Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Einfamilienhaus/Zweifamilienhaus
Leitsatz (NV)
1. An der für die Annahme eines Zweifamilienhauses erforderlichen Abgeschlossenheit der beiden Wohnbereiche fehlt es, wenn vom Haupteingang im Untergeschoß der ungehinderte Zugang zu den dort befindlichen Wohnräumen und Nebenräumen und über die Treppe zu den Wohnräumen im Erd- und Obergeschoß möglich ist.
2. Dem Senat ist es verwehrt, Billigkeitserwägungen im Sinn der Anpassungsregelung der Finanzverwaltung (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. Einheitsbewertung des Grundvermögens vom 15. Mai 1985, BStBl I 1985, 201) zu berücksichtigen, da die Frage, ob das Finanzamt im Streitfall aus Gründen des Vertrauensschutzes gehalten sein könnte, das Wohngrundstück als Zweifamilienhaus zu bewerten, nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens gewesen ist.
Normenkette
BewG 1965 § 75 Abs. 5-6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eigentümer eines 1980 bezugsfertig errichteten Wohngebäudes. Es handelt sich um ein Reihenendhaus mit teilweise zu Wohnzwecken ausgebautem Untergeschoß, in dem die Räume der ,,Einliegerwohnung" mit 23,57 qm liegen. Die Räume der Hauptwohnung befinden sich im Erd- und im Obergeschoß und umfassen rd. 120 qm. Durch den Haupteingang im Untergeschoß gelangt man über einen kleinen Windfang zu den Räumen der ,,Einliegerwohnung", bestehend aus einem Wohn-Schlafraum, einer kleinen eingerichteten Küche und einem Duschraum mit WC. Die Küche und der Duschraum haben wegen ihrer Lage keine natürliche Belichtung und Belüftung. Vom Haupteingang erreicht man außerdem die sonstigen Nebenräume des Untergeschosses. Rechter Hand gelangt man über eine offene Treppe in das Erdgeschoß und von dort an einem nichtabgeschlossenen Flur vorbei in das Obergeschoß. Eine weitere Zugangsmöglichkeit besteht von der Garage aus in das Treppenhaus.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte im Wege der Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1981 die Grundstücksart Einfamilienhaus fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch, mit dem die Kläger die Feststellung als Zweifamilienhaus begehrten, hatte keinen Erfolg. Das FA war der Auffassung, daß die Räume wegen der geringen Gesamtfläche von rd. 23 qm nicht als selbständige Wohnung anzuerkennen seien. Die Klage, mit der die Kläger ihr Begehren weiterverfolgten, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Die Wohnräume im Untergeschoß seien als baulich abgeschlossene Wohneinheit zu betrachten. Die Gesamtwohnfläche von 23,57 qm sei noch ausreichend, um die Räume als selbständige Wohnung anzuerkennen. Dem stehe auch nicht entgegen, daß die Küche und der Duschraum keine natürliche Belichtung und Belüftung hätten.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 75 Abs. 5 und 6 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG). Das FG verkenne den Begriff der Wohnung und setze sich mit seiner Entscheidung in Widerspruch zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. November 1978 III R 81/76 (BFHE 126, 565, BStBl II 1979, 255). Die fraglichen Räume seien wegen der geringen Gesamtfläche und mit Rücksicht darauf, daß die Nebenräume nur künstlich belichtet und belüftet seien, nach der Verkehrsauffassung nicht auf Dauer an fremde Dritte als Wohnung zu vermieten. Die Wohnräume seien weder gegenüber den Nebenräumen im Untergeschoß noch gegenüber den Wohnräumen im Erd- und Obergeschoß eindeutig baulich abgeschlossen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Nach § 75 Abs. 5 und 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Ein- und Zweifamilienhaus entscheidend, ob eine oder zwei Wohnungen in dem betreffenden Wohngrundstück enthalten sind. Zum Wohnungsbegriff i. S. von § 75 Abs. 5 und 6 BewG hat der Senat in der Entscheidung vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151) Stellung genommen. Nach diesem Urteil ist - jedenfalls für Stichtage ab 1. Januar 1974 - für die Annahme einer Wohnung unter anderem wesentlich, daß die Zusammenfassung von mehreren Räumen eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet. Die Bewertung eines Wohngrundstücks als Zweifamilienhaus setzt voraus, daß beide Wohneinheiten diese Voraussetzungen erfüllen.
2. Die Anwendung der Grundsätze der Senatsentscheidung in BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151 auf den Streitfall ergibt, daß das Wohngrundstück der Kläger zu dem hier streitigen Fortschreibungszeitpunkt nur eine Wohnung enthält. Es fehlt an dem baulichen Abschluß zwischen den beiden Wohnbereichen. Insbesondere bilden die Wohnräume im Erd- und Obergeschoß keine voneinander abgeschlossenen Wohneinheiten. Von dem Flur im Untergeschoß ist der ungehinderte Zugang zu den dort befindlichen Nebenräumen und über die Treppe zu den Wohnräumen im Erdgeschoß und im Obergeschoß möglich.
Im Streitfall kommt es nicht darauf an, daß von der Garage aus ein zweiter Zugang zu dem Wohngebäude besteht. Die Beurteilung der räumlichen Trennung und der baulichen Abgeschlossenheit wird dadurch nicht berührt.
Im vorliegenden Fall ist es dem Senat verwehrt, Billigkeitserwägungen im Sinn der Anpassungsregelung der Finanzverwaltung (vgl. die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. Einheitsbewertung des Grundvermögens vom 15. Mai 1985, BStBl I 1985, 201) zu berücksichtigen. Die Prüfung, ob das FA im Streitfall aus Gründen des Vertrauensschutzes gehalten sein könnte, das Wohngrundstück als Zweifamilienhaus zu bewerten, muß gegebenenfalls einem gesonderten Verfahren vorbehalten bleiben (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1985 III R 62/84, BFHE 142, 567, BStBl II 1985, 319).
3. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage war abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 414166 |
BFH/NV 1986, 269 |