Leitsatz (amtlich)
Der Bundesfinanzhof tritt der Rechtsprechung des Obersten Finanzgerichtshofs (Urteil IV (VI) 21/47 vom 4. Mai 1948, StW 1948 Nr. 22) darin bei, daß § 19 Absatz 3 Satz 1 StVVO nicht mehr anwendbar ist.
Normenkette
StVVO § 19 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
Die Beschwerdeführer (Bf.) erstreben Berichtigung des Einheitswerts ihres Grundstücks in ..... auf den 21. Juni 1948 gemäß § 19 Absatz 3 der Steuervereinfachungsverordnung (StVVO) vom 14. September 1944 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 202, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1944 S. 577). Bei Feststellung des Einheitswerts des Grundstücks auf den 1. Januar 1935 wurde ein Zuschlag von 12 v. H. nach § 4 Absatz 2 der Verordnung über die Bewertung erbauter Grundstücke im Gebiet des Landesfinanzamts in ..... wegen billiger Baufinanzierung vorgenommen. Die Bf. halten diesen Zuschlag für fehlerhaft.
Einspruch und Berufung wurden zurückgewiesen. Das Finanzgericht führt aus, daß das Grundstück mit einer nur mit 1 v. H. zu verzinsenden Hypothek belastet sei. Dieser Umstand sei mit Recht durch einen Zuschlag zu dem sich aus dem Vielfachen der Jahresrohmiete ergebenden Wert berücksichtigt worden. § 19 Absatz 3 StVVO sei nach der Rechtsprechung des Obersten Finanzgerichtshofs nicht mehr anwendbar.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist unbegründet.
Gemäß § 19 Absatz 3 Satz 1 StVVO, die auf Grund des Abschnitts I Absatz 2 des Erlasses des Führers über den totalen Kriegseinsatz vom 25. Juli 1944 im Einvernehmen mit dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, dem Leiter der Parteikanzlei und dem Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung vom Reichsminister der Finanzen erlassen worden ist, kann das Finanzamt einen im Besteuerungsverfahren erlassenen fehlerhaften Bescheid durch änderung oder Zurücknahme berichtigen. Der Oberste Finanzgerichtshof hat in den Urteilen IV (VI) 21/47 vom 4. Mai 1948 (Steuer und Wirtschaft - StW - 1948 Nr. 22), IV (VI) 8/46 vom 25. August 1948 (Steuerrechtskartei - StRK -, Reichsabgabenordnung - AO - § 92 Rechtsspr. 2) und III 38/48 vom 23. November 1948 (StW 1949 Nr. 56) ausgesprochen, daß § 19 Absatz 3 Satz 1 a. a. O. aus rechtsstaatlichen Erwägungen nicht mehr anwendbar sei. Dem ist beizutreten. Es kommt hinzu, daß die Steuervereinfachungsverordnung gemäß § 21 Absatz 4 während der Dauer des Krieges gilt. Der Krieg ist mit der Kapitulation oder kurze Zeit nach dieser tatsächlich beendet. Der Umstand, daß noch kein Friedensvertrag mit Deutschland abgeschlossen ist, ist nicht geeignet, die Geltungsdauer der Steuervereinfachungsordnung über den Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung des Krieges hinaus zu verlängern. Hiernach ist § 19 Absatz 3 Satz 1 a. a. O. nicht mehr anwendbar. Gleiches gilt von dem Erlaß der Leitstelle der Finanzverwaltung für die britische Zone vom 19. Februar 1947 betreffend Vermögensteuerveranlagung 1946 Abschnitt 7 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1947 S. 27), der unter Bezugnahme auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 20. Dezember 1944 (RStBl. S. 763, 764) auf die Fehlerberichtigungsmöglichkeit des § 19 Absatz 3 Satz 1 StVVO verweist. Die Bf. meinen, daß § 19 Absatz 3 Satz 1 a. a. O. nicht mehr zu ungunsten der Steuerpflichtigen (Stpfl.) angewandt werden könne, daß jedoch die unbeschränkte Berichtigung von Steuer- oder Feststellungsbescheiden zugunsten des Stpfl. weiterhin zulässig sei. Denn soweit der Erlaß der Leitstelle Berichtigung zugunsten der Stpfln. zulasse, handle es sich um einen die Finanzgerichte bindenden Milderungserlaß. Dem kann nicht beigetreten werden. Der Erlaß der Leitstelle enthält lediglich einen Hinweis auf die Berichtigungsmöglichkeit nach § 19 Absatz 3 Satz 1 StVVO. Seine Bedeutung entfällt mit dem Ende der Geltungsdauer des § 19 Absatz 3 Satz 1 a. a. O. Selbst wenn dem Erlaß der Leitstelle jedoch selbständige Bedeutung zukäme, könnte ihm nicht der Charakter eines Milderungserlasses beigelegt werden, da sich die erleichterte Berichtigung zugunsten wie zuungunsten - überwiegend sogar wohl letzteres - auswirkt. Stellt man aber, wie es die Bf. wollen, nur auf die Berichtigung zugunsten der Stpfln. ab, so wäre der Finanzminister (die Finanzleitstelle) nicht befugt gewesen, gesetzliche Bestimmungen, hier die §§ 92 Absatz 3, 94, 222 AO, allgemein zugunsten der Stpfln. außer Kraft zu setzen. Im Rahmen des § 13 AO hätte lediglich die Möglichkeit bestanden, dort, wo sich die gesetzliche Regelung für bestimmte Arten von Fällen gegenüber den Normalfällen als unbillig erweist, Milderungen eintreten zu lassen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 192/50 vom 9. März 1951, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 90). Schließlich bestehen überhaupt Bedenken, die änderung der Vorschriften über die Berichtungsveranlagung (Berichtigungsfeststellung) als unter die Milderungsbestimmungen im Sinne des § 13 AO fallend anzusehen. Es kann daher nicht anerkannt werden, daß der Erlaß der Leitstelle als Milderungserlaß gemäß § 13 AO zu betrachten ist. Zu einem anderen Ergebnis kann man auf dem Gebiete des Reichsbewertungsgesetzes auch nicht im Hinblick auf die lange Geltungsdauer der Einheitswerte kommen.
Fundstellen
Haufe-Index 407368 |
BStBl III 1952, 84 |
BFHE 1953, 207 |
BFHE 56, 207 |