Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Umstellung von Verbindlichkeiten zwischen Eltern und Kindern.

 

Normenkette

UG § 18 Abs. 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat in den Jahren 1945 bis 1947 von seinem Sohn A. und von seiner Tochter B. aus deren erspartem Arbeitseinkommen in ungleichen Einzelbeträgen insgesamt 10.661,18 RM bzw. 10.876,21 RM erhalten. In gleichlautenden Schuldurkunden vom 31. Dezember 1947 beurkundete der Bf., von seinen Kindern "Baudarlehen" im Gesamtbetrag von je 11.000 RM erhalten zu haben. Der aufgerundete Betrag von je 11.000 RM rührt daher, daß in einem Fall 338,82 RM, im anderen Fall 123,79 RM aufgelaufene, bis 31. Dezember 1947 nicht bezahlte Zinsen dem Grundbetrag zugeschlagen wurden. Nach den Schuldurkunden sollten die hingegebenen Beträge, die fast ausschließlich zur Rückzahlung aufgewerteter, an einem Grundstück des Bf. hypothekarisch, gesicherter Forderungen der Geschwister des Bf. aus einer Erbauseinandersetzung verwendet worden seien, jährlich mit 4 % verzinst und auf dem Grundbesitz des Bf. hypothekarisch gesichert werden. Das Kapital sollte zunächst beiderseits unkündbar sein, jedoch sollte dem Umstand, daß die Verhältnisse der Beteiligten eine Rückzahlung nötig machen sollten, soweit wie möglich beiderseits in fairer Weise Rechnung getragen werden. In der Vermögenserklärung für die Hauptveranlagung 1949 gab der Bf. die Schulden an seinen Sohn mit 12.161 DM, an seine Tochter mit 12.526 DM (das heißt die vorgenannten, entgegen dem Inhalt der Schuldurkunden nicht hypothekarisch gesicherten Beträge zuzüglich aufgelaufener Zinsen) an und erklärte auf eine Anfrage des Finanzamts, die ihm aus den genannten Zuwendungen seiner Kinder erwachsenen Verbindlichkeiten seien gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. 3 des Umstellungsgesetzes (UG) im Verhältnis 1 : 1 behandelt worden. Die Vorbehörden haben eine Umstellung im Verhältnis 1 : 1 nicht anerkannt und nur je 10 % der Schuldbeträge von 12.161 RM und 12.526 RM zum Abzug zugelassen. Um die Umstellung geht der Streit.

Das Finanzgericht - das irrtümlich angenommen hat, bei den Erbauseinandersetzungsansprüchen, zu deren Befriedigung die Gelder der beiden Kinder verwendet wurden, habe es sich um Ansprüche der vier Kinder des Bf. (der Bf. hat nur die beiden als Geldgeber aufgetretenen Kinder) gehandelt - hat das vom Finanzamt angewandte Umstellungsverhältnis 10 : 1 für zutreffend erachtet. § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UG setze das Vorliegen von Ansprüchen aus einer "Gemeinschaft" voraus, die vorliegendenfalls zwischen dem Bf. und seinen Kindern nicht besteht. Es handle sich um reine Geldsummenschulden des Bf. Mit den dem Bf. von seinen Kindern übergebenen Geldern sollten die Erbauseinandersetzungsansprüche abgelöst und getilgt werden, und so sei es auch geschehen. Damit sei die Auseinandersetzung endgültig abgeschlossen gewesen. Wenn auch der Begriff einer "Gemeinschaft" im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UG von Rechtsprechung und Schrifttum weit ausgelegt werde, so ergebe sich aus der im Streitfall erfolgten Hingabe von Geldern der Kinder an den Vater lediglich dessen Verpflichtung zur Rückgabe bestimmter Geldbeträge. Das sei aber keine Verbindlichkeit familienrechtlicher Art, aus der Auseinandersetzungsansprüche auf familien- oder erbrechtlicher Grundlage erwachsen könnten. Eine nachträgliche Vereinbarung über eine Aufwertung 1 : 1 könne nur unter dem Gesichtspunkt einer Schenkung betrachtet werden und wirke nicht auf den Währungsstichtag zurück.

In der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird geltend gemacht, der Bf. habe keinen Augenblick daran gezweifelt, daß er die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Kindern aus rechtlichen und moralischen Gründen im Umstellungsverhältnis 1 : 1 zu erfüllen habe. Das ergebe sich schon daraus, daß ohne die ihm zur Verfügung gestellten Ersparnisse seiner Kinder die Verbindlichkeiten an seine Geschwister aus Erbauseinandersetzung, die am 1. Januar 1946 29.000 RM, am 21. Juni 1948 nur noch 3.382 DM betragen hätten, noch in vollem Umfang bestehen würden und dann kraft Gesetzes 1 : 1 umzustellen gewesen wären. Auch sei er im Hinblick auf das zukünftige Erbe seiner beiden einzigen Kinder keineswegs gewillt, die seinerzeit gegebenen Darlehen abzuwerten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

In der Rechtslehre und Rechtsprechung wird überwiegend, in der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einheitlich die Auffassung vertreten, daß die Anwendung des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UG, soweit es sich um Verbindlichkeiten zwischen dem in dieser Vorschrift genannten Personenkreis handelt, sich nicht auf Auseinandersetzungen eines sachlich-rechtlich gemeinschaftlichen Vermögens beschränke, diese Vorschrift vielmehr auch solche Fälle umfasse, in denen die Auseinandersetzung einen wirtschaftlich gemeinsamen Vermögensbestand betreffe oder aber Schuldverhältnisse im Hinblick auf eine künftige Auseinandersetzung begründet worden seien. Eine Vermögensgemeinschaft in diesem Sinne werde unbeschadet der Bezeichnung als Darlehen regelmäßig dann vorliegen, wenn im Verhältnis zwischen Ehegatten oder zwischen Eltern und Kinder die durch die Ehe oder die Verwandtschaft begründeten Beziehungen mitbestimmend dafür gewesen seien, daß Vermögen oder Einkünfte des einen Teils dem anderen zur Verfügung gestellt wurden. Eine bevorzugte Umstellung finde daher im Verhältnis der Eheleute zueinander bzw. zwischen Eltern und Kindern nur dann nicht statt, wenn ausnahmsweise die Beträge nicht wegen der durch die Ehe oder die Verwandtschaft begründeten Beziehungen, sondern aus anderen, insbesondere etwa rein geschäftlichen Erwägungen, hingegeben worden seien; vgl. die Urteile und Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 4. Juni 1951 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 2 S. 270), vom 28. Juni 1951 (Neue Juristische Wochenschrift 1951 S. 920), vom 24. Oktober 1951 (Lindenmaier-Möhring, Nr. 8 zu § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UG), vom 8. März 1952 (Lindenmaier-Möhring, Nr. 11 zu § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UG), vom 22. Dezember 1952 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 8 S. 265) und vom 11. November 1953 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 11 S. 74).

Der Senat tritt dieser Auffassung bei. Das Urteil des Finanzgerichts entspricht, abgesehen davon, daß es etwaige Auseinandersetzungsansprüche der Kinder des Bf. mit den am Währungsstichtag im wesentlichen abgefundenen Erbauseinandersetzungsansprüchen der Geschwister des Bf. verwechselt hat, bereits insofern nicht den dargelegten Grundsätzen über die Auslegung des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UG, als es meint, eine Verbindlichkeit, die aus einer in die Form eines Darlehens gekleideten Geldhingabe erwachsen sei, könne als eine Geldsummenschuld nicht familienrechtlicher Art und schon deshalb nicht nach dieser Vorschrift bevorzugt umgestellt sein. Das ist rechtsirrtümlich, da das UG nur die Geldsummenschulden - im Gegensatz zu den Geldwertschulden - umgestellt hat, eine bevorzugte Umstellung also nicht daran scheitern kann, daß es sich um eine Geldsummenschuld handelt. Entscheidend ist, ob die Geldhingabe durch die Kinder an den Vater vorwiegend auf Grund familienrechtlicher Beziehungen erfolgte oder die Kinder damit geschäftliche Absichten verfolgten, insbesondere ihr Kapital anlegen wollten. Trifft ersteres zu, so wären ein wirtschaftlich gemeinsamer Vermögensbestand durch "Vermischung" entstanden (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1951, Lindenmaier-Möhring, Nr. 8 zu § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UG), und die Kinder hätten damit eine Auseinandersetzungsforderung im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UG erworben, während im letzteren Fall eine im Verhältnis 10 : 1 umgestellte gewöhnliche Verbindlichkeit aus Darlehen vorliegen würde, die weder wegen der Meinung des Vaters, rechtlich und moralisch zur bevorzugten Umstellung verpflichtet zu sein, noch im Hinblick auf eine etwaige spätere Vereinbarung, die Schuld im Verhältnis 1 : 1 umzustellen, auf den Währungsstichtag mit einem höheren Betrag, als er dem Umstellungsverhältnis 10 : 1 entspricht, abgesetzt werden könnte.

Hiernach mußte die Vorentscheidung wegen rechtsirrtümlicher Auslegung des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UG aufgehoben werden. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das nunmehr unter den dargelegten Gesichtspunkten zu prüfen hat, ob die Geldhingabe der Kinder in erster Linie in familienrechtlichen Verhältnissen begründet war oder ob es sich um Darlehen mit geschäftlichem Charakter handelte. Dabei spricht für den familienrechtlichen Charakter die Art der Geldhingabe in kleineren Beträgen und der mit der Hingabe verfolgte Zweck, dem Vater die Ablösung der Erbauseinandersetzungsansprüche seiner Geschwister zu ermöglichen, während für einen rein geschäftlichen Charakter die feste Verzinslichkeit mindestens dann sprechen könnte, wenn sie ernsthaft gemeint gewesen wäre und die Kinder mit einer Zahlung der Zinsen ernstlich gerechnet hätten. Sollte sich bei der erneuten Nachprüfung eine Umstellung im Verhältnis 1 : 1 ergeben, so würden davon nur die hingegebenen Gelder, nicht aber die aufgelaufenen Zinsen ergriffen, die in jedem Fall der Umstellung im Verhältnis 10 : 1 unterliegen. Bemerkt sei noch, daß die mit der Auswirkung der Vermögensfeststellung auf die Vermögensabgabe begründete Erhöhung des Streitwertes auf 5.500 DM durch das Finanzgericht nicht berechtigt war, da die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit, bei der es sich nicht um eine Feststellung in einem Einheitswertverfahren handelt, für die Vermögensabgabe nach § 21 Abs. 1 Ziff. 1 des Lastenausgleichsgesetzes nicht bindend ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408529

BStBl III 1957, 122

BFHE 1957, 324

BFHE 64, 324

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