Leitsatz (amtlich)
1. Es verstößt nicht gegen das GG, daß nach § 34a EStG nur tarifvertragliche Zuschläge begünstigt werden.
2. Der Senat bleibt bei der Auffassung, daß, wenn ein Tarifvertrag nicht unmittelbar anwendbar ist, tarifvertragliche Zuschläge im Sinne des § 34a EStG nur anzunehmen sind, wenn die Beteiligten für ihren Arbeitsvertrag mindestens alle Bestimmungen des Tarifvertrags im ganzen übernehmen, die mit den Zuschlägen zusammenhängen.
Normenkette
EStG § 34a
Tatbestand
Zum Arbeitslohn des Stpfl., eines Kraftfahrers, gehören Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Die Zuschläge werden auf Grund einer Betriebsvereinbarung zwischen der Arbeitgeberin (GmbH) und dem Betriebsrat gezahlt.
Auf die Zuschläge hat die GmbH einer Auskunft des FA entsprechend Lohnsteuer einbehalten. Der Stpfl. hält die Zuschläge für nach § 34a EStG steuerfrei und verlangt vom FA die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer. Er führt aus, die GmbH sei ein Unternehmen, wie es in dieser Art in Deutschland kein anderes gebe. Sie gehöre aus diesem Grund keinem Arbeitgeberverband an; ebenso gebe es keine Gewerkschaft, die für ein solches Spezialunternehmen zuständig sei. Die Auslegung des Bundesfinanzhofs (BFH), daß nach § 34a EStG nur "tarifvertragliche" Zuschläge begünstigt seien, werde dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift nicht gerecht; sie beachte nicht ausreichend die Entwicklung der Vorschrift, die zu der Zeit ihrer Schaffung alle Zuschläge begünstigt habe. Die Auslegung sei zudem verfassungswidrig, weil sie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletze. "Tariflich" sei jeder auf Grund verbindlicher Normen gezahlte Zuschlag. In der zwischen der GmbH und dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung seien die Zuschläge in Anlehnung an Tarifverträge der Mineralölindustrie für alle Arbeitnehmer einheitlich und verbindlich festgesetzt. Das müsse für die Anwendung des § 34a EStG genügen.
Das FA lehnte den Erstattungsantrag ab, die Sprungklage hatte Erfolg. Das FG bezeichnete zwar mit der Rechtsprechung des Senats als "tariflich" im Sinne des § 34a EStG nur Zuschläge, die in einem für die Beteiligten bindenden Tarifvertrag festgesetzt sind, und Zuschläge, die auf einer zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten Übernahme einer tarifvertraglichen Regelung beruhen. Diese Voraussetzung sei aber, so führte das FG aus, im Streitfall gegeben, weil die von der GmbH mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung sich in ausreichendem Maße an einen anderen Tarifvertrag anlehne.
Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts, insbesondere des § 34a EStG. Das FG, so macht das FA geltend, habe sich zwar, wie es ausführe, den Urteilen des BFH VI 162/62 S vom 25. Oktober 1963 (BFH 78, 27, BStBl III 1964, 11) und VI 207/65 vom 10. September 1965 (HFR 1965, 555) angeschlossen, weiche aber in Wirklichkeit von ihnen ab, weil es die Zuschläge als "tarifvertraglich" behandle, obwohl sie anders als in dem angeblich zugrunde gelegten Tarifvertrag geregelt seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Das FG gibt die rechtlichen Voraussetzungen, die der Senat für die Einordnung von Zuschlägen unter die begünstigende Vorschrift des § 34a EStG gemacht hat, zutreffend wieder. "Tariflich" im Sinne des § 34a EStG sind "tarifvertragliche" Zuschläge. Das ergibt sich aus dem Wortlaut und aus dem Sinn des § 34a EStG, der offenbar nicht einfach alle Zuschläge freistellen soll. Das aber würde eintreten, wenn man jede Vereinbarung von Zuschlägen genügen ließe, die nach Art eines Tarifs gestaltet sind oder sich an einen Tarif anlehnen.
Der Senat hat das Bedenken, daß die Regelung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, bereits im Urteil VI 50/61 S vom 22. Juni 1962 (BFH 75, 302, BStBl III 1962, 376) zurückgewiesen. Der Senat sieht auch bei nochmaliger Prüfung keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzugehen.
Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt auch nicht in der einschränkenden Auslegung, die der Senat der Vorschrift gibt; denn diese Auslegung entspricht, wie erwähnt, dem erkennbaren Sinn der gesetzlichen Regelung. Die Festsetzung der Zuschläge durch das Gesetz oder einen Tarifvertrag bietet eine gewisse Gewähr für die Angemessenheit der Zuschläge. Die Einschränkung ist also keineswegs willkürlich. Wenngleich das FA Mißbräuchen auch im Einzelfall entgegentreten kann, so schließt das nicht aus, die den Stpfl. begünstigende gesetzliche Regelung von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen, um schon auf diese Weise von vornherein Mißbrauchsmöglichkeiten entgegenzutreten. Das ist besonders für das Steuerrecht ein legitimes und zumal für das Lohnsteuerverfahren als Massenverfahren oft zweckmäßiges Mittel des Gesetzgebers.
Der Hinweis des Stpfl., die Regelung des § 34a EStG stamme aus der Zeit des totalitären Regimes, ist richtig. Das legt aber höchstens die Frage nahe, ob die Befreiung heute noch sachlich gerechtfertigt ist. Hier geht es aber um eine Frage der Steuerpolitik, die allein der Gesetzgeber entscheiden kann. Jedenfalls besagt die Tatsache, daß die Vorschrift auf die Zeit des Nationalsozialismus und die Kriegswirtschaft zurückgeht, nicht, daß der Begriff "tarifliche" Zuschläge anders aufgefaßt werden müßte als im Sinne von "tarifvertraglichen" Zuschlägen. Mag das Arbeitsrecht auch damals der Gestaltungsfreiheit der Beteiligten weniger Raum gelassen haben als heute, so ist doch bei der Auslegung des § 34a EStG in Betracht zu ziehen, daß den Tarifpartnern im Arbeitsrecht heute eine so wichtige Rolle zukommt, daß es gerechtfertigt erscheint, für die Begünstigung von Zuschlägen nicht bloß an die "gesetzliche" Festsetzung, sondern auch an die "tarifvertragliche" Festsetzung anzuknüpfen. Wäre der Zusatz "tariflich" so aufzufassen, wie es der Stpfl. will, dann wäre nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber den doch offenbar einschränkenden Zusatz bei den inzwischen vorgenommenen mehrfachen Änderungen des § 34a EStG noch aufrechterhalten hat.
Bedenken, die sich gegen die Auslegung des Begriffs "tariflich" im Sinne von "tarifvertraglich" aus der verfassungsmäßigen Garantie der Vereinigungsfreiheit (Artikel 9 GG) ergeben könnten, hat der Senat durch die Auslegung Rechnung getragen, daß er eine "tarifvertragliche" Festsetzung auch dort annimmt, wo die Parteien des Arbeitsvertrags vereinbaren, für das Arbeitsverhältnis einen in Betracht kommenden Tarifvertrag anzuwenden (Urteile des Senats VI 68/62 U vom 25. Oktober 1963, BFH 78, 25, BStBl III 1964, 10; VI 175/62 vom 25. Oktober 1963, HFR 1964, 78). Allerdings genügt dafür nicht nur die Übernahme der Zuschläge in den Arbeitsvertrag; denn dann besteht nicht die Gewähr für die Angemessenheit der Zuschläge. Diese ist nur gegeben, wenn der Tarifvertrag im ganzen übernommen wird. Es ist dem Stpfl. zuzugeben, daß bei dieser Auslegung Beteiligte, die die Bestimmungen eines Tarifvertrags im ganzen nicht übernehmen wollen oder können, nicht in den Genuß der Vergünstigungen des § 34a EStG gelangen können. Diese Tatsache macht aber weder die Vorschrift des § 34a EStG noch die Auslegung, die der Senat der Vorschrift gibt, verfassungswidrig; denn die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 GG ist dadurch nicht beeinträchtigt, und der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erfordert nicht, daß jeder Bürger auch tatsächlich in der Lage sein muß, die Voraussetzungen für eine Vergünstigung zu erfüllen.
Das FG führt in der angefochtenen Entscheidung aus, es folge der Rechtsprechung des Senats. Dem ist nicht zuzustimmen. Die Parteien eines Arbeitsvertrags, die nicht Partner des Tarifvertrags sind, können, wie gesagt, die Vergünstigung des § 34a EStG nur beanspruchen, wenn sie einen geeigneten Tarifvertrag im ganzen für anwendbar erklären. Man braucht dabei nicht etwa zu fordern, daß auch alle Punkte, die mit der Festsetzung der Zuschläge, der Entlohnung und der Arbeitszeit nichts zu tun haben, uneingeschränkt übernommen werden. Jedenfalls müssen aber die tarifvertraglichen Vereinbarungen, die sich auf diese Fragen beziehen, voll übernommen werden, um die vereinbarten Zuschläge als "tarifvertraglich" ansehen zu können. Der Stpfl. weist zu Recht darauf hin, es sei nicht Aufgabe der Finanzämter und der Steuergerichte, die arbeitsrechtlichen Vereinbarungen im einzelnen nachzuprüfen. Gerade um das zu vemeiden, hält der Senat die Übernahme der tarifvertraglichen Regelungen im ganzen für die Anerkennung einer "tarifvertraglichen" Regelung für notwendig.
Das FG ist, wie das FA zutreffend rügt, offenbar von anderen Grundsätzen ausgegangen und hat nicht die Übernahme des angezogenen Tarifvertrags im ganzen in dem gleichen Umfang für notwendig gehalten, wie es nach der Rechtsprechung des Senats erforderlich ist. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben, damit das FG die Sache nochmals unter diesem Gesichtspunkt prüft.
Fundstellen
Haufe-Index 412820 |
BStBl II 1968, 117 |
BFHE 1968, 481 |