Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Ist durch den Entziehungstatbestand selbst das Erlöschen einer dinglich gesicherten Forderung herbeigeführt worden, so gilt das Erlöschen der Forderung ebenso wie die Entziehung selbst als nie eingetreten. Schuldnergewinne aus solchen Verbindlichkeiten unterliegen der HGA.
Normenkette
LAG §§ 137, 27, 91; 15-AbgabenDV-LA 3/2/1; 15-AbgabenDV-LA 4; AmerikREG 15; AmerikREG 37
Tatbestand
Streitig ist, ob am 20. Juni 1948 auf dem Grundstück des Bf. eine Fremdgrundschuld von 20.000 Goldmark für eine Verbindlichkeit des Bf. in gleicher Höhe bestanden hat.
Die Grundschuld war im Jahre 1932 bestellt worden. Die Mutter des Bf. verkaufte im Jahre 1938 das Grundstück an den Gläubiger dieser Forderung, zu deren Sicherung die Grundschuld bestellt worden war. Nach dem Kaufvertrage übernahm der Käufer in Anrechnung auf den Kaufpreis seine eigene Forderung. Im Jahre 1950 wurde vor der Rückerstattungskammer des Landgerichts über die Rückerstattung ein Vergleich geschlossen. Darin wurde die Nichtigkeit des Kaufvertrages aus dem Jahre 1938 festgestellt. über die Grundschuld wurde in Ziff. 2 folgendes vereinbart:
"Die auf dem Grundstück zugunsten des Antragsgegners eingetragene Grundschuld von 20.000 Goldmark bleibt nach Maßgabe des Währungsumstellungsgesetzes zugunsten des Antragsgegners bestehen. Sie ist mit 5 % jährlich ab 1. 10. 1950 zu verzinsen."
Die Mutter des Bf. ist während des Krieges in einem Konzentrationslager umgekommen; sie wurde vom Bf. beerbt.
Das Finanzamt hat den Bf. mit einem Schuldnergewinn aus dieser Verbindlichkeit in Höhe von 18.000 DM unter Berücksichtigung eines Kriegsschadens (ß 100 Abs. 2 LAG) zur Hypothekengewinnabgabe (HGA) veranlagt.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Die Vorentscheidung führte aus, gemäß Art. 15 des Rückerstattungsgesetzes für die amerikanische Zone (amerik. REG) gelte die Entziehung des Grundstückes und damit die Vereinigung von Forderung und Grundstückseigentum in der Person des Rückerstattungsverpflichteten als nie eingetreten. Damit sei die Grundschuld stets eine Fremdgrundschuld geblieben, aus der der Bf. einen hypothekengewinnabgabepflichtigen Schuldnergewinn gezogen habe.
Zur Begründung der Rb. wird im wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt: Mit der Auflassung des Grundstückes an den Käufer auf Grund des Kaufvertrages sei die Fremdgrundschuld zu einer Eigentümergrundschuld geworden. Durch den Rückerstattungsvergleich im Jahre 1950 sei eine Fremdgrundschuld in Höhe von 2.000 DM neu begründet worden. Zur Zeit der Währungsumstellung habe somit keine gesicherte Fremdverbindlichkeit am Grundstücke bestanden. Der Bf. bestreitet eine HGA-Pflicht auch deshalb, weil er Angehöriger der Vereinten Nationen sei und die Heranziehung zu einer HGA eine Verletzung des Art. 6 des Zehnten Teiles des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (BGBl 1955 II S. 301, 405) darstelle. Im übrigen wird eine Verletzung des § 4 der Fünfzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (15. AbgabenDV-LA) gerügt, weil in dem HGA-Bescheide auch Leistungen für eine Zeit angefordert würden, die vor der Durchführung der Rückerstattung liege.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
I. -
Die Erhebung und Gestaltung der HGA in Fällen der Rückerstattung belasteter Grundstücke richtet sich gemäß § 137 LAG nach der hierzu erlassenen Rechtsverordnung, der 15.AbgabenDV-LA vom 2. Juni 1955, BStBl 1955 I S. 213. Die Grundsätze sind in § 27 LAG enthalten. Diese Vorschrift bezweckt, die Ergebnisse der Rückerstattung den an den Währungsstichtag gebundenen Abgaben nach dem LAG zu unterwerfen. Dies gilt sowohl für Rückerstattungen durch rechtskräftige Entscheidungen, wie auch durch Vergleich im Rückerstattungsverfahren und auch dann, wenn das Rückerstattungsverfahren erst nach dem 20. Juni 1948 abgeschlossen ist, entsprechend dem in den Rückerstattungsgesetzen aufgestellten Rückwirkungsgedanken (Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 98/58 S vom 10. Oktober 1958, BStBl 1959 III S. 22, Slg. Bd. 68 S. 59; Harmening, Kommentar zum Lastenausgleich § 137 Anm. 7). Die Vorschriften der 15.AbgabenDV-LA halten sich im Rahmen dieser Grundsätze.
Die Rückerstattung des Grundstückes wurde durch einen Rückerstattungsvergleich durchgeführt. Die Rechtslage beurteilt sich deshalb allein nach § 3 Abs. 2 der 15.AbgabenDV-LA. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Ziff. 2 des Rückerstattungsvergleiches eine Entscheidung "gemäß den Vorschriften der Rückerstattungsgesetze" ist oder nur eine Feststellung über den Stand der Grundstücksbelastung, wie es der Bf. im Berufungsverfahren behauptet hat.
Eine HGA-Pflicht kann sich nur aus § 3 Abs. 2 Ziff. 1 der 15.AbgabenDV-LA ergeben. Diese Vorschrift ist zum Teil wörtlich dem Art. 37 Ziff. 1 des Gesetzes Nr. 59 (amerik. REG) nachgebildet (vgl. Tz. 79 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 26. Juli 1958 IV C/5 - LA 2637 - 6/58, BStBl 1958 I S. 481); Art. 37 a. a. O. ist daher zur Auslegung heranzuziehen. Art. 37 amerik. REG und ihm folgend § 3 Abs. 2 Ziff. 1 a. a. O. beruhen auf dem in Art. 1 und 15 amerik. REG ausgesprochenen Grundsatz, daß der entzogene Vermögensgegenstand, ohne Rücksicht auf die Rechte anderer, seinem ursprünglichen Inhaber oder dessen Rechtsnachfolger zurückzuerstatten ist, und zwar mit der Fiktion, daß der ursprüngliche Rechtszustand als nicht beseitigt gilt (Kubuschok-Weißstein, Rückerstattungsrecht der Britischen und Amerikanischen Zone, 1950 S. 124 und 204, 205). Rechte Dritter, die seit der ungerechtfertigten Entziehung abgelöst worden oder erloschen sind, bleiben erloschen; nur Rechte Dritter, die vor der Entziehung an dem entzogenen Vermögen bereits bestanden haben und seitdem nicht abgelöst oder erloschen sind, bleiben bestehen; nur auf die Schuldnergewinne dieser Rechte beschränkt sich die Abgabepflicht. Sowohl Art. 37 amerik. REG wie § 3 Abs. 2 Ziff. 1 der 15.AbgabenDV-LA betreffen somit zwei Zeiträume; einmal den Zeitraum vor der Entziehung; insoweit müssen die Rechte Dritter bereits bestanden haben, was hier unstreitig der Fall war. Zum anderen den Zeitraum nach der Entziehung; eine Ablösung oder ein Erlöschen der Schuld bleiben hier auch nach der Rückerstattung beachtlich. Nicht ausdrücklich geregelt sind die Rechtsfolgen, die durch die Entziehung selbst bezüglich der Rechte Dritter eingetreten sind, hier also die Frage der Konfusion der Stellung von Forderungs- und Grundschuldgläubiger mit dem Eigentum am belasteten Grundstück. Einer solchen Regelung bedurfte es auch nicht, weil die Frage der Wirksamkeit des Entziehungstatbestandes selbst bereits in Art. 15 amerik. REG mit der dort aufgestellten Fiktion entschieden worden ist.
Hierbei ist zu beachten, daß Grundgeschäft der Entziehung und Entziehung einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen, dessen Folgen umzukehren Sinn der Rückerstattung ist (vgl. Kammergericht Berlin, Urteil vom 27. Januar 1951, veröffentlicht in Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht = RzW 1951 S. 191). Gemäß Art. 15 amerik. REG ist davon auszugehen, daß der Rückerstattungsberechtigte die Rechte an dem entzogenen Grundstücke niemals verloren hatte und dieser Entziehungsvorgang als nicht eingetreten gilt. Es soll mithin der frühere Rechtszustand wiederhergestellt werden. Da der Bf. sonach kraft der Fiktion des amerik. REG nie seine Eigentumsrechte an dem Grundstücke verloren hatte, war der Rückerstattungsverpflichtete rechtlich nie in der Lage gewesen, die Stellung des Grundschuldgläubigers und Forderungsschuldners in sich zu vereinigen. Demzufolge ist die der Grundschuld zugrunde liegende Forderung auch nicht durch Konfusion erloschen; die Grundschuld ist vielmehr stets eine Fremdgrundschuld geblieben. Zu Recht hat die Vorentscheidung deshalb einen Schuldnergewinn im Sinne von § 91 LAG und damit die HGA-Pflicht dem Grunde nach bejaht.
Der zu einem anderen Ergebnis führenden Entscheidung des Obersten Rückerstattungsgerichts Nürnberg vom 19. Oktober 1956 (RzW 1957 S. 38) kann nicht gefolgt werden. Dort hat es das Oberste Rückerstattungsgericht auf den Zeitpunkt des überganges des Grundstückes auf den Rückerstattungsverpflichteten abgestellt und sämtliche Rechte, die bis einschließlich der Vornahme der Entziehung erloschen waren, als nicht mehr fortbestehend angesehen. Diese Auslegung des Art. 37 amerik. REG verstößt gegen den Grundsatz des Art. 15 a. a. O., weil es dem Entziehungsvorgange, durch den die Konfusion erst hatte eintreten können, im Ergebnis noch eine spätere Wirksamkeit zukommen läßt. Ist der Entziehungstatbestand selbst der Grund für das Erlöschen einer dinglich gesicherten Forderung gewesen, so gilt das Erlöschen der Forderung ebenso wie die Entziehung selbst als nie eingetreten.
Etwas ist auch nicht aus der Tz. 103 des vorgenannten Erlasses des Bundesministers der Finanzen zu schließen. Abgesehen davon, daß diesem Erlaß keine Bindungswirkung für die Steuergerichte zukommt, behandelt er in Tz. 103 am Ende Fälle, die sich in doppelter Beziehung vom Tatbestande dieses Rechtsstreites unterscheiden. Während in Tz. 103 a. a. O. der Rückerstattungsverpflichtete nach der Entziehung durch Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten Eigentümerrechte erworben hat, ist es die Besonderheit dieses Rechtsstreites, daß der Rückerstattungsverpflichtete durch die Entziehung selbst die Stellung des Gläubigers und Schuldners in sich vereinigt hat. Wegen des grundsätzlichen Unterschiedes dieser Tatbestände können rechtliche Parallelen nicht gezogen werden.
Die Frage, ob Angehörige der Vereinten Nationen als solche von der HGA allgemein befreit sind, hat der Senat mit Urteil III 265/55 U vom 11. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 107, Slg. Bd. 70 S. 287) verneint. An dem dort ausgesprochenen Grundsatz wird festgehalten.
II. - Zu Recht rügt der Bf. aber eine Verletzung des § 4 der 15.AbgabenDV-LA. Zu der Frage, von welchem Zeitpunkte an die HGA-Leistungen zu erbringen sind, hat der Senat in seinem Urteil III 53/60 U vom 27. Oktober 1961 (BStBl 1962 III S. 12, Slg. Bd. 74 S. 31) Stellung genommen. Nach § 4 Abs. 1 der 15.AbgabenDV-LA werden Leistungen auf die der HGA unterliegenden Schuldnergewinne für die Zeit, in der das Rückerstattungsgrundstück "entzogen" war, gegen den Berechtigten nicht geltend gemacht, wenn dieses auf Grund einer nach den Rückerstattungsgesetzen wirksamen Vereinbarung in das Eigentum des Rückerstattungsberechtigten gelangt ist. Im Streitfalle ist eine solche Vereinbarung in dem Vergleich vor der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts zu erblicken.
Die Vorentscheidungen werden aufgehoben. Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das zu prüfen hat, wann die Entziehungsperiode geendet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 410769 |
BStBl III 1963, 267 |
BFHE 1963, 733 |
BFHE 76, 733 |