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BFH Urteil vom 28.01.1998 - II R 48/95 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuschüsse für den Ausbau eines zentralen Wasserversorgungsnetzes

 

Leitsatz (NV)

1. Die zu einem gewerblichen Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter sind bei der Feststellung des Einheitswerts nach §109 Abs. 1 BewG a. F. mit dem Teilwert (vgl. §10 Sätze 2 und 3 BewG a. F.) anzusetzen. Dabei wird vermutet, daß der Teilwert den um die Absetzungen für Abnutzung verminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht. Ausgangspunkt für die sog. Teilwertvermutung sind die nicht um Investitionszulagen und -zuschüsse gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der bezuschußten Wirtschaftsgüter (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteile vom 17. Januar 1990 II R 64/87, BFHE 159, 359, BStBl II 1990, 367 sowie zuletzt vom 14. September 1994 II R 83/91, BFH/NV 1995, 493, jeweils m. w. N.).

2. Zuschüsse, die für die Planung und den Bau von Wasserversorgungsanlagen innerhalb bestimmter förderungswürdiger Gebiete gewährt werden, führen nicht zu einer Minderung des für das Versorgungsnetz anzusetzenden Teilwerts.

3. Zu den Voraussetzungen, unter denen nach den Urteilen des III. Senats vom 8. Mai 1981 III R 109/76 (BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700) und III R 26/79 (BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702) eine Entkräftung der Teilwertvermutungen unter den Gesichtspunkten der generellen Beeinflussung des Marktpreises von bestimmten Wirtschaftsgütern oder starker unternehmenspolitischer Beschränkungen des Zuschußempfängers in Betracht kommen kann.

4. Wird durch die Gewährung der Zuschüsse der Ausbau des Wasserversorgungsnetzes nur in bestimmten Gebieten gefördert, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Zuschüsse allgemein in das Marktgeschehen eingegriffen und den Marktwert neuer Wirtschaftsgüter negativ beeinflußt hätten. Zur Entkräftung der Teilwertvermutung reicht es insoweit nicht aus, daß der Kläger behauptet, es sei in der Versorgungswirtschaft üblich, Zuschüsse vom Kaufpreis abzusetzen.

5. Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine nachhaltige Unrentierlichkeit des beweglichen Anlagevermögens, die zum Absinken des Teilwerts unter die Wiederbeschaffungskosten führen könnte, nur dann anerkannt werden, wenn das Unternehmen nachhaltig mit Verlusten arbeitet und objektiv nachprüfbare Maßnahmen zur baldigen Stillegung des Unternehmens ergreift (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 1990 II R 27/87, BFHE 160, 266, BStBl II 1990, 566, m. w. N.).

 

Normenkette

BewG a.F. § 109 Abs. 1, § 10 Sätze 2-3

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die ein Gas- und Wasserversorgungsunternehmen betreibt. Nach einer Außenprüfung hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) Änderungsbescheide zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens für die Stichtage 1. Januar 1984 bis 1. Januar 1988 erlassen. Den hiergegen eingelegten Einsprüchen gab das FA teilweise statt und setzte die Einheitswerte des Betriebsvermögens zu den streitbefangenen Stichtagen wie folgt fest: ...

In diesen Einheitswerten ist das von der Klägerin ausgebaute Wasserversorgungsnetz jeweils mit dem Teilwert enthalten. Die Klägerin hatte für den Ausbau des Wasserversorgungsnetzes Landeszuschüsse erhalten, die nach Runderlassen und Richtlinien des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 1962 (Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen -- MinBl NW -- 1962, 1163), vom 19. Juni 1967 (MinBl NW 1967, 846) und vom 1. März 1975 (MinBl NW 1975, 386) gewährt wurden. Die Zuschüsse hatten zu den einzelnen Stichtagen folgende Höhe: ...

Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin, die Einheitswerte des Betriebsvermögens zu den Stichtagen 1. Januar 1984 bis 1. Januar 1988 um die gewährten Landeszuschüsse zu mindern.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 8 veröffentlichten Urteil abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des §109 Abs. 1 und §10 des Bewertungsgesetzes in der in den Streitjahren maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 1974 -- BewG a. F. -- (BGBl I 1974, 2369, BStBl I 1974, 862).

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einheitswertbescheide vom 1. Januar 1984 bis 1. Januar 1988 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin abzuändern, daß entsprechend dem Klageantrag die für das Wasserversorgungsnetz angesetzten Teilwerte um die gewährten Zuschüsse gemindert werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Zutreffend ist das FG bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin davon ausgegangen, daß die der Klägerin für den Ausbau der zentralen Wasserversorgung gewährten Zuschüsse den für das Versorgungsnetz anzusetzenden Teilwert nicht mindern.

Die zu einem gewerblichen Betrieb gehörenden Wirtschaftsgüter sind bei der Feststellung des Einheitswerts nach §109 Abs. 1 BewG a. F. mit dem Teilwert anzusetzen. Das Wasserversorgungsnetz der Klägerin ist danach mit dem Betrag anzusetzen, den ein Erwerber ihres ganzen Unternehmens -- die Fortführung des Unternehmens unterstellt -- im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das Wasserversorgungsnetz ansetzen würde (vgl. §10 Sätze 2 und 3 BewG a. F.). Dabei wird vermutet, daß der Teilwert den um die Absetzung für Abnutzung verminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. Mai 1988 III R 151/86, BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269, und vom 30. November 1988 II R 237/83, BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183). Ausgangspunkt für die sog. Teilwertvermutungen sind die nicht um Investitionszulagen und -zuschüsse gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der bezuschußten Wirtschaftsgüter (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteile vom 17. Januar 1990 II R 64/87, BFHE 159, 359, BStBl II 1990, 367 sowie zuletzt vom 14. September 1994 II R 83/91, BFH/NV 1995, 493, jeweils m. w. N.). Der Klägerin ist es nicht gelungen, diese Teilwertvermutung zu entkräften.

Nach den Urteilen des III. Senats vom 8. Mai 1981 III R 109/76 (BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700) und III R 26/79 (BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702) können in solchen Fällen zwei Umstände zur Entkräftung der Teilwertvermutung führen:

(1) die generelle Beeinflussung des Marktpreises von bestimmten Wirtschaftsgütern, wie dies z. B. nach Meinung des III. Senats hinsichtlich des Marktpreises der inländischen Schiffe der Fall war (vgl. BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700);

(2) die starken unternehmenspolitischen Beschränkungen des Zuschußempfängers, wie sie in dem Fall des Blockheizwerkes vorlagen (vgl. BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

Die an die Klägerin gezahlten Zuschüsse für den Ausbau des Wasserversorgungsnetzes sind nicht mit den Zuschüssen vergleichbar, die nach Auffassung des III. Senats in den vorgenannten Fällen den Teilwert gemindert haben. Die Zuschüsse nach Maßgabe der Richtlinien für die Gewährung von Finanzierungshilfen des Landes Nordrhein-Westfalen für wasserwirtschaftliche Maßnahmen konnten für die Planung und den Bau von Wasserversorgungsanlagen in leistungsschwachen Gemeinden, ländlichen Gemeinden sowie solchen Gemeinden gewährt werden, die wegen ungünstiger Besitzstrukturen oder aus sonstigen Gründen besonders förderungswürdig waren (vgl. MinBl NW 1962, 1163, 1165). Gefördert wurde damit der Ausbau eines Wasserversorgungsnetzes nur insoweit, als die Maßnahme in bestimmten Gebieten erfolgte. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Zuschüsse allgemein in das Marktgeschehen eingegriffen und den Marktwert neuer Wirtschaftsgüter negativ beeinflußt hätten. Zur Entkräftung der Teilwertvermutungen reicht es insoweit nicht aus, daß die Klägerin behauptet, es sei in der Versorgungswirtschaft üblich, Zuschüsse vom Kaufpreis abzusetzen. Die Teilwertvermutungen werden auch nicht durch den Hinweis der Klägerin entkräftet, die Förderungsrichtlinien räumten demjenigen, der sich ihren Bedingungen unterziehe, eine einem Rechtsanspruch vergleichbare wirtschaftliche Position auf Zahlung der Zuschüsse ein. Mit Recht hat das FG insoweit darauf hingewiesen, daß ein gedachter Erwerber das Unternehmen nur mit den bereits getätigten Investitionen erwerben würde, er also nicht selbst nochmals Zuschüsse erhalten könnte (vgl. Senatsurteil in BFHE 159, 359, BStBl II 1990, 367).

Die Zuschüsse sind auch nicht mit solchen Verwendungsauflagen verknüpft, die Einfluß auf den Teilwert haben könnten. In dem Blockheizwerk-Fall in BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702 mußte sich die damalige Klägerin verpflichten, das Heizwerk mindestens 20 Jahre lang zu 95 v. H. mit Kohle zu betreiben. Eine damit vergleichbare unternehmenspolitische Beschränkung ist in der von der Klägerin geltend gemachten Verpflichtung, für bestimmte Kosten pauschale Zuschläge zu erheben und eine Mindestbelastung der anschließbaren Einwohner zu erreichen (s. Tz. 2.2 f. der Richtlinien in MinBl NW 1962, 1163), nicht zu erkennen.

Die Klägerin hat die Teilwertvermutung schließlich auch nicht mit dem Hinweis entkräftet, ihr Unternehmensbereich Wasserversorgung sei aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nachhaltig defizitär bzw. unrentierlich und ein gedachter Erwerber würde deshalb bei einem Kauf keinesfalls die von der Klägerin für das Wasserversorgungsnetz aufgewendeten Herstellungskosten bezahlen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine nachhaltige Unrentierlichkeit des beweglichen Anlagevermögens, die zum Absinken des Teilwerts unter die Wiederbeschaffungskosten führen könnte, nur dann anerkannt werden, wenn das Unternehmen nachhaltig mit Verlusten arbeitet und objektiv nachprüfbare Maßnahmen zur baldigen Stillegung des Unternehmens ergreift (Senatsurteil in BFHE 160, 266, BStBl II 1990, 566). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall bereits deshalb nicht vor, weil die Klägerin nicht nachhaltig mit Verlusten arbeitet. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe in 1987 (nur) einen Überschuß von 0,02 DM/cbm und in 1988 keinen Überschuß erzielt und für die anderen Streitjahre gelte Entsprechendes. Damit ist die Voraussetzung nachhaltiger Verluste nicht dargelegt. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob der Behauptung der Klägerin, eine Stillegung des Unternehmensbereichs Wasserversorgung sei nur wegen ihrer öffentlichen Versorgungspflicht nicht möglich, Bedeutung zukommen könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67496

BFH/NV 1998, 1069

DStRE 1998, 568

HFR 1998, 726

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