Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Wahl der Veranlagungsart bei der Einkommensteuer
Leitsatz (NV)
1. Vom Antrag auf Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer kann sich ein Ehegatte grundsätzlich bis zur Unanfechtbarkeit auch eines Änderungsbescheides lösen. Dies gilt auch dann, wenn er während einer Betriebsprüfung erklärt hat, er halte an der Zusammenveranlagung fest.
2. Die Wahl der getrennten Veranlagung durch einen Ehegatten ist nicht willkürlich (und deshalb unwirksam), wenn dieser selbst erhebliche eigene negative Einkünfte hat, die für ihn als Verlustvorträge von steuerlichem Interesse sein können.
Normenkette
EStG § 26 Abs. 1 S. 1, § 10d
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Ehe der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Juni 1978 geschieden. Für die Jahre 1973 bis 1976 veranlagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sie zunächst zusammen mit ihrem damaligen Ehemann zur Einkommensteuer. Dabei wurden ihre Gewinne aus Gewerbebetrieb durch Verluste des damaligen Ehemanns aus Gewerbebetrieb in vollem Umfang aufgehoben, so daß sich in den vier Streitjahren keine Einkommensteuerschuld ergab. Aufgrund einer Betriebsprüfung bei einem Einzelunternehmen des früheren Ehemannes waren die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen waren, zu ändern. Der frühere Ehemann beantragte im Januar 1979, für die Jahre 1973 bis 1976 getrennte Veranlagungen durchzuführen. Das FA entsprach diesem Antrag. Aus den getrennten Veranlagungen entstanden für die Klägerin folgende erhebliche Einkommensteuerschulden: Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide richtete sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage der Klägerin, mit der diese die Aufhebung der Bescheide und die Verpflichtung des FA begehrte, für sie und ihren früheren Ehemann Zusammenveranlagungen für die Streitjahre durchzuführen.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:
Für die von der Klägerin erstrebte Zusammenveranlagung fehle es an der erforderlichen Zustimmung ihres früheren Ehemannes. Das Gesetz sehe für die Ausübung des Wahlrechtes keine Frist vor und enthalte auch keine Vorschrift über eine Bindung an eine einmal getroffene Wahl. Daraus folge, daß Ehegatten das ihnen gesetzlich eingeräumte Wahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit eines Berichtigungs-(Änderungs-)bescheides ausüben und so auch eine einmal getroffene Wahl innerhalb dieser Frist widerrufen könnten. Lediglich dann, wenn ein Antrag auf getrennte Veranlagung als wirtschaftlich oder steuerlich sinnlos ins Leere gehe, sei er steuerrechtlich unbeachtlich (Hinweis auf Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. August 1977 VI R 61/75, BFHE 123, 172, BStBl II 1977, 870, und vom 28. August 1981 VI R 139/78, BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156). Denn der auch im Steuerrecht zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben schließe eine willkürliche Ausübung des Wahlrechts aus. Davon könne jedoch nur ausgegangen werden, wenn sich die getroffene Wahl unter keinem denkbaren Aspekt für den Wahlberechtigten als vorteilhaft darstelle.
Im vorliegenden Fall eröffne sich für den früheren Ehemann die Möglichkeit, mit der Entscheidung für eine getrennte Veranlagung in späteren Jahren höhere Verlustvorträge nach § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) als bisher geltend zu machen und so seine künftige steuerliche Belastung zu senken. Denn mit dem Wegfall der Zusammenveranlagung hätten die ursprünglich verbrauchten Gewerbeverluste wieder als Verlustvortrag zur Verfügung gestanden. Da der frühere Ehemann in den Veranlagungszeiträumen vor den Streitjahren durchweg höhere Gewerbegewinne erzielt habe, hätten begründete Aussichten auf Gewerbegewinne in den den Streitjahren nachfolgenden Veranlagungszeiträumen bestanden, zumal die Gewerbeverluste in den Streitjahren zurückgegangen seien. Angesichts dieser Aussichten sei der Antrag des früheren Ehemannes nicht als wirtschaftlich oder steuerlich sinnlos ins Leere gehend anzusehen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie führt im wesentlichen aus:
Die von ihrem früheren Ehemann einseitig aufgekündigte Zusammenveranlagung müsse unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben betrachtet werden, was eine Berücksichtigung des gesamten Sachverhalts erfordere. In den ursprünglichen Veranlagungen der Streitjahre hätten sich die gewerblichen Einkünfte wie folgt dargestellt: . . .
Nach den Bekundungen der bis Anfang 1978 für beide Ehegatten tätigen Steuerberatung sei aufgrund der vorliegenden Beträge für die Streitjahre als selbstverständlich von der Zusammenveranlagung ausgegangen worden. Denn durch Kompensation und Verlustvortrag habe die Einkommensteuer jeweils auf Null gestellt werden können, so daß vor allem dem schlechter wirtschaftenden Einzelunternehmen des früheren Ehemannes in den vier Wirtschaftsjahren keine Liquidität durch Steuerzahlungen entzogen worden sei; dies sei wichtig gewesen, da das Einzelunternehmen erhebliche Investitionen getätigt habe.
Das Einzelunternehmen und die gemeinsamen Einkünfte der damaligen Eheleute seien im Laufe des Jahres 1977 einer Betriebsprüfung des FA K unterzogen worden, die gegenüber den ursprünglichen vorläufigen Veranlagungen keine nennenswerten Änderungen ergeben habe, so daß auch zum Zeitpunkt der Schlußbesprechung am . . . November 1977, an der beide Eheleute teilgenommen hätten, eine Änderung der Veranlagungsart aus wirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll erschienen sei. Die Bemerkung des FG, daß ,,in diesem Zusammenhang", also während der Betriebsprüfung, ,,der frühere Ehemann die getrennte Veranlagung beantragt" habe, treffe also nicht zu. Dies lasse sich auch aus dem Betriebsprüfungsbericht, insbesondere aus der mangelnden Berücksichtigung entsprechender Einkommensteuer-Nachzahlungen bei der Vermögensteuerveranlagung belegen. Bedauerlicherweise seien die Ergebnisse der Betriebsprüfung jedoch nicht umgehend ausgewertet worden, sondern es sei erst der Nachtragsbericht der Betriebsprüfungsstelle abgewartet worden, der ihre, der Klägerin, Gewinnanteile an einer KG betroffen habe und am 26. Juni 1978 ausgefertigt worden sei. Auch hierbei hätten sich jedoch nur geringe Änderungen für die Jahre 1974 bis 1976 ergeben.
Auch aufgrund dieses Nachtragsberichts sei deshalb nicht an eine Änderung der Veranlagungsform gedacht worden. Daß sich dann die Veranlagungsarbeit des Wohnsitz-FA weiter verzögert habe, sei nur dadurch zu erklären, daß ihr früherer Ehemann Anfang 1978 die gemeinsame Wohnung verlassen und seinen Wohnsitz in den Bereich des beklagten FA verlegt habe, was wohl zu einem Streit über die Zuständigkeit hinsichtlich der Veranlagung zwischen dem bisherigen Wohnsitz-FA L und dem beklagten FA geführt habe. Bei normalem Arbeitsablauf der Finanzverwaltung wären aber schon im Laufe des Jahres 1978 Änderungsbescheide ergangen, die sämtliche steuerlichen Probleme für die Streitjahre aufgeklärt und keiner neuen Würdigung bedurft hätten. Dies gehe auch aus der am . . . Februar 1978 getroffenen Scheidungsvereinbarung hervor, in der kein Wort über noch offene Steuern oder mögliche Steuernachzahlungen zu finden sei, da beide Eheleute von der Endgültigkeit der Steuerveranlagungen (gemeint wohl: der Veranlagungsform) hätten ausgehen können. Es könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß der einseitige Widerruf ihres früheren Ehemannes im Januar 1979 mehr als 13 Monate nach der vollständigen Sachaufklärung durch die Betriebsprüfungsstelle und nach gemeinsamer Schlußbesprechung erfolgt sei. In diesem Zeitpunkt sei der Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung so gewesen, daß diese in einem Fall wie dem vorliegenden einen einseitigen Widerruf nicht zugelassen habe. Das ergebe sich nicht zuletzt aus dem BFH-Urteil vom 28. Februar 1961 I 25/61 U (BFHE 72, 689, BStBl III 1961, 252).
Selbst wenn man aber von der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ausgehe, so müsse er doch unbeachtet bleiben, weil gewichtige Gründe für den Widerruf der gemeinsam gewählten Veranlagungsart nicht ersichtlich seien. Dies werde deutlich, wenn man sich die Alternative zu der sofortigen Verrechnung von Verlusten mit positiven Einkünften vor Augen stelle. Die Möglichkeit von Verlustvorträgen habe unter den gegebenen Umständen wirtschaftlich ganz ähnliche Auswirkungen. Denn es könne nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Einzelunternehmen in wirtschaftlich schlechten Jahren zusätzlich einen hohen Finanzierungsbedarf für Investitionen gehabt habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der geänderten endgültigen Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1976 in der Form der Einspruchsentscheidung das FA zu verpflichten, für die Streitjahre Zusammenveranlagungen mit ihrem früheren Ehemann durchzuführen.
Das FA beantragt, die Revision, im wesentlichen aus den Gründen der Vorentscheidung, zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und bei denen diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben, zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung wählen können (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dem FG ist auch darin beizupflichten, daß das Gesetz für die Ausübung des Wahlrechts keine Frist vorsieht und es grundsätzlich auch keine Bindung an die einmal getroffene Wahl gibt. Der BFH hat deshalb im Urteil in BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156 ausgeführt, daß die Ehegatten ihr Wahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit sogar eines Berichtigungs-(Änderungs-)bescheides ausüben und bis zu diesem Zeitpunkt auch die einmal getroffene Wahl widerrufen können.
Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung nur für den Fall, daß die Rechtsausübung willkürlich erscheint. Dies ist nach dem Urteil in BFHE 123, 172, BStBl II 1977, 870 aber nur dann der Fall, wenn derjenige Ehegatte, der die getrennte Veranlagung beantragt, selbst keine - positiven oder negativen - Einkünfte hat oder wenn sie so gering sind, daß sie weder zur Einkommensteuerveranlagung führen können noch einem Steuerabzug unterlegen haben. Denn in diesen Fällen gehe der Antrag auf getrennte Veranlagung ins Leere, da er steuerlich und wirtschaftlich sinnlos sei. Diese Grundsätze hat der Senat im Urteil in BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156 auch auf den Fall angewandt, daß ein Ehegatte sich einseitig von dem Antrag auf Zusammenveranlagung löst, sei es vor Erlaß des zusammenveranlagenden Bescheides oder auch erst im Rechtsbehelfsverfahren. Er hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, daß familienrechtliche Beziehungen der Eheleute untereinander bei der Prüfung der Beachtlichkeit des Antrags auf getrennte Veranlagung keine Rolle spielen, weil sie ein unnötiges Eindringen in die Privatsphäre der Beteiligten erfordern.
An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Für den Streitfall folgt daraus, daß der Antrag des früheren Ehemannes der Klägerin auf getrennte Veranlagung wirksam war, ohne daß es darauf ankäme, ob er den Antrag bereits während der Betriebsprüfung oder, wie die Klägerin meint, nach deren Abschluß gestellt hat. Denn auch wenn der frühere Ehemann während der Betriebsprüfung oder bei der Schlußbesprechung zu erkennen gegeben oder ausdrücklich erklärt haben sollte, an der Zusammenveranlagung festhalten zu wollen, wäre er nicht gehindert gewesen, bis zur Bestandskraft der Steuerbescheide von der getroffenen Wahl noch abzurücken. Entscheidend ist allein, daß die Ausübung der Wahl nicht willkürlich ist. Davon ist das FG ebenfalls zu Recht ausgegangen. Denn der frühere Ehemann hatte beträchtliche eigene - negative - Einkünfte. Dieser Umstand reicht nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156 allein schon aus, um eine willkürliche Ausübung des Wahlrechts für den Regelfall auszuschließen. Wenn das FG in diesem Zusammenhang ferner ausgeführt hat, es sei für die Folgejahre wieder mit Gewerbegewinnen zu rechnen gewesen, so daß nicht verbrauchte gewerbliche Verluste für den Ehemann unter dem Gesichtspunkt des Verlustvortrages von steuerlichem Interesse gewesen seien, so sind auch diese Ausführungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ihnen ist die Klägerin auch nicht entgegengetreten.
Die Klägerin glaubt vielmehr, aus der älteren Rechtsprechung des BFH herleiten zu können, daß sich ein Ehepartner ohne eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht von der einmal getroffenen Wahl der Veranlagungsart lösen könne. Es kann dahinstehen, ob der vorliegende Fall nach den Grundsätzen der früheren Rechtsprechung, insbesondere im Urteil vom 8. März 1973 VI R 305/68 (BFHE 109, 317, BStBl II 1973, 625) anders beurteilt werden könnte. Denn der Senat hat seine Rechtsprechung bereits im Urteil in BFHE 123, 172, BStBl II 1977, 870 in der oben wiedergegebenen Weise modifiziert. Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob nach dem früheren Verhalten des Ehepartners davon ausgegangen werden konnte, daß er an dem einmal gestellten Antrag auf Zusammenveranlagung festhalten werde, oder er gar familienrechtlich gehindert war, seine Wahl zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 415919 |
BFH/NV 1989, 156 |