auf Grund einer Außenprüfung ergangen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417887

BFH/NV 1992, 3

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