Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird ein zum Betriebsvermögen gehörender Kraftwagen auf einer Privatfahrt durch Unfall beschädigt oder zerstört, so dürfen die dadurch entstandenen Ausgaben oder Vermögensverluste den Betriebsgewinn nicht mindern.
Der durch einen Unfall bei einer Privatfahrt entstandene Verlust eines betrieblichen Kraftwagens rechtfertigt keine Steuerminderung wegen außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG.
Normenkette
EStG §§ 4-5, 12, 33
Tatbestand
Der Bf. erlitt im Streitjahr 1961 mit seinem betrieblichen Personenkraftwagen (PKW) auf einer Privatfahrt einen Unfall, bei dem der PKW fast vollständig zerstört wurde. Der Bf. buchte den Restbuchwert des PKW von 4382 DM aus und behandelte den Verkaufserlös von 800 DM als Betriebseinnahmen. Er beantragte, ihm wegen des Verlustes eine Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG zu gewähren; desgleichen wegen weiterer mit dem Unfall zusammenhängender Kosten. Das Finanzamt sah eine außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG nur in den Krankheitskosten, versagte dafür aber eine Steuerermäßigung, weil sie die Grenze der zumutbaren Eigenbelastung nicht überstiegen.
Das Finanzgericht erkannte noch einige kleinere, mit dem Unfall zusammenhängende Aufwendungen an und kam zu einer überbelastung von 100 DM. Es versagte aber eine Steuerermäßigung wegen des Schadens von 3582 DM, den der Bf. durch den Verlust des PKW erlitten hatte. Es führte aus, der Bf. habe den Verlust bei der Ermittlung seines betrieblichen Gewinns zutreffend als erfolgsneutral behandelt. Außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG könnten nur "Aufwendungen" sein. Da der Bf. den zerstörten PKW zutreffend als Privatvermögen behandelt habe, habe er keine "Aufwendungen" aus seinen Einnahmen gemacht, sondern einen privaten Vermögensverlust erlitten. Derartige Vermögensverluste seien aber keine "Aufwendungen". Wenn der Bf. bei der Unglücksfahrt infolge Sauerstoffmangels im PKW ohnmächtig geworden sei, so bedeute das allerdings nicht, daß er das Gefahrenrisiko einer Autofahrt freiwillig auf sich genommen habe; denn er habe bei seinem jugendlichen Alter nicht mit einer derartigen Unfallursache zu rechnen brauchen. Deswegen seien alle mit dem Unfall zusammenhängenden tatsächlichen Ausgaben außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG.
Mit seiner Rb. rügt der Bf. unrichtige Rechtsanwendung und macht geltend, er habe den PKW erst nach dem Unfall in das Privatvermögen überführt. Vorher sei es nicht möglich gewesen, da der PKW zum notwendigen Betriebsvermögen gehört habe. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß er den PKW schon mit Eintritt des Unfalles in das Privatvermögen überführt habe, sei unzutreffend. Zur Entnahme gehöre ein aktives Tun. Erst etwa fünf Wochen nach dem Unfall, nachdem er festgestellt hätte, daß eine Reparatur nicht in Betracht käme, habe er sich entschieden, die Wertminderung als Privatentnahme zu behandeln. Wäre eine Reparatur möglich gewesen, so hätte er nur die Reparaturkosten als private Aufwendungen behandelt. In der übernahme der Wertminderung auf sein Privatkonto lägen die "Aufwendungen". Der Begriff Aufwendungen decke sich mit dem Begriff Ausgaben. Zu den Ausgaben gehörten auch Sachleistungen, Verrechnungen und Vermögensverluste. Die Beschränkung der Ausgaben auf bare Aufwendungen und Sachleistungen führe zu untragbaren Ergebnissen. Die Wertminderung des PKW sei ein Aufwand im Sinne von § 7 EStG bzw. eine Ausgabe im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG kann eine Ausgabe als außergewöhnliche Belastung nur behandelt werden, wenn sie nicht zu den Betriebsausgaben oder Werbungskosten gehört. Mit Recht hat daher das Finanzgericht zunächst geprüft, ob der Verlust des PKW in den betrieblichen Bereich gehört und daher den Betriebsgewinn des Bf. schmälert. Verluste aus Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens sind zweifellos Betriebsaufwand, sofern sie betrieblich veranlaßt sind. Entgegen der noch im Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 195/34 vom 14. November 1934 (RStBl 1935 S. 823) vertretenen Auffassung hat die Rechtsprechung später anerkannt, daß ein Kraftwagenunfall ein Betriebsvorfall sein kann, wenn die Benutzung aus betrieblichen oder beruflichen Gründen geschah (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 739/38 vom 14. Dezember 1938, RStBl 1939 S. 212). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs ist allerdings stets mit einem erhöhten Unfallrisiko verbunden. Man könnte daran denken, die übernahme dieses Risikos dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Der Kraftwagen ist aber im modernen Wirtschaftsleben unentbehrlich geworden; Berufstätige können oft ihre Berufsaufgaben ohne ihn nicht erfüllen. Unter diesen Umständen ist die übernahme des Unfallrisikos bei Betriebsfahrten durch den Betrieb (Beruf) veranlaßt. Diesen Gedanken hat der Senat kürzlich im Urteil VI 343/62 S vom 8. April 1964 (BStBl 1964 III S. 271) in einem anderen Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, indem er nämlich anerkannte, daß eine erhöhte betriebliche Unfallgefahr auch bei Steuerpflichtigen besteht, die beruflich viel mit einem Kraftfahrzeug unterwegs sein müssen. Anders liegt es aber, wenn ein zum Betriebsvermögen gehörendes Kraftfahrzeug zu Privatfahrten benutzt wird. Ein auf einer Privatfahrt eintretender Unfall gehört ausschließlich in den privaten Bereich der Lebenshaltung. Reparaturausgaben oder wertmindernde Abschreibungen für einen solchen PKW dürfen den Betriebsgewinn nicht mindern. Aus dem Betriebsvermögen bezahlte Reparaturkosten sind also Privatentnahmen und belasten das Privatkonto, wie der Reichsfinanzhof und der Bundesfinanzhof wiederholt ausgesprochen haben, z. B. in den Urteilen IV 62/42 vom 13. August 1942 (RStBl 1942 S. 928); IV 611/54 U vom 12. April 1956 (BStBl 1956 III S. 176, Slg. Bd. 62 S. 474); IV 131/58 U vom 13. Mai 1959 (BStBl 1959 III S. 269, Slg. Bd. 69 S. 22); IV 344/58 U vom 23. November 1961 (BStBl 1962 III S. 123, Slg. Bd. 74 S. 321). Der Senat tritt dieser Rechtsprechung bei. Es bedarf keiner abschließenden Stellungnahme zu der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt der zerstörte PKW aus dem Betriebsvermögen in das private Vermögen überführt worden ist. Denn jedenfalls muß ein Steuerpflichtiger, der das mit einer privaten Autofahrt verbundene Risiko übernimmt, den dabei entstandenen Unfallschaden als Privatschaden behandeln. Unerheblich ist auch, ob und in welchem Masse der Steuerpflichtige den Unfall verschuldet hat. Wesentlich ist nur, im Einzelfall den privaten und den beruflichen Risikobereich gegeneinander abzugrenzen.
Der Bf. geht in übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung auch selbst davon aus, daß der Verlust des PKW, der auf einer Privatfahrt durch Unfall zerstört wurde, kein Betriebsverlust ist und deshalb den betrieblichen Gewinn nicht mindern kann. Zutreffend hat der Bf. daher den Vermögensverlust erfolgsneutral behandelt und den Buchwert des zerstörten PKW über das Kapitalkonto ausgebucht. Die Schlußfolgerung des Bf., daß ihm eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG zu gewähren sei, weil der Vermögensverlust im außerbetrieblichen privaten Lebensbereich entstanden sei, ist aber nicht begründet. Außergewöhnliche Belastungen sind nur Aufwendungen, denen sich der Steuerpflichtige aus rechtlichen, sittlichen oder tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte. Das Finanzgericht verneint, daß der Bf. "Ausgaben" gemacht habe. Der Bf. glaubt dagegen, daß auch der "Aufwand" des Vermögensverlustes eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG rechtfertigen könne. Dem ist nicht zu folgen. § 33 EStG will Steuerpflichtigen, die einen Teil ihres Jahreseinkommens zwangsläufig für außergewöhnliche Belastungen verausgaben müssen, eine Ermäßigung der Einkommensteuer gewähren. Vorgänge im Bereich des Vermögens fallen daher grundsätzlich nicht unter § 33 EStG (vgl. Urteile des Senats VI 7/59 S vom 7. August 1959, BStBl 1959 III S. 383, Slg. Bd. 69 S. 324; VI 141/59 S vom 7 August 1959, BStBl 1959 III S. 385, Slg. Bd. 69 S. 330; VI 20/63 U vom 28. Februar 1964, BStBl 1964 III S. 245). Der Verlust eines PKW durch Unfall oder Diebstahl ist aber ein solcher Vermögensverlust. Der Einwand, daß durch die Anschaffung eines neuen PKW Ausgaben entstanden seien, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Wiederbeschaffungskosten sind als Anschaffungskosten eines zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts zu aktivieren und führen nur zu einer Betriebsvermögensumschichtung.
Nach allem ist dem Finanzgericht im Ergebnis zuzustimmen.
Fundstellen
Haufe-Index 411166 |
BStBl III 1964, 453 |
BFHE 1964, 602 |
BFHE 79, 602 |
BB 1964, 994 |
DB 1964, 1210 |
DStR 1964, 495 |