Entscheidungsstichwort (Thema)
Solidaritätszuschlagsgesetz 1991 verfassungsgemäß; rechtliches Gehör gewahrt bei Auseinandersetzung mit wesentlichen Argumenten der Beteiligten
Leitsatz (NV)
1. Das Solidaritätszuschlagsgesetz vom 24. Juni 1991 ist nicht verfassungswidrig.
2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet für das Gericht die Verpflichtung, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Es muß sich aber nicht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen. Hat sich das FG mit den wesentlichen Argumenten des Klägers eingehend auseinandergesetzt, so hat es dem Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in der gebotenen Weise genügt.
Normenkette
SolZG 1991 § 1; GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 15. April 1993 den Solidaritätszuschlag 1991 auf ... DM und mit Bescheid vom 11. November 1993 den Solidaritätszuschlag 1992 auf ... DM fest.
Die Klagen, die der Kläger auf Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes (SolZG) vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1318, BStBl I 1991, 640) stützte, hat das Finanz gericht (FG) abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, gegen das SolZG beständen insoweit keine Bedenken, als der Solidaritätszuschlag als Abgabe geregelt sei (§ 1 SolZG). Der Gesetzgeber habe nur deshalb den Weg der selbständigen Ergänzungsabgabe anstelle einer Tariferhöhung bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer gewählt, weil der fiskalische Mehrbedarf fast ausschließlich beim Bund und nicht bei den Ländern entstanden sei. Es habe vermieden werden sollen, die Mehreinnahmen mit den Ländern teilen zu müssen. Außer dieser Auswirkung auf die Aufkommensverteilung komme der Bezeichnung des Solidaritätszuschlags als Abgabe keine eigenständige materielle Bedeutung zu. Im übrigen habe der Gesetzgeber in der Vergangenheit bei identischer Ausgangslage zur Deckung eines erhöhten Finanzbedarf bereits zweimal mit der Einführung des Stabilitätszuschlags als auch der Ergänzungsabgabe Regelungen getroffen, die mit dem SolZG in Inhalt und Zwecksetzung vergleichbar seien. Sowohl die Ergänzungsabgabe als auch der Stabilitätszuschlag seien vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar erklärt worden (vgl. Beschlüsse vom 9. Februar 1972 1 BvL 16/69, BStBl II 1972, 408 ff., und vom 2. Oktober 1973 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, 66 ff.). Aus den in diesen beiden Entscheidungen enthaltenen Gründen sehe das Gericht das SolZG als eine in verfassungskonformer Ausgestaltung vorgenommene Steuererhöhung an. Eine Zweckbindung der durch den Solidaritätszuschlag erzielten Einnahmen zur Verwendung für den besonderen Finanzbedarf infolge des Beitritts der neuen Bundesländer sei dem SolZG nicht zu entnehmen. Es habe vielmehr der allgemeine staatliche Finanzbedarf gedeckt werden sollen. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip sei nicht gegeben. Der Steuergesetzgeber habe nach der Rechtsprechung des BVerfG eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, ob und welche Steuerquellen zu welchem Steuersatz er erschließen wolle. Diese finde ihre Grenzen darin, daß eine getroffene steuerliche Regelung nicht evident unsachlich sein dürfe. Bei der Sanierung des Staatshaushalts habe der Gesetzgeber eine noch größere Wertungsfreiheit; Steuererhöhungen zur Schließung von Haushaltslücken seien verfassungsrechtlich unbedenklich. Lege man diese Grundsätze zugrunde, so habe der Gesetzgeber mit der Einführung des SolZG eine Maßnahme getroffen, die sowohl den Bedürfnissen des Staatshaushalts als auch den Interessen der Steuerpflichtigen an einer zumutbaren, an der individuellen Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung Rechnung trage. Der Solidaritätszuschlag sei auf ein Jahr befristet gewesen. Von einem konfiskatorischen Effekt könne bei seiner Bemessung nicht einmal ansatzweise gesprochen werden. Darüber hinaus müsse das SolZG im Kontext mit anderen vom Gesetzgeber verabschiedeten steuerlichen Regelungen betrachtet werden, die nicht zu einer steuerlichen Mehrbelastung, sondern zu einer steuerlichen Entlastung führten.
Mit den Revisionen rügt der Kläger Verfassungswidrigkeit des SolZG und Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das FG.
Er trägt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in Betriebsberater (BB) 1992, 2043 und BB 1993, 1535 im wesentlichen vor, der Solidaritätszuschlag werde als Ergänzungsabgabe erhoben und nicht als Steuer. Er erfülle auch nicht die Voraussetzungen einer Steuer. Nach dem Wortlaut handle es sich um eine Abgabe. Außerdem diene er nicht dem allgemeinen Finanzbedarf, sondern sei auf Verschaffung von Mitteln für den besonderen Finanzbedarf ausgerichtet. Sehe man den Solidaritätszuschlag als Steuer an, so sei er nach dem Wortlaut des § 1 SolZG nicht als eigenständige Steuer ausgebildet; der Bundesrat hätte dem SolZG zustimmen müssen. Mangels Zustimmung wäre das SolZG verfassungswidrig. Außerdem ergebe sich die Verfassungswidrigkeit daraus, daß der Solidaritätszuschlag nicht die Voraussetzungen einer Zwecksteuer erfülle. Darüber hinaus dürfe nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erhoben werden. Schließlich verstoße das SolZG gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Steuererhöhung sei nicht erforderlich gewesen, weil der Staat zuvor nicht alles getan habe, um Einsparungen im Haushalt vorzunehmen und die Verschleuderung von Steuergeldern zu unterbinden.
Mit Schriftsatz vom 30. Mai 1994 hat der Kläger den Solidaritätszuschlagsbescheid 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 1992 vom 5. Mai 1994 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Der Kläger beantragt, die Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Entscheidung des BVerfG einzuholen, daß das SolZG vom 24. Juni 1991 verfassungswidrig ist; hilfsweise die Vorentscheidungen, den Solidaritätszuschlagsbescheid 1991 vom 15. April 1993 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 16. August 1993 und den Solidaritätszuschlagsbescheid 1992 vom 11. November 1993 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 1994 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat mit Beschluß vom 28. Februar 1996 die Verfahren XI R 83/94 und XI R 84/94 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Gegenstand des Revisionsverfahrens XI R 84/94 ist aufgrund des gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtzeitig gestellten Antrags des Klägers der Bescheid über den Solidaritätszuschlag 1992 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 1994 geworden.
Die Revisionen des Klägers sind unbegründet. Sie werden gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückgewiesen.
1. Einer Anrufung des BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf es nicht. Der Senat hält das SolZG 1991 nicht für verfassungswidrig.
a) Der Bundestag war zum Erlaß des SolZG nach Art. 105 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG befugt. Der Solidaritätszuschlag ist eine Steuer, deren Aufkommen dem Bund zusteht.
Nach § 1 SolZG 1991 wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Mag das Wort Ergänzungsabgabe -- für sich betrachtet -- auch auf eine Abgabe hindeuten, so spricht die Anknüpfung an die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer doch bereits für eine Steuer. Dies gilt um so mehr, als diese Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG unter den Steuern, deren Aufkommen dem Bund zusteht, aufgeführt ist.
Die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer wurde bisher als zu den Steuern vom Einkommen gehörig beurteilt (BVerfG-Beschlüsse vom 7. Mai 1963 2 BvL 8, 10/61, BVerfGE 16, 64, 75, und vom 9. Februar 1972 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, 337). Dies gilt -- entgegen der Auffassung des Klägers -- auch für den Solidaritätszuschlag. Er erfüllt nach seinem maßgeblichen materiellen Gehalt (BVerfG-Beschluß vom 6. Dezember 1983 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 344) alle Tatbestandsmerkmale einer Steuer i. S. der Art. 105 ff. GG. Der Begriff der Steuer ist im GG nicht definiert. Er knüpft an die Definition der Abgabenordnung (AO 1977) an (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. u. a. Beschlüsse vom 2. Oktober 1973 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, 66, 70 und vom 6. November 1984 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 257, 282). Gemäß § 3 Abs. 1 AO 1977 sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein. Steuer und Sonderabgabe stimmen insoweit überein, als den Betroffenen die Geldleistungspflicht "voraussetzungslos" -- d. h. ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Gegenleistung der öffentlichen Hand -- auferlegt wird. Sie unterscheiden sich in ihrem rechtlichen Charakter jedoch grundlegend. Mit der Sonderabgabe werden Angehörige bestimmter Gruppen in Anspruch genommen. Sie dient lediglich der Finanzierung besonderer Aufgaben, zu denen eine Gruppe eine deutlich größere, durch eine objek tive Interessenlage geprägte Sachnähe aufweist als die Allgemeinheit und deren Bewältigung in eine herausragende Verantwortung dieser Gruppe fällt (BVerfG-Urteile vom 10. Dezember 1980 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 298, und in BVerfGE 67, 257, 275).
Der Solidaritätszuschlag weist schon deshalb nicht die Merkmale einer Sonderabgabe auf, weil ihm ohne Ausnahme alle Einkommen unterworfen sind. Abgabepflichtig sind natürliche Personen, die nach § 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einkommensteuerpflichtig sind und Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach § 1 oder § 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) körperschaftsteuerpflichtig sind (§ 2 SolZG 1991). Darüber hinaus sollen durch den Solidaritätszuschlag auch nicht besondere Aufgaben finanziert werden.
Der Solidaritätszuschlag, der von den FÄ erhoben wird, dient der Erzielung von Einkünften zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs. Abgesehen davon, daß eine Zweckbindung des Aufkommens dem Charakter einer Abgabe als Steuer nicht entgegensteht (vgl. BVerfG-Beschluß vom 12. Oktober 1978 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343, 353), war der Solidaritätszuschlag nicht zur Verwendung für Aufgaben in den neuen Bundesländern bestimmt. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung und der haushaltsmäßigen Behandlung des Solidaritätszuschlags. Zielsetzung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlags und zur Änderung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen (Solidaritätsgesetz) war es, die Haushaltseinnahmen des Bundes zur Finanzierung der zusätzlichen Aufgaben zu verbessern. Die Gesetzesbegründung lautet wie folgt: "Die jüngsten Veränderungen in der Weltlage nehmen die Bundesrepublik Deutschland verstärkt in die Pflicht. Die hiermit verbundenen finanziellen Anforderungen gehen weit über den bisherigen Finanzrahmen hinaus. Eine Neubewertung der finanzpolitischen Handlungsalternativen ist deshalb unumgänglich. Mehrbelastungen ergeben sich nicht nur aus dem Konflikt am Golf, der auch nach seinem Ende finanzielle Anforderungen mit sich bringen wird. Finanzielle Mittel werden auch für die Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südosteuropa auf dem Weg zur Marktwirtschaft und Demokratie benötigt. Hinzu kommen zusätzliche, früher nicht absehbare Aufgaben in den neuen Bundesländern, die sich aus externen Entwicklungen, insbesondere aus dem Zusammenbruch der früheren RGW-Absatzmärkte ergeben. Ein Ausgleich dieser zusätzlichen finanziellen Anforderungen ist in vollem Umfang im bisherigen Einnahmerahmen nicht mehr zu erreichen. " ... Die notwendigen steuerpolitischen Maßnahmen müssen die absehbaren, zusätzlichen Staatsaufgaben abdeken. ... " (BTDrucks 12/220 S. 1 und 6). Entsprechend der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Verwendung der Mehraufwendungen durch den Solidaritätszuschlag für den insgesamt gestiegenen Finanzbedarf des Bundes wurden die Einnahmen daraus in den Bundeshaushaltsplänen 1991 und 1992 im Einzelplan 60 "Allgemeine Finanzverwaltung" unter Kapital 6001 ausgewiesen. In diesem Einzelplan sind nach dessen Vorwort "diejenigen Einnahmen und Ausgaben des Bundes veranschlagt, die keine besondere Beziehung zu einem Verwaltungszweig haben."
Der Solidaritätszuschlag ist nicht Teil der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, deren Aufkommen nach Art. 106 Abs. 3 GG auch den Ländern zusteht. Die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer sind für den Solidaritätszuschlag Bemessungsgrundlage (§ 3 SolZG 1991). Nach der besonderen Gesetzesbegründung zu § 1 SolZG ist er als Ergänzungsabgabe i. S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG aber eine selbständige, gesondert von der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zu erhebende Steuer und knüpft nur aus technischen Gründen an diese an (BTDrucks 12/220 S. 6 und 7). Da das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG ausschließlich dem Bund zufließt, bedurfte es zum Erlaß des SolZG nicht der Zustimmung des Bundesrats (Art. 105 Abs. 3 GG).
b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Befristung des Solidaritätszuschlags gemäß § 3 SolZG 1991 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Funktion der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes zu decken (vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 106 Rdnr. 28), entspricht mehr eine befristete als eine unbefristete Erhebung. Das Erfordernis einer Befristung ist allerdings -- trotz entsprechender Überlegungen bei Einführung der Ergänzungsabgabe durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Januar 1955 -- nicht in die Verfassung aufgenommen worden (vgl. BVerfG-Beschluß in BVerfGE 32, 333, 341). Dies läßt jedoch nicht darauf schließen, daß eine Befristung mit dem GG nicht vereinbar sei. Insbesondere kann dies nicht dem genannten BVerfG-Beschluß in BVerfGE 32, 333 entnommen werden. Das BVerfG hatte darüber zu entscheiden, ob die unbefristete Erhebung der Ergänzungsabgabe gegen das GG verstößt. Es hat ausgeführt, es sei von der Verfassung her nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen (BVerfGE 32, 340). Diese Aussage läßt sich nur dahin verstehen, daß es aber jedenfalls unschädlich ist, wenn sie befristet wird.
c) Der Senat vermag dem Kläger auch insoweit nicht zu folgen, als er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch als verletzt ansieht, daß der Gesetzgeber Möglichkeiten der Einsparung außer Betracht gelassen hat. Der Gesetzgeber hat bei der Erschließung von Steuerquellen weitgehende Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 29. November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, 117, und vom 11. Februar 1992 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238, 244). Das Recht, Steuern zu erheben und zu erhöhen, findet seine Grenze an den Grundrechten des steuerpflichtigen Bürgers, hier Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 14 GG. Dabei muß der Eingriff durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein (vgl. BVerfG- Beschlüsse vom 9. Januar 1991 1 BvR 129/89, BVerfGE 83, 201, 212, und vom 25. September 1992 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BStBl II 1993, 413, 418). Der grundgesetzliche Schutz des Einzelnen bezieht sich allerdings nur darauf, ob der Eingriff durch die Besteuerung als Instrument der Einnahmeerzielung des Staates gerechtfertigt ist. Er erlaubt keine Überprüfung der Ausgabengestaltung (vgl. BVerfG-Beschluß vom 26. August 1992 2 BvR 478/92, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1993, 455; vgl. auch Beschluß vom 15. Juni 1988 1 BvR 1301/86, BVerfGE 78, 320, 331; Maunz/Dürig, a. a. O., Art. 14 Rdnr. 178, und v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 72 und 73).
Ob und in welchem Umfang im Jahre 1991 die Möglichkeit bestand, durch Einsparungen, Eindämmung der Verschleuderung von Staatsmitteln und Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität zusätzliche Mittel zu erhalten, ist danach unbeachtlich.
Die zusätzliche Steuerbelastung des Einkommens durch den Solidaritätszuschlag, die sich bei Einkommensteuerpflichtigen mit dem Spitzensteuersatz auf 1,9875 % und bei Körperschaftsteuerpflichtigen auf 1,875 % belief, ist andererseits nicht so schwerwiegend, daß sie als unverhältnismäßiger Eingriff in die durch die Verfassung geschützten Rechte des Steuerpflichtigen angesehen werden könnte.
d) Andere Gründe, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des SolZG 1991 sprechen könnten, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß das BVerfG die gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Januar 1993 XI R 63/92 (BFH/NV 1993, 414) und gegen den BFH- Beschluß vom 8. Juli 1993 X B 182/92 (BFH/NV 1994, 324) erhobenen Verfassungsbeschwerden mit Beschlüssen vom 12. Juni 1995 2 BvR 762/93 und 2 BvR 2310/93 ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen hat.
2. Auch der Hilfsantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorentscheidung ist Rechtens. Die vom Kläger behauptete Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das FG liegt -- unabhängig davon, ob sie ordnungsgemäß gerügt worden ist -- jedenfalls nicht vor. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet für das Gericht die Verpflichtung, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Es muß sich aber nicht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 10. März 1992 2 BvR 430/91, NJW 1992, 2217, und vom 19. Mai 1992 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 145, 146). Das FG hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klägers eingehend auseinandergesetzt. Es hat damit dem Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in der gebotenen Weise genügt.
Zu Recht hat das FG die angefochtenen Solidaritätszuschlagsbescheide 1991 und 1992 für rechtmäßig erachtet und die Klagen abgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 421330 |
BFH/NV 1996, 712 |