Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei der überlassung von Straßen, Plätzen, Brücken usw. einer Stadt an eine Verkehrsgesellschaft zur Benutzung ist ein sogenannter gemischter Vertrag anzunehmen. Die Aufteilung der Wegebenutzungsgebühr in ein steuerfreies Entgelt für die Grundstücksüberlassung und in ein steuerpflichtiges Entgelt für die Erteilung der Betriebserlaubnis richtet sich nach dem Ausmaß der Inanspruchnahme der Verkehrsräume im Einzelfalle.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 10, § 4/12
Tatbestand
Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur noch streitig, ob und - bejahendenfalls - in welcher Höhe die Wegebenutzungsentgelte, die die Stadt A. (nachfolgend Stadt) von der Aer Verkehrsgesellschaft AG (nachfolgend AVG) auf Grund des "Zustimmungsvertrages" vom ... und des Nachtrags vom ... erhalten hat,
zur Umsatzsteuer für 1952 heranzuziehen sind. ... Die Stadt hat der AVG in § 2 des "Zustimmungsvertrages" vom ...
die Straßen, Brücken und Plätze zur Benutzung überlassen,
zugesichert, daß sie während der Dauer des Vertrages keinerlei andere Ermächtigung zur Einrichtung von Verkehrslinien am Aer Stadtgebiet verleihen werde.
Die Vorinstanzen haben hierin einen sogenannten gemischten Vertrag erblickt, der teils steuerpflichtige, teils steuerfreie Leistungen beinhaltet; das Finanzamt hat die Stadt mit 2/3, das Finanzgericht hat sie mit 1/3 der Wegebenutzungsentgelte zur Umsatzsteuer herangezogen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren beantragen der Vorsteher des Finanzamts Bemessung des steuerpflichtigen und des steuerfreien Teils des Entgelts im Verhältnis von 50 : 50, die Stadt in erster Linie gänzliche Befreiung der Wegebenutzungsentgelte von der Umsatzsteuer, hilfsweise Beibehaltung der vom Finanzgericht vorgenommenen Aufteilung.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rechtslage ergibt folgendes: Der Ansicht der Stadt, daß sich der Inhalt des "Zustimmungsvertrages" auf eine Vermietung von Grundstücksteilen beschränke, kann nicht gefolgt werden. Gegenstand solcher Verträge ist - wie schon der Reichsfinanzhof (Urteil V 36/41 vom 9. Oktober 1942, RStBl 1943 S. 13, Slg. Bd. 52 S. 186) dargelegt hat - außer der Gebrauchsüberlassung der Verkehrswege die Erteilung der Betriebserlaubnis. Es ist dabei bedeutungslos, ob der Gemeinde ein gewerbepolizeiliches oder sonstiges öffentlich-rechtliches Genehmigungsrecht zusteht. Auch wenn ein Unternehmer aus öffentlichem Recht einer Genehmigung zur Ausübung eines Verkehrsbetriebes nicht bedarf, ist die Gemeinde auf Grund ihrer tatsächlichen Machtstellung, die aus der Beherrschung der Verkehrsräume entspringt, doch in der Lage, die Betriebserlaubnis für die in ihrem Machtbereich liegenden Verkehrswege zu erteilen oder zu versagen. Diese Möglichkeit wird dadurch, daß nach § 15 Abs. 2 des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande (PBefG) vom 4. Dezember 1934 in der Fassung vom 16. Januar 1952 (BGBl I S. 21) in bestimmten Fällen die Genehmigungsbehörde die Zustimmung des Wegeunterhaltungspflichtigen ersetzen kann, zwar eingeschränkt, keineswegs aber aufgehoben. Die Zusicherung der Stadt an die AVG, im Aer Stadtgebiet keine andere Ermächtigung zur Einrichtung von Verkehrslinien zu erteilen, räumt der AVG eine Art von Monopolstellung ein, die die erteilte Betriebserlaubnis besonders deutlich erkennen läßt, wenn es auch auf das Vorhandensein einer solchen Monopolstellung nach dem oben angeführten Urteil vom 9. Oktober 1942 nicht entscheidend ankommt.
Entsprechend dem Inhalt der Wegebenutzungsverträge in wirtschaftlicher und tatsächlicher Hinsicht entfällt das von den Verkehrsgesellschaften an die Gemeinden zu zahlende Entgelt auf einen (steuerfreien) Teil für die Wegebenutzung und einen (steuerpflichtigen) Teil für die Betriebserlaubnis. Die Abfassung der Verträge spielt dabei keine Rolle. Insbesondere kann dem Umstande, daß in ihnen das Entgelt als auf die Benutzung der Verkehrsräume entfallend bezeichnet wird (so § 9 des "Zustimmungsvertrages"), keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Da nach den obigen Ausführungen für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung die tatsächliche Machtstellung der Gemeinde ausschlaggebend ist, kann sich die Stadt auch nicht darauf berufen, daß nach § 15 PBefG die Wegeunterhaltungspflichtigen ein angemessenes Entgelt "für die Benutzung des Weges" beanspruchen können. Die Vorinstanzen haben somit zu Recht den "Zustimmungsvertrag" als gemischten Vertrag angesehen und das Wegebenutzungsentgelt in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil zerlegt.
Bei der Schätzung der Höhe dieser Teile durch das Finanzgericht handelt es sich um eine Beurteilung tatsächlicher Verhältnisse, an die der Senat gemäß § 288 AO gebunden ist. Denn Verstöße gegen das geltende Recht, gegen den Akteninhalt oder gegen die Denkgesetze seitens des Finanzgerichts sind nicht feststellbar. Der Senat hat zwar im Urteil V 206/56 U vom 14. März 1957 (BStBl 1957 III S. 456, Slg. Bd. 65 S. 583) die Aufteilung der sogenannten Konzessionsabgaben einer Elektrizitätsgesellschaft auf das Recht zur Grundstücksbenutzung und auf das Recht zur Versorgung mit elektrischer Energie im Verhältnis von 50 : 50 für zutreffend erachtet. Es waren in diesem Rechtsstreit keine überzeugenden Gesichtspunkte vorgebracht und erkennbar, daß das eine oder andere Recht für die Elektrizitätsgesellschaft einen größeren Wert besäße. Das wird bei Versorgungsbetrieben in der Regel so sein. Bei Verkehrsbetrieben dagegen können die Verhältnisse sehr unterschiedlich liegen. So wird z. B. eine Straßenbahnlinie, die Schienen und elektrische Oberleitungen zu ihrem Betriebe benötigt, über den Gemeingebrauch hinaus die Verkehrsräume in erheblich größerem Umfang in Anspruch nehmen als eine Autobuslinie. Bei der Einrichtung einer Straßenbahnlinie wird die dem allgemeinen Verkehr dienende Straßenoberfläche durch den Einbau der Gleise und Leitungsmasten unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen. Der übrige Verkehr wird in der Benutzung der Verkehrswege durch die Straßenbahn behindert. Die Gemeinde muß die vorgesehenen Straßenbahnlinien in ihre Straßenplanungen einbeziehen. Es entstehen ihr für Ausbau, Unterhaltung, Reinigung und Sicherung der Verkehrsräume mit Straßenbahnlinien beträchtliche Mehrkosten. Die Inanspruchnahme der gemeindeeigenen Straßen, Plätze, Brücken usw. ist bei Straßenbahnlinien, weil durch ihre Anlegung der Raum auf (Gleise), unter (Unterbau) und über (Oberleitungen) den Verkehrswegen betroffen wird, viel intensiver als bei den Versorgungsbetrieben. Auf der anderen Seite stellt dieses weitgehende Recht zur Benutzung der öffentlichen Verkehrswege für die Straßenbahngesellschaften einen erheblich höheren Wertfaktor dar als das Recht auf die verhältnismäßig geringfügige Inanspruchnahme des Raumes unter bzw. über der Grundstücksoberfläche beim Verlegen der Wasser-, Elektrizitäts- und Gasleitungen für die Versorgungsbetriebe. Dieser Wertfaktor ist bei den Verkehrsbetrieben schwankend. So kann sich z. B. danach, in welchem Umfange Straßenbahn- oder Autobuslinien bestehen, das Verhältnis zwischen dem steuerpflichtigen und steuerfreien Teil der Wegebenutzungsentgelte stark verschieben.
Es ist Aufgabe der Tatsacheninstanzen, diese unterschiedlichen Verhältnisse bei der Schätzung der auf die Grundstücksüberlassung und auf die Betriebserlaubnis entfallenden Entgeltsteile bei Wegeüberlassungsverträgen gebührend zu berücksichtigen. Es ist nicht ersichtlich, daß dem Finanzgericht hierbei Fehler unterlaufen wären, insbesondere, daß es für die Schätzung wichtige Umstände übersehen hätte. Die Rbn. des Vorstehers des Finanzamts und der Stadt sind daher in diesem Punkte unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 409849 |
BStBl III 1961, 11 |
BFHE 1961, 28 |
BFHE 72, 28 |