Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff "wiederkehrende Zuschüsse" im Sinne des § 22 Ziff. 1 c EStG 1953.
Wiederkehrende Zuschüsse bleiben beim Empfänger nicht einkommensteuerfrei, wenn der Geber zwar unbeschränkt einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtig ist, aber die Zuschüsse als Betriebsausgaben einkommenmindernd absetzen kann.
Normenkette
EStG § 22/1/c, § 12 Nr. 2, § 22/1/b
Tatbestand
Der Bf. legte im Jahre 1954 seine Prüfung als Diplomchemiker ab; anschließend unterzog er sich einer wissenschaftlichen Spezialausbildung. Im Streitjahr 1954 hatte er unter anderem folgende Einnahmen:
eine Studienbeihilfe von einer Chemie-AG. Sie betrug ab 1. April 1954 monatlich 500 DM und ab 1. Oktober 1954 monatlich 250 DM;
ab 1. Oktober 1954 eine Ausbildungsbeihilfe aus einem Fonds von monatlich 333 DM.
Die Ausbildungsbeihilfe aus dem Fonds ließ das Finanzamt nach § 3 Ziff. 10 EStG 1953 steuerfrei; die Studienbeihilfe zog es als Einkünfte im Sinne des § 22 Ziff. 1 c EStG 1953 zur Einkommensteuer heran. Der Bf. bestritt die Einkommensteuerpflicht für die Studienbeihilfe; es handle sich um eine freiwillige Zuwendung, die bei ihm steuerfrei bleiben müsse, weil die AG unbeschränkt steuerpflichtig sei. Der Einspruch war erfolglos.
Das Finanzgericht bejahte wie das Finanzamt die Steuerpflicht für die Studienbeihilfe; es erhöhte die festgesetzte Steuer, weil es - im Gegensatz zum Finanzamt - auch die Ausbildungsbeihilfe aus dem Fonds als steuerpflichtig ansah. Es begründete seine Entscheidung wie folgt: Die AG sei zwar nach § 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, trotzdem müsse die Studienbeihilfe beim Bf. besteuert werden. Der Reichsfinanzhof habe zwar im Urteil VI A 319/27 vom 19. Oktober 1927 (Steuer und Wirtschaft 1927 Nr. 581) die Steuerfreiheit für den Empfänger auch bejaht, wenn der Geber unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sei; das Verwaltungsgericht Berlin (Entscheidungen der Finanzgerichte 1955 S. 139) und das Finanzgericht Bremen (Entscheidungen der Finanzgerichte 1959 S. 50) seien dem beigetreten. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 22 Ziff. 1 c EStG 1953 könne aber die Steuerfreiheit beim Empfänger nur eintreten, wenn der Geber unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Dafür spreche insbesondere der parallele Aufbau von § 12 Ziff. 2 und § 22 Ziff. 1 c EStG 1953. Die Ausbildungsbeihilfe aus dem Fonds könne nicht nach § 3 Ziff. 10 EStG 1953 steuerfrei bleiben, weil sie nicht aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung stamme.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der sich der Bf. weiterhin gegen die Besteuerung der Studienbeihilfe wendet, kann im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Nach § 22 Ziff. 1 c EStG 1953 unterliegen der Einkommensteuer Zuschüsse, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden. Werden die Zuwendungen freiwillig oder an eine gesetzliche unterhaltsberechtigte Person gewährt, so sind sie nicht dem Empfänger zuzurechnen, wenn der Geber unbeschränkt steuerpflichtig ist.
Mit Recht geht das Finanzgericht davon aus - und der Bf. erhebt dagegen keine Einwendungen -, daß die Zuwendungen, die der Bf. von der AG und aus dem Fonds erhalten hat, wiederkehrende Zuschüsse im Sinne des § 22 Ziff. 1 c EStG 1953 waren. Sie sollten von vornherein nur auf eine beschränkte Zeit gewährt werden und dem Bf. als Mittel für eine angemessene Lebenshaltung dienen und ihm ermöglichen, in wirtschaftlicher Sicherheit seine wissenschaftliche Ausbildung und Fortbildung zu vollenden. Zeitrenten im Sinne des § 22 EStG setzen zwar voraus, daß sie in der Regel für mindestens zehn Jahre zugesagt werden (Urteil des Senats VI 284/58 U vom 7. August 1959, BStBl 1959 III S. 463). Eine ähnliche Mindestdauer ist aber für "Zuschüsse" im Sinne des § 22 Ziff. 1 c EStG 1953 nicht erforderlich. Aus dem Merkmal "wiederkehrend" ergibt sich nur, daß ein einmaliger Zuschuß nicht nach § 22 EStG steuerpflichtig ist. Der Steuerpflichtige muß mehrere Zuwendungen erhalten haben, und zwar solche, die nicht einzeln auf Grund eines jeweils neu gefaßten Entschlusses gegeben werden, sondern von vornherein auf einer einheitlichen Entschließung des Gebers beruhen (vgl. Littmann, Einkommensteuerrecht, 6. Auflage 1959, Anmerkung 35 ff. zu §§ 22, 23 EStG). Die Zuwendungen, die der Bf. von der AG und aus dem Fonds erhalten hat, genügen diesen Voraussetzungen.
Die AG ist, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig im Sinne des § 1 KStG. Ob auch der Fonds unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, haben die Vorinstanzen nicht geprüft. Der Senat entnimmt aber dem Vortrag des Bf., daß der Fonds keine körperschaftsteuerpflichtige Vermögensmasse ist, sondern nur eine Durchlaufstelle, bei der die von den interessierten Wirtschaftskreisen bereitgestellten Mittel treuhänderisch nach deren Weisungen verwaltet werden. Die Zuwendungen, mit denen die Firmen den Fonds speisen, sind demnach für die Firmen Betriebsausgaben. Dasselbe gilt für die Studienbeihilfe, die die AG dem Bf. gegeben hat; auch diese ist für die AG eine Betriebsausgabe.
Das Finanzgericht will die Besteuerung beim Empfänger nicht vornehmen, wenn der Geber unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, nicht aber wenn er unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Das Finanzgericht hätte anscheinend also die Zuwendungen beim Bf. steuerfrei gelassen, wenn der Geber nicht eine körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft, sondern ein einkommensteuerpflichtiger Einzelunternehmer oder eine Personengesellschaft gewesen wäre. Es liegt auf der Hand, daß diese Unterscheidung kaum einen Sinn hätte. In Wirklichkeit kann man nicht darauf abstellen, ob der Geber unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder körperschaftsteuerpflichtig ist, sondern muß prüfen, ob die Zuwendungen bei einem unbeschränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Geber das Einkommen gemindert haben. Das ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang der gesetzlichen Vorschriften des EStG und dem mit der gesetzlichen Regelung des § 22 EStG verfolgten Zweck. Die Vorschriften des § 22 Ziff. 1 c und die des § 12 Ziff. 2 EStG 1953 stehen, wie das Finanzgericht zutreffend bemerkt, in engem sachlichem Zusammenhang. Darauf hat der Senat zuletzt in der Entscheidung VI 154/57 U vom 17. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 345) hingewiesen. Das Gesetz will, daß sich wiederkehrende Zuwendungen an andere Personen - es handelt sich dabei meist um Renten im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG - bei der inländischen Einkommensbesteuerung nur einmal auswirken. Kann der Geber sie einkommenmindernd absetzen, so muß der Empfänger sie versteuern; wird aber dem Geber der Abzug versagt, so wird der Empfänger damit nicht zur Einkommensteuer herangezogen. Das Ziel des Gesetzgebers, im Inland eine Doppelbelastung von Renten und wiederkehrenden Zuschüssen mit der Einkommensteuer zu vermeiden, legt aber umgekehrt die Auffassung nahe, daß bei einem der Beteiligten die Beträge besteuert werden müssen. Es kann nicht der Sinn der gesetzlichen Regelung sein, daß der Geber die Zuwendungen - sei es als Sonderausgaben oder Betriebsausgaben - einkommenmindernd absetzen darf und gleichzeitig der Empfänger sie nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen braucht.
Der Senat nimmt an, daß wiederkehrende Zuwendungen, die eine unbeschränkt steuerpflichtige Person - mag sie unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein - bei sich einkommenmindernd als Betriebsausgabe verrechnen kann, beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen. Kann also der Geber die Zuwendung nicht einkommenmindernd absetzen, so braucht sie der Empfänger nicht zu versteuern. Das ergibt sich für das Gebiet der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht aus § 22 Ziff. 1 c in Verbindung mit § 12 Ziff. 2 EStG. Für die Körperschaftsteuer ist die Rechtslage nicht anders. Darf eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Person wiederkehrende Zuwendungen im Sinne des § 22 Ziff. 1 c EStG auf Grund von § 12 Ziff. 1 KStG nicht von ihrem Einkommen absetzen, so braucht der Empfänger die Zuwendungen nicht zu versteuern. Das hat der Senat bereits in der Entscheidung VI 64/57 U vom 2. Oktober 1959 (BStBl 1960 III S. 36) unter Berufung auf die Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs ausgesprochen.
Den Einwand des Bf., die Steuerbefreiung in § 22 Ziff. 1 c EStG 1953 müsse, weil sie auch sozialpolitisch bedingt sei, immer eingreifen, wenn der Geber unbeschränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig sei, hat das Finanzgericht zutreffend zurückgewiesen. Wenn die Vorschrift überhaupt einen sozialpolitischen Gehalt hat, so erschöpft er sich in dem Verzicht des Gesetzgebers auf eine Doppelbesteuerung von Geber und Empfänger. Als weitergehende Begünstigung des Empfängers aus sozialpolitischen Erwägungen kann die Vorschrift nicht gedacht sein. Denn sonst hätte der Gesetzgeber sie an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Sie könnte dann nicht für alle wiederkehrenden Zuwendungen gelten, ohne Rücksicht auf ihre Höhe sowie ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Empfänger und Geber. Das Finanzgericht weist auch zutreffend darauf hin, daß dann das Gesetz die Steuerfreiheit beim Empfänger nicht von der unbeschränkten Steuerpflicht des Gebers abhängig gemacht haben würde.
Fundstellen
Haufe-Index 409563 |
BStBl III 1960, 65 |
BFHE 1960, 174 |
BFHE 70, 174 |