Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrieb eines Blockheizkraftwerks als Betrieb gewerblicher Art
Leitsatz (amtlich)
- Die Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Gas, Fernwärme und Wasser durch die kommunalen Stadtwerke ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Betrieb gewerblicher Art (§ 4 Abs. 3 KStG). Bei dem Betrieb eines Klärwerks und der Wahrnehmung der öffentlichen Abwasserbeseitigung handelt es sich demgegenüber um eine hoheitliche Aufgabe der Daseinsvorsorge (§ 4 Abs. 5 KStG).
- Zu dem Betrieb gewerblicher Art können auch die Aufwendungen und Leistungen im Zusammenhang mit einem Blockheizkraftwerk gehören, durch das die Stadtwerke unter Verwendung der beim Klärprozess freiwerdenden Faulgase die für die Versorgung des Klärwerks benötigten Energien bereitstellen.
- Leistungen, die im Rahmen des Betriebs gewerblicher Art gegenüber der Trägerkörperschaft zu deren hoheitlichen Zwecken erbracht werden, erfordern ein im Geschäftsverkehr übliches Entgelt.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 3, 5, § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 2000, 1144) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Stadt, unterhält den Eigenbetrieb "Stadtwerke", der die Stadt und umliegende Gemeinden mit Strom, Gas, Fernwärme und Wasser versorgt und verschiedene Blockheizkraftwerke (BHKW) betreibt. Im Streitjahr 1989 errichteten die Stadtwerke im Betriebsgebäude des kommunalen Klärwerks ein weiteres BHKW, das sie dem Betriebszweig Fernwärmeversorgung zuordneten. Gleichzeitig wurde die veraltete Heizkesselanlage des Klärwerks gegen eine neue Anlage ausgetauscht. Die Stadtwerke und der Hoheitsbetrieb "Abwasserbeseitigung" haben im Zusammenhang mit dem Heizkraftwerk folgendes vereinbart:
Die Stadtwerke dürfen ein Gebäude des Hoheitsbetriebes für die von ihr errichteten Wärmeversorgungsanlagen nutzen und zahlen hierfür ein ―einmaliges― Nutzungsentgelt. Der Hoheitsbetrieb liefert den Stadtwerken Faulgas aus dem Klärprozess zu einem erdgasäquivalenten Preis. Bei nicht ausreichendem Anfall bzw. unzureichender Qualität des Faulgases wird aus der von den Stadtwerken zusätzlich erstellten Erdgasleitung Erdgas verwendet. Die Stadtwerke versorgen ihrerseits den Hoheitsbetrieb mit Wärme (Fernwärmeversorgungsvertrag vom 9. November 1989) und ―auf der Grundlage eines hierfür typischen Vertrages― mit Strom. Eine gesonderte Vereinbarung über die Verwendung des BHKW-Stromes ―der ohnehin nur ca. 15 v.H. des Bedarfs des Hoheitsbetriebes decken würde― besteht nicht.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) vertrat die Auffassung, das BHKW sei Hoheitsvermögen der Klägerin und der dieser obliegenden, hoheitlich betriebenen Abwasserentsorgung zuzurechnen. Daraus ergäben sich im Streitjahr 1989 als dem Jahr der Errichtung des BHKW und in den nachfolgenden Streitjahren 1990 bis 1995 in Höhe der Planungskosten und der Absetzung für Abnutzung (AfA) sowie hinsichtlich der Leistungsverrechnungen zwischen der Klägerin und den Stadtwerken zu deren Lasten verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).
Die Klagen, die die Klägerin gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide richtete, hatten Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab ihnen mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1144 abgedruckten Gründen statt.
Seine Revisionen stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, die FG-Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die ―zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―)― Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG.
Zwar ist diesem im Ergebnis darin zu folgen, dass das BHKW den Stadtwerken als Betriebsvermögen zuzuordnen ist und dass es von diesen betrieben wird. Die zwischen der Klägerin und den Stadtwerken getroffenen Vereinbarungen sind deshalb als solche steuerlich anzuerkennen. Die tatrichterlichen Feststellungen genügen jedoch nicht, um abschließend zu beurteilen, ob die Stadtwerke der Klägerin als Trägerkörperschaft marktgerechte Entgelte berechnet haben.
1. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Stadtwerke als Versorgungsbetrieb nicht überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen und sonach kein Hoheitsbetrieb der Klägerin i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), sondern ein Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 4 Abs. 3 KStG sind (vgl. dazu Bott in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 4 Rz. 83 ff.; s. auch Senatsurteil vom 30. November 1989 I R 79-80/86, BFHE 159, 331, BStBl II 1990, 452, zur Wasserversorgung; Bundesminister der Finanzen ―BMF―, Schreiben vom 23. August 1979, Der Betrieb ―DB― 1979, 2458, zur Müllverbrennung).
2. Zu diesem Betrieb gewerblicher Art gehören auch die Aufwendungen der Stadtwerke im Zusammenhang mit dem im Betriebsgebäude des Klärwerks errichteten BHKW sowie den durch dessen Betrieb ausgelösten Leistungsbeziehungen zu der Klägerin. Da das BHKW notwendiges Betriebsvermögen der Stadtwerke ist, kommt es auf die Frage nicht an, ob ein Betrieb gewerblicher Art auch über gewillkürtes Betriebsvermögen verfügen kann.
Zwar sind der Betrieb eines Klärwerks und die Wahrnehmung der öffentlichen Abwasserbeseitigung als Pflichtaufgaben der kommunalen Selbstverwaltung grundsätzlich hoheitliche Aufgaben der Daseinsvorsorge (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 des Wassergesetzes des Landes Schleswig-Holstein i.d.F. vom 7. Februar 1991, Gesetzblatt für Schleswig-Holstein 1992, 81, und i.d.F. vom 13. Juni 2000, Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein 2000, 490, 550; Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 18a Rz. 9 ff., 14; vgl. auch Senatsurteil vom 29. März 2000 I R 32/99, BFHE 192, 59, BStBl II 2000, 496, m.w.N.; Bott in Arthur Andersen, a.a.O., § 4 Rz. 201). Zu diesem hoheitlich wahrzunehmenden Bereich kann auch die (Wieder-) Verwertung der bei dem Klärprozess freiwerdenden und gewonnenen Energien in Gestalt von Faulgasen durch entgeltliche Abgabe an Dritte als Neben- oder Hilfsgeschäft gehören (vgl. insoweit auch Abschn. 5 Abs. 14 und Abs. 24 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995 ―KStR 1995―; BMF-Schreiben vom 13. März 1987, BStBl I 1987, 373; ferner FG Münster, Urteil vom 21. April 1986 IX 3394/84 K, EFG 1986, 619; kritisch Seer, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1992, 1751, 1755 f.). Im Einzelnen kann dies aber dahinstehen.
Im Streitfall steht nicht der in der Fremdabgabe liegende Verschaffungsvorgang, also die Abgabe der Faulgase durch das Klärwerk, sondern der Beschaffungsvorgang der von diesem benötigten Wärme und des benötigten Stroms im Vordergrund. Wärme wie Strom beschafft sich das Klärwerk nicht lediglich als reiner "Selbstversorger" durch eigene Energiegewinnung (vgl. dazu Felder in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 4 KStG Rz. 65), sondern aufgrund der getroffenen Vereinbarungen und gesondert abgeschlossener Lieferungsverträge als Abnehmer der Stadtwerke. Das BHKW wird dementsprechend nicht von dem Klärwerk unterhalten und betrieben, sondern von den Stadtwerken, zu deren "Unternehmensgegenstand" die Wärme- und Stromversorgung an ―private, aber durchaus auch hoheitliche― Abnehmer als Endverbraucher gehört. Ausschlaggebend für die steuerrechtliche Beurteilung ist in diesem Zusammenhang, dass für die Versorgung bereitgestellte Energien (Wärme und Strom) ihrerseits mittels Primärenergien "geschaffen" oder anderweitig, z.B. durch Ankäufe, beschafft werden müssen; ohne Energiebeschaffung ist eine Energieversorgung nicht denkbar und kann nicht durchgeführt werden. Die Beschaffung ist damit untrennbarer Teil der Versorgung, die nicht als Hilfs- oder Nebengeschäft hinter die hoheitliche Tätigkeit des Abwasserbeseitigers zurücktritt, sondern sich vielmehr umgekehrt für den Versorgungsbetrieb als notwendige und vorbereitende Vorstufe für die Erbringung der Energieversorgung darstellt. Dass die für diese Versorgung erforderlichen primären Energiequellen ―ganz oder teilweise― von dem Abnehmer, wie im Streitfall von dem Klärwerk, zuvor selbst "beigesteuert" werden, ändert daran nichts. Auch in einem solchen Fall des "integrierten" Kreislaufs wiederverwertbarer (regenerativer) Stoffe oder Energiequellen oder daraus gewonnener (Roh-)Stoffe wird die Energiebeschaffung von der Energieversorgung absorbiert (im Ergebnis ebenso Bott in Arthur Andersen, a.a.O., § 4 Rz. 90 und Rz. 200, 201; vgl. auch Senatsurteil in BFHE 159, 331, BStBl II 1990, 452; Oberfinanzdirektion Düsseldorf, Verfügung vom 8. November 1982 S 2706 A-St 13 H, jeweils zur Wasserbeschaffung und -versorgung).
Zu einer abweichenden Beurteilung führt nicht der Umstand, dass einerseits das BHKW auf dem Gelände des Klärwerks errichtet (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30. März 2000 III R 58/97, BFHE 192, 76, BStBl II 2000, 449, zu Hausanschlussstationen von Fernwärmeversorgungsunternehmen) und auf dessen Bedürfnisse abgestimmt wurde und andererseits die angelieferten Faulgasmengen im Wesentlichen ausreichten, um den Betrieb des Klärwerks sicherzustellen und das BHKW auszulasten. Daran erweist sich lediglich die kunden- und bedarfsgerechte Ausstattung und Kapazitätsauslegung des Kraftwerks. Der einheitliche Versorgungscharakter der zu erbringenden Leistungen bleibt hiervon unberührt. Dieser Charakter wird im Gegenteil zusätzlich durch zwei weitere Gesichtspunkte erhärtet. Zum einen ist der BHKW-Strom zur Abdeckung gelegentlicher Leistungsspitzen oder im Falle einer ―wenn auch praktisch selten vorkommenden― Überproduktion in das allgemeine Netz einzuleiten. Zum anderen können Lieferengpässe an Faulgasen mittels der von den Stadtwerken eigens errichteten Erdgasleitung und der hierdurch ermöglichten Einspeisung herkömmlich produzierter Energien aus dem allgemeinen Leitungsnetz zum Betrieb des Klärwerks ausgeglichen werden (vgl. allgemein zu solchen Wechselwirkungen beim Betrieb eines BHKW Felder in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a.a.O., § 4 KStG Rz. 71, Stichwort Blockheizkraftwerk).
3. Gehört das BHKW damit aber ―vollen Umfanges― zum (notwendigen) Betriebsvermögen der Stadtwerke, ziehen weder die hierfür aufgewendeten Planungskosten noch die Aufwendungen aus der AfA vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) zum Vorteil der Klägerin als Trägerkörperschaft (vgl. dazu allgemein zuletzt Senatsurteil vom 17. Mai 2000 I R 50/98, BFHE 192, 92, m.w.N.) nach sich. Gleichermaßen ergeben sich im Grundsatz keine vGA aus den von den Stadtwerken erbrachten Strom- und Wärmelieferungen unter Verwendung der von dem Klärwerk zur Verfügung gestellten Faulgase. Allerdings müssen solche Leistungen auch durch einen Betrieb gewerblicher Art gegenüber der Trägerkörperschaft so abgerechnet werden, wie dies unter fremden Dritten üblich ist, was ―neben dem vollen Ausgleich der Kostendeckung― insbesondere angemessene Gewinnaufschläge erfordert (vgl. z.B. Senatsurteile vom 10. Juli 1996 I R 108-109/95, BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230; vom 17. November 1999 I R 4/99, BFH/NV 2000, 1502, m.w.N.). Andernfalls lägen im Umfang einer dadurch bedingten Unterdeckung auf Seiten des Betriebs gewerblicher Art, hier der Stadtwerke, vGA vor (Senatsurteil in BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230). Die Vorinstanz hat dies im Streitfall nicht weiter geprüft. Das wird im 2. Rechtsgang nachzuholen sein, weshalb die Urteile des FG aufzuheben und die Sachen zurückzuverweisen waren.
Fundstellen
Haufe-Index 639725 |
BFH/NV 2001, 1675 |
BStBl II 2001, 773 |
BFHE 195, 572 |
BFHE 2002, 572 |
BB 2001, 2201 |
DB 2001, 2278 |
DStR 2001, 1791 |
HFR 2001, 1174 |
StE 2001, 619 |