Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Anforderungen an die Wareninventur für die Eröffnungsbilanz einer OHG, die durch Eintritt eines Sohnes in das Geschäft des Vaters als Gesellschafter ohne Kapitaleinlage gegründet wird.
Normenkette
EStG §§ 5, 10/1/3; HGB § 39
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) betrieb bis zum 31. Dezember 1949 eine Papierhandlung unter seinem Namen als Einzelunternehmer. Durch Gesellschaftsvertrag vom 23. Januar 1950 nahm er mit Wirkung vom 1. Januar 1950 seinen Sohn in die Firma auf, die nunmehr als OHG weitergeführt wurde. Der Sohn ist mit 1/3 am Gewinn der OHG beteiligt. Das Wirtschaftsjahr der Firma läuft seit 1927 vom 1. Juli bis 30. Juni des nächsten Jahres. Dieses abweichende Wirtschaftsjahr wurde auch von der OHG übernommen.
Die OHG hat bei ihrer Gründung keine körperliche Warenbestandsaufnahme vorgenommen. Der Bilanzposten Warenkonto bzw. Warenbestand war mit Hilfe der Unterlagen der Buchführung geschätzt worden. Das Finanzamt erkannte deshalb die Buchführung des Stpfl. nicht als ordnungsmäßig an, veranlagte ihn für 1949 zwar nach dem Buchergebnis, lehnte es aber ab, ihm die Steuervergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 zu gewähren. Hiergegen machte der Bf. folgendes geltend:
Er habe mit Rücksicht auf seine durch Alter geschwächte Leistungsfähigkeit seinen Sohn in seine Firma aufgenommen, ohne von ihm eine Kapitaleinlage zu erhalten. Das Geschäft sei im übrigen wie bisher weitergelaufen. Die Buchführung sei formell in Ordnung. Eine körperliche Inventur sei nur an den Bilanzstichtagen erforderlich. Da auch die OHG das abweichende Geschäftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni übernommen habe, sei eine Inventur am 31. Dezember 1949 nicht erforderlich gewesen. Die erste Warenbestandsaufnahme habe deshalb zu Recht erst am 30. Juni 1950 stattgefunden. Der Gewinn des Geschäftsjahres 1949/50 sei mit 5/6 auf den Steuerpflichtigen (Stpfl.) und mit 1/6 auf seinen Sohn verteilt worden. Nach Abrechnung des Gewinnanteiles des Sohnes könne somit der Gewinn des Bf. für das Wirtschaftsjahr 1949/1950 genau errechnet werden. Auf jeden Fall liege kein wesentlicher Mangel der Buchführung im Sinne der Rechtsprechung vor.
Die Berufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Stellungnahme im wesentlichen wie folgt: Die Gründung der OHG stelle die Gründung eines neuen Unternehmens dar. Für das bisherige Einzelunternehmen habe das Wirtschaftsjahr vorzeitig aufgehört, für die OHG habe ein neues Wirtschaftsjahr begonnen. Das Unterlassen der Inventur zum 31. Dezember 1949 / 1. Januar 1950 sei deshalb ein wesentlicher Mangel der Buchführung.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) bestreitet die Notwendigkeit der Aufstellung einer Bilanz. Gewohnheitsrechtlich werde beim Eintritt und Ausscheiden von Gesellschaftern (Kommanditisten) und bei Beginn und Beendigung bei Gesellschaftsverhältnissen durch Erbfall eine Bilanz einschließlich Inventur nicht erstellt. Im übrigen sei die Buchführung bei der Veranlagung für die Gewinnermittlung anerkannt worden. Es könne deshalb nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes nicht versagt werden. Die Frage, ob ordnungsmäßige Buchführung vorliege, könne nur einheitlich entschieden werden.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:
Die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes kann nur dort gebilligt werden, wo eine ordnungsmäßige Buchführung gegeben ist. Hierunter ist eine kaufmännische Buchführung zu verstehen, die den Grundsätzen des Handelsrechtes entspricht. Dies wurde neuerdings in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 496/52 vom 12. März 1953, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 117, ausdrücklich ausgesprochen: "Ob eine Buchführung ordnungsmäßig ist, beurteilt sich nicht danach, ob ihre Ergebnisse unverändert der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, sondern ob sie den Vorschriften des HGB und den allgemeinen Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Buchführung entspricht (so auch Urteil des Reichsfinanzhofs VI 115/38 vom 9. März 1938, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1938 Nr. 229)." Es wurde deshalb in dem Falle der Entscheidung IV 496/52 die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes gewährt, obwohl das Wirtschaftsjahr des Stpfl. nicht den steuerlichen Sondervorschriften des § 2 Abs. 5 EStG 1950 entsprach. Umgekehrt wurde in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 376/52 vom 20. März 1953, BStBl. III S. 120, die Vergünstigung versagt, weil die handelsrechtlich vorgeschriebene Bilanz zum 31. Dezember 1948 nicht aufgestellt war.
Im vorliegenden Falle hat der Bf. eine Bilanz zum Zeitpunkt des Eintritts des Sohnes in das Unternehmen aufgestellt. Zweifelhaft ist lediglich, ob das Fehlen einer körperlichen Bestandsaufnahme einen Mangel darstellt, der dazu führt, die Bilanz nicht mehr als ordnungsmäßig anzusehen. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Aufstellung einer Bilanz tritt der Senat der Vorentscheidung bei.
Die Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951 geben in ihrem Abschn. 45a im wesentlichen die Grundsätze wieder, wie sie die Rechtsprechung für die Wareninventur gefordert hat. Die Bewertung muß im allgemeinen auf einer körperlichen Aufnahme der Waren beruhen. Nur eine derartige Inventur gibt die entsprechende Gewähr für die richtige Erfassung der tatsächlich vorhandenen Bestände und bietet die Möglichkeit der Kontrolle der Buchführung. Dieser allgemeine Grundsatz findet aber dort seine Grenze, wo die mit der Durchführung der körperlichen Aufnahme verbundene Arbeit mit ihrem wirtschaftlichen Zweck nicht mehr zu vereinbaren wäre. In erheblichem Umfang werden Vorräte, die vertretbar sind und nach ihrem Gewicht gehandelt werden, so insbesondere die Hilfsstoffe, wie Kohlevorräte, am Bilanzstichtage nicht körperlich aufgenommen, d. h. gewogen, sondern mit Hilfe von Lagerkarten, die die Zu- und Abgänge enthalten, also karteimäßig erfaßt, wobei die ermittelten Bestände ggf. durch eine Schätzung auf Grund einer Besichtigung nachgeprüft werden. In den Veranlagungsrichtlinien 1951 wird in Abschn. 45b für Anlagegüter des beweglichen Anlagevermögens die körperliche Bestandsaufnahme nachgelassen. Auch die Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinien 1952 verzichten in dem neugefaßten Abschn. 45b in beachtlichem Umfang auf das Erfordernis der körperlichen Bestandsaufnahme. Es wird davon auszugehen sein, daß die Anforderungen für das Anlagevermögen strenger sein müssen als für das umlaufende Vermögen, bei dem sich eine mangelhafte Bewertung als Folge einer unvollständigen Bestandsaufnahme durch den Umsatz in verhältnismäßig kurzer Zeit ausgleicht.
Es kann deshalb nicht anerkannt werden, daß für die Warenvorräte ausnahmslos eine körperliche Aufnahme gefordert werden muß. Erforderlich ist es, daß, soweit keine körperliche Aufnahme erfolgt, Unterlagen in der Buchführung gegeben sind, die es ermöglichen, den Wert mit ausreichender Zuverlässigkeit festzustellen.
Es erscheint zweckmäßig, die Sache zur nochmaligen Würdigung an das Finanzamt zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407748 |
BStBl III 1953, 357 |
BFHE 1954, 170 |
BFHE 58, 170 |
DB 1954, 33 |