Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Führt ein Angehöriger eines freien Berufes laufende Aufzeichnungen, die über diejenigen hinausgehen, die zum Zwecke einer überschußrechnung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG erforderlich sind, wählt er auch dem Finanzamt gegenüber die Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich durch einen ausdrücklichen Hinweis in seiner Steuererklärung sowie durch Einreichung von Bilanzen, in denen außer den streitigen Honorarforderungen offensichtlich sämtliche aktiven und passiven Werte seines beruflichen Vermögens einschließlich der Rechnungsabgrenzungsposten sowie Rückstellungen ausgewiesen und für die Gewinnermittlung unter Berücksichtigung der laufend aufgezeichneten Entnahmen und Einlagen gegenübergestellt sind, so muß er grundsätzlich gegen sich gelten lassen, daß er seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt hat.
Steuerpflichtige, die zulässigerweise ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt haben, können gegenüber einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO nicht einwenden, sie wollten den Gewinn nunmehr nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt haben.
Angehörige der freien Berufe haben bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG Honorarforderungen, die infolge Vollendung ihrer vertraglichen Leistungen bürgerlich-rechtlich entstanden sind, auch insoweit zu aktivieren, als Rechnungen dafür gegenüber den Auftraggebern noch nicht erstellt sind. Drohende Schadenersatz- oder Gewährleistungsverbindlichkeiten wegen mangelhafter Werk- oder Dienstleistung sowie die Gefahr der Abnahmeverweigerung wegen nicht vertragsmäßiger Werkherstellung (§ 640 Abs. 1 BGB) können durch eine Rückstellung nach allgemeinen Grundsätzen berücksichtigt werden.
Besteht bei bis zum Bilanzstichtag erbrachten, selbständig abrechenbaren Teilleistungen ein Anspruch auf Vergütung nach einer Gebührenordnung oder auf Grund von Vereinbarungen zwischen den Beteiligten, so ist dieser Anspruch zu aktivieren.
Aufwendungen für Werk- und Dienstleistungen freier Berufsangehöriger, die bis zum Bilanzstichtag noch nicht zu aktivierungspflichtigen Honoraransprüchen im Sinne der obigen Ziff. 3 und 4 geführt haben, können aktivierungspflichtig sein.
Das Finanzamt kann davon ausgehen, daß die von einem Steuerpflichtigen eingereichte Steuererklärung nebst Unterlagen über die Gewinnermittlung richtig und vollständig ist. Es braucht, auch wenn ein Angehöriger eines freien Berufes in den von ihm eingereichten Gewinnermittlungsbilanzen Honorarforderungen nicht ausgewiesen hat, dieserhalb keine Rückfragen zu halten, es sei denn, die Akten lassen im übrigen insoweit Zweifel an der Vollständigkeit der Bilanzen aufkommen. Die bloße Möglichkeit, daß noch ausstehende Honorarforderungen vorhanden sein können, genügt hierzu nicht. Werden solche Honorarforderungen bei einer späteren Betriebsprüfung festgestellt, so handelt es sich um neu bekanntgewordene Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 6/1/2; AO § 222 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 640 Abs. 1; EStG § 11 Abs. 2, 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Gewinne, die der Stpfl. aus seiner Tätigkeit als freiberuflicher Gartenarchitekt in den Veranlagungszeiträumen 1950 bis 1954 erzielt hat. Der Stpfl. hat seine Gewinne in den jährlich eingereichten Bilanzen und Verlust- und Gewinnrechnungen ausgewiesen.
Nachdem das Finanzamt für die Jahre 1950 bis 1953 die Einkommensteuerveranlagung des Stpfl. entsprechend durchgeführt hatte, ergingen auf Grund der Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts vom 23. April 1956 für diese Jahre Berichtigungsbescheide und für 1954 ein erstmaliger Bescheid.
Die Berichtigungen und für 1954 die Abweichung von der Einkommensteuererklärung beruhen im wesentlichen auf der Feststellung im Betriebsprüfungsbericht, der Stpfl. habe jeweils am Ende der Streitjahre Honorarforderungen gehabt, die er im Rahmen des von ihm nach § 4 Abs. 1 EStG vorgenommenen Vermögensvergleichs hätte aktivieren müssen.
Nach dem Betriebsprüfungsbericht setzen sich die aktivierungspflichtigen Forderungen zusammen aus solchen, für die der Stpfl. unstreitig vor dem Bilanzstichtag bereits Rechnungen erstellt hatte, sowie aus solchen, für die Rechnungen erst zum Beginn des folgenden Jahres erstellt worden waren. Betriebsprüfer und Finanzamt schlossen in bezug auf die letzteren aus der zeitlich sich unmittelbar an das abgelaufene Jahr anschließenden Rechnungsstellung, daß auch insoweit aktivierungspflichtige Forderungen für das vorhergehende Jahr bereits entstanden gewesen seien. Diese, im Betriebsprüfungsbericht als "fertige, aber noch nicht in Rechnung gestellte Aufträge" bezeichneten Forderungen beliefen sich für die Streitjahre:
1951 1952 1953 1954 auf 8375 DM 1027 DM 12 000 DM 10 000 DM.
Die Beträge von 12 000 DM und 10 000 DM für die Jahre 1953 und 1954 stellten geschätzte Teilbeträge wesentlich höherer, zu Beginn des folgenden Jahres in Rechnung gestellter Beträge (am 2. und 11. Januar 1954 insgesamt 32 160 DM; am 12. Januar, 7. Februar und 11. Februar 1955 insgesamt 24 300 DM zuzüglich einer Kundenbarzahlung von 2000 DM am 9. Februar 1955) dar.
Die am Bilanzstichtag bereits in Rechnung gestellten Honorare belaufen sich unstreitig
für 1950 1951 1952 1953 1954 auf 260 DM 13 877 DM 6133 DM 1840 DM 14 537 DM.
Die Sprungberufung des Stpfl. gegen die Berichtigungsveranlagungen 1950 bis 1953 und gegen die erstmalige Veranlagung 1954 hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht die Aktivierung der sogenannten fertigen, aber noch nicht in Rechnung gestellten Aufträge nicht für erforderlich hielt. Der Stpfl. hatte sich indes in seiner Sprungberufung auch gegen die Aktivierung der bereits in Rechnung gestellten Honorarforderungen gewendet, weil er seinen Gewinn nicht nach § 4 Abs. 1, sondern nach § 4 Abs. 3 EStG als überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt habe. Wenn auch in den Vordrucken zu den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre jeweils die Zeile über die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG durch Vermögensvergleich ausgefüllt worden sei, wenn ferner formell Bilanzen und Verlust- und Gewinnrechnungen eingereicht worden seien, so liege doch sachlich gleichwohl in den Streitjahren eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG vor. Vor allem reiche das von ihm geführte Journal, das nur Spalten für Einnahmen und Ausgaben enthalte, nicht aus, um darin eine Unterlage für einen Vermögensvergleich im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG zu sehen. Das ab 1952 geführte Rechnungsausgangsbuch stehe in keinem organischen Zusammenhang mit seinen Aufzeichnungen. Auch zeige eine Gegenüberstellung der Ergebnisse auf Grund des Vermögensvergleichs ohne Ansatz der streitigen Forderungen einerseits und der überschußrechnung andererseits, daß sich nach beiden Gewinnermittlungsarten ein gleich hoher Gewinn für die einzelnen Streitjahre ergebe. Aus alledem folge eindeutig, daß eine überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG vorliege. Die vom Finanzamt angeforderte und von ihm eingereichte Hauptabschlußübersicht 1950 zeige ebenfalls, daß nur Einnahmen und Ausgaben verbucht worden seien; Honorarforderungen seien darin nicht enthalten. Sollte aber eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG angenommen werden, so stehe für die Jahre 1950 bis 1953 der Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO entgegen, daß die Feststellung der Forderungen durch die Betriebsprüfung keine neue Tatsache darstelle. Das Finanzamt hätte bei gehöriger Erfüllung seiner amtlichen Aufklärungspflicht das Bestehen der Forderungen längst feststellen müssen. In einem solchen Fall könne die später aufgedeckte Tatsache nicht mehr als neu im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO angesehen werden.
Das Finanzgericht ist der Auffassung des Finanzamts, der Stpfl. habe seine Gewinne nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich, nicht aber nach § 4 Abs. 3 EStG durch überschußrechnung ermittelt, beigetreten. Es hat auch die Voraussetzungen für eine Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO als gegeben angesehen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung; die Anschlußbeschwerde des Stpfl. ist unbegründet.
Zur Frage der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 4 Abs. 3 EStG 1949/1953
Dem Stpfl. kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, die von ihm für die Streitjahre durchgeführten Gewinnermittlungen seien solche nach § 4 Abs. 3 EStG, nicht solche nach § 4 Abs. 1 EStG gewesen. Der Fall liegt sachverhaltsmäßig anders als der vom I. Senat mit Urteil I 47/58 U vom 24. November 1959, BStBl 1960 III S. 188, entschiedene. Entgegen der Behauptung des Stpfl. enthält die Gewinnermittlung Posten, die bei einer reinen überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG den Gewinn nicht hätten beeinflussen dürfen. So sind mit gewinnmindernder bzw. gewinnerhöhender Wirkung angesetzt:
----------------- 1950 1951 -- 1952 ------- 1953 --- 1954 Passive Rechnungsabgrenzungen 596 DM 1.253,30 DM 957 DM 1.252 DM Rückstellungen ---- - ------ 400,00 DM ------ -------- Aktive Rechnungsabgrenzungen ------ ----------- 502 DM 320 DM.Wenn der Stpfl. geltend macht, es handle sich bei den Passivposten um Ausgaben jeweils des folgenden Jahres, die aber nach § 11 Abs. 2 EStG als noch im laufenden Jahr abgeflossen anzusehen seien, so irrt er. Für § 11 Abs. 2 EStG, wonach für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG über den Zufluß regelmäßig wiederkehrender Einnahmen entsprechend anzuwenden ist, ist im Streitfall kein Raum. Es handelt sich nach den eigenen Angaben des Stpfl. im Schriftsatz vom 22. November 1956 um Telefongebühren, Sozialabgaben, Umsatzsteuern usw. für den Monat Dezember des jeweils vorhergehenden Jahres. Von diesen Ausgaben gehören jedenfalls die Umsatzsteuern und die Telefongebühren nicht zu den regelmäßig wiederkehrenden im Sinne des § 11 Abs. 2 EStG (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 98/56 U vom 10. Oktober 1957, BStBl 1958 III S. 23, Slg. Bd. 66 S. 52).
Der Stpfl. hat ferner während der Streitjahre in seinen Einkommensteuererklärungen unter der Rubrik "Einkünfte aus freier Berufstätigkeit oder aus anderer selbständiger Tätigkeit" zum Ausdruck gebracht, daß er seinen Gewinn nach der beigefügten Bilanz ermittelt habe. Er hat darüber hinaus dem Finanzamt gegenüber nicht nur das äußere Bild des Vermögensvergleichs gewählt, indem er ständig Bilanzen unter Ausweis betrieblicher Aktivwerte und Schulden sowie Verlust- und Gewinnrechnungen eingereicht, sondern auch laufende Aufzeichnungen geführt hat, die den Schluß zulassen, daß er seinen Gewinn durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln wollte. So hat er für 1950 dem Finanzamt auf dessen Anforderung die Hauptabschlußübersicht vorgelegt; ab 1952 hat er ein Rechnungsausgangsbuch geführt. In den eingereichten Bilanzen sind Geldbestände unter Berücksichtigung von Entnahmen und Einlagen gegenübergestellt. Die Entnahmen und Einlagen sind laufend im Rahmen des Geldverkehrs in entsprechenden Spalten des vom Stpfl. geführten Journals aufgezeichnet. Ein derartiger Geldbestandsvergleich kommt jedoch nur für einen Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG, nicht hingegen bei der überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG in Betracht.
Auf Grund dieser Sachlage muß die Gewinnermittlung des Stpfl. als eine solche durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG angesehen werden. Trotz Vorliegens eines Bilanzvergleichs hätte dieser nur dann noch als eine - wenn auch ungewöhnliche - Form der überschußrechnung anerkannt werden können, wenn der Gewinn nach beiden Arten für die einzelnen Jahre gleich hoch gewesen wäre und der Stpfl. nicht wesentliche, laufende Aufzeichnungen geführt hätte, die nur für einen Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG Bedeutung haben konnten. Hieran ändert nichts, daß er seine Honorarforderungen samt und sonders weder in der dem Finanzamt vorgelegten Hauptabschlußübersicht 1950 noch in den Bilanzen der Streitjahre ausgewiesen hat. In diesem Fall ist sowohl die laufende Buchführung nicht ordnungsmäßig als auch der Vermögensvergleich selbst unvollständig. Entscheidend ist, daß der Stpfl. dem Finanzamt gegenüber seinen Gewinn in sämtlichen Streitjahren durch Gegenüberstellung DER Betriebsvermögen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ermittelt hat und daß die gegenübergestellten Betriebsvermögen zwar nicht die streitigen Honoraransprüche, wohl aber insbesondere nach kaufmännischen Grundsätzen und unter Berücksichtigung DER tatsächlichen Entnahmen und Einlagen ermittelte Geldbestände sowie weitere POSTEN (aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen) enthalten, die bei einer überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG unberücksichtigt bleiben müßten.
Konnten die Vorinstanzen hiernach davon ausgehen, daß der Stpfl. ursprünglich die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG gewählt hatte, so bleibt noch zu prüfen, ob er mit Rücksicht auf die drohende Hinzurechnung seiner Honorarforderungen im Berichtigungsverfahren nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO noch zur überschußrechnung übergehen konnte. Einem Stpfl., der sich in der dargestellten Weise der Steuerbehörde gegenüber hinsichtlich der Art der von ihm durchgeführten Gewinnermittlung festgelegt hat, kann nicht eingeräumt werden, anläßlich der Aufrollung der Veranlagungen auf Grund der Vorschrift des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO seine bisherigen Erklärungen als ungeschehen zu betrachten und damit die Vervollständigung des Vermögensvergleichs zum Zwecke der Durchführung der Berichtigungsveranlagung zu verhindern. Eine solche Befugnis könnte nur anerkannt werden, wenn die Erklärungen des Stpfl. falsch gewesen wären. Die Erklärung über die Art der Gewinnermittlung ist eine Wissenserklärung an die Steuerbehörde über das Vorliegen bestimmter tatsächlicher und rechtlicher Verhältnisse. Der Stpfl. muß sie solange gegen sich gelten lassen, als der Beweis der Unrichtigkeit nicht einwandfrei von ihm geführt ist. Nach den obigen Darlegungen kann jedoch von einer inhaltlich falschen Wissenserklärung des Stpfl. keine Rede sein.
II. Zur Frage DER Aktivierung DER Honorarforderungen
Dem Finanzgericht kann aber darin nicht gefolgt werden, daß es die sich aus den fertigen Arbeiten ergebenden Honoraransprüche des Stpfl., für die bis zum Jahresende Rechnungen noch nicht erstellt waren, von der Forderungsaktivierung ausgenommen hat. Die Auffassung des Finanzgerichts entspricht allerdings derjenigen des Reichsfinanzhofs im Urteil IV A 1103/31 vom 5. August 1931 (Steuer und Wirtschaft 1931 Nr. 891) für die noch nicht liquidierten Honorarforderungen eines Arztes. Der Reichsfinanzhof (a. a. O.) hat seine Auffassung jedoch nicht näher begründet; das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 159/53 U vom 20. Mai / 2. September 1954 (BStBl 1954 III S. 314, Slg. Bd. 59 S. 266) hat sie als überholt bezeichnet. Hieran hält der Senat fest. Forderungen sind grundsätzlich auch bei den Angehörigen der freien Berufe zu aktivieren, sobald sie als Wirtschaftsgüter entstanden sind. Es gibt nur einen Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG, der für Alle Steuerpflichtigen gleichmäßig gilt (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 135/41 vom 16. April 1942, Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, Bd. II S. 36; Urteile des Bundesfinanzhofs IV 182/53 U vom 10. Dezember 1953, BStBl 1954 III S. 82, Slg. Bd. 58 S. 448; IV 19/55 U vom 12. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 205, Slg. Bd. 61 S. 18). Forderungen sind daher als Wirtschaftsgüter zu aktivieren, sobald nach den Grundsätzen des BGB der Anspruch auf die Gegenleistung in einer dem Kaufmann nicht mehr streitig zu machenden Weise entstanden ist. Architektenverträge sind Werkverträge (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. November 1959 VII ZR 120/58, Der Betriebs-Berater 1960 S. 113). Bei Werkverträgen entsteht der Anspruch auf die Vergütung zwar bürgerlich-rechtlich mit dem Abschluß des Vertrags. Andererseits entsteht aber in diesem Zeitpunkt auch die Verpflichtung des Werkherstellers, die vereinbarte Leistung zu erbringen. Solange der schwebende Vertrag noch von keiner Seite erfüllt ist, unterbleibt eine Bilanzierung der beiderseitigen Ansprüche und Verpflichtungen. Der Honoraranspruch des freien Berufsträgers ist aber zu aktivieren, sobald er seine Verpflichtungen aus dem Werkvertrag in vollem Umfange erfüllt, d. h. alles zur Erbringung seiner Leistung Erforderliche getan hat. Es gelten insoweit die Grundsätze entsprechend, die der Bundesfinanzhof zur Frage der Aktivierung der Provisionsansprüche des Handelsvertreters entwickelt hat (vgl. letztmals Urteil IV 206/55 U vom 29. November 1956, BStBl 1957 III S. 234, Slg. Bd. 65 S. 1). Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 159/53 U vom 20. Mai / 2. September 1954 (a. a. O.) führt aus, daß Gewinnverwirklichung vorliege, soweit der selbständig Berufstätige für erhaltene Vorschüsse entsprechende Arbeit geleistet, d. h. eine Vergütung bereits verdient habe (vgl. ebenso das Urteil des Reichsfinanzhofs IV 135/41, a. a. O.). Das gleiche muß gelten, wenn Vorschüsse nicht gezahlt worden sind. Das um so mehr, wenn sich die Vergütung nach einer anerkannten Gebührenordnung richtet oder zwischen den Beteiligten fest vereinbart worden ist. Irgendwelche Zweifel an der Höhe des Honoraranspruchs, die diesen so unsicher erscheinen lassen könnten, daß er nicht Gegenstand einer Aktivierungspflicht sein könnte, bestehen dann nicht. Wenn das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 159/53 U (a. a. O.) davon spricht, daß eine Aktivierung insoweit stattzufinden habe, als nach der Gebührenordnung die Fälligkeit einer Gebühr eingetreten sei, so gilt das nur für solche Gebühren, deren Entstehung an die Fälligkeit geknüpft ist. In allen anderen Fällen muß es dabei verbleiben, daß die Gebühr mit gewinnrealisierender Wirkung verdient ist, sobald der Berufsträger seine Leistung erbracht hat. Die Fälligkeit ist hier ebensowenig wie sonst für das Entstehen eines aktivierungspflichtigen Anspruchs maßgebend. Eine als fällig bezeichnete Gebühr ist andererseits in der Regel als bereits endgültig entstanden anzusehen.
Im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 206/55 U (a. a. O.) ist einerseits der Abnahme der Leistung durch den Geschäftsherrn für das Entstehen einer aktivierungspflichtigen Provisionsforderung des Handelsvertreters entscheidende Bedeutung beigemessen worden. Im Urteil des Bundesfinanzhofs I 135/53 S. vom 12. März 1954 (BStBl 1954 III S. 149, Slg. Bd. 58 S. 624) wird bereits andererseits ausgeführt, daß man im allgemeinen Aktivierungspflicht schon dann annehmen müsse, wenn der Kaufmann alles getan habe, was er zu leisten verpflichtet sei, da dieser Zeitpunkt meist im wesentlichen mit der Abnahme der Leistung durch den Kunden zusammentreffe. Bei den Leistungen der freien Berufe hat die Abnahme, zu der der Werksbesteller nach § 640 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, lediglich die Bedeutung der Anerkennung des vertragsmäßig hergestellten Werks. Nach ihr bestimmt sich darüber hinaus die Fälligkeit der Werkvergütung (§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Entstehen des Vergütungsanspruchs wird durch sie nicht berührt. Das ist im wesentlichen nur dort der Fall, wo die Abnahmeverpflichtung gleichzeitig der Erfüllung einer weiteren Verpflichtung des Kaufmanns dient, wie zum Beispiel die Abnahme des Käufers beim Kaufvertrag im Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung durch den Verkäufer, oder wo sie den Anspruch des Kaufmanns tatsächlich erst entstehen läßt, wie die Ausführung des Geschäfts durch den Geschäftsherrn die Provisionsforderung des Handelsvertreters. Derartige Abnahmeverpflichtungen kommen seitens der Auftraggeber den Leistungen der freien Berufsträger gegenüber im allgemeinen nicht in Betracht.
Der Senat tritt aus diesen Gründen entgegen der von Oswald in Finanz-Rundschau 1957 S. 470 und der vom Bundesgerichtshof im Urteil 4 StR 166/56 vom 18. Oktober 1956 (BStBl 1957 I S. 122) geäußerten Auffassung der von Thoma in Finanz-Rundschau 1957 S. 195 vertretenen Rechtsauffassung bei (vgl. auch Littmann, Einkommensteuerrecht, 6. Aufl., Textziff. 214 zu §§ 4, 5; Vangerow, Steuer und Wirtschaft 1954 Sp. 752/753 bei Besprechung des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 159/53 U). Die Rechnungsstellung ist hiernach kein DIE Entstehung einer aktivierungspflichtigen Honorarforderung mitbegründender Umstand, sie kann lediglich Indiz sein. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt, in dem der Berufsangehörige die von ihm vertraglich zu erbringende Leistung vollendet hat. Der Abnahme durch den Auftraggeber kommt für DIE Entstehung des Honoraranspruchs keine Bedeutung zu. Bei Verweigerung der Abnahme oder bei Abnahme unter Vorbehalt durch den Werksbesteller kann allenfalls in Betracht kommen, die sich aus den §§ 633 ff. BGB ergebenden Folgen nicht vertragsgemäßer Werkherstellung bei der Höhe des zu aktivierenden Honoraranspruchs oder durch Bildung einer Rückstellung angemessen zu berücksichtigen.
Zweifel über den Zeitpunkt der Entstehung eines aktivierungspflichtigen Honoraranspruchs können nach Ansicht des Senats in den Fällen auftreten, in denen der freie Berufsträger bisher nur Teilleistungen erbracht hat. Sofern keine Gebührenordnungen über Teilleistungen bestehen, kann die Rechnungsstellung gegenüber dem Auftraggeber einen Anhalt für den Zeitpunkt des Entstehens der Honorarforderung bieten. Soweit es sich um Teilleistungen handelt, auf deren Vergütung ein Honoraranspruch nach einer Gebührenordnung oder auf Grund von Sonderabmachungen zwischen den Beteiligten besteht, ist die gewinnrealisierende Aktivierungspflicht des Honoraranspruchs aus der Teilleistung zu bejahen, wenn es sich um selbständig abrechenbare und vergütungsfähige Teilleistungen handelt. Wenn es aus irgendwelchen Gründen und ohne Verlust des bisher verdienten Honorars nicht mehr zur Erbringung der restlichen Teilleistungen kommt, ist der Honoraranspruch in seiner endgültig verdienten Höhe zu aktivieren. Wann das der Fall ist, darüber geben vielfach die Gebührenordnungen Aufschluß. Anders kann es liegen, wenn und soweit Vorschüsse geleistet worden sind (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 135/41 und Urteil des Bundesfinanzhofs IV 159/53 U, a. a. O.). Kommt hiernach die Aktivierung von Teilhonoraransprüchen nicht in Betracht, so sind die durch die bis Jahresende bewirkten Teilleistungen erwachsenen Aufwendungen zu aktivieren (vgl. hierzu Brehmer in Steuerrecht in Kurzform Gruppe 273 S. 3). Als aktivierungspflichtig in diesem Sinne werden in entsprechender Anwendung der Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 510/53 U vom 25. August 1955 (BStBl 1955 III S. 307, Slg. Bd. 61 S. 284) jedoch nur solche Aufwendungen von einigem Gewicht anzusehen sein, die sich einem bestimmten Auftrag eindeutig zurechnen lassen.
Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß sie in der Feststellung aktivierungspflichtiger Honorarforderungen der Streitjahre durch den Betriebsprüfer neue Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO gesehen haben. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 296/57 S vom 5. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 86, Slg. Bd. 68 S. 223) und I 155/57 U vom 20. Januar 1959 (BStBl 1959 III S. 221, Slg. Bd. 68 S. 581) muß das Finanzamt Tatsachen, die ihm nur dadurch tatsächlich nicht bekannt waren, weil es seiner amtlichen Ermittlungspflicht nicht gehörig nachgekommen ist, als bekannt gegen sich gelten lassen (vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs III 383/57 U vom 23. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 326, Slg. Bd. 67 S. 137, und IV 143/56 U vom 10. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 365, Slg. Bd. 67 S. 239). Hierauf kann sich der Stpfl. jedoch nicht berufen. In den von ihm eingereichten Bilanzen waren keine Honorarforderungen ausgewiesen. Es hieße die Ermittlungspflicht der Steuerbehörden überspannen, wenn man verlangen wollte, das Finanzamt hätte beim Stpfl. rückfragen müssen, ob er am Jahresende nicht auch ausstehende Honorarforderungen gehabt habe. Es kann nicht Aufgabe der Ermittlungstätigkeit des Finanzamts im Veranlagungsverfahren sein, ohne besondere Veranlassung nach Bilanzposten zu fahnden, die der Stpfl. in seiner Bilanz nicht ausgewiesen hat. Das Finanzamt kann zunächst von der Vollständigkeit und Richtigkeit einer eingereichten Steuererklärung und der dazu vorgelegten Unterlagen ausgehen. Es brauchte im Streitfall keine überlegungen darüber anzustellen, ob außer den in den Bilanzen des Stpfl. ausgewiesenen Vermögensteilen weitere Vermögensteile vorhanden waren, die er hätte ausweisen müssen. Einen Anhaltspunkt für die Anstellung derartiger überlegungen enthalten die eingereichten Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen nicht. Der Umstand allein, daß der Stpfl. als Gartenarchitekt zum jeweiligen Jahresende unbeglichene Honoraransprüche haben könnte, reicht hierzu nicht aus. Denn ebensogut hätte es sein können, daß er tatsächlich keine noch nicht bezahlten Honorarforderungen hatte.
Die Sache wird unter Aufhebung der Vorentscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen, das nunmehr noch festzustellen haben wird, nach welchen Grundsätzen der Stpfl. seine Honorare zu berechnen pflegt (ob insbesondere, wie vom Vorsteher des Finanzamts behauptet, nach der Gebührenordnung für Garten- und Landschaftsarchitekten), ferner, ob größere Aufträge zu vereinbarten Festhonoraren abgeschlossen wurden und in welchem Umfang hiernach unter Berücksichtigung der Ausführungen des Senats am 31. Dezember des jeweiligen Streitjahres Ansprüche aus fertigen oder halbfertigen Werkleistungen oder Werklieferungen entstanden waren. Dabei wird es Sache des Stpfl. sein, in denjenigen Fällen, in denen die Rechnungen innerhalb eines Zeitraums nach Ablauf des Jahres erstellt worden sind, in dem er sonst Rechnungen für fertige Arbeiten zu erteilen pflegt, gegebenenfalls den Nachweis zu führen, daß die vereinbarte Leistung von ihm bis zum 31. Dezember des vorhergehenden Jahres noch nicht, auch nicht mit selbständig abrechenbaren Teilleistungen erbracht worden ist. Das Finanzgericht wird weiter Feststellungen darüber zu treffen haben, ob und in welchem Umfang Aufwendungen für Teilleistungen, für die Honorarforderungen noch nicht anzusetzen sind, unter dem Gesichtspunkt der Aktivierung von Herstellungskosten ausgewiesen werden müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 409608 |
BStBl III 1960, 291 |
BFHE 1961, 111 |
BFHE 71, 111 |