Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines rechtsbeständigen Zinsbescheids, mit dem Zinsen auf eine zurückgeforderte Ausfuhrerstattung festgesetzt worden sind; kein Wiederaufgreifen des Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufhebung eines rechtsbeständigen Zinsbescheids, mit dem Zinsen auf eine zurückgeforderte Ausfuhrerstattung festgesetzt worden sind, richtet sich nach den Vorschriften des VwVfG.
2. Erweist sich wegen einer Änderung der Rechtsprechung zu den Erstattungsvoraussetzungen die Rückforderung der Ausfuhrerstattung und damit auch die rechtsbeständige Zinsfestsetzung als rechtswidrig, besteht mangels nachträglicher Änderung der Rechtslage kein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens. Die Rücknahme des Zinsbescheids steht in diesem Fall gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Ermessen der Behörde.
Normenkette
MOG § 6 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 14; VwVfG § 48 Abs. 1, § 51 Abs. 1; FGO § 102
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) forderte mit Bescheid vom März 1995 der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) gewährte Ausfuhrerstattungen zurück. Die Klägerin focht den Rückforderungsbescheid mit Einspruch und Klage an und zahlte währenddessen den Betrag in monatlichen Raten zurück. Mit Zinsbescheid vom April 1997 setzte das HZA gemäß § 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. September 1995 (BGBl I 1995, 1146) sowie des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. Mai 1996 (BGBl I 1996, 656) Zinsen auf den Rückforderungsbetrag fest. Die Klägerin focht diesen Zinsbescheid nicht an und zahlte die angeforderten Zinsen in einvernehmlich festgesetzten Raten. Mit Änderungsbescheid vom August 1998 reduzierte das HZA den Rückforderungsbetrag, erließ im Oktober 1998 auch einen entsprechenden Änderungsbescheid zum Zinsbescheid und erstattete der Klägerin die Differenz. Nachdem das HZA den geänderten Rückforderungsbescheid im Revisionsverfahren in vollem Umfang zurückgenommen hatte, beantragte die Klägerin im Januar 2003 die Erstattung der restlichen von ihr gezahlten Zinsen. Das HZA sah hierin wegen der Unanfechtbarkeit des Zinsbescheids einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), den es wegen Versäumung der Antragsfrist gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG mit Bescheid vom März 2003 ablehnte. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom Mai 2003 zurück.
Das Finanzgericht (FG) hob den Zinsbescheid vom April 1997 in der Fassung des Änderungsbescheids auf und urteilte, dass das HZA nach § 233a Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) verpflichtet sei, die Zinsfestsetzung aufzuheben, da es auch den Rückforderungsbescheid vom März 1995 aufgehoben habe. Entgegen der Ansicht des HZA sei im Streitfall nicht das VwVfG, sondern die AO 1977 anwendbar. Nach der noch zu § 8 Abs. 2 MOG a.F., der Vorgängervorschrift zu § 12 Abs. 1 MOG, ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien auf Abgaben zu Marktordnungszwecken die Vorschriften der AO 1977 anzuwenden. Dabei sei es unerheblich, dass im Streitfall die Zinsen nicht auf solche Abgaben zu Marktordnungszwecken, sondern auf zurückgeforderte Ausfuhrerstattungen festgesetzt worden seien. Auch auf nach § 14 Abs. 1 und 2 MOG festzusetzende Zinsen fänden nach der Rechtsprechung des BFH die Vorschriften der AO 1977 Anwendung.
Mit seiner Revision macht das HZA geltend, dass auf die Zinsfestsetzung nicht die Vorschriften der AO 1977, sondern des VwVfG anzuwenden seien. § 12 MOG verweise auf die Vorschriften der AO 1977 nur bezüglich Abgaben zu Marktordnungszwecken, um die es jedoch im Streitfall nicht gehe. Die in dem angefochtenen FG-Urteil herangezogenen Entscheidungen des BFH bezögen sich entweder auf solche Abgaben zu Marktordnungszwecken oder auf Prozesszinsen für Ansprüche auf besondere Vergünstigungen gemäß § 14 Abs. 2 MOG, der insoweit auf §§ 236, 238 und 239 AO 1977 verweise. Die im Streitfall einschlägige Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG enthalte hingegen keinen Verweis auf Vorschriften der AO 1977.
Die Klägerin schließt sich der Rechtsauffassung des FG an. Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 MOG sei für die zu entscheidende Rechtsfrage unergiebig, da die Vorschrift weder auf die AO 1977 noch auf das VwVfG verweise. Da nach der Rechtsprechung des BFH auf Zinsbescheide nach § 14 Abs. 1 Satz 2 MOG die Vorschriften der AO 1977 entsprechend anzuwenden seien, müsse dies auch für die Verzinsung von Ansprüchen auf Erstattung von besonderen Vergünstigungen gelten, denn es sei kein Grund ersichtlich, der insoweit die Anwendung unterschiedlicher Verfahrensordnungen rechtfertige. Es sei anzunehmen, dass der Gesetzgeber im Rahmen von Änderungen des § 14 Abs. 1 MOG auf die Vorschriften des VwVfG verwiesen hätte, wenn deren Anwendung beabsichtigt gewesen sein sollte.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Aufhebung des Zinsbescheids vom 22. April 1997 durch das FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Die vom FG vorgenommene Aufhebung des Zinsbescheids vom April 1997 durch Gestaltungsurteil kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich um einen unanfechtbaren Verwaltungsakt handelt. Auch bei der vom FG für zutreffend gehaltenen Anwendung der Vorschriften der AO 1977 könnte die Klägerin ihr Klageziel nur durch eine auf Aufhebung des Zinsbescheids durch das HZA gerichtete Verpflichtungsklage erreichen (vgl. Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl., § 172 Rz. 77, § 175 Rz. 46). Da bei der Auslegung von Rechtsbehelfen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Rechtsbehelf eingelegt werden soll, der den Belangen des Rechtsbehelfsführers entspricht und zu dem von ihm angestrebten Erfolg führen kann (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1985 I R 30/85, BFH/NV 1986, 675; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2000 V B 190/99, BFH/NV 2000, 872; Senatsbeschluss vom 17. Juli 1996 VII R 43/96, BFH/NV 1997, 50), ist der von der Klägerin gestellte Aufhebungsantrag als Verpflichtungsantrag anzusehen, der darauf gerichtet ist, das HZA unter Aufhebung des Bescheids vom März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Mai 2003 zu verpflichten, den Zinsbescheid vom April 1997 in der Fassung des Änderungsbescheids vom Oktober 1998 aufzuheben.
2. Die begehrte Aufhebung des rechtsbeständigen Zinsbescheids richtet sich indes nach den Vorschriften des VwVfG. Dieses Gesetz gilt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Bundes. Nach der im Streitfall allein in Betracht kommenden Ausnahme des § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG gilt das Gesetz allerdings nicht für Verfahren (u.a.) der Bundesfinanzbehörden nach der AO 1977. Da aber die AO 1977 nur für Steuern und steuerliche Nebenleistungen gilt (§ 1 AO 1977) und deshalb --wie § 3 AO 1977 zeigt-- auf marktordnungsrechtliche Zinsbescheide, mit denen Zinsen auf zurückgeforderte marktordnungsrechtliche Vergünstigungen festgesetzt werden, keine Anwendung findet, könnten Vorschriften der AO 1977 im Streitfall nur herangezogen werden, wenn das MOG insoweit auf bestimmte Vorschriften der AO 1977 oder auf die AO 1977 insgesamt verwiese. Dies ist jedoch nicht der Fall.
a) Ausfuhrerstattungen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 MOG (in der seinerzeit geltenden Fassung --s.o.--) besondere Vergünstigungen im Sinne des MOG. Ansprüche auf Erstattung von besonderen Vergünstigungen waren nach § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG (in der seinerzeit geltenden Fassung --s.o.--) vom Zeitpunkt des Empfanges an mit 3 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen. Bei dem Zinsbescheid vom April 1997 handelt es sich um eine solche Zinsfestsetzung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG. Diese Vorschrift enthält keinen Verweis auf Vorschriften der AO 1977.
b) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG sind --sofern nichts Abweichendes geregelt ist-- auf Abgaben zu Marktordnungszwecken die Vorschriften der AO 1977 mit Ausnahme des § 222 Satz 3 und 4 entsprechend anzuwenden. Der Streitfall betrifft jedoch keine Abgaben zu Marktordnungszwecken, sondern die Rückforderung von besonderen Vergünstigungen und die hierauf festzusetzenden Zinsen. Das angefochtene Urteil stützt sich somit zu Unrecht auf diese Vorschrift und zieht auch zu Unrecht die Senatsurteile vom 16. Januar 1990 VII R 102/87 (BFHE 160, 87) und vom 17. August 1993 VII R 123/92 (BFHE 172, 558) für die vom FG vertretene Rechtsauffassung heran, da sich jene Urteile mit der Zuckerproduktionsabgabe bzw. der Milch-Garantiemengenabgabe, also mit Abgaben zu Marktordnungszwecken, befassen und --soweit es in der Entscheidung in BFHE 172, 558 um Zinsen geht-- mit § 14 Abs. 1 Satz 2 MOG. Der Ansicht des FG, es sei "unerheblich", dass im Streitfall die Zinsen nicht auf Abgaben zu Marktordnungszwecken, sondern auf zurückgeforderte Ausfuhrerstattungen festgesetzt worden seien, ist nicht zu folgen. § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG gilt für besondere Vergünstigungen und enthält im Gegensatz zu dem Abgaben zu Marktordnungszwecken betreffenden § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG keinen Verweis auf Vorschriften der AO 1977.
Das weitere vom FG herangezogene Senatsurteil vom 29. April 1997 VII R 91/96 (BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476) betrifft Prozesszinsen für Ansprüche auf besondere Vergünstigungen gemäß § 14 Abs. 2 MOG und ist somit im Streitfall ebenfalls nicht einschlägig.
3. Richtet sich somit die im Streitfall beantragte Aufhebung des rechtsbeständigen Zinsbescheids vom April 1997 nach den Vorschriften des VwVfG, so erweist sich das FG-Urteil auch nicht als im Ergebnis zutreffend (§ 126 Abs. 4 FGO).
a) Die Klägerin hat bezüglich des rechtsbeständigen Zinsbescheids keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG, denn von den in § 51 Abs. 1 VwVfG genannten Fällen, welche die Behörde zum Wiederaufgreifen verpflichten, ist keiner einschlägig. Das HZA hat den Rückforderungsbescheid vom März 1995 im Revisionsverfahren VII R 9/02 aufgehoben, weil es nach dem inzwischen ergangenen Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 14. Dezember 2000 Rs. C-110/99 (EuGHE 2000, I-11569) davon ausgehen musste, dass es die der Klägerin gewährten Ausfuhrerstattungen zu Unrecht zurückgefordert hatte. Bestand aber --ausgehend von dieser Rechtsprechung des EuGH, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Senatsurteil vom 21. März 2002 VII R 35/01, BFHE 198, 247)-- der Rückforderungsanspruch des HZA von Anfang an nicht, so bestand auch von Anfang an kein entsprechender Zinsanspruch. Der Zinsbescheid vom April 1997 ist daher rechtswidrig, ohne dass dies auf einer späteren Änderung der Sach- oder Rechtslage zu Gunsten der Klägerin (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) beruht; insbesondere ist in dem genannten EuGH-Urteil keine Änderung der Rechtslage zu sehen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juni 1989 V R 37/83, BFH/NV 1990, 156). Die übrigen Wiederaufgreifensgründe gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwVfG kommen im Streitfall von vornherein nicht in Betracht.
b) Als Rechtsgrundlage für die begehrte Aufhebung des rechtsbeständigen Zinsbescheids kommt somit allein § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in Betracht, der gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG unberührt bleibt. Danach ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, möglich und steht im Ermessen der Behörde. Der vom Verwaltungsakt Betroffene hat somit keinen Anspruch auf Rücknahme (Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl., § 48 Rn. 79; vgl. zur gleich lautenden Vorschrift des § 130 Abs. 1 AO 1977: Klein/Rüsken, a.a.O., § 130 Rz. 29).
aa) Ein Anspruch der Klägerin auf Rücknahme des Zinsbescheids vom April 1997 ergibt sich im Streitfall auch nicht aus dem EuGH-Urteil vom 13. Januar 2004 Rs. C-453/00 (EuGHE 2004, I-837). Nach diesem Urteil ist die Behörde nur unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer zwischenzeitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH Rechnung zu tragen, wozu u.a. gehört, dass die zu überprüfende Verwaltungsentscheidung durch ein Urteil eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden ist. An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall, da die Klägerin den Zinsbescheid vom April 1997 nicht angefochten hat.
bb) Gemäß § 102 Satz 1 FGO ist im Streitfall somit zu prüfen, ob das HZA mit der Ablehnung der Rücknahme des Zinsbescheids die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Gründe die dafür sprechen, dass das Ermessen des HZA auf Null reduziert ist und nur eine Rücknahme des Zinsbescheids als einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung in Betracht kommt, sind nicht ersichtlich. Dass ein Festhalten am rechtsbeständigen Zinsbescheid unzumutbar oder schlechthin unerträglich wäre oder dass der Rechtsverstoß durch den Zinsbescheid besonders schwer wöge (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 83; Klein/Rüsken, a.a.O., § 130 Rz. 29), kann nicht angenommen werden. Denn dass sich der Zinsbescheid in Anlehnung an den Rückforderungsbescheid an der damaligen Rechtsprechung orientierte, die nach Eintritt seiner Bestandskraft geändert wurde, stellt keinen schwerwiegenden Rechtsverstoß dar und führt daher nicht zu einer Ermessenreduktion auf Null bezüglich der Rücknahme dieses Verwaltungsakts.
Ebenso wenig kann angenommen werden, dass das HZA das ihm eingeräumte Ermessen im Streitfall noch gar nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung), denn das HZA hat die Ablehnung der Rücknahme des Zinsbescheids in der Einspruchsentscheidung vom Mai 2003 auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG begründet. Somit ist zu prüfen, ob die Ablehnung der Rücknahme des rechtswidrigen Zinsbescheids gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ermessensfehlerfrei i.S. des § 102 Satz 1 FGO erfolgt ist.
cc) Da sich das FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung mit den Ermessenserwägungen des HZA rechtlich nicht auseinander gesetzt und diese nicht einmal im Tatbestand des Urteils dargestellt hat, hält es der Senat allerdings nicht für gerechtfertigt, selbst die Prüfung gemäß § 102 Satz 1 FGO vorzunehmen und in der Sache selbst zu entscheiden, da der Klägerin sonst die erste Instanz genommen würde (vgl.: Rüsken in Beermann/Gosch, FGO § 126 Rz. 51.1; Senatsurteil vom 26. Juli 2005 VII R 57/04, BFHE 210, 205, BStBl II 2005, 814).
Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob bei der Ablehnung der Rücknahme des Zinsbescheids die im Streitfall maßgebenden Gesichtspunkte in den Ermessenserwägungen des HZA in sachgerechter Weise berücksichtigt und gegeneinander abgewogen worden sind. Dabei ist von Folgendem auszugehen:
Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung, ob sie einen rechtswidrigen unanfechtbaren Verwaltungsakt zurücknimmt, zwischen der Einzelfallgerechtigkeit und dem öffentlichen Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden abzuwägen (vgl. Kopp/ Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 82; Klein/Rüsken, a.a.O., § 130 Rz. 27). Sie bedarf allerdings keines besonderen Grundes, um die beantragte Rücknahme abzulehnen, sondern kann auf den früheren Verwaltungsakt sowie darauf verweisen, dass der Betroffene die Möglichkeit gehabt hat, einen Rechtsbehelf einzulegen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 80). Die Ablehnung eines Antrags auf Rücknahme ist daher grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn nur solche Umstände vorgetragen werden, die in einem Rechtsbehelfsverfahren hätten geltend gemacht werden können (Klein/Rüsken, a.a.O., § 130 Rz. 29, m.w.N.).
Im Streitfall ist daher zu berücksichtigen, dass --wie ausgeführt-- die Rechtswidrigkeit des Zinsbescheids von Anfang an bestand und sich nicht etwa die Rechtslage rückwirkend zu Gunsten der Klägerin geändert hat und sie somit seinerzeit keine Möglichkeit hatte, sich mit Erfolg auf die Rechtswidrigkeit des Zinsbescheids in einem Rechtsbehelfsverfahren zu berufen. Die Klägerin hat vielmehr im Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheids bis zum gerichtlichen Revisionsverfahren --und letztlich mit Erfolg-- geltend gemacht. Auf die Anfechtung des dazugehörigen Zinsbescheids zu verzichten, bestand daher auch aus ihrer damaligen Sicht kein Grund. Zu berücksichtigen könnte auch sein, dass das HZA nach Reduktion des Rückforderungsbetrags auch den Zinsbescheid im Oktober 1998 entsprechend geändert und Zinsen erstattet hatte. Andererseits kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin in Anbetracht dieses Änderungsbescheids und im Vertrauen darauf, dass das HZA bei einem Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren auch die verbliebene Zinsfestsetzung aufheben werde, die Anfechtung des Zinsbescheids unterließ, da der Zinsbescheid vom April 1997 im Zeitpunkt der Herabsetzung der Zinsen bereits seit langem bestandskräftig war.
Sollte das FG zu der Auffassung gelangen, dass die Ermessensgründe des HZA die Ablehnung der beantragten Rücknahme nicht tragen, wird außerdem zu beachten sein, dass das HZA die Ermessenserwägungen nach § 102 Satz 2 FGO ergänzen kann und dass auch im Fall nicht sachgerechter Ermessensausübung das HZA gemäß § 101 Satz 2 FGO nur zur Neubescheidung verpflichtet werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 1557144 |
BFH/NV 2006, 2013 |
BFHE 2006, 466 |
BFHE 213, 466 |
BB 2006, 1897 |
DStRE 2006, 1543 |
HFR 2006, 1140 |