Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung des § 14 WStDB gilt auch, wenn der Anspruch auf Erstattung einer zu Unrecht entrichteten nicht festgesetzten Wechselsteuer auf § 152 Abs. 2 Ziff. 2 AO (statt § 11 WStG a. F.) gestützt wird. Sie schließt jedoch dann die Erstattung der Wechselsteuer nicht aus, wenn eindeutig feststeht, daß trotz Ablösung der Wechselsteuermarken ein Mißbrauch der Erstattungsvorschrift nicht vorliegt.

 

Normenkette

AO § 152 Abs. 2 S. 2; WStDV 13

 

Tatbestand

Ein Angestellter der Beschwerdeführerin (Bfin.) hatte mehrere Wechsel vorzubereiten. Er setzte auf die Wechsel als Bezogenen die ausländische Firma B. und nahm noch vor Leistung der Unterschrift und vor Aushändigung der Wechsel, also noch vor Entstehung der Wechselsteuerschuld, die Versteuerung vor, indem er die Wechselsteuermarken auf der Rückseite der Vordrucke aufklebte und entwertete. Noch bevor die Wechsel unterschrieben waren, stellte der Angestellte fest, daß als Bezogener eine andere Firma in Betracht kam. Er füllte daher andere Wechselvordrucke unter Einsetzung des richtigen Bezogenen aus und nahm erneut, d. h. unter Verwendung anderer, ungebrauchter Wechselsteuermarken, die Versteuerung auf diesen Vordrucken vor. Die auf den ersterwähnten vorbereiteten Wechselvordrucken entwerteten Wechselsteuermarken löste der Angestellte ab, weil er nach glaubhafter Angabe der Bfin. der irrigen Auffassung war, zur Durchführung der Erstattung seien die Steuermarken von den Wechseln abzulösen.

Die Bfin. beantragte die Erstattung der Wechselsteuer unter Vorlegung der vorbereiteten Wechselvordrucke und der Wechselsteuermarken, die einzeln mit Heftklammern an den jeweils zugehörigen Wechseln befestigt waren, so daß festgestellt werden konnte, daß die Wechselsteuermarken zu den einzelnen Wechselvordrucken gehört haben. Die an Stelle der zunächst vorbereiteten Wechselvordrucke ausgestellten neuen Wechsel, die inzwischen mit dem Akzept zurückgekommen waren, konnten vom Finanzamt eingesehen werden; diese Wechsel lauten, wie bereits gesagt, über dieselben Beträge wie die zunächst vorbereiteten und sind ordnungsgemäß versteuert worden.

Das Finanzamt lehnte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 29. Januar 1957 und, als die Bfin. behauptete, diesen Bescheid nicht erhalten zu haben, mit Bescheid vom 8. April 1957 ab. Zur Begründung der Ablehnung verwies es auf § 14 der Durchführungsbestimmungen zum Wechselsteuergesetz (WStDB) vom 2. September 1935 (Reichsgesetzblatt - RGBl - 1935 I S. 1130, Reichssteuerblatt - RStBl - 1935 S. 1149), wonach die Steuer "in den Fällen des § 11 des Gesetzes" nicht erstattet wird, wenn die Wechselsteuermarken von den Wechseln abgelöst oder aus ihnen ausgeschnitten sind.

Die Sprungberufung wurde vom Finanzgericht als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

In formeller Hinsicht ist zunächst festzustellen, daß das Finanzgericht - nach Ansicht des erkennenden Senats zutreffend - davon ausgegangen ist, daß nur der Bescheid des Finanzamts vom 8. April 1957 der Bfin. zugegangen ist, da sonst die Berufung wegen verspäteter Einlegung als unzulässig hätte verworfen werden müssen. Demgemäß hätte das Finanzgericht im Tenor seiner Entscheidung nicht den nach § 91 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht wirksam gewordenen Bescheid vom 29. Januar 1957, sondern den Bescheid vom 8. April 1957 anführen müssen.

In sachlicher Hinsicht ergibt die Prüfung folgendes: Nach § 152 Abs. 2 Ziff. 2 AO ist ein Erstattungsanspruch gegeben, wenn eine nicht festgesetzte Verkehrsteuer - darunter fällt auch die Wechselsteuer - zu Unrecht entrichtet worden ist. Diese Vorschrift wurde in die AO durch § 48 Ziff. 8 des Urkundensteuergesetzes (UrkStG) vom 5. Mai 1936 (RGBl 1936 I S. 407) eingefügt. Gleichzeitig wurde § 11 Abs. 1 des Wechselsteuergesetzes (WStG) alter Fassung, der dahin lautete, daß eine Wechselsteuer, die nicht festgesetzt worden ist, auf Antrag erstattet wird, wenn sie zu Unrecht entrichtet ist, gestrichen (ß 49 UrkStG vom 5. Mai 1936). Die bis dahin im § 11 Abs. 1 WStG alter Fassung gegebene Erstattungsmöglichkeit ist also nunmehr in der AO enthalten.

Daß es sich im Streitfall um eine nicht festgesetzte Verkehrsteuer handelt, die zu Unrecht entrichtet wurde, ist nicht bestritten. Es fragt sich lediglich, ob die Bestimmung des § 14 WStDB, wonach die Steuer "in den Fällen des § 11 des Gesetzes" nicht erstattet wird, wenn die Wechselsteuermarken von den Wechseln abgelöst oder aus ihnen ausgeschnitten sind, der nunmehr im § 152 Abs. 2 Ziff. 2 AO vorgeschriebenen Erstattung entgegensteht. Allerdings kann den Vorinstanzen zugestimmt werden, wenn sie davon ausgehen, daß die Bestimmung des § 14 WStDB auch für die Erstattung von Wechselsteuer nach § 152 Abs. 2 Ziff. 2 AO gilt, obwohl diese Vorschrift nicht im § 14 WStDB angeführt ist. Denn die Vorschrift des § 152 Abs. 2 Ziff. 2 AO ist, wie bereits gesagt, hinsichtlich der Wechselsteuer an die Stelle des § 11 Abs. 1 WStG alter Fassung getreten, ohne daß eine sachliche änderung eingetreten ist. Jedoch ist die Bestimmung des § 14 WStDB nicht dahin auszulegen, daß in jedem Falle der Abtrennung von Wechselsteuermarken die im Gesetz vorgeschriebene Erstattung zu Unrecht entrichteter Wechselsteuer ausgeschlossen ist. Der Wille des Gesetzgebers, der im § 152 Abs. 2 Ziff. 2 AO wie vordem im § 11 Abs. 1 WStG alter Fassung seinen Ausdruck gefunden hat, geht dahin, eine zu Unrecht entrichtete Verkehrsteuer, die nicht festgesetzt ist, zu erstatten. Es ist nicht anzunehmen, daß der Verordnungsgeber eine dem Willen des Gesetzgebers entgegenstehende Regelung hat treffen wollen. § 14 WStDB will helfen, das Gesetz durchzuführen. Zur Durchführung eines Gesetzes gehört u. a., daß der Verordnungsgeber Bestimmungen erläßt, die einen Mißbrauch verhindern. Diesem Erfordernis, und nur ihm will der Verordnungsgeber Rechnung tragen, wenn er im § 14 WStDB bestimmt, daß die Steuer in den Fällen des § 11 WStG nicht erstattet wird, sofern die Wechselsteuermarken von den Wechseln abgelöst oder aus ihnen ausgeschnitten sind. Im Regelfalle ist nämlich bei Ablösung der Wechselsteuermarken die Vermutung berechtigt, daß die Erstattungsvorschrift mißbraucht wird. Es kann aber nicht angenommen werden, daß der Verordnungsgeber, falls die Vermutung im Einzelfall widerlegt wird, das Gesetz in unzulässiger Weise einschränken wollte. Die Bestimmung des § 14 WStDB kann also, wenn sie nicht auf eine unzulässige Einschränkung des Willens des Gesetzgebers hinauslaufen soll, nur dahin ausgelegt werden, daß die Wechselsteuer grundsätzlich nur erstattet wird, wenn die Wechselsteuermarken nicht abgelöst sind. Steht jedoch im Einzelfall eindeutig und unwiderlegbar fest, daß trotz der Ablösung der Wechselsteuermarken ein Mißbrauch nicht vorliegt, so steht § 14 WStDB der Erstattung der Wechselsteuer nicht im Wege.

Bei dieser Auslegung ergibt sich auch eine übereinstimmung mit dem früheren Recht (vgl. Weinbach, Wechselsteuergesetz, Auflage 1927, § 19 Anm. 6) und dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1923 III Dv 3534 (abgedruckt bei Cerutti, Erläuterte Handausgabe des Wechselsteuergesetzes, Stuttgart, S. 84). Der Reichsminister der Finanzen stellt in dem genannten Erlaß zunächst fest, daß im Hinblick auf den § 19 WStG 1923 die Bestimmung des § 14 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zum Wechselstempelgesetz vom 15. Juli 1909 in die Ausführungsbestimmungen zum Wechselsteuergesetz 1923 nicht habe übernommen werden können, wonach für abgelöste oder ausgeschnittene entwertete Marken kein Ersatz geleistet wird, auch wenn es sich um einen zu Unrecht entrichteten Steuerbetrag handelt. Der Reichsminister der Finanzen führt dann weiter aus, daß zu Unrecht als Wechselsteuer entrichtete Beträge nach § 19 des Gesetzes (vom 10. August 1923, RGBl 1923 I S. 778) - an die Stelle des § 19 ist später der § 11 Abs. 1 WStG alter Fassung und dann § 152 Abs. 2 Ziff. 2 AO getreten - auf Antrag zu erstatten seien, wobei der Beweis dafür, daß ein Betrag zu Unrecht als Wechselsteuer entrichtet sei, dem Antragsteller obliege. Der Beweis werde in der Regel nicht geführt werden können, wenn die Marken, deren Entwertung als Entrichtung der Wechselsteuer gilt, von dem Wechsel abgelöst werden. Gleichwohl könne die Beweisführung, daß die abgelösten Marken zu Unrecht als Wechselsteuer entrichtet worden seien, nicht von vornherein abgeschnitten werden. Doch würden die Finanzämter bei der Prüfung derartiger Anträge mit der erforderlichen Vorsicht vorgehen müssen, um Mißbräuche auszuschließen.

Im Streitfall bestehen auch nach den Feststellungen des Finanzgerichts keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Bfin. Die durch die Abtrennung der Marken zunächst berechtigte Vermutung eines Mißbrauchs ist somit im vorliegenden Falle widerlegt.

Hiernach ist der Erstattungsanspruch gemäß § 152 Abs. 2 Ziff. 2 AO begründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409287

BStBl III 1959, 163

BFHE 1959, 426

BFHE 68, 426

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