Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zahlungen des Erwerbers eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks an den Veräußerer für das Feldinventar (Aufwendungen für die Feldbestellung bis zur Ernte) sind keine Aufwendungen auf den Grund und Boden, sondern laufende Betriebsausgaben.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1957 die Behandlung des anteiligen Kaufpreises, den der Bf. bei Erwerb eines landwirtschaftlichen Betriebes für die stehende Ernte entrichtete.

Die Bf. erwarb im notariellen Vertrag vom 16. August 1956 einen landwirtschaftlichen Betrieb; auf die stehende Ernte wurden X DM des Gesamtkaufpreises verrechnet. Diesen Betrag behandelte der Bf. bei Aufstellung seiner Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1956 als Betriebsausgabe, während ihn das Finanzamt den Anschaffungskosten für den Grund und Boden zurechnete.

Hiergegen wendet sich der Bf. mit der Sprungberufung, die zum Teil Erfolg hatte; das Finanzgericht, das den Betrag in Höhe der Bestellungskosten des Veräußerers mit Y DM als abzugsfähig ansah, begründete seine Entscheidung wie folgt: Nach bürgerlichem Recht seien Feldinventar und stehende Ernte wesentliche Bestandteile des Grundstücks; sie seien also bei Durchführung des Vermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG wie der Grund und Boden außer Ansatz zu lassen. Inzwischen habe der Bundesfinanzhof im Urteil I 331/56 U vom 16. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 323, Slg. Bd. 65 S. 231) die Ersatzleistungen des Verpächters für Bestellungskosten an den abziehenden Pächter für abzugsfähige Betriebsausgaben erklärt. Dieses Urteil könne jedoch auf den Eigentumswechsel nicht angewendet werden, da es sich bei der Verpachtung um den Ausgleich schuldrechtlicher Ansprüche ohne Zusammenhang mit dem Grund und Boden handele, während beim Kauf der Käufer dem Verkäufer die stehende Ernte oder die Bestellungskosten im Gesamtkaufpreis vergüte. Zu rechtfertigen sei jedoch eine entsprechende Behandlung des für die Bestellungskosten gezahlten Teiles des Gesamtkaufpreises aus dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Bühring, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A, 1959 S. 97) ; die im Gesamtkaufpreis enthaltene Vergütung könne nicht anders als ein ausdrücklich als solcher bezeichneter Ersatz der Bestellungskosten behandelt werden.

Mit seiner Rb. begehrt der Bf. die volle Berücksichtigung der für die stehende Ernte im Gesamtkaufpreis gezahlten X DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 17/60 S vom 14 März 1961 ( BStBl 1961 III S. 398, Slg. Bd. 73 S. 359) ist als Grund und Boden im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG lediglich der "nackte" Grund und Boden zu verstehen. Das bedeutet die Anerkennung der Auffassung, daß Aufwendungen für die Erstellung der Ernte keine Aufwendungen für den Grund und Boden sind.

Bereits im Urteil I 331/56 U hatte der Bundesfinanzhof dem Verpächter eines landwirtschaftlichen Betriebs gestattet, die Entschädigung, die er dem abziehenden Pächter für den Mehraufwand für Saatgut und Bodenbearbeitung zahlte, als Betriebsausgabe zu behandeln; denn wirtschaftlich gleicher Aufwand sei auch steuerlich gleich zu behandeln.

Diesen Grundsatz wendete der Bundesfinanzhof im Urteil IV 153/63 S vom 7. November 1963 (BStBl 1964 III S. 62, Slg. Bd. 78 S. 159) auf einen Fall an, in dem der Erwerber eines landwirtschaftlich genutzten Flurstücks, das zur Zeit des Erwerbs verpachtet war, nach Ablauf der Pachtzeit dem Pächter für die stehende Ernte eine Entschädigung zahlte. Es sei, so wird ausgeführt, nicht berechtigt, zwischen einer Entschädigung für Feldinventar und einer Entschädigung für stehende Ernte nur wegen der Berücksichtigung des natürlichen Zuwachses zu unterscheiden. Die landwirtschaftliche Betriebslehre bezeichne als Feldinventar sowohl die gemachten Aufwendungen als auch die noch nicht gezogenen Nutzungen.

Nichts anderes kann gelten, wenn der Erwerber die Entschädigung nicht an einen abziehenden Pächter, sondern an den Veräußerer zahlt. Denn wenn Aufwendungen für die übernahme der stehenden Ernte nicht dem Grund und Boden zuzurechnen sind, sondern als laufende Betriebsausgaben im Zusammenhang mit und im Interesse einer in Kürze anfallenden Nutzung und Betriebseinnahme anerkannt werden, so kann es bei der Besteuerung des Erwerbes keinen Unterschied machen, daß die stehende Ernte im Rahmen der übertragung des Eigentums am Grund und Boden erworben wird.

Die Sache geht unter Aufhebung der Vorentscheidung an das Finanzamt zurück, das die Steuer unter Berücksichtigung der vollen X DM als Betriebsausgabe des Wirtschaftsjahrs 1956/57 neu berechnen wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411528

BStBl III 1965, 255

BFHE 1965, 23

BFHE 82, 23

DB 1965, 652

DStR 1965, 275

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