Entscheidungsstichwort (Thema)
(Grundsteuerbefreiung bei Nutzung eines Grundstücks auch zu nichtsteuerbegünstigten Zwecken - Überlassung einer Schützenhalle an wechselnde Besucher als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb)
Leitsatz (amtlich)
1. Wird das Grundstück (Gebäude) eines nach § 3 Abs.1 Nr.3 GrStG begünstigten Rechtsträgers auch zu nichtsteuerbegünstigten Zwecken benutzt, ist die Grundsteuerbefreiung gemäß § 8 Abs.2 GrStG nur zu gewähren, wenn die Nutzung für steuerbegünstigte Zwecke überwiegt; dabei scheiden Zeiten der Nichtnutzung (des Leerstehens) des Grundstücks (Gebäudes) für den zeitanteiligen Maßstab aus.
2. Handelt es sich um unterschiedliche Gebäudeteile, die jeweils teils zu begünstigten, teils zu nichtbegünstigten Zwecken benutzt werden, ist bei der Gewichtung, ob die steuerbegünstigten Zwecke überwiegen, neben der zeitlichen Abgrenzung auch der räumliche Umfang der unterschiedlichen Nutzung nach Maßgabe des Flächenanteils zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
NV: Der Umstand, daß ein als gemeinnützig anerkannter Schützenverein seine Schützenhalle an eine Vielzahl wechselnder Benutzer überlassen hat, spricht für einen über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgehenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 AO 1977 (vgl. BFH-Urteil vom 2.3.1990 III R 89/87), der nach § 97 Abs. 2 BewG einen gewerblichen Betrieb bildet, für den grundsätzlich ein Einheitswert festzustellen ist.
Normenkette
GrStG 1973 § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 2; AO 1977 § 14; BewG 1977 § 97 Abs. 2; AO 1977 §§ 52, 64
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Schützenverein, ist Eigentümer eines mit einer Schützenhalle bebauten Grundstücks. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) hat für dieses Grundstück auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.Januar 1964 einen Einheitswert von 124 700 DM festgestellt und den Grundsteuermeßbetrag auf den 1.Januar 1974 in Höhe von 436,45 DM veranlagt.
Das FA behandelte den Kläger bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1983 mit Ausnahme des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ("Schützenfest, Tanz in den Mai etc.") nach § 5 Abs.1 Nr.9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) als von der Körperschaftsteuer befreit, da der Kläger ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken i.S. der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) diene. Mit Bescheid vom 18.Mai 1984 hat das FA die Vermögensteuer 1982 mit 0 DM festgesetzt. Daraufhin beantragte der Kläger im Jahre 1984 die Aufhebung des Einheitswerts für sein Grundstück. Das FA sah darin gleichzeitig einen Antrag des Klägers auf Grundsteuerbefreiung für die Schützenhalle. Aufgrund des vom Kläger vorgelegten Veranstaltungsnachweises über die Nutzung der Halle in den Jahren 1980 bis 1982 versagte das FA die beantragte Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs.1 Nr.3 b des Grundsteuergesetzes (GrStG), da die Schützenhalle überwiegend geselligen Veranstaltungen und nicht gemeinnützigen Zwecken diene, und lehnte die beantragte Aufhebung des Einheitswerts ab.
Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) den Einheitswert für das Grundstück des Klägers nach § 24 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit Wirkung vom 1.Januar 1981 an aufgehoben, da der Einheitswert infolge von Befreiungsgründen der Besteuerung nicht mehr zugrunde zu legen sei. Für die Grundsteuer greife die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs.1 Nr.3 b i.V.m. § 8 GrStG ein, denn die Schützenhalle sei überwiegend zu gemeinnützigen Zwecken genutzt worden.
++/ Auch für die Vermögensteuer werde der Einheitswert nicht benötigt, da der Kläger als gemeinnütziger Verein nach § 3 Abs.1 Nr.12 des Vermögensteuergesetzes (VStG) von der Vermögensteuer befreit sei; ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sei in der Vermietung der Halle nicht zu sehen. /++
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Feststellungen der Vorinstanz reichen nicht aus, um die Frage der Steuerbefreiung für das Grundstück des Klägers beurteilen zu können.
1. Nach § 24 Abs.1 Nr.2 BewG ist der Einheitswert für das Grundstück des Klägers auf den 1.Januar 1981 nur aufzuheben, wenn der Einheitswert infolge von Befreiungsgründen der Besteuerung nicht mehr zugrunde gelegt wird. Das setzt voraus, daß die wirtschaftliche Einheit zu diesem Zeitpunkt unzweifelhaft von allen einheitswertabhängigen Steuern befreit ist (vgl. Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 15.Aufl., § 24 BewG Anm.14).
++/ Soweit es um die Vermögensteuer geht, ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß der Kläger entsprechend der körperschaftsteuerrechtlichen Behandlung gemäß § 3 Abs.1 Nr.12 VStG von der Vermögensteuer befreit sei, da der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken diene und die Vermietung der Schützenhalle keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, sondern Vermögensverwaltung darstelle. Dies ergibt sich jedoch nicht zwingend aus der Feststellung im angegriffenen Urteil, wonach (erst) zum 1.Januar 1982 unter Ansatz eines Vermögens von 0 DM die Vermögensteuer auf 0 DM festgesetzt wurde. Denn diese Festsetzung läßt die Frage offen, ob die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Abs.1 Nr.12 VStG vorlagen. Auch bezüglich des von der Vorinstanz für die Aufhebung des Einheitswerts zugrunde gelegten Zeitpunkts 1.Januar 1981 fehlt die erforderliche Feststellung, ob der Kläger zur Vermögensteuer herangezogen und zu diesem Zweck der für das Grundstück festgestellte Einheitswert benötigt wurde oder nicht. Das FG hat zur Frage der Anwendung des § 3 Abs.1 Nr.12 VStG auf keinen Zeitpunkt festgestellt, ob die Satzung des Klägers den Anforderungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach §§ 51 ff. AO 1977 genügt und die tatsächliche Geschäftsführung den Satzungsbestimmungen entsprochen hat (§ 59 AO 1977).
Im übrigen spricht der Umstand, daß die Schützenhalle an eine Vielzahl wechselnder Benutzer überlassen wurde, für einen über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgehenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 AO 1977 (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2.März 1990 III R 89/87, BFHE 161, 277, BStBl II 1990, 1012), der nach § 97 Abs.2 BewG einen gewerblichen Betrieb bildet, für den grundsätzlich --mit der Folge des § 117a BewG-- ein Einheitswert festzustellen ist; es sei denn, es handelt sich um einen Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO 1977.
Es fehlen ferner Feststellungen zur Frage, ob und inwieweit die Überlassung der Schützenhalle gemäß § 58 Nr.4 AO 1977 eine steuerlich unschädliche Betätigung darstellt, weil der Kläger die Halle an andere steuerbegünstigte Körperschaften für deren steuerbegünstigte Zwecke überlassen hat.
Eine Überprüfung, ob der Einheitswert des Grundstücks des Klägers unzweifelhaft nicht für Zwecke der Vermögensteuer auf den 1.Januar 1981 benötigt wurde, ist dem erkennenden Senat deshalb nicht möglich. /++
Die Feststellungen der Vorinstanz reichen ++/ außerdem /++ nicht aus, um die Frage der Grundsteuerbefreiung des Grundstücks des Klägers überprüfen zu können. Das FG hat den Sachverhalt insoweit nicht ausreichend aufgeklärt (§ 76 Abs.1 FGO).
Nach § 3 Abs.1 Nr.3 b GrStG ist von der Grundsteuer der Grundbesitz befreit, der von einer inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird. Da nach der Gesetzesüberschrift zu § 3 GrStG die Steuerbefreiung nur für den Grundbesitz bestimmter Rechtsträger gilt, sieht § 3 Abs.1 letzter Satz GrStG folgerichtig vor, daß der Grundbesitz ausschließlich demjenigen, der ihn für die begünstigten Zwecke benutzt, oder einem anderen nach § 3 Abs.1 Nrn.1 bis 5 GrStG begünstigten Rechtsträger zuzurechnen sein muß. Damit setzt die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs.1 Nr.3 b GrStG grundsätzlich voraus, daß der Eigentümer eine als gemeinnützig anzuerkennende Körperschaft ist (subjektive Voraussetzung), und daß der Grundbesitz zum begünstigten Zweck benutzt wird (objektive Voraussetzung).
a) Wie aus § 3 Abs.1 letzter Satz GrStG zu folgern ist, greift die Befreiung des § 3 Abs.1 Nr.3 b GrStG jedoch nach unbestrittener Auffassung auch dann ein, wenn die als gemeinnützig anzuerkennende Körperschaft den ihr gehörenden Grundbesitz nicht selbst nutzt, sondern ihn einer anderen nach § 3 Abs.1 Nrn.1 bis 5 GrStG begünstigten Körperschaft usw. zur Nutzung für deren begünstigte Zwecke überläßt; dabei ist es unerheblich, ob der Grundbesitz unentgeltlich oder aufgrund eines Miet- oder Pachtverhältnisses gegen Entgelt überlassen wird (vgl. Grundsteuer-Richtlinien 1978 --GrStR 1978-- i.d.F. der Bekanntmachung vom 9.Dezember 1978, BStBl I 1978, 553, Abschn.6 Abs.2 Satz 2; Troll, Grundsteuergesetz, Kommentar, 6.Aufl., § 3 Anm.43), sofern er nur unmittelbar für den steuerbegünstigten Zweck benutzt wird (§ 7 GrStG). Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es deshalb im Streitfall entscheidend darauf an, ob und in welchem Umfang auch die anderen Hallenbenutzer zu dem in § 3 Abs.1 Nrn.1 bis 5 GrStG genannten Personenkreis zählen.
Von dieser Rechtslage ist zwar auch die Vorinstanz ausgegangen. Doch fehlen in dem angegriffenen Urteil hinreichende Feststellungen, inwieweit der Kläger die Schützenhalle an gemäß § 3 Abs.1 Nrn.1 bis 5 GrStG begünstigte und an nichtbegünstigte Personen überlassen hat und ob die Schützenhalle --bei Überlassung an steuerbegünstigte Personen-- für steuerbegünstigte (z.B. gemeinnützige) oder nichtbegünstigte Zwecke benutzt wurde. Denn auch soweit die Vorinstanz auf die vom Kläger vorgelegte Aufstellung über die "Hallenvermietung" in den Jahren 1980 bis 1982 hingewiesen hat, ergibt sich daraus nicht, welche der in der Aufstellung genannten Benutzer als gemeinnützig anerkannt werden können und welcher Art die Nutzung im Einzelfall war.
b) Für die Steuerbefreiung der Schützenhalle ist es nicht erforderlich, daß die Halle ausschließlich vom Kläger oder anderen unter § 3 Abs.1 Nrn.1 bis 5 GrStG fallenden Personen für begünstigte Zwecke benutzt wird. Wird aber, wovon die Beteiligten im Streitfall übereinstimmend ausgehen, das Grundstück auch zu nichtbegünstigten Zwecken benutzt, so ist nach Maßgabe des § 8 GrStG zu prüfen, welche Nutzung überwiegt. Dabei scheiden, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, Zeiten des Leerstehens, in denen die Halle nicht genutzt wird, für den zeitanteiligen Maßstab aus (vgl. auch BFH-Urteil vom 26.April 1985 VI R 68/82, BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467).
Handelt es sich --wie im Streitfall-- um unterschiedliche Gebäudeteile, die jeweils teils zu begünstigten, teils zu nichtbegünstigten Zwecken benutzt werden, ist bei der Gewichtung, ob die steuerbegünstigten Zwecke überwiegen, neben der zeitlichen Abgrenzung auch der räumliche Umfang der unterschiedlichen Nutzung nach Maßgabe des Flächenanteils zu berücksichtigen.
Auch insoweit fehlen in dem angegriffenen Urteil ausreichende Feststellungen zum Umfang der Nutzung, die eine revisionsrechtliche Überprüfung ermöglichen.
Die Vorinstanz hat zwar ausgeführt, daß von den "rd. 60 Veranstaltungen" die gemeinnützigen überwögen, da die Halle zu eigenen Vereinszwecken rd. 20 mal, zu fremden gemeinnützigen Zwecken ebenfalls rd. 20 mal genutzt worden sei. Doch wird dies, worauf die Revision zutreffend hingewiesen hat, durch die tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt. Denn soweit sich das FG in seiner Entscheidung auf den vom Kläger dem FA vorgelegten Veranstaltungsnachweis für die Jahre 1980 bis 1982 bezieht, läßt dieser nicht nur --wie oben dargelegt-- offen, welche der dort aufgeführten Benutzer zu dem nach § 3 Abs.1 Nrn.1 bis 5 GrStG genannten Personenkreis gehören; offen bleibt auch, ob und welche Teile der Schützenhalle (großer Hallenraum, Teilhalle, Anbau und Speiseraum) nach der vom Kläger vorgelegten Aufstellung gemäß § 7 GrStG unmittelbar zu gemeinnützigen Zwecken i.S. der §§ 52 und 53 AO 1977 oder zu nichtgemeinnützigen Zwecken i.S. des § 64 AO 1977 (z.B. zu geselligen Veranstaltungen) benutzt worden sind.
2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Tatbestand des angegriffenen Urteils bietet keine geeignete Grundlage für die rechtliche Beurteilung. Die Sache ist deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen unter Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 FGO) ermitteln müssen, ++/ ob die Voraussetzungen für die Vermögensteuerbefreiung nach § 3 Abs.1 Nr.12 VStG bereits zum 1.Januar 1981 vorgelegen haben und /++ in welchem räumlichen und zeitlichen Umfang nach Maßgabe der Verhältnisse des Vorjahres die Schützenhalle vom Kläger oder anderen unter § 3 Abs.1 Nrn.1 bis 5 GrStG fallenden Personen zum Stichtag 1.Januar 1982 zu steuerbegünstigten und nichtbegünstigten Zwecken genutzt wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 63808 |
BFH/NV 1992, 30 |
BStBl II 1992, 563 |
BFHE 167, 162 |
BFHE 1992, 162 |
BB 1992, 769 (L) |
DB 1992, 1124 (T) |
DStR 1992, 1683 (K) |
HFR 1992, 361 (LT) |
StE 1992, 218 (K) |