Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlassung von Blankoabrechnungspapieren
Leitsatz (NV)
Wer einem Dritten ein Blankoabrechnungspapier überläßt, schuldet die von diesem darauf ausgewiesene Umsatzsteuer auch dann, wenn er sich die Zustimmung zu diesem Steuerausweis vorbehalten hat, aber davon ausgehen muß, daß dem nicht entsprochen wird.
Normenkette
UStG 1980 § 14 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat im Streitjahr dem Gesellschafter-Geschäftsführer X einer GmbH (GmbH) sieben auf seinen Namen lautende Blankogeschäftsbriefbögen, versehen mit seiner Unterschrift und seinem Stempelaufdruck, ausgehändigt. Der Kläger war nicht Unternehmer, Lieferungen oder sonstige Leistungen hat er nicht ausgeführt. Die GmbH hat auf den überlassenen Briefbögen neben Rechnungsbeträgen Umsatzsteuer offen ausgewiesen und als Vorsteuer abgesetzt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte diese Umsatzsteuer gegen den Kläger fest.
Das Finanzgericht (FG) wies insoweit die Klage ab und führte aus: Der Kläger schulde die auf den Briefbögen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Der Kläger sei Aussteller der auf seinen Geschäftsbriefbögen erstellten Abrechnungspapiere, auch wenn diese überwiegend (bis auf die Unterschrift und den Stempelaufdruck) von X gefertigt worden seien. Er habe sich der Papiere begeben und in Kauf genommen, daß der Adressat davon Gebrauch machen würde. Es brauche nicht geklärt zu werden, ob die Einlassung des Klägers zutreffend sei, daß er sich seine Zustimmung zu deren Vervollständigung zu Rechnungen vorbehalten habe. Denn als Aussteller sei er auch dann anzusehen, wenn er zwar die endgültige Zustimmung zur Erstellung der Abrechnungspapiere nicht erteilt, nach den Umständen des Falles aber nicht damit habe rechnen können, daß der Adressat sich um das Vorliegen seiner Zustimmung kümmern werde. Davon sei im Streitfall auszugehen. X habe den Kläger veranlaßt, neben der streitbefangenen Überlassung der Briefbögen auch Scheinrechnungen mit gesondertem Steuerausweis mit dem Ziel der Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile zu erstellen und ihn daran auch beteiligt.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung von § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 UStG 1980.
Das FG habe ihn zu Unrecht als Aussteller der Rechnungen auf den Blankogeschäftsbriefbögen angesehen. Die Feststellungen des FG, er habe nicht ernsthaft damit rechnen können, daß X die Blankoabrechnungsformulare erst nach Einholung seiner Zustimmung verwenden werde, bedeute eine Unterstellung, die der Vorentscheidung nicht ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte zugrunde gelegt werden dürfen und die das FG letztlich nicht begründet habe. Es handele sich insoweit um eine innere Tatsache in seiner Person, die das FG durch seine Anhörung und die Vernehmung des X hätte aufklären müssen. Er, der Kläger, sei nicht einschlägig vorgebildet und habe daher die anderweitige Verwendung der Briefbögen auch nicht in Kauf genommen. Letztlich komme im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. August 1988 X R 66/82 (BFHE 155, 193, BStBl II 1988, 1019) zum Ausdruck, daß nicht als Aussteller anzusehen sei, wer einem Dritten den Steuerausweis ausdrücklich untersage. Dies müsse auch gelten, wenn Blankorechnungsformulare wie im Streitfall erst nach Verständigung über ihren Inhalt vervollständigt werden sollten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Wer in einer Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, schuldet diesen Betrag, obwohl er nicht Unternehmer ist (§ 14 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2, 1. Alternative UStG 1980) oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2, 2. Alternative UStG 1980).
Zweck der Vorschrift des § 14 Abs. 3 UStG 1980 ist es, Mißbräuche durch Ausstellen von Rechnungen oder sonstigen Abrechnungspapieren mit gesondertem Steuerausweis zu verhindern (BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 103/90, BFHE 171, 125, BStBl II 1993, 531, m.w.N.). Dementsprechend ist sie als Gefährdungstatbestand besonderer Art ausgestaltet. Die Anwendung der Vorschrift setzt lediglich voraus, daß eine Urkunde ausgestellt und an den Adressaten ausgehändigt (begeben) wird. Damit bestätigt der Aussteller seinen Willen, die Urkunde in den Verkehr zu bringen. Die durch die Rechnungsbegebung für den Steuergläubiger eingetretene Gefährdungslage begründet bereits die Steuerschuld (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 3/75, BFHE 135, 107, BStBl II 1982, 229). Auf ein mißbräuchliches oder vorwerfbares Verhalten kommt es nicht an (BFH-Urteile vom 7. Mai 1987 V R 63/78, BFHE 150, 83, BStBl II 1987, 581, und in BStBl II 1993, 531). Auch eine konkrete Beeinträchtigung des Steueraufkommens ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 X R 35/82, BFH/NV 1988, 270; BFH-Beschluß vom 21. Mai 1987 V R 129/78, BFHE 150, 90, BStBl II 1987, 652). Eine in den Regelungsbereich des § 14 Abs. 3 UStG 1980 fallende Gefährdung besteht indessen nicht nur, wenn ein ordnungsgemäßes Abrechnungspapier in den Verkehr gebracht wird. Eine derartige Gefährdung begründet vielmehr auch, wer einem Dritten ein blanko unterschriebenes Papier zum Ausfüllen als Rechnung überläßt (BFH-Urteile in BFHE 155, 193, BStBl II 1988, 1019, und in BStBl II 1993, 531). Etwas anderes kann aber - wie im Streitfall - nicht gelten, wenn der das Papier Überlassende zwar zum Ausdruck bringt, daß dessen Gebrauch von seiner Zustimmung abhängig sein soll, gleichzeitig aber davon ausgehen muß, daß diesem Erfordernis nicht entsprochen werden wird. Denn er setzt gleichermaßen wissentlich einen Gefährdungstatbestand, der einen Mißbrauch des Papiers ermöglicht und ihn verpflichtet, sich einen derartigen Mißbrauch zurechnen zu lassen. Ob dies, wie der Kläger unter Berufung auf das BFH-Urteil in BFHE 155, 193, BStBl II 1988, 1019 meint, dann nicht zu gelten hat, wenn der Aussteller anders als im Streitfall den Steuerausweis auf dem überlassenen Papier ausdrücklich untersagt, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
2. Auf diesen rechtlichen Erwägungen beruht die Vorentscheidung. Die Feststellung des FG, der Kläger habe nicht davon ausgehen dürfen, daß X von den Blankorechnungsformularen keinen Gebrauch machen würde, verstößt weder gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze. Das FG hat zu Recht hervorgehoben, daß X vom Kläger auch bereits Scheinrechnungen zum Zwecke der Erschleichung von Steuervergünstigungen verlangt hat. Damit war für den Kläger auch als steuerlich nicht Vorgebildetem erkennbar, daß X auf mißbräuchliche Verwendung steuerlich relevanter Belege abzielte. Diese Würdigung des FG ist jedenfalls möglich und damit für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Über die vom Kläger gegen diese Feststellungen gerichteten Verfahrensrügen entscheidet der Senat nach Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen