Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligungsgesellschaft als Nichtunternehmer
Leitsatz (NV)
Zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung einer Beteiligungsgesellschaft, die zugleich Publikumsgesellschaft ist.
Normenkette
UStG 1967/1973 § 2 Abs. 1; UStG 1967/1973 § 4 Nr. 8; UStG 1967/1973 § 9
Gründe
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kommanditgesellschaft, die sich selbst als Publikumsgesellschaft bezeichnet. Sie wurde mit Vertrag vom 24. Oktober 1973 gegründet. Persönlich haftende Gesellschafter wurden der Bankdirektor a. D. C und der Kaufmann Dr. H. Kommanditistin wurde die . . . Treuhandgesellschaft mbH (GmbH), eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, die das Kommanditkapital treuhänderisch für eine Vielzahl von Treugeber-Kommanditisten hielt. Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb, die Errichtung und Verwaltung von Wohn- und Geschäftsbauten, die Beteiligung an Unternehmen aller Art sowie die Bildung eines geschlossenen Anlage- und Beteiligungs-Fonds.
Die tatsächliche Geschäftstätigkeit der Klägerin bestand in den Streitjahren 1973 und 1974 aus folgendem:
a) Ausgabe der eigenen Kommanditanteile in 1973;
b) Beteiligung an einer Hotel-GmbH & Co. KG;
c) Beteiligung an einer Beteiligungs-GmbH & Co. KG;
d) kurzfristige verzinsliche Anlage von liquiden Geldmitteln.
Die Klägerin begehrt den Vorsteuerabzug für ihr in Rechnung gestellte Steuern:
1973 1974
DM DM
auf Treuhandgebühren - 2 343
auf Beiratsvergütungen 1 540 1 320
auf Verwaltungsgebühren 4 510 -
aus allgemeinen Verwaltungskosten 256,88 1 638,37
Summe 6 306,88 5 301,37
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) vertrat nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Auffassung, ein Vorsteuerabzug sei nicht zu gewähren, weil die Klägerin die Beteiligungen nicht unternehmerisch gehalten habe und hinsichtlich der Ausgabe von eigenen Kommanditanteilen und der Geldanlagen gemäß § 15 Abs. 2 i. V. m. § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 ein Vorsteuerabzug ausscheide. Das FA erließ für 1973 und 1974 Umsatzsteuerbescheide über jeweils null DM. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und für die Umsatzsteuer 1973 ein Guthaben von . . . DM sowie für die Umsatzsteuer 1974 ein Guthaben von . . . DM festzusetzen, hilfsweise die Sache an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin, soweit sie 1973 und 1974 an den beiden GmbH & Co. KGen beteiligt war, nicht Unternehmer war (§ 2 Abs. 1 UStG 1967). Der Senat hat mit Urteil vom 20. Januar 1988 X R 48/81 (BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557) entschieden, daß eine Personenhandelsgesellschaft - wie die Klägerin -, die sich an anderen Personenhandelsgesellschaften - wie den beiden GmbH & Co. KGen - beteiligt, regelmäßig nicht Unternehmer ist. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Entscheidung. Für eine vom Senat für denkbar gehaltene Ausnahme ist im Streitfall kein Raum. Die Beteiligungen wurden um ihrer selbst willen gehalten. Sie förderten nicht die Zwecke eines werbenden Unternehmens.
Es kann dahinstehen, ob vor dem Inkrafttreten des UStG 1967 ein weites Verständnis der subjektiven Steuerpflicht geboten war. Jedenfalls könnte ein solches Verständnis nach Einführung des Mehrwertsteuersystems schon im Hinblick auf den Vorsteuerabzug keine Geltung mehr beanspruchen. Die Dreiteilung der nichtunternehmerischen Sphäre in die Arbeitnehmertätigkeit, das Privatleben und die öffentliche Gewalt (Popitz, Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl. 1928, S. 292) erscheint auch heute noch sinnvoll, sofern der Begriff des Privatlebens durch den ebenfalls von Popitz (a.a.O., S. 325) geprägten Begriff des Eigenlebens ersetzt wird. Das Eigenleben erfaßt, wie der Senat entschieden hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Juni 1987 X R 23/82, BFHE 150, 218, BStBl II 1987, 744), selbst wiederholte Veräußerungstätigkeiten, sofern nur der Steuerpflichtige sich nicht wie ein Händler verhält. Es besteht kein Hindernis, das Halten von Beteiligungen dem Eigenleben zuzurechnen, sofern es an einem Zusammenhang mit einem bereits bestehenden (werbenden) Unternehmen fehlt.
Die Klägerin ist nicht mit einem Bauunternehmer vergleichbar, der sich an Arbeitsgemeinschaften beteiligt. Eine solche Beteiligung ist sehr oft mit einem Leistungsaustausch (z. B. bei der Gerätevorhaltung) verbunden (Abschn. 6 Abs. 11 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1985/1988). Kommt es nicht zu einem Leistungsaustausch, wird zumeist anzunehmen sein, daß die Beteiligung dem bereits bestehenden Bauunternehmen dient. Ein Beteiligungsunternehmen ist auch nicht mit einer Kapitalanlagegesellschaft vergleichbar (dazu Senatsurteil in BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557 unter 4).
2. Die Klägerin ist nicht nur eine Beteiligungsgesellschaft, sondern auch eine Publikumsgesellschaft. Das FG hat hieraus hergeleitet, die Ausgabe eigener Kommanditanteile durch die Klägerin sei entsprechend dem BFH-Urteil vom 18. Dezember 1975 V R 131/73 (BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265) steuerbar, aber nach § 4 Nr. 8 UStG 1967 steuerfrei. Der erkennende Senat hat sich der Auffassung des V. Senats in BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265 angeschlossen und die Grundsätze dieser Entscheidung auch auf den hier vorliegenden Fall der Ausgabe der Kommanditanteile unter Einschaltung eines Treuhänder-Kommanditisten angewandt (Urteil vom 29. Januar 1988 X R 7/81, BFHE 152, 370, BStBl II 1988, 506). In dem Urteil in BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557 hat der Senat allerdings offengelassen, ob eine Publikumsgesellschaft, die zugleich Beteiligungsgesellschaft ist, mit der Anteilsausgabe überhaupt steuerbare Umsätze bewirkt oder ob diese Umsätze innerhalb der nichtunternehmerischen Sphäre als Hilfsumsätze angesehen werden können. Der Senat braucht die Frage auch für den Streitfall nicht zu entscheiden.
Ebenso kann unentschieden bleiben, ob die kurzfristige verzinsliche Anlage liquider Gelder die Unternehmereigenschaft begründet (dazu BFH-Urteil vom 15. Januar 1987 V R 3/77, BFHE 149, 272, 277, BStBl II 1987, 512, unter 2 a).
Sollten die Ausgabe von Kommanditanteilen und die verzinsliche Geldanlage nichtunternehmerisch sein, würde ein Vorsteuerabzug schon deswegen entfallen, weil die Klägerin in keiner Beziehung Unternehmer gewesen wäre. Sollte sie teilweise Unternehmer gewesen sein, würde ein Vorsteuerabzug durch § 15 Abs. 2 UStG 1967 ausgeschlossen werden, weil die empfangenen Leistungen für steuerfreie Umsätze i. S. des § 4 Nr. 8 UStG 1967 verwandt wurden. Hiervon geht die Klägerin hinsichtlich der auf die Anteilsausgabe bezogenen Vorsteuern selbst aus; denn sie hat den Abzug der auf den Vertrieb der Kommanditanteile angefallenen Vorsteuern im Rechtsbehelfsverfahren nicht mehr geltend gemacht. Gleiches gilt für die Vorsteuern, die auf die Geldanlagen bezogen sein sollten.
13. Unerheblich ist, daß die Klägerin nach Klageerhebung gegenüber dem FA unter Hinweis auf § 9 UStG 1967/1973 erklärte, sie wolle von den Zinserträgen 1973 und 1974 jeweils 10 DM der Umsatzsteuer unterwerfen. Eine solche Teiloption ist mit dem FG als unwirksam zu erachten. Die Option muß gemäß § 9 Satz 2 UStG 1967 alle unter § 4 Nr. 8 UStG 1967 fallenden Umsätze erfassen. Eine Beschränkung auf Anlageumsätze mit Erträgen von jeweils 10 DM ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Die Verwaltung hat zwar in dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 28. Juni 1969 (BStBl I 1969, 363) eine Beschränkung der Option auf solche Umsätze zugelassen, die an andere Unternehmen für deren Unternehmen ausgeführt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Verwaltungsregelung von den Gerichten zu beachten ist. Jedenfalls ist eine Beschränkung der Option ,,auf einen Teil der . . . Zinserträge" (Schreiben der Klägerin vom 18. März 1977) aus der Verwaltungsregelung nicht herzuleiten. Die Verwaltungsregelung gestattet in Übereinstimmung mit dem Gesetz eine Option nur hinsichtlich von Umsätzen, nicht hinsichtlich von Entgelten (Zinserträgen). Davon abgesehen, kann der Gedankengang der Klägerin nicht überzeugen, daß bei wirksamer Option hinsichtlich zweier Kreditgewährungen mit jeweils 10 DM Entgelt in jeweils einem Streitjahr alle streitigen Vorsteuern diesen Umsätzen zuzurechnen sein sollen.
Fundstellen