Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine unentgeltliche übertragung eines Betriebes im Sinne des § 7 EStDV 1956/1957 liegt nur vor, wenn alle wesentlichen Teile des Betriebsvermögens unentgeltlich übertragen worden sind.
Wird hingegen nur ein Teil des Betriebsvermögens unentgeltlich übertragen, während der andere Teil der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen übernommen wird, so liegt eine Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG 1957 vor. Der Veräußerungsgewinn ist in diesem Falle der Unterschiedsbetrag zwischen den Buchwerten und den gemeinen Werten sowohl der unentgeltlich übertragenen als auch der in das Privatvermögen übernommenen Wirtschaftsgüter.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3; EStDV § 7
Tatbestand
Streitig ist, ob ein durch die übernahme eines Betriebsgrundstückes in das Privatvermögen verwirklichter Gewinn als Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG anzusehen ist, wenn gleichzeitig andere wesentliche Grundlagen des Betriebes zu den Buchwerten auf den Sohn übertragen wurden.
Der Bf. betrieb bis zum 30. Juni 1957 ein Zimmereigeschäft. Laut übergabebestätigung vom 2. Juli 1957 hat der Sohn des Bf. am 1. Juli 1957 das Geschäft übernommen und folgende Gegenstände zu den Buchwerten käuflich erworben:
1. Warenbestand laut Inventur ---------- 7.160,20 DM 2. Maschinen und Einrichtung ------------- 993,80 DM 3. Kraftwagen -------------------------- 3.297,00 DM Gesamtkaufpreis ----------------------- 11.451,00 DM.In den Erläuterungen zur Schlußbilanz zum 30. Juni 1957 gibt der Bf. an, er habe seinem Sohn die von ihm übernommenen Werte im Gesamtbetrage von 11.451 DM als vorweggenommenes Erbe überlassen, weshalb in der Eröffnungsbilanz des Sohnes dem Bf. gegenüber keine Verbindlichkeit passiviert worden sei.
Das Betriebsgrundstück mit einem Buchwert von 8.253,30 DM, die Kundenforderungen von 6.417,36 DM, eine Darlehnsforderung von 14.050 DM und die übrigen Aktiven und Passiven hat der Bf. nicht auf den Sohn übertragen. Die nicht übertragenen Gegenstände hat er als Privatentnahmen verbucht. Dabei hat er für die Entnahme des Betriebsgrundstückes durch Ermittlung eines "Teilwerts" (18.250 DM) einen Gewinn von 9.996,70 DM errechnet.
Im Zeitpunkt der übernahme des Betriebes durch den Sohn des Bf. wurde ein notarieller Pachtvertrag entworfen, der aber erst im Januar 1960 von den Vertragsparteien unterzeichnet wurde. Nach diesem Vertrag, der rückwirkend ab Juli 1957 Gültigkeit haben sollte, verpachtete der Bf. an seinen Sohn das bisher von ihm betriebene Zimmereigeschäft einschließlich des Betriebsgrundstückes. Der Sohn übernahm vom Pachtbeginn an alle Lasten und Abgaben des Geschäfts, er trat in die laufenden Verträge mit den Lieferanten, Arbeitnehmern und Versicherungen ein und übernahm die laufenden Aufträge. Als Pachtzins wurde ein monatlicher Betrag von 250 DM vereinbart.
Bei der Einkommensteuer-Veranlagung des Bf. für 1957 hat das Finanzamt den durch die übernahme des Betriebsgrundstückes in das Privatvermögen vom Bf. errechneten Gewinn von 9.996,70 DM als laufenden Gewinn der Besteuerung unterworfen. Dagegen richtet sich das vorliegende Rechtsmittel. Der Bf. ist der Auffassung, daß dieser Gewinn als Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs. 4 EStG unter der Besteuerungsgrenze von 10.000 DM liege.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte aus, für die steuerrechtliche Anerkennung von Verträgen zwischen Eltern und Kindern seien strenge Voraussetzungen zu fordern. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. die Urteile IV 83/50 U vom 17. Oktober 1951, BStBl 1951 III S. 223, Slg. Bd. 55 S. 548, und I 32/58 S vom 26. Mai 1959, BStBl 1959 III S. 322, Slg. Bd. 69 S. 157) sei ein brauchbarer Maßstab für die Ernsthaftigkeit solcher Vertragsgestaltungen, ob für die betreffende Regelung wirtschaftlich vernünftige Gründe sprächen und ob ein solcher Vertrag etwa auch zwischen Fremden hätte geschlossen werden können. Das Finanzgericht ging davon aus, daß die Buchwerte des dem Sohn überlassenen Betriebes von zusammen 11.451 DM von den Parteien als Kaufpreis vereinbart worden seien und dieser Kaufpreis bis auf weiteres gestundet sei, und meint, daß der Verkauf des Betriebes zu den Buchwerten niemals zwischen Fremden abgeschlossen worden wäre. Denn beim Verkauf eines Betriebes zu Buchwerten werde kein Gewinn erzielt. Im Geschäftsleben werde aber nichts verschenkt. Es komme hinzu, daß der Kaufpreis auf unbestimmte Zeit gestundet sei und der Sohn nach den eigenen Angaben des Bf. unter Umständen den Kaufpreis gar nicht bezahlen müsse.
Das Finanzgericht gelangte daher zu dem Ergebnis, daß der Bf. seinem Sohn die wesentlichen Grundlagen des Betriebes nicht entgeltlich, sondern unentgeltlich, nämlich als vorweggenommenes Erbe, übertragen habe. Infolgedessen liege keine Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 EStG vor, sondern eine unentgeltliche Betriebsübertragung zu den Buchwerten nach § 7 Abs. 1 EStDV 1956/1957. Im Rahmen dieser Fortführung des Betriebes durch den Sohn sei der durch die Entnahme des Grundstückes zu betriebsfremden Zwecken entstandene Gewinn als laufender Gewinn nach § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG zu versteuern.
Mit der Rb. wendet der Bf. im wesentlichen gegen das Urteil des Finanzgerichts ein, es gehe zu Unrecht davon aus, daß der Verkauf der aufgeführten Betriebsgegenstände zu den Buchwerten niemals zwischen Fremden abgeschlossen worden wäre und es sich infolgedessen um eine unentgeltliche übertragung handle. Das Finanzgericht unterliege einem Irrtum, wenn es annehme, bei Betriebsveräußerungen sei immer ein Gewinn zu erzielen. In seinem Falle sei jedenfalls erwiesen, daß bei einer Veräußerung des Warenlagers, des Inventars und des Kraftwagens an einen Dritten kein anderes Ergebnis erzielt worden wäre.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung,
Die Annahme des Finanzgerichts, § 16 EStG finde im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil eine unentgeltliche Betriebsübergabe vom Vater auf den Sohn vorliege, würde zunächst voraussetzen, daß wirklich eine Betriebsübertragung im ganzen zu den Buchwerten unter Fortführung des Betriebes durch den übernehmer nach § 7 Abs. 1 EStDV 1956/1957 erfolgt ist. Denn nur auf eine solche unentgeltliche übertragung des ganzen Betriebes, sei es durch Erbfolge, sei es als Vorwegnahme der Erbschaft oder aus sonstigen Gründen, finden die Vorschriften des § 16 EStG keine Anwendung, da dann weder eine Veräußerung des ganzen Betriebes noch eine Aufgabe des Gewerbebetriebes nach § 16 Abs. 1 und 3 EStG gegeben ist. Das Einkommensteuerrecht will den Vorgang der unentgeltlichen Betriebsübertragung nicht unter dem Gesichtspunkt der Beendigung des Gewerbebetriebes des Rechtsvorgängers und der Eröffnung des Gewerbebetriebes durch den Rechtsnachfolger betrachten, sondern steuerlich von einer unveränderten Fortführung des Betriebes ausgehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 233/51 U vom 24. Oktober 1951, BStBl 1952 III S. 5, Slg. Bd. 56 S. 10, und Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 6. Aufl., Tz. 10 zu § 16 EStG).
Eine Betriebsübertragung im ganzen liegt jedoch beim Bf. nicht vor. Durch die übereignung der vorhandenen Holzvorräte, der im Betrieb vorhandenen Maschinen und Werkzeuge und des Kraftwagens hat der Bf. seinem Sohn nicht seinen Zimmereibetrieb oder auch nur die wesentlichen Grundlagen dieses Betriebes übertragen. Abgesehen von den sonstigen nicht übertragenen zahlreichen Aktiven und Passiven des Betriebsvermögens hätte zur übertragung der wesentlichen Grundlagen des Betriebes zumindest die übereignung des Betriebsgrundstückes mit allen seinen gewerblich genutzten Teilen, wie Werkstatt, Holzlager, Schuppen, Hofraum und Zimmerplatz, gehört. Andererseits steht auf Grund der gesamten Umstände fest, daß der Bf. zum 1. Juli 1957 seinen Betrieb endgültig aufgegeben und die Fortführung seinem Sohn im Wege eines Pachtvertrages überlassen hat, wobei es hier rechtlich ohne Bedeutung ist, daß die Unterzeichnung des notariellen Pachtvertrages wegen einzelner noch offener Punkte erst im Jahre 1960 erfolgt ist. Die Absicht der endgültigen Betriebsaufgabe zeigt sich gerade darin, daß der Bf. das Betriebsgrundstück und die sonstigen dem Sohn nicht übertragenen Teile des Betriebsvermögens in sein Privatvermögen übernommen hat. Unabhängig von der Frage, ob die übereignung der oben genannten Wirtschaftsgüter an den Sohn entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt ist, ist daher im Gegensatz zur Auffassung des Finanzgerichts davon auszugehen, daß der Bf. zum 30. Juni 1957 seinen Betrieb im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG aufgegeben hat und deshalb das Betriebsgrundstück, die Außenstände und die anderen nicht an den Sohn übertragenen Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert aus dem Betriebe entnommen und in das Privatvermögen überführt hat (siehe auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 201/58 U vom 1. September 1959, BStBl 1959 III S. 482, Slg. Bd. 69 S. 590).
Da aber eine Betriebsaufgabe zu einer Realisierung aller im Betriebe steckenden stillen Reserven führen muß, gilt für die Ermittlung eines sich hieraus ergebenden Veräußerungsgewinnes folgendes:
Sollte sich herausstellen, daß die dem Sohn übereigneten Wirtschaftsgüter tatsächlich an diesen veräußert und nicht verschenkt wurden, die zu zahlenden, mit den Buchwerten übereinstimmenden Kaufpreise mithin den wirklichen (gemeinen) Werten der Wirtschaftsgüter entsprachen und demzufolge die Verkäufe auch zwischen Fremden hätten vorgenommen werden können, so sind die Buchwerte als Veräußerungspreise anzuerkennen. Das Vorhandensein stiller Reserven in diesen Wirtschaftsgütern ist dann zu verneinen. Unter der Voraussetzung, daß der vom Bf. ermittelte "Teilwert" des Grundstückes dessen gemeinen Wert (§ 16 Abs. 3 EStG) entspricht und sich bei den übrigen in das Privatvermögen übernommenen Gegenständen Buchwerte und gemeine Werte decken, wäre in diesem Fall der vom Bf. errechnete Gewinn von 9.996,70 DM der gesamte Veräußerungsgewinn. Er wäre, da innerhalb der Freigrenze des § 16 Abs. 4 EStG liegend, steuerfrei.
Zu dem gleichen Ergebnis hinsichtlich des Veräußerungsgewinns gelangt man, wenn die Veräußerung zu den Buchwerten als unentgeltliche übertragung der Wirtschaftsgüter zu beurteilen ist, weil die festgesetzten, aber gestundeten Kaufpreise tatsächlich vom Sohn gar nicht zu bezahlen waren, andererseits aber die Buchwerte der Wirtschaftsgüter deren gemeinen Werten im Zeitpunkt der übertragung entsprachen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG).
Eine "Veräußerung" im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG wird man, gleichgültig, ob der dem Buchwert gleichgesetzte Kaufpreis zu zahlen war oder nicht, insoweit nicht annehmen können, als der gemeine Wert der übereigneten Wirtschaftsgüter über den Buchwerten lag. In diesem Fall sind zur Berechnung des Veräußerungsgewinns hinsichtlich dieser Wirtschaftsgüter gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG deren gemeine Werte im Zeitpunkt der Aufgabe des Betriebes, also zum 30. Juni 1957, anzusetzen.
Der sich ergebende Veräußerungsgewinn ist nur dann nach § 16 Abs. 4 EStG steuerfrei, wenn er zusammen mit dem zu 1. erwähnten Veräußerungsgewinn die Steuerfreigrenze der genannten Vorschrift nicht übersteigt. übersteigt der gesamte anläßlich der Betriebsaufgabe realisierte Veräußerungsgewinn 10.000 DM, so kann der Bf. für die Versteuerung die Tarifvergünstigung des § 34 EStG in Anspruch nehmen.
Bei dieser materiell-rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Falles, die - gleichgültig, welche der angeführten Möglichkeiten sich im Ergebnis als richtig erweist - die §§ 16, 34 EStG in jedem Fall für anwendbar erachtet, geht der Senat davon aus, daß der Gesetzgeber bei einer Betriebsveräußerung im ganzen oder einer sonstigen Betriebsaufgabe - mit Ausnahme einer unentgeltlichen Betriebsübergabe im ganzen - den Tatbestand des § 16 EStG mit den sich daraus ergebenden Vergünstigungen für den Veräußerungsgewinn stets als gegeben ansieht. Da der Bf. einerseits seinen Betrieb nicht im ganzen auf den Sohn übertragen hat, weil er wesentliche Teile des Betriebsvermögens in sein Privatvermögen übernommen hat, andererseits aber seinen Betrieb unstreitig endgültig aufgegeben hat, muß der Tatbestand des § 16 EStG als erfüllt angesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410169 |
BStBl III 1961, 514 |
BFHE 1962, 679 |
BFHE 73, 679 |