Leitsatz (amtlich)

Der formularmäßige Verzicht auf Umsatzsteuerbescheid und Rechtsmitteleinlegung gemäß Buchst. C in den Umsatzsteuererklärungsvordrucken entspricht den verfahrensrechtlich gebotenen Anforderungen.

 

Normenkette

AO § 210b Abs. 2; UStG 1951 § 13 Abs. 3 S. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) gab in seiner Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1957 die Art seines Unternehmens an. Er bezifferte die Höhe seiner steuerpflichtigen Umsätze und errechnete dementsprechend seine Umsatzsteuerschuld. Er unterließ es dabei, die in dem Umsatzsteuererklärungs-Vordruck unter Buchst. C vorgesehene Erklärung über den "Verzicht auf Umsatzsteuerbescheid und Rechtsmitteleinlegung" zu streichen. Das FA setzte am 3. Dezember 1959 die Umsatzsteuer entsprechend den Angaben des Steuerpflichtigen als Erhebungssoll fest.

Das FA verwarf den bei ihm am 11. Januar 1960 eingegangenen Einspruch vom 8. Januar 1960 durch Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 1960 als unzulässig.

Das FG hat die Klage (Berufung) als unbegründet zurückgewiesen und dazu ausgeführt, der Steuerpflichtige habe auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Umsatzsteuerfestsetzung wirksam verzichtet und der Einspruch sei infolgedessen unzulässig gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die als Revision zu behandelnde Rb. (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kann keinen Erfolg haben.

Der Steuerpflichtige ist in den Fällen, in denen er auf die Erteilung eines Steuerbescheides (§ 210b AO) und auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet hat, an die nach seinen Angaben durchgeführte Steuerfestsetzung gebunden (siehe Urteile des BFH II 46/51 vom 3. August 1951, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 210b Rechtsspruch 1; V 227/60 U vom 23. Juli 1964, StRK, Reichsabgabenordnung, § 210 b, Rechtsspruch 5). Die Vorinstanz hat daher den Einspruch zutreffend als unzulässig angesehen; denn der Steuerpflichtige hatte auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet, und die Umsatzsteuer war nach seinen Angaben festgesetzt worden.

Der Steuerpflichtige wendet zu Unrecht ein, der formularmäßige Rechtsmittelverzicht vor Erlaß des Steuerbescheides entspreche nicht den Anforderungen, die nach den Urteilen des BFH IV 524/52 U vom 30. Juli 1953 (BFH 57, 760, BStBl III 1953, 288) und IV 154/54 U vom 13. Mai 1954 (BFH 59, 28, BStBl III 1954, 219) an einen Rechtsmittelverzicht gestellt werden müßten. In den Fällen, auf die sich der Steuerpflichtige beruft, hatten bei den Steuerpflichtigen Prüfungen stattgefunden (in dem einen Fall eine Betriebsprüfung, im anderen Fall eine Fahndungsprüfung). Die Steuerpflichtigen hatten im Anschluß daran erklärt, auf Rechtsmittel zu verzichten. In dem zuerst angeführten Urteil wurde die Erklärung des Steuerpflichtigen deshalb nicht als rechtswirksamer Verzicht auf Rechtsmittel angesehen, weil die vom FA entworfene Fassung der Erklärung Zweifel darüber zuließ, worauf sich der Verzicht beziehen sollte (Verzicht auf Rechtsmittel gegen künftige Steuerbescheide oder nur Verzicht auf weitere Einwendungen gegen den Betriebsprüfungsbericht). In dem zuletzt zitierten Urteil hatte der Steuerpflichtige auf die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Steuerfestsetzung, die ihm zahlenmäßig genau genannt worden war, verzichtet. Der Verzicht wurde in diesem Fall als wirksam angesehen. In beiden Urteilen werden mithin an die Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts keine höheren Anforderungen gestellt als sie in der formularmäßigen Verzichterklärung berücksichtigt sind.

Der Verzicht auf Steuerbescheid und Rechtsmitteleinlegung, der in den Umsatzsteuererklärungs-Vordrucken vorgesehen ist, ermöglicht ein auf die Bedürfnisse der Praxis abgestelltes vereinfachtes Veranlagungsverfahren. Der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen ist bei diesem vereinfachten Verfahren in vollem Umfang gewahrt. Der Steuerpflichtige hat in der Umsatzsteuererklärung alle für die Bemessung der Umsatzsteuer erforderlichen Angaben selbst zu machen und die Steuer selbst zu berechnen. Nur wenn die Steuer entsprechend seinen eigenen Angaben und in der von ihm selbst errechneten Höhe festgesetzt wird, sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen der Verzicht auf die Einlegung von Rechtsmitteln wirksam wird. Eine Irreführung oder Benachteiligung des Steuerpflichtigen durch das FA wird durch die Fassung der Verzichterklärung ausgeschlossen.

Der Senat hat daher in ständiger Rechtsprechung die im Wege der vereinfachten Veranlagung vorgenommenen Steuerfestsetzungen ohne Rücksicht auf das jeweilige fiskalische Ergebnis rechtskräftigen Bescheiden gleichgestellt (BFH-Entscheidung V 79/60 U vom 22. November 1962, BFH 76, 141, BStBl III 1963, 51).

Wenn der Steuerpflichtige einwendet, der Rechtsmittelverzicht sei deshalb unwirksam, weil er bedingt abgegeben worden sei (nämlich unter der Voraussetzung, daß die Umsatzsteuerschuld entsprechend den Angaben in der Steuererklärung festgesetzt werde), der Verzicht auf die Einlegung von Rechtsmitteln sei aber bedingungsfeindlich, so verkennt er, daß die Verzichterklärung keine "Bedingung" enthält. Unter "Bedingung" in diesem Sinne sind nur solche rechtsgeschäftlichen Bestimmungen zu verstehen, durch die die Wirkungen des Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht werden (siehe Palandt, Kommentar zum BGB, 27. Aufl., 1968, Einführung vor § 158 Anm. 2; Enneccerus-Kipp-Wolff, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., 1960, Erster Band, § 194, S. 1185). Die vereinfachte Umsatzsteuerveranlagung beruht auf dem Erlaß des RdF S 4230 - 160 III vom 11. August 1942 (RStBl 1942, 849). Sie ist nach Abschn. 2 Abs. 5 dieses Erlasses an die Voraussetzung geknüpft, daß das FA die Angaben des Steuerpflichtigen unverändert übernimmt und die Umsatzsteuer entsprechend diesen Angaben festsetzt. Die Wiedergabe dieser Voraussetzung für das vereinfachte Verfahren in der Verzichterklärung des Steuerpflichtigen bedeutet mithin keine von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängige Beschränkung einer Willenserklärung. Es handelt sich nicht um eine "echte" Bedingung im Zusammenhang mit einer bedingungsfeindlichen Willenserklärung, sondern um eine sogenannte "Rechts bedingung" (Enneccerus-Kipp-Wolff, a. a. O., S. 1187). Die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts hängt nicht erst auf Grund der Erklärung des Steuerpflichtigen, sondern schon auf Grund des oben angeführten RdF-Erlasses von einer Tatbestandsvoraussetzung (nämlich Übereinstimmung der Steuererklärung und der Steuerveranlagung hinsichtlich der Höhe der Steuer) ab.

Unzutreffend ist die Auffassung des Steuerpflichtigen, es stehe einer Abweichung von den Angaben in der Umsatzsteuererklärung gleich, daß das FA die Art der Berufstätigkeit bei der Einkommensteuer- und Gewerbesteuerfestsetzung abweichend von den Angaben in der Einkommensteuererklärung beurteilt habe. Für die Frage, ob der Rechtsmittelverzicht gültig ist, kann nur auf die Übereinstimmung der Umsatzsteuererklärung mit der Umsatzsteuerfestsetzung abgestellt werden. Insoweit liegt aber kein Widerspruch zwischen Steuererklärung und Festsetzung vor.

Dementsprechend war es der Vorinstanz auch verwehrt, den Sachverhalt sachlich-rechtlich nachzuprüfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67998

BStBl II 1968, 425

BFHE 1968, 72

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